L 2 AS 2057/17 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 35 AS 3666/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 2 AS 2057/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 04.10.2017 aufgehoben. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 18.09.2017 bis zum 28.02.2018, längstens jedoch bis zur Rechtskraft in der Hauptsache, vorläufig Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe der Regelleistungen unter Anrechnung einer Unterhaltsleistung in Höhe von 100,- Euro zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für beide Instanzen.

Gründe:

I.
Die Eltern und die jüngere Schwester der Antragstellerin sind nach eigenen Angaben am 04.07.2015 aus Polen nach Deutschland eingereist. Sie bewohnten in N zunächst eine knapp 50 qm große Dreizimmerwohnung und leben seit dem 01.03.2016 in einer 82 qm großen Vierzimmerwohnung. Die Kosten der Unterkunft und Heizung für diese Wohnung liegen bei monatlich 535,- Euro. Die am 00.00.1994 geborene Antragstellerin ist am 30.10.2015 zu der Familie nachgezogen. Sie besitzt - wie ihre Eltern und die jüngere Schwester - die polnische Staatsangehörigkeit.

Der Vater der Antragstellerin war vom 17.07.2015 bis zum 16.07.2017 in einem Logistikunternehmen versicherungspflichtig beschäftigt. Sein monatliches Bruttoeinkommen lag zuletzt bei ca. 1800,- Euro. Für die jüngere Schwester wird Kindergeld gezahlt. Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von Kindergeld wurde abgelehnt.

Der Antragsgegner gewährte den Eltern und der jüngeren Schwester der Antragstellerin aufgrund eines am 11.11.2015 bzw. 31.03.2016 gestellten Antrags von November 2015 bis Oktober 2016 ergänzende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Für die Antragstellerin wurden keine Leistungen bewilligt. Ihr Anteil an den Kosten der Unterkunft und Heizung, den der Antragsgegner bei der Berechnung der Bedarfe der übrigen Familienmitglieder zu ¼ in Abzug gebracht hat, sowie die Kosten für ihren sonstigen Lebensunterhalt wurden durch die Eltern gedeckt. Ab September 2016 wurde für die jüngere Schwester der Antragstellerin ein Kindergeldzuschlag in Höhe von 160,- Euro, ab Januar 2017 in Höhe von 170,- Euro, gewährt. Von Oktober 2016 bis Juli 2017 erhielt die Familie außerdem Wohngeld in Höhe von monatlich 321,- Euro. Seit dem 17.07.2017 bezieht der Vater der Antragstellerin Arbeitslosengeld I in Höhe von monatlich 839,10 Euro.

Am 31.07.2017 stellte N L, die Mutter der Antragstellerin, für die Familie erneut einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Auch für die Antragstellerin wurde ein Antrag gestellt. Mit Bescheid vom 08.08.2017 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 23.08.2017 bewilligte der Antragsgegner den Eltern und der jüngeren Schwester der Antragstellerin ab dem 01.07.2017 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 0,00 Euro für Juli, 147,62 Euro für August und 518,82 Euro für die Monate September bis Dezember 2017. Bei der Berechnung der Leistungen wurden die zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung erneut um ¼ reduziert und als fiktiver Anteil der Antragstellerin zugeordnet. Mit Bescheid vom 24.08.2017 lehnte der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin ab. Diese verfüge nicht über die erforderliche Arbeitnehmereigenschaft nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Die Mutter der Antragstellerin legte gegen diesen, an sie adressierten Bescheid am 15.09.2017 Widerspruch ein.

