L 9 AS 4164/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 911/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 4164/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Eine leistungsberechtigte Person darf in einem Eingliederungsverwaltungsakt nicht ohne Weiteres zu Bemühungen zur Wohnungssuche verpflichtet werden. Selbst wenn die Vermittlungschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von Arbeitnehmern mit festem Wohnsitz besser sein mögen als bei obdachlosen Menschen und das Suchen einer Wohnung daher mittelbar der Eingliederung in Arbeit förderlich ist, so fehlt für eine solche Verpflichtung das erforderliche unmittelbar arbeitsmarktbezogene Moment.
2. Je weiter sich der Leistungsträger bei den festgelegten Eigenbemühungen vom Kernbereich der Arbeitseingliederung entfernt, desto mehr hat er das grundrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Leistungsberechtigten (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz) zu beachten.
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Juni 2015 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Beklagten vom 4. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2015 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes (im Folgenden: Eingliederungsverwaltungsakt).

Der 1955 geborene Kläger ist seit einigen Jahren ohne festen Wohnsitz. Seit Februar 2015 hält er sich in R. auf und bezieht seitdem Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) von dem Beklagten. Nach eigenen Angaben nutzt er seit vielen Jahren überwiegend Autos als Schlafstätte, und zwar bis Januar 2015 einen VW Pritschenwagen sowie ab März 2015 einen Volvo Kombi. Seinen Hausrat lagert er in einem gemieteten Kellerraum in R. ein, den er im Februar 2015 überdies als "Notquartier" nutzte. Die Aufwendungen für den Kellerraum in Höhe von 68,- EUR werden von dem Beklagten als Kosten der Unterkunft anerkannt. In der Vergangenheit machte der Kläger außerdem die ihm durch die Nutzung seines Kraftfahrzeuges (Kfz) entstandenen Aufwendungen für Steuer, Haftpflichtversicherung sowie Heizkosten als Bedarfe für Unterkunft und Heizung vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg für die Zeit von Januar bis Juni 2014 gerichtlich geltend (L 9 AS 5116/15). Mit Urteil vom 10.05.2016 entschied der Senat, dass das vom Kläger benutzte Kfz keine Unterkunft im Sinne von § 22 SGB II darstelle und die Kosten hierfür nicht vom damals zuständigen Leistungsträger zu übernehmen seien.

Aus einem Aktenvermerk des Beklagten vom 04.02.2015 ergibt sich, dass der Kläger an diesem Tag ein persönliches Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Beklagten geführt und dabei signalisiert habe, keine Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben und gegen einen Eingliederungsverwaltungsakt gerichtlich vorzugehen.

Daraufhin erließ der Beklagte am selben Tag einen Eingliederungsverwaltungsakt für den Zeitraum vom 04.02.2015 bis 03.08.2015. Darin ist folgendes geregelt:

"Ziel(e) Wohnungssituation klären

1. Unterstützung durch [Beklagten]: Wir stellen Kontakt zur Stadt R. und [zu] Notunterkünfte[n] her.

2. Bemühungen von [Kläger]: Sie suchen aktiv nach einer Wohnung, dazu besorgen Sie sich einen Wohnberatungsschein beim Bürgerbüro R., Stadt R. Sie können Kontakt zu Herrn [ ] bei der Stadt R. [ ] hinsichtlich [einer] Notunterkunft aufnehmen. Die Kontaktdaten werden Ihnen ausgehändigt."

Den Regelungen schloss sich eine Rechtsfolgenbelehrung an.

