S 155 AS 7716/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
155
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 155 AS 7716/15
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 211/19
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Für außerschulischen Religions- und Sprachunterricht besteht kein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft gemäß § 28 Absatz 7 SGB II.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben für die Teilnahme an außerschulischem Arabisch- und Islamunterricht.

Die 2008, 2004, 2003, 2006 und 2009 geborenen Kläger beziehen gemeinsam mit ihren Eltern in Bedarfsgemeinschaft vom Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, so unter anderem auch für die Bewilligungszeiträume 01.11.2014 bis 31.10.2015 und 01.11.2015 bis 31.10.2016.

Mit Anträgen vom 10.11.2014, eingegangen beim Beklagten am 13.11.2014, beantragten die Kläger jeweils Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben nach § 28 Abs. 7 SGB II i.H.v. 10 EUR monatlich, um im Zeitraum September 2014 bis Juni 2015 am Kurs "Arabischunterricht für Muttersprachler und Islamunterricht" in der Bildungseinrichtung gGmbH teilzunehmen. Die Teilnahmegebühren betrugen monatlich zwischen 25,- EUR für den Klägerin zu 3. und 10,- EUR für die Klägerin zu 5. Hinzu kam eine einmalige Anmeldegebühr in Höhe von jeweils 10,- EUR.

Mit Bescheiden vom 17.11.2014 lehnte der Beklagte die Anträge ab, da es sich nicht um einen anerkennungsfähigen Mitgliedsbeitrag aus dem Bereich Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit handele. Hiergegen erhoben die Kläger am 17.12.2014 jeweils Widerspruch, den sie damit begründeten, dass es sich um Unterricht des e.V. handele, dessen Ziel die altersgerechte Vermittlung der Grundlagen der arabischen Sprache in Gruppen sei, und dass daher eine Teilhabe am soziokulturellen Leben in der Gemeinschaft vorliege.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.03.2015 wies der Beklagte die Widersprüche für alle Kläger zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Es sei nicht erkennbar, dass die Vermittlung der arabischen Sprache und islamischen Religionsunterrichts der Integration in bereits bestehende Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen diene. Auch handele es sich nicht um unter staatlicher Aufsicht stehenden Islamunterricht im Rahmen eines normalen Lehrplans.

Hiergegen erhoben die Kläger am 13.04.2015 jeweils eigenständige Klagen, die das Gericht mit Beschlüssen vom 02.07.2015 und 28.07.2015 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung gemäß § 113 Abs. 1 SGG verbunden hat.

Mit weiteren Anträgen vom 10.09.2015, eingegangen beim Beklagten am 08.10.2015, beantragten die Kläger zu 1., zu 4. und zu 5. wiederum Leistungen nach § 28 Abs. 7 SGB II in Höhe von jeweils 10,- EUR monatlich für die Teilnahme am "Arabischunterricht für Muttersprachler und Islamunterricht" in der gGmbH im Zeitraum September 2015 bis Juni 2016. Die Teilnahmegebühren betrugen monatlich zwischen 25,- EUR und 20,- EUR je Kläger zuzüglich einer einmaligen Anmeldegebühr in Höhe von jeweils 10,- EUR.

Der Beklagte lehnte auch diese Anträge ab (Bescheide vom 09.10.2015). Die hiergegen am 09.11.2015 erhobenen Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 12.11.2015 zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass über die Vermittlung von Arabischunterricht und Islamunterricht hinaus keine die Gemeinschaft und das Gruppenerlebnis fördernde Aktivitäten angeboten würden. Altersgerechter Unterricht sei gerade kein spezielles die Gemeinschaft prägendes Kriterium, sondern der Normalfall der Wissensvermittlung. Darüber hinaus geförderte Aktivitäten wie z.B. gemeinsame Ausflüge, gemeinsame Freizeitaktivitäten oder gemeinsame Nachhilfe im Rahmen schulischer Pflichtfächer fänden nicht statt. Die staatliche Förderung von Religionsunterricht – egal welcher Glaubensrichtung – in dieser Form würde das Grundprinzip der Trennung von Staat und Religion unterwandern. Die Förderungsfähigkeit nach § 28 Abs. 7 SGB II sei allenfalls zu bejahen, wenn ein allumfassender vergleichender Religionsunterricht angeboten werde.