Bereits mit Schreiben vom 13.09.2017, eingegangen am 18.09.2017, hat die Mutter der Antragstellerin außerdem beim Sozialgericht Düsseldorf einen Eilantrag gestellt. Sie hat begehrt, ihrer Tochter L Leistungen nach dem SGB II einschließlich des Mitgliedsbeitrages für eine freiwillige Krankenversicherung zu gewähren. Als Familienangehörige eines Arbeitnehmers habe diese Anspruch auf Leistungen. Sie unterliege nicht dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, weil ihr ein anderes Aufenthaltsrecht als das zum Zweck der Arbeitssuche zustehe. Dieses Aufenthaltsrecht ergebe sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 2 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU), nach dem auch Verwandte in gerader aufsteigender und absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 und Nr. 7 FreizügG/EU genannten Personen, denen diese Person Unterhalt gewährt, ein Aufenthaltsrecht haben. Dies treffe auf die Antragstellerin zu, da diese über kein Einkommen verfüge und aus dem Einkommen der Bedarfsgemeinschaft, aktuell aus dem Arbeitslosengeld des Vaters, Unterhalt beziehe. Da sich die wirtschaftliche Situation der Bedarfsgemeinschaft durch den Verlust des Arbeitsplatzes des Vaters der Antragstellerin wesentlich verschlechtert habe und ab Vollendung des 23. Lebensjahres am 28.09.2017 kein Krankenversicherungsschutz für die Antragstellerin mehr bestehe, sei von einer besonderen Eilbedürftigkeit auszugehen.

Das Sozialgericht hat den Antrag als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Mutter der Antragstellerin ausgelegt und mit Beschluss vom 04.10.2017 abgelehnt. Der Antrag sei schon unzulässig, weil die Antragstellerin keinen eigenen Anspruch, sondern einen Anspruch ihrer volljährigen Tochter geltend mache. Er sei zudem auch unbegründet, weil die Eltern der Antragstellerin selbst Grundsicherungsleistungen bezögen und daher nicht unterhaltsfähig seien.

Die Antragstellerin hat hiergegen, vertreten durch ihre Mutter, am 02.11.2017 "Berufung" eingelegt. Sie hat eine Vollmacht vorgelegt, aus der sich ergibt, dass ihre Mutter sie in diesem Verfahren vertreten solle. Die Antragstellerin hat außerdem einen Bescheid der Stadt N eingereicht, aus dem sich ergibt, dass bei ihr, insbesondere wegen der Beeinträchtigung "Lungenteilentfernung bei Gewebeveränderung rechts, Stadium der Heilungsbewährung, Lungenfunktionseinschränkung" ab dem 01.08.2017 ein Grad der Behinderung von 100 und die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" - erhebliche Gehbehinderung - vorliegen.

II.
Der Senat legt die von der Antragstellerin eingelegt Berufung als Beschwerde aus, weil diese das zulässige Rechtsmittel gegen den Beschluss des Sozialgerichts darstellt. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist überwiegend begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt.

Der durch die bevollmächtigte Mutter der Antragstellerin gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, weil er bei verständiger Auslegung als eigenständiger Antrag der Antragstellerin auszulegen war, der lediglich von der Mutter als deren Bevollmächtigte gestellt worden ist. Dies wird bereits dadurch deutlich, dass diese sich in der Antragsschrift vom 18.09.2017 zwar als Antragstellerin bezeichnet hat, ausdrücklich aber die Gewährung von Leistungen an die Antragstellerin begehrt hat. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hat sie zudem unter Vorlage einer Vollmacht eindeutig klargestellt, dass sie das Verfahren lediglich als Bevollmächtigte für ihre Tochter führt. Diesbezüglich wird nunmehr auch ausdrücklich begehrt, der - so verstandenen - Antragstellerin im Wege einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen zu bewilligen.

Der Antrag ist auch im tenorierten Umfang begründet. Der Antragsgegner ist dazu verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für die Zeit vom 18.09.2017 bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 28.02.2018 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu gewähren.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (Anordnungsanspruch), und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (Anordnungsgrund). Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung -ZPO-). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. Bundessozialgericht -BSG-, Beschl. vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01, RdNr. 5 bei juris).

