L 7 AS 1942/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 18/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1942/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 11.09.2013 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 27.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2010 verurteilt, den Darlehensbescheid vom 12.12.2008 über das Teilanerkenntnis hinaus zu ändern und auch die für die Zeit vom 01.10.2007 bis zum 30.11.2008 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in einen Zuschuss umzuwandeln. Der Beklagte hat die Kosten der Kläger zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Umwandlung von darlehensweise bewilligten Leistungen in einen Zuschuss.

Die 1982 geborene Klägerin zu 1) und der 1979 geborene Kläger zu 2) sind zu je 1/2 Inhaber eines 500/1000-Miteigentumsanteils an dem im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts J von N, Blatt 5203, Gemarkung N, Flur 00, Flurstück 00 eingetragenen Grundstücks N 00. Der jeweilige Anteil ist verbunden mit Sondereigentum an der im Aufteilungsplan Nr. 1 gekennzeichneten Wohnung im Erd- und Dachgeschoss sowie fünf Kellerräumen, einem Spitzboden, einer Garage und einem Balkon. Der Miteigentumsanteil der Kläger ist beschränkt durch Sondereigentum an einer weiteren Wohnung der übrigen Miteigentümer. Bei den weiteren Miteigentümern handelt es sich um die Eltern des Klägers zu 2). Ferner ist den Klägern zu 1) und 2) ein Sondernutzungsrecht bezogen auf die Gartenfläche Nr. 1 begründet und zugeordnet worden. Das aufgrund eines notariellen Vertrags vom 08.06.2006 in Wohnungseigentumsanteile aufgeteilte Grundstück ist mit einer in den Jahren 2006-2007 errichteten Doppelhaushälfte bebaut. Die Kläger wohnen in der den Klägern zu 1) und 2) zugewiesenen Doppelhaushälfte. Nach der Bauplanung sind vier Schlafräume (eins im Erdgeschoss und drei im Obergeschoss) enthalten.

Die Kläger zu 3) - geboren 2004 - und 4) - geboren 2008 - sind die gemeinsamen Kinder der Kläger zu 1) und 2).

Der Kläger zu 2) bezog bis zum 22.10.2007 Arbeitslosengeld. Am 09.10.2007 beantragten die Kläger zu 1) bis 3) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bei der Gemeinde N. Diese bewilligte den Klägern zu 1) bis 3) für die Zeit vom 01.10.2007 bis zum 31.03.2008 Leistungen. Für die Zeit ab dem 08.02.2008 bewilligte die Gemeinde N auch der an diesem Tag geborenen Klägerin zu 4) Leistungen. Die Bewilligung erfolgte im Hinblick auf die fragliche Verwertbarkeit des Miteigentumsanteils zunächst vorläufig unter Bezugnahme auf §§ 40 SGB II iVm 328 SGB III (Bescheide vom 19.03.2008 und 16.05.2008 für die Zeit vom 01.10.2007 bis zum 31.03.2008; Bescheid vom 16.05.2008 für die Zeit vom 01.04.2008 bis zum 30.09.2008, Bescheid vom 12.11.2008 für die Zeit vom 01.10.2008 bis zum 31.03.2009).

Der Beklagte holte von Frau Dipl.-Ing. T ein Wertgutachten zu der von den Klägern bewohnten Doppelhaushälfte ein. Diese schätzte den Verkehrswert des Sondereigentums an der Doppelhaushälfte zum 01.10.2007 auf 213.500,00 EUR. Das Gesamtgrundstück sei 700 m² groß, die Doppelhaushälfte habe eine Wohnfläche von 134 m². Im Dezember 2008 lasteten auf dem Miteigentumsanteil Grundpfandrechte iHv insgesamt 149.413,48 EUR.

Nach Anhörung der Kläger teilte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 12.12.2008 mit: "Nach Abschluss der Vermögensprüfung werden die Ihnen und Ihren Kindern Alina und Ariana vom Bürgermeister der Gemeinde N mit Bescheiden vom 16.05.2008 und 12.11.2008 seit dem 01.10.2007 vorläufig gewährten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (einschließlich der Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung) aufgrund verwertbaren Vermögens in Gestalt Ihres Hausgrundstücks ‚N 00‘ als zinsloses Darlehen gemäß § 23 Abs. 5 Satz 1 SGB II bewilligt befristet bis zum 31.12.2009, sofern Hilfebedürftigkeit weiterhin gegeben ist, mit der Maßgabe, dass Sie zur Sicherung der Rückzahlung des Darlehens eine Grundschuld iHv 39.000,00 EUR im Grundbuch eintragen lassen."