Die hiergegen am 18.11.2015 erhobene Klage hat das Gericht mit Beschluss vom 04.02.2016 ebenfalls zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Zur Begründung ihrer Klagen führen die Kläger im Wesentlichen aus: Es bestehe ein Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben aus § 28 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 SGB II, da diese Norm Mitgliedsbeiträge unter anderem im Bereich Kultur berücksichtige. Der e.V. sei 1995 auf Wunsch arabischer Familien gegründet worden, die Wert darauf legten, dass ihre Kinder die arabische Sprache erlernten. Er vermittle die Grundlagen der arabischen Sprache altersgerecht und bringe Schülern bei, Texte zu verstehen und sich in Wort und Schrift zu artikulieren. Des Weiteren erteile er islamischen Religionsunterricht. Da die arabische Sprache ebenso wie die islamische Religion Teil der Kultur der Kläger sei, handle es sich um ein Angebot zur kulturellen Teilhabe. Die Kurse fänden in Gruppen statt, so dass auch insofern über die reine Vermittlung von Wissen hinaus soziale Teilhabe stattfände.

Die Kläger beantragen, den Beklagten unter Aufhebung der jeweils die Kläger zu 1. bis 5. betreffenden Bescheide vom 17.11.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.03.2015 sowie unter Aufhebung der jeweils die Kläger zu 1., 4. und 5. betreffenden Bescheide vom 9.10.2015 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 12.11.2015 zu verurteilen, dem Kläger zu 1. 190,- EUR als Leistungen zur Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben in den Leistungszeiträumen 1.11.2014 - 31.10.2015 und 1.11.2015 – 31.10.2016 zu zahlen, der Klägerin zu 2. 120,- EUR als Leistungen zur Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben im Leistungszeitraum 1.11.2014 - 31.10.2015 zu zahlen, der Klägerin zu 3. 120,- EUR als Leistungen zur Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben im Leistungszeitraum 1.11.2014 - 31.10.2015 zu zahlen, dem Kläger zu 4. 240,- EUR als Leistungen zur Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben in den Leistungszeiträumen 1.11.2014 - 31.10.2015 und 1.11.2015 – 31.10.2016 zu zahlen, und der Klägerin zu 5. 220,- EUR als Leistungen zur Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben in den Leistungszeiträumen 1.11.2014 - 31.10.2015 und 1.11.2015 – 31.10.2016 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf seine Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden und führt ergänzend aus, dass der Unterricht, an dem die Kläger teilnähmen, kein Gruppenerlebnis und keine Integration in eine Gruppe Gleichaltriger vermittle, weil die reine Wissensvermittlung im Vordergrund stehe. Zudem finde keine Integration in bestehende Vereins- oder Gemeinschaftsstrukturen statt.

Die Kläger haben trotz der ablehnenden Entscheidungen des Beklagten während der Rechtshängigkeit ihrer Klagen an den Kursen der gGmbH teilgenommen. Ihre Eltern haben die Teilnahmegebühren an die gGmbH gezahlt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die in der Form der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) erhobenen Klagen, über die nach der Verbindung gemäß § 113 Abs. 1 SGG gemeinsam verhandelt und entschieden wurde, sind zulässig, aber nicht begründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten. Sie haben für die Teilnahme an dem Kurs "Arabischunterricht für Muttersprachler und Islamunterricht" der gGmbH keinen Anspruch auf Leistungen nach zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben.

Rechtsgrundlage für die von den Klägern geltend gemachten Zahlungsansprüche ist § 30 S. 1 SGB II. Danach ist, wenn die leistungsberechtigte Person durch Zahlung an Anbieter in Vorleistung geht, der kommunale Träger zur Übernahme der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen verpflichtet, soweit 1. unbeschadet des Satzes 2 die Voraussetzungen einer Leistungsgewährung zur Deckung der Bedarfe im Zeitpunkt der Selbsthilfe nach § 28 Absatz 2 und 5 bis 7 vorlagen und 2. zum Zeitpunkt der Selbsthilfe der Zweck der Leistung durch Erbringung als Sach- oder Dienstleistung ohne eigenes Verschulden nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen war. Satz 2 der Vorschrift bestimmt, dass ein Antrag als zum Zeitpunkt der Selbstvorname gestellt gilt, wenn es dem Leistungsberechtigten nicht möglich war, diesen rechtzeitig zu stellen.