Einen diesbezüglichen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund hat die Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht. Nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin einen Anspruch auf Leistungen nach § 7 Abs. 1 SGB II hat. Sie erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 4 SGB II, denn sie ist älter als 15 Jahre, überschreitet die Altersgrenze des § 7a SGB II nicht und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Anhaltspunkte dafür, dass sie trotz der bei ihr vorliegenden schweren Erkrankung nicht erwerbsfähig ist, hat der Senat nicht. Die hierdurch möglicherweise zur Zeit bestehende Arbeitsunfähigkeit begründet noch keine Erwerbsunfähigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 05.07.2017 - B 14 AS 27/16 R, RdNr. 11 mwN bei juris). Auch der Antragsgegner geht von einer Erwerbsfähigkeit aus. Die Antragstellerin ist schließlich auch hilfebedürftig. Sie verfügt über keine eigenen finanziellen Mittel. Ihr Lebensunterhalt wurde in der Vergangenheit durch ihre Eltern gewährleistet, die hierzu nach eigenen Angaben aktuell nicht mehr in vollem Umfang in der Lage sind, weil sie seit der Arbeitslosigkeit des Vaters selbst aufstockende Leistungen zum Lebensunterhalt beziehen.

Die Antragstellerin wird auch nicht vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, wonach Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben, erfasst. Sie hat glaubhaft gemacht, dass bei ihr noch ein anderes Aufenthaltsrecht besteht. In diesem Fall greift aber der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließt, nicht. Die Anwendbarkeit der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II erfordert insoweit eine fiktive Prüfung, dass kein anderes materiell bestehendes Aufenthaltsrecht als ein solches "zum Zweck der Arbeitsuche" vorhanden ist (BSG, Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, RdNrn. 23 ff. bei juris).

Die Antragstellerin hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 FreizügG/EU erfüllt. Danach haben Familienangehörige der in § 2 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 FreizügG/EU genannten Unionsbürger ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, wenn sie den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Familienangehörige sind dabei nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU auch die Verwandten der in gerader aufsteigender und in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nrn. 1 bis 5 und 7 genannten Personen, denen diese Personen Unterhalt gewähren. Zu diesem Personenkreis zählt die Antragstellerin, die ihren Eltern, die sich seit Juli 2015 in Deutschland aufhalten, im Oktober 2015 nachgezogen ist. Ihr Vater ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU trotz der aktuell bestehenden Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung weiterhin als Arbeitnehmer aufenthaltsberechtigt. Die Antragstellerin hat auch glaubhaft gemacht, dass dieser ihr Unterhalt gewährt. Eine solche Unterhaltsgewährung liegt vor, wenn dem Verwandten tatsächlich Leistungen zukommen, die die vom Ansatz her als Mittel der Bestreitung des Lebensunterhalts angesehen werden können. Dazu gehört eine fortgesetzte regelmäßige Unterstützung in einem Umfang, der es ermöglicht, zumindest einen Teil des Lebensunterhalts regelmäßig zu decken (Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 3 FreizügG/EU RdNr. 47). Ausreichend kann diesbezüglich eine Unterhaltsgewährung in Höhe von 100,- Euro monatlich sein (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2017 - L 19 AS 1131/17 B ER, RdNr. 45 bei juris mwN; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.05.2015 - L 7 AS 372/15 B ER, L 7 AS 373/15 B, RdNr. 13; SG Augsburg, Urteil vom 20.10.2017 - S 8 AS 1071/17, RdNr. 30 bei juris). Es ist auch nicht erforderlich, dass derjenige, dem Unterhalt gewährt wird, einen Anspruch auf Unterhaltsgewährung hat (vgl. EuGH, Urteil vom 18.06.1987 - 316/85, RdNr. 21 bei juris; Tewocht in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 2016, § 3 FreizügG/EU RdNr. 15; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 3 FreizügG/EU RdNrn. 47 ff.). Das Abhängigkeitsverhältnis muss zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Familiennachzug bestehen (vgl. Tewocht in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 2016, § 3 FreizügG/EU RdNr. 15; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 3 FreizügG/EU RdNr. 51).