Am 10.02.2015 legte der Kläger gegen den Verwaltungsakt vom 04.02.2015 Widerspruch ein, den er unter Hinweis auf die Amtsermittlungspflicht des Beklagten ausdrücklich nicht begründete.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.03.2015 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus, die Eingliederungsvereinbarung sei als Verwaltungsakt zu erlassen gewesen, da der Kläger bei seiner persönlichen Vorsprache bei der Arbeitsvermittlung am 04.02.2015 mitgeteilt habe, dass er eine Unterschrift ablehne und somit eine Vereinbarung nicht zustande gekommen sei. Bei der Eingliederungsvereinbarung seien seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt worden. Daher seien die Verpflichtungen auf ein zumutbares und minimales Maß festgesetzt worden. Insbesondere sei der Fokus zunächst ausschließlich auf die Beendigung der Wohnsitzlosigkeit gelegt worden. Eigenbemühungen oder die Beendigung der Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Beschäftigung seien nicht verlangt worden. Die dem Kläger aufgegebenen Pflichten seien zumutbar, erforderlich und geeignet, um die Hilfebedürftigkeit längerfristig durch die Aufnahme einer Beschäftigung zu verringern oder zu beenden. Dabei sei es durchaus zulässig, zunächst die soziale Integration als vorgeschalteten ersten Schritt zur späteren Eingliederung in Arbeit als Inhalt der Eingliederungsvereinbarung festzulegen. Die Eingliederung in Arbeit sei damit als längerfristiges Ziel anzusehen. Wegen den bei jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person unterschiedlich anzutreffenden konkreten Voraussetzungen im Hinblick auf die Integrationschancen am Arbeitsmarkt bedürfe die Eingliederungsvereinbarung individueller Ausgestaltung.

Hiergegen hat der Kläger am 22.04.2015 bei dem Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben und sich zur Begründung auf eine Rechtsverletzung nach Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sowie auf Art. 1 Abs. 3 GG i.V.m dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG berufen. Mit Gerichtsbescheid vom 17.06.2015 hat das SG nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe den Kläger vor Erlass des angegriffenen Bescheides angehört. Da der Kläger sich geweigert habe, die vorgeschlagene Eingliederungsvereinbarung zu unterschreiben, sei eine solche nicht zustande gekommen. Die Gründe hierfür seien unerheblich. Es reiche aus, dass der Beklagte vor Erlass des Bescheids versucht habe, den Kläger zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung zu bewegen. Die von ihm geforderten Bemühungen bezögen sich auf die Wohnungssuche. Es handele sich dabei um eine geeignete und erforderliche Maßnahme, um den Zielen des SGB II - eine Möglichkeit zu schaffen, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspreche, sowie die Unterstützung zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit - zu dienen. Eine Wohnung sei eine Grundlage, um auf dem Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden. Indem sich der Beklagte zur Unterstützung verpflichte, den Kontakt zur Stadt R. und zu Notunterkünften herzustellen, habe dieser ausreichende und hinreichend konkretisierte Gegenleistungen erbracht. Damit sei auch dem Erfordernis Genüge getan, nicht nur solche Leistungen zuzusagen, auf die ohnehin ein Rechtsanspruch bestehe. Der Kläger habe übrigens nicht dargelegt, in welcher anderen Weise er sich eine Unterstützung von dem Beklagten gewünscht habe. Eine Grundrechtsverletzung sei im Erlass eines Eingliederungsverwaltungsaktes nicht zu sehen. Bei der Schaffung des SGB II habe sich der Gesetzgeber entschieden, in Bezug auf die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sich auf einige wenige abstrakt-generelle Regelungen zu beschränken und die Konkretisierung des Sozialrechtsverhältnisses zwischen Erwerbsfähigen und der Agentur für Arbeit diesen beiden Seiten zu überlassen. Für den Fall, dass eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande komme, habe er vorsorglich die Möglichkeit vorgesehen, die notwendigen Regelungen einseitig durch Verwaltungsakt zu treffen. Dabei sei weder ein Verstoß gegen die grundgesetzlich garantierte Vertragsfreiheit noch gegen das Grundrecht auf Freizügigkeit oder auf freie Berufswahl ersichtlich.

Hiergegen hat der Kläger am 17.07.2015 bei dem LSG Baden-Württemberg Berufung eingelegt.