Die Voraussetzungen des § 30 S. 1 SGB II liegen hier jedoch nicht vor. Zwar ist es unschädlich, dass – wie hier – der gesetzliche Vertreter (Eltern) für die minderjährigen Kläger als Leistungsberechtigte die Zahlung an den Anbieter vorgenommen hat (Luik, in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 30 Rn. 11). Auch war die Leistung – hier die Teilnahme an dem Sprach- und Islamunterricht – für die Kläger zum Zeitpunkt der Selbsthilfe – hier die Zahlung der Teilnahmegebühren durch ihre Eltern – ohne eigenes Verschulden nicht rechtzeitig zu erreichen, da der Beklagte ihre rechtzeitig gestellten Anträge abgelehnt hat. Ein Abwarten von Rechtsbehelfs- und Rechtsmittelverfahren war den Klägern nicht zumutbar, weil sonst die Teilnahme an den Kursen in den Jahren 2014/2015 und 2015/2016 vereitelt worden wäre.

Jedoch liegen die Voraussetzungen einer Leistungsgewährung zur Deckung der Bedarfe im Zeitpunkt der Selbsthilfe nach § 28 Abs. 2 und 5 bis 7 SGB II nicht vor. Denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Leistungen für Bildung und Teilhabe nach den genannten Rechtsgrundlagen. Als Rechtsgrundlage für das Begehren der Kläger kommt hier einzig § 28 Abs. 7 S. 1 SGB II in Betracht. Danach wird bei Leistungsberechtigten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres ein Bedarf zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft in Höhe von insgesamt 10 EUR monatlich berücksichtigt für 1. Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit, 2. Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und 3. die Teilnahme an Freizeiten. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Zwar sind die Kläger als minderjährige Leistungsberechtigte grundsätzlich anspruchsberechtigt. Auch steht dem Anspruch nicht entgegen, dass die hier im Streit stehenden Kursgebühren – abgesehen von den Kosten für die Klägerin zu 5. in den Jahren 2014/2015 – über das gesetzlich bestimmte Budget von 10,- EUR pro Monat hinausgehen. Denn es steht den Klägern einerseits frei, teurere als von dem Budget umfasste Angebote der sozialen und kulturellen Teilhabe wahrzunehmen und diese anteilig aus ihrer Regelleistung zu bestreiten (vgl. § 28 Abs. 7 S. 2 SGB II a.E.). Andererseits ist auch ein Ansammeln des monatlich zustehenden Budgets (Luik, a.a.O., § 28 Rn. 64, zu Freizeiten) und damit ein kumulierter Einsatz des Budgets einmalig oder in nur einigen Monaten eines Bewilligungszeitraums möglich. Grundsätzlich können Leistungsberechtigte daher die Leistung von 10,- EUR monatlich über einen gesamten Bewilligungszeitraum auch dann verlangen, wenn den Aktivitäten in dem Bewilligungszeitraum nur zeitweise nachgegangen wurde bzw. die Kosten hierfür nur einmalig anfallen. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, dass die Kläger Zahlungen zumindest für die gesamten Bewilligungszeiträume vom 01.11.2014 bis 31.10.2015 und 01.11.2015 bis 31.10.2016 (Kläger zu 1., 4. und 5.) in Höhe von 120,- EUR pro Bewilligungszeitraum begehren, da die Kursgebühren (außer im Fall der Klägerin zu 5. im Jahr 2014/2015) über 120,- EUR hinausgehen.

Jedoch ist die Teilnahme an dem Kurs "Arabischunterricht und Islamunterricht" der gGmbH nicht vom Leistungskatalog des § 28 Abs. 7 S. 1 Nrn. 1 bis 3 SGB II umfasst. Dies gilt für Sprachunterricht – egal welcher Sprache – und Religionsunterricht – gleich welcher Religion oder Konfession – ganz allgemein.