Hiervon ist hier nach summarischer Prüfung auszugehen. Die im Zeitpunkt des Familiennachzugs gerade 21 Jahre alte Antragstellerin hat nach den Angaben im Erstantrag vom 11.11.2015 in den letzten Monaten, also auch vor ihrem Zuzug nach Deutschland, von dem Einkommen ihres Vaters und den Ersparnissen der Eltern gelebt. Sie wird nach den glaubhaften Angaben ihrer Mutter auch seit ihrer Ankunft in Deutschland im Oktober 2015 von den Eltern unterstützt. Diese übernehmen den nach den Berechnungen des Antragsgegners von der Antragstellerin zu tragenden Anteil der Kosten der Unterkunft und Heizung und haben ihren Lebensunterhalt bis zum Beginn der Arbeitslosigkeit des Vaters aus den diesem zustehenden Freibeträgen vollständig und danach mit Hilfe des Arbeitslosengeldes I zumindest teilweise gedeckt. Der Senat geht davon aus, dass der Antragstellerin diesbezüglich Unterhaltsleistung zur Verfügung gestellt werden, die einen Wert von 100,- Euro monatlich erreichen und rechnet diesen Betrag im Rahmen des Eilverfahrens als Einkommen an. Er lässt offen, ob eine hinreichende Unterhaltsgewährung für ein Aufenthaltsrecht auch dann angenommen werden kann, wenn der Unterhalt allein aus Mitteln des SGB II-Leistungsbezugs gezahlt wird, weil der Unterhaltsgewährende selbst ausschließlich im Leistungsbezug steht. Eine solche Fallgestaltung liegt hier gerade nicht vor, weil der Unterhalt über einen Zeitraum von zwei Jahren im Wesentlichen aus dem Erwerbseinkommen des Vaters gezahlt worden ist, der aktuell jedenfalls noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I verfügt.

Bei summarischer Prüfung spricht zudem einiges dafür, dass der Antragstellerin wegen der aktuell bestehenden schweren Erkrankung jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt ein weiteres Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zustehen kann. Auch die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 11 FreizügG/EU im Wege eines Günstigkeitsvergleichs anwendbaren Regelungen des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) führen nach der Rechtsprechung des BSG dazu, dass der Leistungsausschluss nicht anwendbar ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R, RdNrn. 32 ff. bei juris). § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthaltsG bestimmt, dass Familienangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann, wenn dies zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Ob eine solche außergewöhnliche Härte wegen der schweren Erkrankung der Antragstellerin und der bestehenden besonderen familiären Bindungen zu den Eltern hier vorliegt ist von der zuständigen Ausländerbehörde im Rahmen einer Einzelabwägung zu prüfen. Der Antragstellerin wird eine diesbezügliche Antragstellung bei der Ausländerbehörde empfohlen. Für die hier zu treffende Entscheidung kann diese Frage offen bleiben, weil der Senat bereits das Aufenthaltsrecht nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 FreizügG/EU als glaubhaft gemacht ansieht.

Die Antragstellerin hat hinsichtlich der begehrten Regelleistungen auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Sie verfügt über keine hinreichenden eigenen Mittel zur Sicherung ihres Lebensunterhalts, sondern wird von ihre Familie lediglich mit dem Notwendigsten unterstützt. Wegen ihrer schweren Erkrankung bedarf sie zudem dringend eines Krankenversicherungsschutzes, der mit der Bewilligung der Leistungen gewährleistet wird. Soweit der Antrag der Antragstellerin auch die vorläufige Gewährung von Leistungen der Unterkunft und Heizung umfasst, ist ein Anordnungsgrund demgegenüber nicht ersichtlich, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Eltern der Antragstellerin die Kosten der Unterkunft und Heizung nicht mehr vollständig übernehmen können, so dass eine Gefährdung der Unterkunft zumindest derzeit nicht zu befürchten ist.

Hinsichtlich der Dauer der Verpflichtung orientiert sich der Senat an der regelmäßigen Dauer einer vorläufigen Leistungsbewilligung von sechs Monaten (§ 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Der Beschluss ist unanfechtbar, § 177 Sozialgerichtsgesetz.
Rechtskraft
Aus
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