Am 12.08.2015 hat der Beklagte für den Zeitraum vom 12.08.2015 bis 11.02.2016 einen weiteren Eingliederungsverwaltungsakt erlassen, in dem folgendes geregelt ist:

"Ziel(e) Wohnungssituation klären

1. Unterstützung durch [Beklagten]: Alg II und Beratung nach Bedarf

2. Bemühungen von [Kläger]: Sie bemühen sich im Rahmen Ihrer Möglichkeiten regional und überregional um Wohnraum und Arbeit, über diese Aktivitäten halten Sie AV Frau [ ] auf dem Laufenden."

Mit Schreiben vom 20.08.2015 hat der Kläger unter Vorlage dieses Verwaltungsaktes die Änderung seiner Klage in eine Fortsetzungsfeststellungsklage beantragt.

Er beruft sich zur Begründung seines Rechtsmittels sinngemäß auf seine Ausführungen im Klageverfahren.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 17. Juni 2015 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid vom 4. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. März 2015 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung beruft er sich auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie auf die Entscheidungsgründe in dem angegriffenen Gerichtsbescheid. Mit Schreiben vom 29.02.2016 hat er auf Anfrage des Senats vom 02.02.2016 erklärt, dass der Verwaltungsakt vom 04.02.2015 aufgehoben wird.

Am 15.02.2016 und 11.08.2016 hat der Beklagte weitere Eingliederungsverwaltungsakte für die Zeit vom 15.02.2016 bis 15.08.2016 sowie vom 11.08.2016 bis 10.02.2017 erlassen. Die jeweiligen Regelungen entsprechen denen des Verwaltungsaktes vom 12.08.2015 mit dem Unterschied, dass der Kläger seine "Aktivitäten auf Nachfrage hin" nachzuweisen habe. Gegen diese Verwaltungsakte hat der Kläger keine Widersprüche eingelegt.

Mit den Beteiligten ist am 12.09.2016 ein Erörterungstermin durchgeführt worden. Darin haben diese ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift zum Termin, die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist auch begründet. Der Eingliederungsverwaltungsakt des Beklagten vom 04.02.2015 ist rechtswidrig gewesen und hat den Kläger in seinen Rechten verletzt.

Der Zulässigkeit der Klage steht zunächst nicht entgegen, dass der Kläger keine Wohnanschrift, sondern eine "postlagernde" Adresse angegeben hat. Zwar muss die Klage den Kläger bezeichnen, worunter auch das Erfordernis einer ladungsfähigen Wohnanschrift fällt (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 18.11.2003, B 1 KR 1/02 S (juris)). Da der Kläger im vorliegenden Fall nach eigenen Angaben obdachlos ist und über keine Wohnanschrift verfügt, liegen hinreichende Gründe vor, die eine Ausnahme von dieser Vorschrift gebieten, um dem Kläger auch in seiner Situation effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten (Beschluss des Senats vom 04.11.2015, L 9 AS 4079/15 ER-B; vgl. auch Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 92 Rn. 4).

Streitgegenstand ist allein der Eingliederungsverwaltungsakt vom 04.02.2015, den der Kläger zunächst mit einer Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG angefochten hat. Nach Ablauf des Geltungszeitraums am 03.08.2015 sowie nach Erlass eines neuen Eingliederungsverwaltungsaktes hat der Kläger mit Berufungseinlegung - und somit nach Klageerhebung - sein Begehren dahingehend fortgesetzt, nunmehr die Rechtswidrigkeit dieses Verwaltungsaktes feststellen zu lassen. Diese Fortsetzungsfeststellungsklage ist gemäß § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG statthaft. Hiernach spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn sich dieser vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

Der Eingliederungsverwaltungsakt vom 04.02.2015 hat mit Ablauf seines Geltungszeitraums am 03.08.2015 und mangels hierzu ergangener Sanktionsbescheide wegen Pflichtverletzung aus dem Eingliederungsverwaltungsakt keine Regelungswirkung mehr entfaltet (vgl. § 39 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]) und konnte somit nicht mehr mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden. Soweit wie vorliegend keine Änderung des Klagegrundes erfolgt, ist im neuen Begehren des Klägers keine Klageänderung zu sehen (BSG, Urteil vom 15.06.2016, B 4 AS 45/15 R (juris)).

Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Ein solches Feststellungsinteresse ist dann anzunehmen, wenn ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse vorliegt, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann (BSG, Urteil vom 05.11.1997, 6 RKa 10/97 (juris)). Die angestrebte Entscheidung muss dabei geeignet sein, die Position des Klägers zu verbessern. In der Rechtsprechung haben sich Fallgruppen für ein berechtigtes Interesse herausgebildet. Hiernach ist ein Feststellungsinteresse regelmäßig zu bejahen bei Vorliegen einer Wiederholungsgefahr, mithin einer hinreichend konkreten Gefahr, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 131 Rn. 10b m.w.N.). Die Wiederholungsgefahr ist vorliegend zu bejahen, denn der Verlauf des Verfahrens zeigt, dass der Beklagte wiederholt Eingliederungsverwaltungsakte erlassen hat, die vergleichbare Regelungen beinhalteten wie der streitgegenständliche Verwaltungsakt vom 04.02.2015. So hat der Beklagte auch in der Folgezeit versucht, mit dem Kläger Vereinbarungen über die von ihm geforderten Bemühungen zu einer Wohnungssuche zu treffen, und ihn nach jeweils erfolglosen Versuchen in seinen Eingliederungsverwaltungsakten vom 12.08.2015, 15.02.2016 und 11.08.2016 hierzu verpflichtet. Hierdurch hat sich die Wiederholungsgefahr bereits konkretisiert. Von dieser Gefahr ist ungeachtet der vom Beklagten mit Schreiben vom 29.02.2016 abgegebenen Erklärung, den Verwaltungsakt aufzuheben, weiterhin auszugehen. Denn der Beklagte hat nach Abgabe dieser Erklärung am 11.08.2016 einen weiteren Eingliederungsverwaltungsakt mit vergleichbarem Regelungsinhalt erlassen. Auch in dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts war der Beklagte nicht bereit, eine Erklärung abzugeben, in dem er sich zur Unterlassung verpflichtet, in der Zukunft keine vergleichbaren Regelungen in einem Eingliederungsverwaltungsakt zu treffen. Das Feststellungsinteresse war auch - trotz Vorliegens einer objektiv bestehenden Wiederholungsgefahr - nicht ausnahmsweise deswegen zu verneinen, weil der Kläger gegen die folgenden Eingliederungsverwaltungsakte keine Widersprüche eingelegt hat. Der Kläger hat in dem Termin zur Erörterung des Sachverhaltes mitgeteilt, dass aus seiner Sicht eine Klärung der Rechtmäßigkeit eines solchen Verwaltungsaktes bereits im vorliegenden Berufungsverfahren erfolgt. Hinreichende Gründe, bei objektivem Vorliegen einer Wiederholungsgefahr hier ausnahmsweise ein Feststellungsinteresse zu verneinen, bestehen daher nicht.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet, da der Verwaltungsakt vom 04.02.2015 rechtswidrig gewesen ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt hat.

Gemäß § 15 Abs. 1 SGB II soll die Agentur für Arbeit im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung). Die Eingliederungsvereinbarung soll insbesondere bestimmen,

1. welche Leistungen die oder der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält, 2. welche Bemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen müssen und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind, 3. welche Leistungen Dritter, insbesondere Träger anderer Sozialleistungen, erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu beantragen haben.

Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die Regelungen nach Satz 2 durch Verwaltungsakt erfolgen (§ 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II).

