L 9 AS 3/15

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 25 AS 980/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 3/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Anspruch nach § 21 Abs. 7 SGB II setzt das Bestehen eines ungedeckten Bedarfs voraus, der nicht bereits durch die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II gedeckt ist.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 5. November 2014 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten einen Mehrbedarf für die Erwärmung von Wasser nach § 21 Abs. 7 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit von Juni bis November 2012.

Der Kläger bewohnt eine Mietwohnung, für die er monatlich eine Grundmiete in Höhe von 290,00 Euro zuzüglich Betriebskostenvorauszahlungen von 60,00 Euro zu zahlen hat. Die Heizung und die Erwärmung von Wasser erfolgen über eine Gaskombitherme in der Wohnung des Klägers. Den dafür benötigten Strom bezieht der Kläger von dem Energieversorgungsunternehmen. Abschläge für den Bezug von Gas entrichtet der Kläger in Höhe von 50,00 Euro monatlich.

Mit Bescheid vom 3. Juli 2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 620,00 Euro (220,00 Euro Regelbedarf und 400,00 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung) für Juni 2012 und in Höhe von 774,00 Euro monatlich (374,00 Euro Regelbedarf und 400,00 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung) für Juli bis November 2012.

Mit seinem Widerspruch vom 24. Juli 2012 gegen diesen Bescheid machte der Kläger u. a. geltend, dass für die Stromkosten der Gastherme in seiner Wohnung ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II zu gewähren sei. Der Beklagte gewährte daraufhin dem Kläger monatlich 2,50 Euro für die Betriebsstromkosten der Gaskombitherme und wies den Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 11. Dezember 2012 zurück. Eine dezentrale Warmwasseraufbereitung im Sinne des § 21 Abs. 7 SGB II läge nicht vor, da mit der Gaskombitherme auch geheizt werde. Der Betriebsstrom könne mit 5 % der jährlichen Brennstoffkosten berechnet werden. Da diese noch nicht bekannt seien, könne auf die Höhe der monatlichen Vorauszahlungen zurückgegriffen werden.

Der Kläger hat am 17. Dezember 2014 beim Sozialgericht Gießen Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass mit der Gaskombitherme eine dezentrale Wasserversorgung erfolge. Es könne keine Rolle spielen, ob die Erwärmung von Warmwasser und die Beheizung der Wohnung mit einem oder zwei getrennten Geräten vorgenommen würden. Schließlich würden die Kosten des Stroms zur Erzeugung von warmem Wasser nicht über den Vermieter abgerechnet, so dass § 22 SGB II nicht eingreife. Der Zuschlag von 5 % der jährlichen Brennstoffkosten beziehe sich nur auf die Heizkosten, nicht aber auf die Warmwasseraufbereitung.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Kosten für den Betrieb der Gaskombitherme des Klägers vollständig gedeckt seien.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 5. November 2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II, so dass sich der Bescheid vom 3. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2012 als rechtmäßig erweise. Insbesondere habe der Kläger keinen Anspruch auf den geltend gemachten Mehrbedarf. § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II sehe vor, dass bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt werde, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt werde (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt würden. § 21 Abs. 7 Satz 2 SGB II nenne Pauschalen zur Höhe des Mehrbedarfs, von denen abgewichen werden könne, wenn im Einzelfall ein abweichender Bedarf bestehe oder ein Teil des angemessenen Warmwasserbedarfs nach § 22 Abs. 1 SGB II anerkannt werde.

Welche Vorrichtungen solche der dezentralen Warmwassererzeugung seien, sei bisher höchstrichterlich nicht geklärt. Unstrittig sei, dass eine zentrale Warmwassererzeugung dann vorliege, wenn diese außerhalb der Wohnung des Leistungsberechtigten für mehrere Wohnungen gemeinsam erfolge. Im Umkehrschluss werde warmes Wasser danach dann dezentral erzeugt, wenn es nur für eine einzelne Wohnung vorgesehen sei. Wie die Systematik des Gesetzes zeige, sei eine weitere Voraussetzung aber die, dass die Warmwassererzeugung separat, d. h. nicht in einer Vorrichtung mit der Heizung, erfolge (Falterbaum in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 35 Rn. 81; ähnlich wohl auch Behrend in: jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2012, § 21 Rn. 120).

Mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches vom 25. März 2011 seien die Kosten für die Erwärmung von warmem Wasser aus dem Regelbedarf herausgenommen worden. Gleichzeitig sei ein Mehrbedarf für Kosten von Warmwasser bei dezentraler Warmwassererzeugung geschaffen worden. Da diese Regelungen Ergebnis der Beratungen im Vermittlungsausschuss gewesen seien, stünden Materialien zur Ermittlung des Willens des Gesetzgebers kaum zur Verfügung. Der Wortlaut des § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II ("soweit deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden") zeige aber, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, dass die Kosten der Erwärmung von warmem Wasser damit grundsätzlich zu einem Bestandteil der Bedarfe für Unterkunft und Heizung hätten werden sollen. Die insoweit vergleichbare Regelung des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XII) zu den Leistungen für Unterkunft und Heizung verdeutliche dies dadurch, dass § 35 Abs. 4 Satz 1 SGB XII die Leistungen für die zentrale Warmwasserversorgung ausdrücklich erwähne. § 21 Abs. 7 SGB II diene also nur dazu, die Kosten zu erfassen, die keine Bedarfe für Unterkunft und Heizung darstellten. Der Begriff der "dezentralen Warmwassererzeugung" sei daher systematisch in Abhängigkeit von dem Umfang, in dem § 22 SGB II die Übernahme der Kosten der Warmwassererzeugung zulasse, zu ermitteln. Anknüpfungspunkt sei dabei weniger die Frage, ob die Warmwassererzeugung zentral für mehrere Wohnungen oder dezentral für eine Wohnung erfolge, sondern es komme allein darauf an, ob die Warmwassererzeugung zusammen mit der Heizung oder separat erfolge. Nur bei einer einheitlichen Vorrichtung könnten diese Kosten unter den Begriff "Heizung" subsumiert werden. Dies sei vor der Änderung durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches vom 25. März 2011 nicht möglich gewesen, da § 20 Abs. 1 SGB II a. F. die Kosten für die Erzeugung von warmem Wasser ausdrücklich dem Regelbedarf zugeordnet habe. Mit dem Wegfall dieser Regelung habe der Gesetzgeber den Weg frei gemacht, die Warmwasserkosten unter den Begriff der Heizkosten zu fassen. Deswegen habe es auch keiner ausdrücklichen Aufnahme der Kosten der Warmwassererzeugung in § 22 SGB II bedurft. Bestätigt werde dies durch die internen Erläuterungen zur Anlage 3 des Regelungsvorschlags für den Vermittlungsausschuss vom 6. Februar 2011 (http://www.frankjaeger.info/ download/1-Warmwasser-Anlage%10AeAA%20VA.pdf/at download/file). Zur Begründung der Änderung des § 20 SGB II heißt es dort, dass damit klargestellt werde, dass der Bedarf zur Erzeugung von Warmwasser als Bedarf für Unterkunft und Heizung anzuerkennen sei, soweit er Bestandteil der Nebenkosten der Unterkunft sei.

Mit dem Begriff "dezentrale Warmwassererzeugung" versuche der Gesetzgeber also die Fälle zu erfassen, in denen der Bedarf nicht über § 22 SGB II gedeckt werde. So sei es tatsächlich zwingend, dass bei einer Zentralheizung mit zentraler Warmwassererzeugung eine Umlegung der Kosten auf die Mieter erfolgen müsse. Aber auch die Kosten einer dezentralen Heizung mit Warmwassererzeugung seien ein Bedarf nach § 22 SGB II. Es gebe zwar bestimmte Nebenkostenarten, die tatsächlich nur als Betriebskosten im Verhältnis zwischen Mieter und Vermieter in den Bedarf einzustellen seien (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 - B 14 AS 51/10 R -), für die Kosten der Warmwassererzeugung gelte dies allerdings nicht. Sie seien - wie der vergleichbare § 35 Abs. 4 SGB XII zeige grundsätzlich - auch für Eigentümer oder Mieter mit einem eigenen Vertrag mit dem Versorger - ein Bedarf nach § 22 SGB II.