Die Leistungen seien darlehnsweise zu gewähren, weil die von den Klägern bewohnte Doppelhaushälfte nicht zum geschützten Vermögen gehöre. Die Wohnfläche läge mit 134 m² über dem für einen Vier-Personen-Haushalt zulässigen Grenzwert von 130 m². Bei einem Verkehrswert von 213.500,00 EUR verbleibe unter Berücksichtigung der auf der Immobilie valutierenden Belastungen und der Vermögensfreibeträge einzusetzendes Vermögen von rund 52.800,00 EUR. Da den Klägern der sofortige Verbrauch bzw die sofortige Verwertung des Grundstücks nicht möglich sei, würden die durch die Gemeinde N vorläufig gezahlten Leistungen in Anwendung von § 23 Abs. 5 Satz 1 SGB II als zinsloses Darlehen bewilligt. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Die Kläger zu 1) und 2) bewilligten zu Gunsten des Beklagten eine Grundschuld iHv 39.000,00 EUR, die in Abteilung III des Grundbuches eingetragen wurde.

Mit Bescheid vom 12.02.2009 bewilligte die Gemeinde N den Klägern Leistungen für die Zeit vom 01.01.2009 bis zum 31.03.2009. Der Bescheid enthält den folgenden Hinweis: "Die Prüfung, ob der Einsatz ihrer Immobilie als Vermögen gemäß § 12 SGB II gefordert werden kann, ist abgeschlossen. Die beantragten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II werden gemäß Darlehensbescheid des Kreises T ab dem 01.10.2007 als Darlehen gewährt." Mit Bescheid vom 09.04.2009 wurden den Klägern für die Zeit vom 01.04.2009 bis zum 30.09.2009 Leistungen als Darlehen bewilligt.

Mit Schreiben vom 25.08.2009 beantragten die Kläger die Umwandlung der seit dem 01.10.2007 darlehnsweise bewilligten Leistungen in einen Zuschuss. Die maximale Wohnflächengrenze Grenze von 130 m² sei nur geringfügig überschritten. Die Kläger hätten von Beginn an einen weiteren Kinderwunsch gehabt, den der Beklagte bei der Berechnung der Wohnflächengrenze habe berücksichtigen müssen. Am 05.09.2009 wurde der Sohn N geboren.

Mit Bescheid vom 27.10.2010 wandelte der Beklagte die darlehnsweise erbrachten Leistungen für die Zeit ab dem 27.08.2009 in einen Zuschuss um. Für den Zeitraum vom 01.10.2007 bis zum 26.08.2009 lehnte er dies ab. Der 27.08.2009 sei der Stichtag für die Umwandlung, weil ab diesem Tag bekannt gegeben wurde, dass die Klägerin zu 1) erneut schwanger sei. Für die Zeit davor sei eine Umwandlung der darlehnsweise bewilligten Leistungen abzulehnen, weil der Kinderwunsch kein Kriterium sei, um von einer größeren Wohnfläche als 130 m² für einen Vierpersonenhaushalt auszugehen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.2010 zurück.

Am 12.01.2011 haben die Kläger unter Beifügung der angefochtenen Bescheide beim Sozialgericht Münster Klage erhoben. Weil das Hausgrundstück jetzt vom Beklagten als Schonvermögen anerkannt worden sei, müsse es nicht zur Darlehenstilgung verwendet werden. Aus dem laufenden Einkommen und ihrem sonstigen Vermögen könne das Darlehen nicht zurückgezahlt werden.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Kläger erklärt, dass sie die Klage auch im Namen ihrer Kinder B und B1 erheben wollten.

Die Kläger haben beantragt,

in Abänderung des Bescheides vom 27.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2010 den Beklagten zu verurteilen, das mit Darlehensbescheid vom 12.12.2008 gewährte Darlehen für den Zeitraum vom 01.10.2007 bis 26.08.2009 in einen Zuschuss umzuwandeln und die Löschung der im Grundbuch von N Blatt 5203 eingetragenen brieflosen Grundschuld in Höhe von 39.000,00 EUR zu bewilligen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von Dipl.-Ing. T1. Dieser hat in seinem Gutachten vom 01.03.2012 ausgeführt, die Wohnfläche betrage 132,66 m², gerundet 133 m². Der Verkehrswert betrage zum Stichtag 01.10.2007 229.000,00 EUR und zum Stichtag 26.08.2009 235.000,00 EUR. Ferner hat das Sozialgericht die Bauakte der Gemeinde N zum streitgegenständlichen Objekt beigezogen.

Mit Urteil vom 11.09.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage der Klägerinnen zu 3) und 4) sei unzulässig. Die Erklärung in der mündlichen Verhandlung, wonach die Klage auch in deren Namen erhoben werden sollte, sei keine bloße Klarstellung, sondern eine Erweiterung der Beteiligten auf Klägerseite und damit eine Klageänderung im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG. Die so geänderte Klage sei nach Ablauf der Klagefrist des § 87 SGG erhoben worden. Selbst wenn man der Rechtsprechung des LSG Nordrhein-Westfalen (Beschlüsse vom 29.08.2013 - L 19 AS 1342/12 B; L 19 AS 1344/12 B, L 19 AS 1345/12 B) folge und prozessuale Anträge so auslegt, dass ein Begehren eines Antragstellers bzw. Rechtsmittelführers möglichst weitgehend zum Tragen kommt und als beantragt alles anzusehen ist, was nach Lage des Falls ernsthaft in Betracht komme, käme man vorliegend zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch danach könne allenfalls dann eine Auslegung gegen den ausdrücklichen Wortlaut der Klageschrift, welche von einem rechtskundigen Bevollmächtigten verfasst wurde, erfolgen, wenn ansonsten ein offensichtlich haltloses Klagebegehren vorliegt, bei dessen Begründung unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten besondere Zurückhaltung geboten sei. Dies könne etwa dann der Fall sein, wenn ein offensichtliches Versehen vorliegt, wie z.B. die Verwechslung von Beteiligten, Schreibfehler o.ä., und dies für die übrigen Beteiligten objektiv erkennbar war. Das Gericht könne indes nicht die den von ihm für richtig gehaltenen Sinnen in eine Erklärung hineinlesen, ohne hierfür einen objektiven Anhaltspunkt zu haben. Die Klageerhebung ausschließlich der Kläger zu 1) und 2) sei weder ungewöhnlich noch haltlos. Ferner fehle es vorliegend bereits an einem Ansatzpunkt dafür, dass die Angaben der Kläger zu 1) und 2) zugleich als Klageerhebung für die Klägerin zu 3) und 4) zu werten sei. Im Übrigen sei die zulässige Klage unbegründet, weil der Bescheid vom 12.12.2008 formell und materiell rechtmäßig sei. Der Bescheid enthalte die endgültige Leistungsfestsetzung für die Zeit vom 01.10.2007 bis zum 31.12.2008 und eine Vorabentscheidung für eine darlehensweise Leistungserbringung im Jahr 2009. Der Beklagte sei nach den satzungsrechtlichen Vorgaben für die Entscheidung sachlich zuständig gewesen. Materiell-rechtlich sei die Entscheidung nicht zu beanstanden, weil die Kläger über einsetzbares Vermögen verfügt hätten, welches der Hilfebedürftigkeit entgegengestanden habe. Das selbstgenutzte Wohngebäude sei hinsichtlich der Wohnfläche für einen Vierpersonenhaushalt nicht angemessen. Gründe für eine Abweichung der von der Rechtsprechung festgelegten angemessenen Wohnfläche seien nicht gegeben. Der Wunsch nach einem weiteren Kind sei nicht zu berücksichtigen. Nach Abzug der Belastungen und der Vermögensfreibeträge sei anrechenbares Vermögen vorhanden. Anhaltspunkte dafür, dass der Wohnungseigentumsanteil der Kläger nicht binnen sechs Monaten verwertbar sei, lägen nicht vor. Mangels sofortiger Verwertbarkeit sei die darlehensweise Leistungsgewährung zu Recht erfolgt.