Der Eingliederungsverwaltungsakt ist vorliegend rechtswidrig gewesen, da die dem Kläger auferlegten Bemühungen zu unbestimmt sind. Die gefor¬der¬ten Eigen¬be¬mü¬hun¬gen in einer Eingliederungsvereinbarung oder einem -verwaltungsakt sind so kon¬kret zu beschrei¬ben, dass spä¬ter zwei¬fel¬los fest¬ge¬stellt wer¬den kann, ob der erwerbs¬fä¬hige Leis¬tungs¬be¬rech¬tigte sei¬nen Ver¬pflich¬tun¬gen nach¬ge¬kom¬men ist. Unklar¬hei¬ten gehen zu Las¬ten des Trä¬gers der Grund¬si¬che-rung (Müller in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: Juli 2012, § 15 Rn. 51 m.w.N.). Vorliegend ist die Regelung unbestimmt, da sie nicht genau festlegt, in welcher Häufigkeit der Kläger welche Bemühungen zu unternehmen und in welcher Form er diese nachzuweisen hat. Mit der Verpflichtung des Klägers, aktiv nach einer Wohnung zu suchen, handelt es sich um eine weitreichende Pflicht zur Wohnungssuche, ohne dass klar angegeben worden ist, welche Bemühungsen (Pflicht zur Registrierung bei Wohnungsbaugesellschaften? Kontaktaufnahme zu Privatanbietern? Aufgabe von eigenen Inseraten?) vom Kläger konkret verlangt werden und in welcher Frequenz. Zwar ist dieser in hinreichend konkreter Form verpflichtet worden, sich einen Wohnberatungsschein beim Bürgerbüro R. zu besorgen. Allerdings erschließt sich aus der Regelung nicht, ob sich darin seine Bemühungen erschöpfen oder ob noch weitere, nicht näher umrissene Aktivitäten zur Wohnungssuche von ihm verlangt werden. Überdies wird nicht deutlich, bis zu welchem Zeitpunkt der Kläger den Wohnberechtigungsschein vorzulegen hat. Unklar bleibt auch, ob und gegebenenfalls wie der Kläger seine Bemühungen nachzuweisen und zu dokumentieren hat. Dies ist bereits deshalb erforderlich, weil der Kläger bei Verstoß gegen die festgelegten Pflichten mit einer Minderung seines Arbeitslosengeldes II gemäß §§ 31 ff. SGB II zu rechnen hat.

Zudem kann eine leistungsberechtigte Person in einem Eingliederungsverwaltungsakt nicht ohne Weiteres zu Bemühungen zur Wohnungssuche verpflichtet werden. Zu den festzulegenden Leistungen der Eingliederung in Arbeit gehören neben nach Zahl und Qualität spezifizierten individuellen Vermittlungsangeboten alle in § 16 Abs. 1 bis 3, §§ 16 a ff. SGB II rechtlich möglichen Eingliederungsmaßnahmen (Berlit in: LPK-SGB II, 5. Auflage, § 15 Rn. 24 m.w.N.). Analog hierzu erstrecken sich die vom Leistungsberechtigten geforderten Eigenbemühungen auf alle in §§ 16 ff. SGB II genannten Maßnahmen (Berlit, a.a.O., § 2 Rn. 29), die jedoch im vorliegenden Fall nicht als Rechtsgrundlage für die streitige Verpflichtung zu einer Wohnungssuche dienen konnten.