Leistungen für die Teilnahme an einer Freizeit (§ 28 Abs. 7 S. 1 Nr. 3 SGB II) scheiden aus.

Es handelt sich auch nicht um Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) nach § 28 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 1. Alt. SGB II. Unter Kunst ist der Ausdruck von Eindrücken, Erfahrungen und Erlebnissen des Künstlers durch freie schöpferische Gestaltung (vgl. Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 30,173 – Mephisto) in kunsttypischen Gattungen, z.B. Text, Bild oder darstellendem Spiel zu verstehen. Sprachen und Religion sind damit keine künstlerischen Fächer.

Die von den Klägern besuchten Kurse unterfallen aber auch nicht den vergleichbaren angeleiteten Aktivitäten der kulturellen Bildung (§ 28 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 2. Alt. SGB II). Unter kultureller Bildung ist der Lern- und Auseinandersetzungsprozess des Menschen mit sich, seiner Umwelt und der Gesellschaft im Medium der Künste und ihrer Hervorbringungen zu verstehen (Ermert: Was ist kulturelle Bildung?; Bundeszentrale für politische Bildung, www.bpb.de/gesellschaft/bildung/kulturelle-bildung/59910/was-ist-kulturelle-bildung; Zugriff am 07.12.2018). Entscheidend ist dabei für den vorliegenden Fall, dass kulturelle Bildung nur den Bereich der Künste umfasst. Ein solches Verständnis wird auch durch die Gesetzesbegründung gestützt, denn als förderungsfähige vergleichbare Aktivitäten der kulturellen Bildung werden Museumsbesuche, Theaterworkshops, museumspädagogische Angebote und die Stärkung der Medienkompetenz und damit nur Aktivitäten aus dem Bereich der Künste genannt (Bundestags-Drucksache (BT-Drucks.) 17/3404, S. 106, rechte Spalte). Der Erwerb von religiösem Wissen und der Spracherwerb scheiden damit als Aktivitäten der kulturellen Bildung i.S.d. § 28 Abs. 7 S. 1 Nr. 2 2. Alt. SGB II aus.

Des Weiteren handelt es sich nicht um Mitgliedsbeiträge in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit (§ 28 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 SGB II). Zwar ist es unschädlich, dass es sich vorliegend nicht um einen Mitgliedsbeitrag, sondern um eine Kursgebühr handelt (Luik, a.a.O., § 28 Rn. 62). Jedoch ist das streitgegenständliche Kursangebot der gGmbH weder ein Angebot aus den Bereichen Sport und Spiel noch aus dem Bereich Geselligkeit oder dem Bereich Kultur. Im Vordergrund des Angebots steht bereits ausweislich der Bezeichnung des Angebots im von den Klägern eingereichten Kursvertrag ("Arabischunterricht für Muttersprachler und Islamunterricht") die Unterrichtung der Kläger in arabischer Sprache und islamischer Religion. Auch der Vortrag der Kläger zu den Zielen des der gGmbH offenbar eng verbundenen e.V. – Gründung des Vereins als Ausdruck des Wunsches von Eltern mit arabischen Wurzeln nach Arabisch- und Islamunterricht für ihre Kinder – verdeutlicht dies. Dass der Unterricht in einer oder mehreren Gruppen stattfindet, führt nicht dazu, ihn dem Bereich Geselligkeit (§ 28 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 4. Alt. SGB II) zuzuordnen. Denn das Erlebnis in der Gruppe und die damit verbundene soziale Interaktion zwischen den Gruppenmitgliedern steht nicht im Mittelpunkt der Aktivität selbst, sondern ist vor allem Mittel zum Zweck zur Wissensvermittlung und zum Einüben der Sprache in Wort und Schrift. Es handelt sich bei dem Kurs auch nicht um bestehende oder auf Dauer angelegte Gemeinschaftsstrukturen, sondern um für jeden neuen Kurs jährlich neu zusammengestellte Gruppen. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers ist es jedoch, mithilfe der Leistungen nach § 28 Abs. 7 SGB II Kinder und Jugendliche "in bestehende Vereins- und Gemeinschaftsstrukturen zu integrieren" (BT-Drucks. 17/3404, S. 106, linke Spalte). Dies wird mit Sprach- und Religionsunterricht wie dem vorliegenden nicht erreicht.

