S 28 SO 299/14

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
28
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 28 SO 299/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, die Kosten der stationären Behandlung des Patienten L. in ihrer Klinik für die Zeit vom 24.04.2013 bis 30.04.2013 in Höhe von Euro 4.433,38 zu übernehmen.

Die Klägerin betreibt als juristische Person des Privatrechts ein Krankenhaus in H., der Beklagte nimmt u.a. die Aufgaben des örtlichen Trägers der Sozialhilfe im Kreis P1 wahr. Am Mittwoch, den 24.04.2013 um 22:02 Uhr meldete die Klägerin beim Grundsicherungs- und Sozialamt für Wohnungslose in H., einem Sozialhilfeträger der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH), die stationäre Aufnahme sowie die Übernahme von Behandlungskosten für den p. Staatsangehörigen L., geboren am xxxxx1975, (im Folgenden: Patient) an, der in der zentralen Notaufnahme der Klägerin mit den Diagnosen S27.2 (offene Wunde), S21.2. (traumatischer Hämatopneumothorax) eingeliefert worden war und sich bis zum 30.04.2013 in stationärer Behandlung bei der Klägerin befand. Das Dringlichkeitsattest wurde am 25.04.2013 erstellt und unter dem 29.04.2013 ebenfalls an den Sozialhilfeträger der Stadt H. gesandt, ebenso die Mittellosigkeitserklärung vom 26.04.2013. In dem sog. "Aufnahmebogen unklarer Kostenträger", den der Patient am 26.04.2013 unterzeichnet hatte, gab dieser an, dass er seinen Ausweis verloren und keine Heimatadresse habe und in P. seit 5 Jahren ohne festen Wohnsitz sei. Er habe sich seit 1,5 Wochen bei einer Freundin in W. aufgehalten, verfüge über keine Krankenversicherung und über keinerlei Einkommen. Mangels eines weiteren Ausweispapieres fertigte die Klägerin ein Lichtbild des Patienten an. Der Sozialhilfeträger der FHH lehnte die Kostenübernahme wegen fehlender Zuständigkeit ab, da der Patient nicht in H., sondern in W. wohnhaft gewesen sei (Bescheid vom 30.05.2013). Daraufhin stellte die Klägerin mit Schreiben vom 04.06.2013 den Antrag auf Kostenübernahme bei dem Beklagten. Dieser leite den Antrag zunächst an das jobcenter Kreis P1 weiter, wo der Patient nach Vorladung am 04.07.2013 nicht erschienen war. Mit Bescheid vom 22.04.2014 lehnte der Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme ab, da ein medizinischer Eilfall nicht vorgelegen habe, soweit der Patient nach Unterschrift auf dem "Aufnahmebogen unklarer Kostenträger" und der Mittellosigkeitserklärung am 26.04.2013 selber hätte entsprechende Kostenanträge beim Sozialhilfeträger bzw. beim jobcenter hätte stellen können. Dort habe er sich jedoch trotz Vorladung nicht gemeldet.

Dagegen erhob die Klägerin rechtzeitig Widerspruch und trug vor, dass die Mittellosigkeit des Patienten anhand der vorliegenden Unterlagen nachgewiesen sei. Nachgereicht wurde die Bestätigung der p. Krankenversicherung N. vom 17.06.2013, wonach mangels eines Ausweispapiers des Patienten eine Krankenversicherung in P. nicht festgestellt werden konnte. Die AOK R. teilte der Klägerin auf Anfrage ihres Bevollmächtigten mit, dass sie nicht in der Lage sei, Unterlagen beim p. Versicherungsträger anzufordern, da diese keine verwendbaren Daten des Patienten enthalte, die es ihr ermöglichen, eine zuständige Krankenkasse zu ermitteln. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.05.2014 als unbegründet zurück und verwies darin zur Begründung auf den Ablehnungsbescheid vom 22.04.2014.

Dagegen hat die Klägerin am 22.05.2014 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben.