Die Agentur für Arbeit erbringt gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II Leistungen nach § 35 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). Nach § 35 Abs. 1 SGB III hat sie dabei Ausbildungsuchenden, Arbeitsuchenden und Arbeitgebern Ausbildungsvermittlung und Arbeitsvermittlung (Vermittlung) anzubieten. Die Vermittlung umfasst alle Tätigkeiten, die darauf gerichtet sind, Ausbildungsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Ausbildungsverhältnisses und Arbeitsuchende mit Arbeitgebern zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses zusammenzuführen. Außerdem hat die Agentur für Arbeit nach § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB III durch Vermittlung darauf hinzuwirken, dass Ausbildungsuchende eine Ausbildungsstelle, Arbeitsuchende eine Arbeitsstelle und Arbeitgeber geeignete Auszubildende sowie geeignete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhalten. Schließlich hat die Agentur für Arbeit gemäß Absatz 3 Satz 1 der Vorschrift Vermittlung auch über die Selbstinformationseinrichtungen nach § 40 Absatz 2 im Internet durchzuführen. Zudem kann sie gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II folgende Leistungen des Dritten Kapitels des SGB III erbringen: 1. die übrigen Leistungen der Beratung und Vermittlung nach dem Ersten Abschnitt, 2. Leistungen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung nach dem Zweiten Abschnitt, 3. Leistungen zur Berufsausbildung nach dem Vierten Unterabschnitt des Dritten Abschnitts und Leistungen nach § 54a, 4. Leistungen zur beruflichen Weiterbildung nach dem Vierten Abschnitt und Leistungen nach den §§ 131a und 131b 5. Leistungen zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Ersten Unterabschnitt des Fünften Abschnitts und Leistungen nach § 131.

Aus diesem Aufgabenkatalog ergibt sich, dass alle diese Maßnahmen einen unmittelbaren Bezug zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeiten oder einer Ausbildung haben. Auch wenn hierbei vorbereitende Maßnahmen wie Beratung bei Bewerbungen oder Wissensvermittlung mit umfasst sind, so sind diese dennoch allein darauf ausgerichtet, die Vermittlung in ein Arbeitsverhältnis oder die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit zu erreichen. Dies ist bei einer Verpflichtung zu Bemühungen zur Wohnungssuche jedoch nicht der Fall. Selbst wenn, worauf der Beklagte hingewiesen hat, die Vermittlungschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von Arbeitnehmern mit festem Wohnsitz besser sein mögen als bei obdachlosen Menschen und das Suchen einer Wohnung daher mittelbar der Eingliederung in Arbeit förderlich ist, so fehlt für eine solche Verpflichtung das erforderliche unmittelbar arbeitsmarktbezogene Moment.

Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich des § 16 a Nr. 3 SGB II vorliegend nicht betroffen. Nach dieser Vorschrift kann zur Verwirklichung einer ganzheitlichen und umfassenden Betreuung und Unterstützung bei der Eingliederung in Arbeit psychosoziale Betreuung als Leistung, die für die Eingliederung der oder des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in das Erwerbsleben erforderlich ist, erbracht werden. Hierzu kann im Einzelfall auch die Hilfe zu einer Wohnungssuche fallen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.10.2011, L 12 AS 3169/10 (juris)), sofern diese aufgrund einer psychosozialen Notlage erforderlich ist. Die Klärung der Wohnungssituation steht im Falle des Klägers jedoch nicht in Zusammenhang mit einer belastenden Lebenssituation, da dieser seit vielen Jahren bewusst und willentlich in größeren Kraftfahrzeugen übernachtet, ohne dass sein psychisches und soziales Wohlbefinden dadurch beeinträchtigt ist, und er diesbezüglich auch keinen Hilfebedarf gegenüber dem Beklagten angezeigt hat.