Dies entspreche auch praktischen Gesichtspunkten. Bei einer Erzeugung von warmem Wasser und Heizung in einer Vorrichtung seien die Kosten in aller Regel als Gesamtkosten bekannt. Sie setzten sich regelmäßig aus den Brennstoffkosten und dem benötigten Betriebsstrom zusammen und seien vollständig als Bedarf für Heizung (und Warmwasser) zu übernehmen. Ein Abgleich mit dem pauschalen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II würde zu einer unnötigen Verkomplizierung führen.

Es sei zudem nicht ersichtlich, aus welchem Grund überhaupt zwischen einer zentralen Heizung mit Warmwassererzeugung und einer dezentralen Heizung mit Warmwassererzeugung differenziert werden sollte. Welche Mehrkosten sollten bei einer dezentralen Versorgung in einer Vorrichtung gegenüber einer zentralen Versorgung in einer Vorrichtung anfallen? Der Grund für den Mehrbedarf für eine separate Warmwassererzeugung erschließe sich hingegen sofort. Es entstünden gegenüber der Heizung zusätzliche Kosten (in aller Regel für Strom), die - da sie nicht unter den Begriff der Heizung subsumiert werden könnten - als Mehrbedarf zu übernehmen seien.

Aus diesem Grund vermöge auch der ansonsten denkbare Ansatz für dezentrale Heizungsanlagen, die eine Wohnung sowohl mit Wärme als auch mit Warmwasser versorgten, die Bedarfe nur insoweit anzuerkennen, als sie nicht bereits als Kosten der Heizung nach § 22 SGB II anerkannt seien (§ 21 Abs. 7 Satz 2 letzter Teilsatz SGB II; vgl. Krauß in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 21 Rn. 99), nicht zu überzeugen. Die Auffassung vermöge zwar dem letzten Teilsatz eine Bedeutung zu geben, die aufgrund der bereits oben zitierten Regelung des § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II sonst nicht ersichtlich sei, berücksichtige aber nicht, dass zu übernehmende Mehrkosten nicht ersichtlich seien. Es dürfte sich regelmäßig dadurch kein Anspruch nach § 21 Abs. 7 SGB II ergeben, da die Kosten mit den Brennstoff- und Stromkosten feststünden, also ein von den Pauschalen abweichender Bedarf bestehe, der aber vollständig nach § 22 SGB II als Bedarf für Heizung zu übernehmen sei.

Für den Kläger bedeute dies, dass die Kosten der Heizung und der Erwärmung von Wasser in seiner Gaskombitherme allein nach § 22 SGB II als Heizkosten zu übernehmen seien. Diese Kosten habe der Beklagte in richtiger Höhe von 52,50 Euro monatlich übernommen. Gegen den Ansatz von 5 % der Brennstoffkosten (hier 2,50 Euro) bestünden keine Bedenken. Insoweit sei die zivilrechtliche Rechtsprechung zur Heizkostenabrechnung in einem Mietverhältnis heranzuziehen, wonach der Vermieter berechtigt sei, die als Teil der Heizkosten abzurechnenden Stromkosten (vgl. § 7 Abs. 2 Heizkostenverordnung) für die Heizungsanlage zu schätzen, wenn gesonderte Zähler dafür nicht vorhanden seien (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 20. Februar 2008 - VIII ZR 27/07 - WuM 2008, 285). Die Schätzung stütze sich dabei auf Erfahrungswerte, wonach die Kosten des Betriebsstroms (höchstens) 5 % der Brennstoffkosten betragen. Diese Grundsätze seien für den Fall, dass - wie hier - kein Zwischenzähler zur Erfassung des Betriebsstroms der Heizungsanlage vorhanden sei, auf die Bestimmung der als Heizkosten im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzuerkennenden Kosten des Betriebsstroms entsprechend anzuwenden (ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. März 2011 - L 12 AS 2402/08 -). Eine Schätzung unter Einbeziehung der Verbrauchswerte der Gasetagenheizung des Klägers werde keine besseren Ergebnisse bringen, da die Festlegung der monatlichen oder gar jährlichen Betriebsdauer eine zu große Spannbreite eröffne.