Die Klägerin verfolgt ihr Begehren weiter. Sie habe den medizinischen Eilfall bei der FHH rechtzeitig angezeigt, welche diese hätte an den Beklagten weiterleiten müssen. Der Patient sei mittellos gewesen und habe von Zuwendungen seiner Freundin gelebt und dieser sei in P. seit 5 Jahren ohne festen Wohnsitz gewesen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 22.04.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie Euro 4.433,38 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen. Sie verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ein sozialhilferechtlicher Eilfall habe nicht vorgelegen.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen, die zusammen mit der Prozessakte auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 30.05.2017 und Beratung der Kammer waren. Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig aber nicht begründet, denn die angefochten Bescheide der Beklagten sind nicht rechtswidrig. Zu Recht hat es der Beklagte abgelehnt, die stationären Behandlungskosten für die Behandlung des Patienten in Höhe von Euro 4.433,38 zu übernehmen. Die Voraussetzungen für einen sozialhilferechtlichen Eilfall liegen nicht vor.

Gemäß § 25 Satz 1 SGB XII hat Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen in gebotenem Umfang, wenn jemand in einem Eilfall einem anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen der Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären, wenn dieser sie nicht auf Grund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat. Die Regelung verfolgt das Ziel, die Hilfsbereitschaft Dritter im Interesse von in Not geratenen Menschen durch die Gewährleistung eines leistungsfähigen Schuldners zu erhalten und zu stärken sowie Hilfe in den Fällen sicherzustellen, in denen Leistungen des Sozialhilfeträgers zu spät kämen oder wegen Zeitablaufes ins Leere gingen (vgl. BSG Urteil vom 19.05.2009 B 8 SO 4/08 R Rdnr. 14). Als "jemand" i.S. des § 25 SGB XII gilt jede Person, die einem anderen Leistungen erbracht hat, das sind natürliche aber auch juristische Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts (vgl. Bieback in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Sozialhilfe, Kommentar, 5. Auflage 2014, § 25 SGB XII Rdnr. 6), womit auch die Klägerin als Krankenhausträger dem Grunde nach zum anspruchsberechtigten Personenkreis des § 25 SGB XII gehört. Die Notwendigkeit sofortiger Hilfe lässt in der Regel dabei keine Zeit, den zuständigen Sozialhilfeträger zu unterrichten und zunächst dessen Entscheidung hinsichtlich einer Gewährung der erforderlichen Hilfe als Sozialhilfe abzuwarten. Ein Eilfall muss daher in zweifacher Hinsicht gegeben sein: Es muss zunächst eine Notfallsituation im medizinischen Sinne vorliegen, die ein sofortiges Einschreiten eines Nothelfers am Aufnahmetag erforderlich macht. Dieses ist im vorliegenden Fall zwischen den Beteiligten nicht streitig. Auch die Kammer ist davon überzeugt, dass der Patient im Hinblick auf die Diagnosen S27.2 und S21.2 bei der Klägerin dringend ärztlich und stationär behandelt werden musste. Es muss darüber hinaus auch ein sozialhilferechtlicher Eilfall vorliegen, der nur gegeben ist, wenn eine rechtzeitige Hilfe des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen ist, der Sozialhilfeträger also nicht eingeschaltet werden konnte. Die Voraussetzungen für einen Eilfall sind deshalb nur dann und solange erfüllt, wie es der hilfebedürftigen Person bzw. dem Krankenhausträger nicht möglich oder zumutbar ist, den Sozialhilfeträger über den Hilfefall zu unterrichten, dieser also Kenntnis von dem Eilfall erhält (vgl. BSG, zuletzt mit Urteil vom 18.11.2014 B 8 SO 9/13 R, Rdnr. 15f mit weiteren Nachweisen, zitiert nach juris; Bieback, aaO, § 25 SGB XII Rdnr. 9,10; Schoch in LPK-SGB XII, § 25 Rdnr. 15). Der Antrag muss daher innerhalb einer angemessenen Frist gestellt werden, welches unter Berücksichtigung der Belange des Nothelfers und des Trägers der Sozialhilfe zu entscheiden ist. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Vorliegend war der Beklagte bei Aufnahme des Patienten an einem Mittwochabend zwar nicht mehr dienstbereit, sondern erst wieder am Folgetag. Zwar ist die Meldung der Klägerin über die Aufnahme des Patienten vom 24.04.2013 um 22:02 Uhr am Folgetag zunächst beim dann wieder dienstbereiten Sozialhilfeträger der FHH und nicht bei dem Beklagten erfolgt. Unabhängig von der Frage, ob die FHH nicht verpflichtet gewesen wäre, anstelle der Ablehnung des Antrages mit Bescheid vom 30.05.2013 wegen örtlicher Unzuständigkeit diesen nach § 16 Abs. 2 SGB I unverzüglich an den Beklagten weiterzuleiten, hat die Klägerin jedenfalls unmittelbar nach Erhalt des ablehnenden Bescheides der FHH vom 30.05.2013 die Meldung am 4.6.2013 beim Beklagten vorgenommen und ist nach der Überzeugung der Kammer damit ihrer Obliegenheitsverpflichtung zur unverzüglichen Meldung nachgekommen. Allerdings scheitert der geltend gemachte Anspruch, weil im Hinblick auf die hier nicht hinreichend festgestellte Identität des Patienten dessen Hilfebedürftigkeit als Voraussetzung für den ggfs. auch nur hypothetisch bestehenden Leistungsanspruch gegenüber dem Beklagten auf Leistungen auf Hilfen zur Gesundheit nach §§ 19 Abs. 3, 23 Abs. 1, 48 Satz 1 SGB XII nicht ausreichend festgestellt werden kann (vgl. SG Hamburg Urteil vom 16.01.2017 S 10 SO 334/12 –juris-). Es kann zunächst nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem Patienten überhaupt um den L. handelt. Denn dies beruht allein auf den Angaben des Patienten selbst, ohne dass dieser einen Ausweis oder irgendein anderes Schriftstück, welches auf seine Identität schließen lassen könnte, vorgelegt hat. Das von der Klägerin angefertigte Lichtbild des Patienten allein kann dabei nicht zur Identitätsfeststellung beitragen. Ebenso bleibt damit weiterhin ungeklärt, ob der Patient, wie angegeben, tatsächlich einkommens- und vermögenslos war bzw. keinen vorrangig in Anspruch zu nehmenden Krankenversicherungsschutz in P. besaß, weil auch die Auskunft der p. Krankenkasse vom 17.06.2013 diesbezüglich keinen Nachweis darstellt. Die Einkommens- und Vermögenslosigkeit der Patienten, welche im Rahmen eines Anspruchs nach § 25 SGB XII zu prüfen ist, lässt sich in der Regel aus einer Gesamtschau ermitteln und feststellen, welche sich nach dem Inhalt sämtlicher beigezogener Akten aus den Angaben des Patienten und seinem Verhalten, ggfs. auch dazu von den Beteiligten durchgeführten weiteren Ermittlungen letztlich schlüssig zu ergeben hat (vgl. auch LSG NRW Urteil vom 18.08.2016 L 9 SO 328/14 Rdnr. 44 – juris). Die Nichterweislichkeit der in diesem Sinne anspruchsbegründenden Tatsachen des § 25 SGB XII geht dabei stets zu Lasten des Nothelfers (vgl. BSG Urteil vom 18.11.2014, aaO, Rdnr. 26-juris). Dies gilt selbst in Fällen ungenügender Sachverhaltsermittlung bzw. -aufklärung durch den Sozialhilfeträger (vgl. BSG 18.11.2014 aaO, Rdnr. 26- juris unter Hinweis auf BVerwG, Beschluss vom 30.12.1996 – 5 B 202/95 – Rdnr. 5-juris). Dabei hat es der Nothelfer, also in der Regel das Krankenhaus, in der Hand, bereits während des stationären Aufenthalts ihres "Nothelferpatienten" die eigenen Ermittlungsmöglichkeiten zu nutzen und die Patienten, ggfs. Angehörige, Besucher etc., ggfs. auch gezielt selbst zu den anspruchsvoraussetzenden Tatsachen zu befragen bzw. entsprechende Nachforschungen anzustellen. Dies gilt insbesondere, weil die Patienten in aller Regel nach Beendigung der stationären Behandlung weder für das Krankenhaus noch für die Behörden nicht bzw. nicht mehr erreichbar sind. So hat es auch die Klägerin hier versäumt, ggfs. bei der vom Patienten benannten Freundin, bei der er sich in W. aufgehalten haben will, schon während seines stationären Aufenthaltes im Hinblick auf dessen Identität weiter nachzuforschen.

Soweit sich damit nach allem eine Hilfebedürftigkeit des Patienten nicht feststellen lässt, war der Anspruch aus § 25 SGB XII nicht begründet und war die Klage daher erfolglos und mit der Kostenfolge aus § 193 SGG abzuweisen
Rechtskraft
Aus
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