Gegen das am 07.10.2013 zugestellte Urteil haben die Kläger am 17.10.2013 Berufung eingelegt. Sie vertreten die Auffassung, auch die Klägerinnen zu 3) und 4) hätten von Beginn an zulässig geklagt. Der Klageschrift seien die angefochtenen Bescheide beigefügt gewesen und auch die Klägerinnen zu 3) und 4) seien von der angefochtenen Regelung betroffen. Durch die Vorlage der Bescheide und deren Erwähnung im angekündigten Klageantrag sei erkennbar gewesen, dass auch die Interessen der Klägerinnen zu 3) und 4) gerichtlich geltend gemacht worden seien. Der gerichtliche Vergleichsvorschlag vom 01.08.2011 habe die Bedarfsgemeinschaft umfasst, so dass auch vom zuständigen Richter die Klage auf die Klägerinnen zu 3) und 4) verstanden worden sei. Die beantragte Löschung der Grundschuld insgesamt sei nur zu erreichen, wenn auch eine Entscheidung zugunsten der Klägerinnen zu 3) und 4) ergehe. Im Übrigen handele es sich bei dem Wohnungseigentum der Kläger zu 1) und 2) um Schonvermögen, weil die geringfügige Überschreitung der Wohnflächengrenze von 130 m² unschädlich sei. Ferner sei der Wunsch der Kläger zu 1) und 2) hinsichtlich eines dritten Kindes zu berücksichtigen gewesen. Dieses Kriterium sei von der Rechtsprechung in Bezug auf die Angemessenheit von Wohnungsgrößen wegen des verbundenen weiteren Raumbedarfs anerkannt worden. Bei der Ermittlung des Verkehrswertes sei zu berücksichtigen, dass die Doppelhaushälfte der Kläger zu 1) und 2) auf einem Grundstück erbaut wurde, welches in Wohnungseigentumsanteile geteilt ist. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sich das Grundstück im Einwirkungsbereich des untertägigen Steinkohlebergbaus sowie in einem landwirtschaftlich geprägten Bereich befinde und ein Gewerbegebiet in der Nähe läge und die Errichtung fast ausschließlich nicht durch Fachunternehmen erfolgt sei. Diese wertmindernden Faktoren seien nicht berücksichtigt worden.

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte im Hinblick auf den Eintritt der Schwangerschaft der Klägerin zu 1) anerkannt, die Leistungen ab Dezember 2008 als Zuschuss zu bewilligen. Ferner hat der Beklagte erklärt, dass er die Löschung der Grundschuld bewilligen wird, sofern das Grundstück der Kläger als nicht verwertbar angesehen wird.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 11.09.2013 zu ändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 27.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.12.2010 zu verpflichten, den Darlehensbescheid vom 12.12.2008 über das heutige Teilanerkenntnis hinaus abzuändern und auch die in der Zeit vom 01.10.2007 bis zum 30.11.2008 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in einen Zuschuss umzuwandeln.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung, modifiziert durch das Teilanerkenntnis, für zutreffend.

Der Senat hat Beweis über die Grundstücksgröße und den Verkehrswert des Miteigentumsanteils und des Sondereigentums erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. vom Ort. Auf den Inhalt des den Beteiligten übersandten Gutachtens vom 13.04.2015 und der ergänzenden Stellungnahme vom 13.07.2015 wird verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte, die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die beigezogene Bauakte der Gemeinde N, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Sozialgericht hat zu Unrecht eine Klageänderung und nicht fristgerechte Klageerhebung durch die Klägerinnen zu 3) und 4) angenommen. Prozessuale Anträge sind so auszulegen, dass ein Begehren eines Antragstellers bzw. Rechtsmittelführers möglichst weitgehend zum Tragen kommt (vgl. BSG Urteile vom 02.07.2009 - B 14 AS 75/08 R, SozR 4-4200 § 7 Nr 1 und vom 23.03.2010 - B 14 AS 6/09 R, B; vgl zum Klageantrag: BSG Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R; Zusammenfassung bei BSG Urteil vom 16.05.2012 - B 4 AS 166/11 R). Als beantragt ist alles anzusehen, was nach Lage des Falles ernsthaft in Betracht kommt. Die Gerichte haben sich daran zu orientieren, was nach dem klägerischen Vorbringen begehrt wird, soweit jeder vernünftige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung anpassen würde und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen. Auch für die Auslegung von Prozesshandlungen einschließlich der Klageanträge ist die Auslegungsregel des § 133 BGB entsprechend anzuwenden. Danach ist nicht an dem Wortlaut einer Erklärung zu haften, sondern der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, soweit er für das Gericht und die Beteiligten erkennbar ist. Dabei muss der für das Gericht und die übrigen Beteiligten erkennbare gesamte Klagevortrag einschließlich der Verwaltungsvorgänge herangezogen werden (BSG Urteil vom 06.04.2011 - B 4 AS 119/10 R mwN). Bei Auslegung des Klagebegehrens unter Berücksichtigung dieser Anforderungen sind bereits bei Klageerhebung die Kläger zu 1) bis 4) als Beteiligte anzusehen. Die Klägerinnen zu 3) und 4) werden von den Klägern zu 1) und 2), ihren Eltern, gesetzlich vertreten. Ein nachvollziehbarer Grund dafür, lediglich die Eltern das Klageverfahren führen zu lassen, ist nicht ersichtlich, vielmehr macht es erkennbar keinen Sinn, die bewilligten Leistungen lediglich für die Eltern in einen Zuschuss umzuwandeln und es hinsichtlich der Kinder bei einer darlehensweisen Leistungsbewilligung belassen zu wollen. Für den Beklagten und das Sozialgericht war erkennbar, dass auch die Klägerinnen zu 3) und 4) Beteiligte sein sollten, denn der Klage waren die angefochtenen Bescheide beigefügt, die sich ausdrücklich auf die "Familie D" beziehen und damit die Klägerinnen zu 3) und 4) umfassen. Nach alledem war bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung erkennbarer Streitgegenstand des Verfahrens die Leistungsansprüche aller Angehörigen der Bedarfsgemeinschaft. Bei der fehlenden ausdrücklichen namentlichen Erwähnung der Klägerinnen zu 3) und 4) in der Klageschrift handelt es sich lediglich um eine unbeachtliche versehentliche Falschbezeichnung der Beteiligten. Dementsprechend hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung rechtlich zutreffend erklärt, dass der entsprechenden Auslegung des Klagebegehrens mit einer Einbeziehung der Klägerinnen zu 3) und 4) in das Verfahren nicht widersprochen wird.

Zutreffend richtet sich die Klage gegen den beklagten Kreis T. Dieser hat den angefochtenen Bescheid als zuständiger Träger erlassen. Zwar hat der Kreis T als zugelassener kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende grundsätzlich den Gemeinden des Kreises zur Entscheidung im eigenen Namen die Durchführung der ihm obliegenden Aufgaben übertragen (§ 5 Abs. 2 AG-SGB II NRW, § 1 Abs. 1 der Satzung über die Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II im Kreis T vom 05.01.2005), weshalb hier die Gemeinde N für die Leistungsbewilligung zuständig war. Gem. § 2 Abs. 2 der Satzung ist von dieser Aufgabendelegation jedoch ausgenommen die Prüfung des Einsatzes von verwertbarem Grundvermögen nach § 12 SGB II einschließlich der Entscheidung über eine Darlehensgewährung.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht als unbegründet abgewiesen. Die Kläger sind durch die Verweigerung der Umwandlung des Darlehens in einen Zuschuss beschwert iSd iSd § 54 Abs. 2 SGG. Sie haben auch für die Zeit vom 01.10.2007 bis zum 30.11.2008 einen Anspruch auf Umwandlung der Leistung in einen Zuschuss.

Rechtsgrundlage für die Umwandlung ist nicht § 44 SGB X, sondern § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X (iVm § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II).

Das Sozialgericht hat zutreffend festgestellt, dass eine Umwandlung nach § 44 SGB X ausscheidet, weil der Bescheid vom 12.12.2008 nicht rechtswidrig iSd § 44 SGB X war.