Gegen das dem Kläger am 4. Dezember 2014 zustellte Urteil hat dieser durch seine Bevollmächtigten am Montag, dem 5. Januar 2015, die vom Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung haben die Bevollmächtigten ausgeführt, unstreitig sei, dass der benötigte Strom, der für den Betrieb der Heizung zum einen und für die Herstellung des Warmwassers zum anderen benötigt werde, ausschließlich über den Stromzähler des Klägers erfasst werde. Nach Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts sei eine solche Vorrichtung nicht von dem Tatbestandsmerkmal der "dezentralen Warmwasserversorgung" im Sinne des § 21 Abs. 7 SGB II umfasst, da nur solche Vorrichtungen erfasst seien, die warmes Wasser separat, d. h. nicht in einer Vorrichtung mit der Heizung, erwärmten. Mit der Einführung des § 21 Abs. 7 SGB II solle berücksichtigt werden, dass durch die dezentrale Warmwassererzeugung in einer Wohnung Energiekosten verursacht würden, die im Rahmen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe nicht konkret ermittelt werden könnten und nicht zu Lasten des Leistungsempfängers gehen sollten. Wie Schmidt (in: Oestreicher SGB II/SGB XII, § 21 SGB II Rn. 71) ausführe, werde der Mehrbedarf gewährt, wenn Warmwasser in einer in der Unterkunft installierten Vorrichtung erzeugt werde und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 SGB II anerkannt würden. Entscheidend sei - auch insofern verweise der Kläger auf die Ausführungen von Schmidt -, dass die Kosten nicht einen Teil der Mietnebenkosten darstellten, sondern in der allgemeinen Strom-/Gasabrechnung mit enthalten seien. Die weitere Voraussetzung, dass keine Bedarfe über § 22 SGB II abgerechnet werden, sei nicht in dem Sinne zu verstehen, dass die Anerkennung von Bedarfen nach § 22 SGB II einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II ausschließe, d. h. durch die Anerkennung des monatlichen Gasabschlags sei die Gewährung des Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 7 SGB II nicht ausgeschlossen. Aus § 21 Abs. 7 Satz 2 zweiter Halbsatz SGB II sei ersichtlich, dass ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II gewährt werde, soweit die Kosten der Warmwassererzeugung nicht über § 22 SGB II abgedeckt würden.

Eine Gasetagenheizung mittels einer Gaskombitherme erfülle daher die Voraussetzungen einer Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 7 SGB II. Die Stromkosten, die durch die Erzeugung des Warmwassers entstünden, seien nicht in den sonstigen Nebenkosten, die an den Vermieter geleistet werden, enthalten. Dies sei auch nicht möglich, da die Stromkosten der Therme ausschließlich über den Stromzähler des Klägers erfasst würden. Der Betriebsstrom, der für den Betrieb der Heizungsanlage benötigt werde, decke einen anderen "Bedarf" ab. Wie sich aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 7. Juli 2011 (s.o.) ergebe, solle durch die Gewährung im Hinblick auf die Gleichbehandlung zwischen einem hilfebedürftigen Mieter, dessen Wohnung an eine zentrale Heizungsanlage angeschlossen sei, und einem Hilfebedürftigen, dessen Wohnung dezentral beheizt werde, berücksichtigt werden, dass bei den Vorauszahlungen, die an den Vermieter für die Beheizung der Unterkunft zu leisten seien, Kosten des Betriebs einer zentralen Heizungsanlage enthalten seien. Dazu gehörten nach § 2 Nr. 4 Buchstabe a BetrKV auch die Kosten des Betriebsstroms der Heizungsanlage. Die grundsätzliche Berücksichtigung dieser Kosten im Rahmen der Heizkosten sei auch deshalb geboten, weil der Betrieb der Heizungspumpe untrennbar mit dem Betrieb der Heizung als solcher verbunden sei, so dass die Übernahme entsprechender Kosten grundsätzlich in die Berechnung der angemessenen Heizkosten einzustellen sei (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2011 s. o.).