Schließlich kann der Beklagte sein Vorgehen auch nicht auf § 16 f SGB II (freie Förderungsleistung) stützen. Diese Vorschrift erlaubt es dem Leistungsträger, die gesetzlich festgelegten Eingliederungsleistungen nach eigenem Ermessen zu erweitern (Stölting in: Eicher, SGB II, a.a.O. § 16 f Rn. 8). Dabei muss die Leistung nicht unmittelbar zur Aufnahme einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt führen. Es kom¬men vielmehr auch Leis¬tun¬gen in Betracht, die erst die Vor¬aus¬set¬zun¬gen für eine spä¬tere Berufs¬tä¬tig¬keit schaf¬fen sol¬len. Somit reicht eine mittelbare Förderung durch Verbesserung der Eingliederungschancen aus (Voelzke in: Hauck/Noftz, a.a.O., Stand: November 2014, Rn. 16). Nicht gefördert werden kann demgegenüber eine Unterstützung bei der allgemeinen Lebensführung (vgl. Voelzke, a.a.O.). Auch wenn - wie ausgeführt - das Leben in einer festen Unterkunft in Form einer Wohnung oder eines Hauses der Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt grundsätzlich förderlich und die vom Kläger gewählte Bleibe (Schlafen in einem Kraftfahrzeug) nicht als Unterkunft im Sinne von § 22 SGB II anzuerkennen ist (vgl. Urteil des Senats vom 10.05.2016, a.a.O.), so ist doch mit der von diesem frei gewählten Lebensform vorrangig sein allgemeiner Lebensstil und sein Selbstbestimmungsrecht betroffen. Eine Verpflichtung zur Wohnungssuche ist daher von der gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt und kann auch nicht mehr als angemessen im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angesehen werden. Denn je weiter sich der Leistungsträger bei den festgelegten Eigenbemühungen vom Kernbereich der Arbeitseingliederung entfernt, desto mehr hat er auch das grundrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht des Leistungsberechtigten (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz) zu beachten.

Zwar folgt aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II ("insbesondere"), dass neben den in Nummern 1 bis 3 genannten Bestimmungen auch andere Vereinbarungen bzw. Regelungen getroffen werden können. Aber auch in diesen Fällen muss die Eingliederung in Arbeit betroffen sein (vgl. Voelzke, a.a.O., Rn. 41; Kador in: Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 15 Rn. 55). Davon ist jedoch nicht in den Fällen auszugehen, in denen sich die dem Leistungsberechtigten auferlegten Pflichten in solchen Vorgaben erschöpfen, die - wie bereits dargelegt - keinen weiteren Bezug zum Ziel der Eingliederung in Arbeit haben (vgl. Urteil des Senats vom 14.07.2015, L 9 AS 609/15 (juris)).

Offen bleiben kann an dieser Stelle, ob der Verwaltungsakt auch deshalb rechtswidrig war, da dieser keine Regelungen über die Finanzierung der vom Kläger verlangten Bemühungen enthielt. Werden in einem Eingliederungsverwaltungsakt von einem Leistungsberechtigten Maßnahmen gefordert, die von diesem zusätzliche finanzielle Aufwendungen voraussetzen - was im Falle einer Wohnungssuche durchaus der Fall sein kann -, so hat nämlich der Leistungsträger entsprechende Kostenerstattungsregelungen zu treffen (Sonnhoff in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, Stand 11/2015, § 15 Rn. 94).

Ergänzend (und im Hinblick auf die Einwände des Beklagten im Termin zur Erörterung des Sachverhalts) ist auszuführen, dass der Beklagte von Gesetzes wegen zum Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen oder Eingliederungsverwaltungsakten nicht gezwungen ist, wenn von einer erfolgreichen Integration in den Arbeitsmarkt nicht auszugehen ist. Denn bei § 15 Abs. 1 Satz 1 und Satz 6 SGB II handelt es sich um Soll-Vorschriften, die es zulassen, in atypischen Situationen hiervon abzusehen (vgl. Urteil des Senats vom 14.07.2015, a.a.O.).

Der Eingliederungsverwaltungsakt war wegen der Wechselbezüglichkeit konkret zu fassender Leistungen zur Eingliederung in Arbeit auf der einen und der Anforderungen an die Eigenbemühungen des Leistungsberechtigten auf der anderen Seite nach dem Rechtsgedanken des § 58 Abs. 3 SGB X (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.2016, B 14 AS 42/15 R (juris)) und mangels Teilbarkeit im konkreten Fall insgesamt rechtswidrig.

Aus diesen Gründen hat die Berufung Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved