L 9 SO 447/16 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 27 SO 179/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 447/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 15.07.2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde der Klägerin vom 16.08.2016 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 15.07.2016, zugestellt am 20.07.2016, ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

I. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann gegeben, wenn - bei summarischer Prüfung - eine gewisse Möglichkeit des Obsiegens in der Hauptsache - auch im Sinne eines Teilerfolges - besteht (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. (2014), § 73a Rn. 7 ff., m.w.N.).

Die vorgenannten Voraussetzungen liegen insoweit nicht vor, als dass die Klage keine hinreichende Erfolgsaussicht bietet. Zur Begründung und Vermeidung von unnötigen Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichtes gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug und weist ergänzend auf Folgendes hin:

Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, eine abweichende, der Klägerin günstigere Entscheidung zu rechtfertigen.

Nach summarischer Prüfung hat die Klägerin keinen Anspruch auf Berücksichtigung eines höheren Regelbedarfs im - allein streitigen - Bewilligungszeitraum Januar 2016 und damit auch keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).

Die Regelsätze i.S.d. § 27a Abs. 1 bis 4 SGB XII werden gem. § 28 SGB XII und dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz (RBEG) neu ermittelt oder, soweit eine Neuermittlung nicht erfolgt, gem. § 28a SGB XII jährlich angepasst.

Gemäß § 2 Verordnung zur Bestimmung des für die Fortschreibung der Regelbedarfsstufen nach § 28a des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch maßgeblichen Prozentsatzes sowie zur Ergänzung der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch für das Jahr 2016 (Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung 2016) wird ab dem 01.01.2016 ein Regelbedarf in Höhe von monatlich 404,00 Euro für Alleinstehende anerkannt. Diesen Regelbedarf hat die Beklagte dem angefochtenen Bewilligungsbescheid vom 29.12.2015 zugrunde gelegt.

Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung des Regelbedarfs rechts- bzw. verfassungswidrig erfolgt wäre, sieht der Senat derzeit nicht (vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21.07.2016 - L 18 AS 405/16 B PKH -, juris; Beschluss vom 24.08.2016 - L 16 AS 222/16 B PKH -, juris).

Der genannte Regelbedarf in Höhe von monatlich 404,00 Euro wurde gemäß § 28a SGB XII aus der im Jahr 2015 festgesetzten Regelbedarfsstufe für Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partnerin oder Partner minderjährig ist, in Höhe von 399,00 Euro zum 01.01.2016 mit einer Veränderungsrate von 1,24% fortgeschrieben (§ 1 RBSFV 2016). Die Fortschreibung erfolgte zutreffender Weise, weil eine Neuermittlung des Regelbedarfs durch den Gesetzgeber nach § 28 SGB XII bislang nicht erfolgt ist.

Diese hätte entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht zum 01.01.2016 erfolgen müssen, denn das Gesetz sieht keinen festen Zeitpunkt für die Neufestsetzung der Regelbedarfsstufen vor (vgl. Gutzler in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014 / Stand: 06.01.2016, § 28 Rn. 26). Insbesondere hat der Senat keine Anhaltspunkte dafür, dass eine Neuermittlung durch den Gesetzgeber oder die am Ermittlungsverfahren beteiligten Behörden verschleppt worden wäre. Wie die Klägerin selbst vorträgt, lag das Ergebnis der bundesweiten neuen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2013 des Statistischen Bundesamtes im Herbst 2015 vor. Allerdings sind noch vor Durchführung des Gesetzgebungsverfahrens nach § 28 Abs. 1 SGB XII gemäß § 28 Abs. 3 SGB XII auf Grundlage der EVS zunächst u.a. umfangreiche Sonderauswertungen durchzuführen. Hinzukommen die weiteren, im aktenkundigen Schreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 25.05.2016 beschriebenen Schritte. Aus diesen Umständen ergibt sich nachvollziehbar, weshalb die Neuermittlung des Regelbedarfs aus der EVS 2013 bislang noch nicht zum Abschluss gebracht werden konnte. Das beschriebene gesetzliche Verfahren zur Ermittlung des Regelbedarfs steht auch im Einklang mit der Verfassung (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, 1 BvR 1691/13 -, juris).

Soweit die Klägerin ihre Klage darauf stützt, dass die Regelbedarfsstufen ab Januar 2016 nach einer Expertise des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband Gesamtverband e.V. vom 28.12.2015 zu niedrig festgelegt worden seien, überzeugt das den Senat nicht. Denn die Expertise stützt sich in erster Linie darauf, dass der Regelbedarf 2011 infolge einer Reihe von willkürlichen Eingriffen in die statistischen Grundlagen der EVS 2008 fehlerhaft festgelegt worden sei und die dadurch entstandene Bedarfsunterdeckung durch die Fortschreibung des Regelbedarfs in den Folgejahren von Jahr zu Jahr gewachsen sei.

Dem steht aber gegenüber, dass nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts (Urteil vom 28.03.2013 - B 4 AS 12/12 R -, juris) die Höhe des Regelbedarfs ab 01.01.2011 nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen worden ist. Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wurde der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband Gesamtverband e.V. bereits mit seiner Einwendung, dass die Regelungen zur Bestimmung der Höhe des Regelbedarfs für 2011 und 2012 verfassungswidrig seien, gehört. Das Bundesverfassungsgericht ist dieser Auffassung nicht gefolgt.

Soweit die Klägerin darauf hinweist, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 23.07.2014 ausgeführt habe, dass der Gesetzgeber bei einer offensichtlichen und erheblichen Diskrepanz zwischen der tatsächlichen Preisentwicklung und der bei der Fortschreibung der Regelbedarfsstufen berücksichtigten Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter zeitnah reagieren müsse und nicht auf die reguläre Fortschreibung der Regelbedarfsstufen warten dürfe, führt dies zu keiner anderen Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage.

Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine solche offensichtliche und erhebliche Diskrepanz eingetreten wäre. Auch die Klägerin hat keine Belege dafür genannt, dass trotz der jährlichen Fortschreibung des Regelbedarfs innerhalb der letzten zwei Jahre eine existenzgefährdende Unterdeckung durch unvermittelt auftretende, extreme Preissteigerungen entstanden wäre, auf die der Gesetzgeber vorzeitig durch eine Neufestsetzung des Regelbedarfs hätte reagieren müssen.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

III. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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