Die Kläger erfüllen (auch) in der Zeit vom 01.10.2007 bis zum 30.11.2008 dem Grunde nach alle Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen. Die Kläger zu 1) und 2) erfüllten die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II hinsichtlich des Alters, der Erwerbsfähigkeit und des Wohnsitzes, für die Klägerinnen zu 3) und 4) gilt das für einen Anspruch auf Sozialgeld als Angehörige der Bedarfsgemeinschaft nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung (jetzt § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Die Kläger waren hilfebedürftig iSd § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II iVm § 9 SGB II Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht (1.) durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, (2.) aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Über anspruchsausschließendes Einkommen verfügten die Kläger in der Zeit vom 01.10.2007 bis zum 30.11.2008 nicht.

Allerdings waren der Miteigentumsanteil und das Sondereigentum zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 12.12.2008 grundsätzlich zu berücksichtigendes Vermögen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen.

Ergänzend ist auszuführen: Außergewöhnliche Umstände, die die Überschreitung der angemessenen Wohnfläche rechtfertigen, liegen nicht vor und ergeben sich insbesondere nicht aus dem Zusammenleben der Kläger mit den Eltern des Klägers zu 2). Allein das Zusammenleben mit einer generationenübergreifenden Großfamilie rechtfertigt ein Überschreiten der angemessenen Wohnfläche nicht (BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 14 AS 90/12). Der noch nicht realisierte Kinderwunsch kann als hypothetischer Geschehensablauf jedenfalls vor Eintritt der Schwangerschaft eine Wohnflächenüberschreitung nicht rechtfertigen. Die Marktgängigkeit des Mieteigentumsanteils und des Sondervermögens wurde durch den Sachverständigen, zuletzt den vom Senat angehörten Sachverständigen Peter vom Ort, nachvollziehbar bejaht. Die Einwendungen der Kläger hinsichtlich der Feststellung des Verkehrswerts hat der Gutachter in der ergänzenden Stellungnahme vom 13.07.2015 plausibel zurückgewiesen.

Der Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass angesichts der rechtlichen Ausgestaltung der Eigentumsverhältnisse und der Verknüpfung des Vermögens der Kläger mit Eigentum der Eltern des Klägers zu 2) selbst eine Beleihung des Vermögensanteils einige Zeit in Anspruch genommen hätte und der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des Vermögens den Klägern im streitigen Zeitraum damit nicht möglich war (hierzu eingehend Mecke in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. § 9 Rn. 76 f). Daher hat er die Leistungen zu Recht in Anwendung von §§ 9 Abs. 4, 23 Abs. Abs. 5 Satz 1 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung ursprünglich als Darlehen bewilligt.

Der Anspruch der Kläger auf Umwandlung des Darlehens ergibt sich aus § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist nach dieser Vorschrift der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

Bei dem Darlehensbescheid vom 12.12.2008 handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Ein solcher Verwaltungsakt liegt vor, wenn der Bescheid sich nicht in einem einmaligen Ge- oder Verbot oder in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft, sondern ein auf Dauer berechnetes oder in seinem Bestand vom Verwaltungsakt abhängiges Rechtsverhältnis begründet oder inhaltlich verändert. Verwaltungsakte mit Dauerwirkung sind solche, deren Regelungswirkungen nach dem zugrunde liegenden materiellen Recht über die punktuelle Gestaltung eines Rechtsverhältnisses hinausreichen (vgl BT-Drucks 8/2034, S. 34; ständige Rechtsprechung, vgl BSG Urteile vom 13.05.2015 - B 6 KA 14/14 R und vom 16.02.1984 - 1 RA 15/85; ausdrücklich für Darlehensbescheide LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 27.03.2014 - L 19 AS 332/14 B; SG Braunschweig Urteil vom 17.04.2009 - S 17 AS 2140/08). Der Bescheid vom 12.12.2008 gestaltet die Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten nicht nur punktuell, sondern dauerhaft, indem er jedenfalls bis zur Rückzahlung des Darlehens eine dauerhafte Rechtsbeziehung zwischen dem Beklagten als Darlehensgeber und den Klägern als Darlehensnehmern begründet. Nicht zu verwechseln ist diese unbestimmte Geltungsdauer mit dem Zeitraum, für den Leistungen zugesprochen werden (hier: vom 01.10.2007 - zum 31.12.2009). Die Dauer der Darlehensbewilligung geht weit über diesen Leistungszeitraum hinaus, da auch nach Ablauf des Leistungszeitraums die langfristige Beziehung der Beteiligten als Darlehensgeber und Darlehensnehmer erhalten bleibt.