Schließlich ist der streitgegenständliche Arabisch- und Islamkurs kein Angebot aus dem Bereich Kultur (§ 28 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 3. Alt. SGB II). Sprach- und Religionskurse allgemein fallen nicht unter Kultur, wie sie in dieser Vorschrift zu verstehen ist. Für den Begriff der Kultur findet sich eine Vielzahl von Definitionen, die von einem sehr weiten, allumfassenden Kulturbegriff, der alle menschlichen Leistungen und Erscheinungs- und Lebensformen in Abgrenzung zur Natur beinhaltet, bis zu sehr engen Bedeutungen in einzelnen Disziplinen reichen. So wird in der Bedeutungsübersicht im Duden (unter www.duden.de/rechtschreibung/kultur; Zugriff am 09.12.2018) unter Kultur zum Beispiel die Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklungen, aber auch aus dem Bereich der Biologie und der Medizin die "auf geeigneten Nährböden in besonderen Gefäßen gezüchtete Gesamtheit von Mikroorganismen oder Gewebszellen" angegeben. Es ist offensichtlich, dass vor diesem Hintergrund nicht von jedwedem Kulturbegriff ausgegangen werden kann, sondern dass der hinter der Verwendung dieses Begriffes liegende Wille des Gesetzgebers zu suchen und zu berücksichtigen ist. Hierzu greift die Kammer erneut auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/3404, S. 106) zurück. Diese beinhaltet zwar keine allgemeine Definition des Begriffs der Kultur, wie er hier zu verstehen sei. Jedoch finden sich dort anderweitige Erläuterungen und Beispiele förderfähiger Aktivitäten. So wird ausgeführt, dass insbesondere die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur Persönlichkeit und Identität präge, sie nehme Einfluss auf die individuelle Entwicklung – die Entwicklung der Sinne, der kreativen Fertigkeiten – und sie sei prägend für die soziale Kompetenz. Als förderfähig werden, wie oben bereits erwähnt, Museumsbesuche, Theaterworkshops, museumspädagogische Angebote und die Stärkung der Medienkompetenz genannt. Sprach- und Religionsunterricht finden dagegen keine Erwähnung. Dies und vor allem die Betonung der Sinnesentwicklung und der kreativen Fähigkeiten in Zusammenhang mit dem Begriff der Kultur veranlassen die Kammer, hier von einem Kulturbegriff auszugehen, der – wie auch im Bereich der kulturellen Bildung – (nur) Aktivitäten im künstlerischen Bereich umfasst. Die Auseinandersetzung mit oder das Erlernen von Sprachen oder Religionen – betont sei noch einmal: gleich welcher Sprache oder welcher Religion – unterfällt nach Überzeugung der Kammer daher nicht dem Bereich der Kultur im Sinne des § 28 Abs. 7 S. 1 Nr. 1 3. Alt. SGB II.

Der Leistungskatalog des § 28 Abs. 7 S. 1 SGB II ist abschließend (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S. 106, rechte Spalte a.E.). Dass das Budget zur kulturellen und sozialen Teilhabe an bestimmte Verwendungszwecke geknüpft ist, ist nicht zu beanstanden, denn mit der Zurverfügungstellung des Geldbetrags allein könnte nicht sichergestellt werden, dass die Geldmittel auch dazu verwendet werden, den Teilhabeanteil – als kindgerechter Sicherstellung des soziokulturellen Existenzminimums – eines Kindes zu decken (Luik a.a.O., § 28 Rn. 61 unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Somit ist der Kammer eine erweiternde Auslegung oder analoge Anwendung des § 28 Abs. 7 SGB II oder der Rückgriff auf andere Rechtsgrundlagen zur Begründung des von den Klägern geltend gemachten Anspruchs verwehrt.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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