Entgegen der Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts entstehe auch ein (bisher ungedeckter) Mehrbedarf, da die Warmwasseraufbereitung - losgelöst vom Heizungsbetrieb - zusätzliche Stromkosten "produziere". Das Wasser müsse bei Betrieb einer Gasetagenheizung konstant auf den voreingestellten Wert der Wassertemperatur, z. B. 60 Grad Celsius, gehalten werden. Die Stromkosten hierfür entstünden losgelöst vom Betrieb der Heizungsanlage. Dies zeige sich insbesondere in den Sommermonaten. Für den Betrieb der Heizungsanlage entstünden - mangels Betriebs - kaum Stromkosten. Die Stromkosten seien vielmehr ausschließlich der Herstellung des Warmwassers geschuldet, d. h. bei einer Gasetagenheizung entstünde ein (höherer) Energiebedarf für den Leistungsempfänger im Vergleich zu einer klassischen zentralen Warmwasserversorgung, da bei einer klassischen zentralen Warmwasserversorgung die Mehrkosten, die der Aufbereitung des Warmwassers geschuldet seien, über die Nebenkostenabrechnung auf den Vermieter umgelegt würden. Diese Möglichkeit bestehe bei einer Gasetagenheizung gerade nicht; daher sei der (pauschalierte) Mehrbedarf zu gewähren.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 5. November 2014 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 3. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2012 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 7 SGB II für die Zeit von Juni 2012 bis November 2012 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf die angefochtenen Bescheide und die erstinstanzliche Entscheidung.

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die Berufung ist zulässig. Zwar wird der Beschwerdewert von mehr als 750,00 Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) nicht erreicht. Das Sozialgericht hat aber die Berufung zugelassen. Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG). Das gilt auch dann, wenn ein Zulassungsgrund offensichtlich nicht gegeben ist (Leitherer in: Meyer-Ladewig u. a., SGG, 12. Aufl. 2017 § 144 Rn. 43a).

Die danach zulässige Berufung ist aber nicht begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 5. November 2014 und der Bescheid des Beklagten vom 3. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Dezember 2012 sind rechtmäßig, so dass der Kläger nicht beschwert ist (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf höhere Leistungen nach dem SGB II, insbesondere nicht auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 7 SGB II.

Zwar sind die allgemeinen Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB II in der Person des Klägers erfüllt. Der Beklagte hat aber für den hier streitgegenständlichen Zeitraum von Juni bis November 2012 die Leistungen nach dem SGB II (Regelbedarf zuzüglich Bedarfe für Unterkunft und Heizung) in zutreffender Höhe bewilligt. Der Kläger hat auch keine Einwände gegen die Leistungsberechnung vorgebracht.

Streitig ist vorliegend allein, ob der Kläger zusätzlich zu den ihm bewilligten Leistungen einen Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II hat. Nach Satz 1 dieser Vorschrift (in der Bekanntmachung der Neufassung vom 13. Mai 2011 - BGBl. I 850) wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen erzeugt wird (dezentrale Warmwassererzeugung) und deshalb keine Bedarfe für zentral bereitgestelltes Warmwasser nach § 22 anerkannt werden. Liegen die Voraussetzungen des § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II vor, beträgt der Mehrbedarf für allein stehende leistungsberechtigte Personen 2,3 Prozent des für sie geltenden Regelbedarfs nach § 20 Absatz 2 Satz 1 (§ 21 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 SGB II), soweit nicht im Einzelfall ein abweichender Bedarf besteht oder ein Teil des angemessenen Warmwasserbedarfs nach § 22 Abs. 1 SGB II anerkannt wird (§ 21 Abs. 7 Satz 2 Halbsatz 2 SGB II).

Mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfsermittlungsgesetz - RBEG) vom 24. März 2011 (BGBl. I 453) wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2011 neu geregelt, dass Kosten für die zentrale Warmwasserversorgung wie schon zuvor die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung zusätzlich zu den Regelbedarfen bei der Leistungsgewährung zu berücksichtigen sind. Bis zum 31. Dezember 2010 waren die Kosten für Warmwasser vom Regelbedarf umfasst. Aus § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II ergibt sich, dass der Bedarf für zentral bereitgestelltes Warmwasser Teil der nach § 22 zu erbringenden Leistungen für Unterkunft und Heizung ist, was dort nicht ausdrücklich geregelt wurde. § 21 Abs. 7 SGB II erfasst die Fälle der dezentralen Warmwassererzeugung, in denen in der Unterkunft selbst Vorrichtungen installiert sind (Durchlauferhitzer, Boiler, Gasetagenheizungen, aber z. B. auch Herde), mit denen das Warmwasser über die Haushaltsenergie erzeugt wird. Diese ist Teil des Regelbedarfs nach § 20 Abs. 1 SGB II, so dass die Kosten dafür dem jeweiligen Haushalt zur Last fallen. Der Regelbedarf umfasst aber ausdrücklich nicht die auf die Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile der Haushaltsenergie. Da dieser Anteil gleichwohl über die Energierechnung von dem Hilfebedürftigen zu zahlen ist, soll der Mehrbedarfszuschlag nach Abs. 7 dies ausgleichen (von Boetticher in: LPK-SGB II, 6. Aufl. 2017, § 21 Rn. 45).