Die Verhältnisse, die beim Erlass des Bescheides vom 12.12.2008 vorgelegen haben, haben sich bereits mit dem Eintritt der zur Geburt des dritten Kindes führenden Schwangerschaft der Klägerin zu 1), spätestens aber mit dessen Geburt, wesentlich geändert iSd § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Während bis zu diesem Zeitpunkt die Leistungen zu Recht nur als Darlehen bewilligt worden sind, ist ab diesem Zeitpunkt eine zuschussweise Bewilligung geboten.

Schon mit dem Eintritt der Schwangerschaft der Klägerin zu 1) ist eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten, die nunmehr eine Aufrechterhaltung des Darlehens ausschließt. Denn seit diesem Zeitpunkt ist die angemessene Größe des selbst bewohnten Hausgrundstücks nach einem Fünfpersonenhaushalt zu berechnen. Für die hinzutretende Person sind weitere 20 qm anzuerkennen (BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 14 AS 90/12 R; Mecke in: Eicher, SGB II, § 12 Rn 92 mwN). Die Wohnflächengrenze liegt damit bei 150 qm und wird vorliegend unterschritten. Dies hat der Beklagte, bezogen auf den Zeitpunkt des Eintritts der Schwangerschaft, auch anerkannt und in der mündlichen Verhandlung des Senats ein entsprechendes Teilanerkenntnis für Leistungen ab dem 01.12.2008 abgegeben.

In der Beschränkung einer Leistungsbewilligung als Darlehen liegt eine selbständige Beschwer, die alleiniger Gegenstand einer Aufhebung nach § 48 SGB X sein kann (BSG Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 49/14 R). Zu Unrecht verweigert der Beklagte eine Umwandlung der für die Zeit vom 01.10.2007 bis zum 30.11.2008 bewilligten Leistungen von einem Darlehen in Zuschüsse. Dem liegt ein Fehlverständnis der Bedeutung von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X für Darlehensbescheide zugrunde. Wie ausgeführt liegt die Dauerwirkung des Bescheides vom 12.12.2008 nicht nur in der Festlegung des Leistungszeitraums (01.10.2007 - 31.12.2009) sondern auch darin, über diesen Bewilligungszeitraum hinaus für eine unbestimmte Zeit das Rechtsverhältnis Darlehensgeber/Darlehensnehmer zwischen den Beteiligten zu begründen. Die von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X angeordnete Aufhebung der Beschränkung der Bewilligung als Darlehen mit Wirkung für die Zukunft bedeutet, dass das gesamte Darlehen ab Zustellung des Aufhebungsbescheides (zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunkts BSG Urteil vom 24.07.1997 - 11 RAr 99/96) in einen Zuschuss umgewandelt werden muss. Die zukünftige Aufhebung der Beschränkung der Leistungsbewilligung als Darlehen hat zur Folge, dass der gesamte Darlehensbetrag in einen Zuschuss umzuwandeln ist.

Allein hierdurch wird im Übrigen Sinn und Zweck des Vermögensschutzes nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II entsprochen. Zweck dieser Regelung ist nicht der Schutz der Immobilie als Vermögensgegenstand, sondern der Schutz der Wohnung im Sinne der Erfüllung des Grundbedürfnisses "Wohnen" und als räumlicher Lebensmittelpunkt (BSG Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 2/05 R; zur Arbeitslosenhilfe vgl bereits BSG Urteil vom 04.09.1979 - 7 RAr 115/78). Würden der Miteigentumsanteil und das Sondereigentum weiterhin für einen Teil der bewilligten Leistungen, für die eine Grundschuld eingetragen worden ist, haften, müssten die Kläger das Grundstück bei fehlendem anderweitigen Einkommen oder Vermögen einsetzen, obwohl durch Anerkennung der höheren Wohnflächengrenze bei einem Fünfpersonenhaushalt zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist, dass das Grundbedürfnis "Wohnen" im derzeit bewohnten Haus geschützt ist. Entgegen der Intention des Gesetzgebers bestünde die Gefahr des Verlustes einer geschützten Immobilie aufgrund des Fehlens anderweitiger Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts. Das aber will § 12 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gerade verhindern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Auswirkungen der Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf Darlehensbescheide) zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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