§ 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II enthält eine Legaldefinition des Begriffs "dezentrale Warmwasserversorgung". Danach handelt es sich um die Erzeugung von Warmwasser durch in der Unterkunft installierte Vorrichtungen. Die Gaskombitherme des Klägers, durch die sowohl Heizwärme als auch Warmwasser erzeugt wird, und die sich in der Wohnung des Klägers befindet, erfüllt diese Voraussetzungen. Ob - wie das Sozialgericht meint - der Begriff "dezentrale Warmwasserversorgung" abweichend von der gesetzlichen Definition einengend dahingehend auszulegen ist, dass § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II nur solche Vorrichtungen umfasst, die warmes Wasser separat, d. h. nicht in einer Vorrichtung mit der Heizung erwärmen, bedarf jedenfalls im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung. Denn der Anspruch auf einen Mehrbedarfszuschlag nach § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II setzt schon nach dem Wortlaut der Vorschrift das Bestehen eines Mehrbedarfs voraus. Bereits daran fehlt es hier. Die Aufwendungen für den Betrieb der Gaskombitherme werden von dem Beklagten vollständig übernommen. Der Beklagte hat die monatlichen Aufwendungen des Klägers für den Bezug von Gas als Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anerkannt. Darin sind auch die Aufwendungen für die Erzeugung von Warmwasser enthalten. Die Kosten für den Strom zum Betrieb der Gaskombitherme haben der Beklagte und das Sozialgericht zutreffend mit 5 % der Aufwendungen für die Gasenergie geschätzt. Einwände gegen die Höhe der Schätzung hat der Kläger nicht vorgetragen. Auch ergeben sich für den Senat keine Anhaltspunkte, die zu Zweifeln an der Richtigkeit der auf der Grundlage mietrechtlicher Bestimmungen erfolgten Schätzung Anlass geben könnten.

Erfolgt - wie hier - die Warmwasserbereitung zusammen mit der Heizung in einer Gaskombitherme und werden die Kosten für die Gasenergie und den Betriebsstrom bereits im Rahmen der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II übernommen, fehlt es an einem die Gewährung eines Zuschlags nach § 21 Abs. 7 Satz 1 SGB II begründenden Mehrbedarf. Der Anspruch nach § 21 Abs. 7 SGB II setzt das Bestehen eines ungedeckten Bedarfs voraus, der nicht bereits durch die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II gedeckt ist.

Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Vortrag des Bevollmächtigten des Klägers, es entstehe ein (bisher ungedeckter Mehrbedarf), da die Warmwasseraufbereitung losgelöst vom Heizungsbetrieb - zusätzliche Stromkosten produziere. Die Stromkosten für den Betrieb der Gaskombitherme können nur insgesamt erfasst werden; eine Aufteilung einerseits auf die Heizenergie und andererseits auf die Warmwassererzeugung wäre selbst bei Vorhandensein einer gesonderten Messeinrichtung für die Gaskombitherme nicht möglich. Im Übrigen erschließt sich für den Senat der behauptete ungedeckte Mehrbedarf nicht, da die Stromkosten (hier in Höhe von 2,50 Euro monatlich) für den Betrieb der Gastherme ganzjährig im Rahmen der Leistungen für Unterkunft und Heizung von dem Beklagten übernommen werden. Dies gilt auch für die Sommermonate, in denen Stromkosten vollständig oder zumindest überwiegend nur für die Erzeugung von Warmwasser anfallen. Auch in diesen Monaten werden von dem Beklagten - entsprechend der das ganze Jahr über gleichbleibenden Abschlagsanforderungen des Energieversorgungsunternehmens - Bedarfe für den Betriebsstrom in Höhe von 5 % der Aufwendungen für die Gasenergie anerkannt. Eine Bedarfsunterdeckung ist nicht ersichtlich.

Der Kläger hat daher weder einen Anspruch auf Erstattung höherer Aufwendungen noch auf einen Mehrbedarfszuschlag nach § 21 Abs. 7 SGB II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor, insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Rechtskraft
Aus
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