S 120 AL 135/19 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
120
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 120 AL 135/19 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die direkte Vollstreckung der Rückzahlung eines Mietkautionsdarlehens nach dem SGB II gegen den Hilfebedürftigen aus dem Bewilligungsbescheid und/oder dem Darlehensvertrag ist nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig (relevant insbesondere für vor April 2011 gewährte Mietkautionsdarlehen).
Die Antragsgegnerin und der Antragsgegner werden im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Forderungseinzug gegen den Antragsteller aus dem Bescheid des Antragsgegners vom 26. Februar 2009 in Höhe von 1.460 EUR einzustellen, solange hierzu kein gesonderter, vollstreckbarer Leistungsbescheid oder eine vollstreckbare gerichtliche Entscheidung vorliegt. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, unverzüglich ihr diesbezügliches Vollstreckungsersuchen an das Hauptzollamt zurückzunehmen. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe:

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Einstellung der Vollstreckung von 1.460 EUR I.

Der 1945 geborene Antragsteller bezog – vermutlich nicht nur - im Jahr 2009 vom Antragsgegner Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) und zwar in Bedarfsgemeinschaft mit seiner 1951 geborenen Ehefrau.

2009 gab der Antragsgegner dem Antragsteller eine Zusicherung zu den Aufwendungen zur Anmietung der jetzt immer noch von ihm und seiner Ehefrau bewohnten Wohnung einer Wohnungsbau-Genossenschaft unter der im Rubrum genannten Anschrift. Mit Bescheid vom 26. Februar 2009 gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller gemäß § 22 Abs. 3 SGB II (in der damaligen Fassung) ein Darlehen in Höhe von 1.460 EUR unter Hinweis auf die Zusicherung für die Übernahme von Genossenschaftsanteilen. Im Bescheid heißt es weiter: "Die Rückzahlung des Darlehens wird mit Beendigung des Mietverhältnisses oder mit Beendigung der Hilfebedürftigkeit – mutmaßlich mit Ablauf des bewilligten Leistungsabschnittes – (nach Beendigung des Bezuges von Arbeitslosengeld II) fällig. Maßgeblich ist hierbei das Ereignis, welches in zeitlicher Hinsicht als Erstes eintritt. Über die Rückzahlungsmodalitäten werden Sie zu gegebener Zeit ein gesondertes Schreiben des Forderungseinzuges der RD Berlin-Brandenburg erhalten. Bitte zahlen Sie vorab nicht ein. Bestandteil diese Bescheides sind die Vereinbarungen im Darlehensvertrag und in der Abtretungserklärung vom 26.02.2009." Im Darlehensvertrag vom 26. Februar 2009 heißt es auszugsweise: "Das Darlehen zuzüglich der hierzu anfallenden Dividenden sind zurückzuzahlen, wenn die Wohnung durch Auszug oder Tod des/der Darlehensnehmer/s aufgegeben wird ... Die Rückzahlung des Darlehens wird nach Beendigung des Bezuges von Arbeitslosengeld II fällig ... "

Seit April 2010 beziehen der Antragsteller und seine Ehefrau keine Leistungen mehr vom Antragsgegner, jedoch ergänzend – zu ihren Renten - Leistungen der Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe - (SGB XII) vom Sozialamt (z.B. im Oktober 2011 in Höhe von rund 309 EUR).

Im September 2011 beauftragte der Antragsgegner die Antragsgegnerin mit der Beitreibung der "Mietkaution" gegen den Antragsteller, da dieser nicht mehr im Leistungsbezug stehe. Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller noch im September zur Zahlung von 1.460 EUR auf, woraufhin der Antragsteller unter Hinweis auf den Bezug von Rente und Grundsicherung die Stundung beantragte. Nachdem der Antragsteller eine angebotene Tilgung in kleinen monatlichen Raten abgelehnt hatte, lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Stundung mit der Begründung ab, eine Rückzahlung des Darlehens sei nach Ende des Leistungsbezuges vereinbart und vorgesehen, eine Ratenzahlungsvereinbarung wäre möglich, die Forderung sei daher bis zum 31. März 2012 zu zahlen (Bescheid vom 9. November 2011). Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein – unter Hinweis auf sein Einkommen unterhalb der Pfändungsgrenze – und das Sozialamt bat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 23. November 2011 um Überprüfung ihrer Entscheidung. Nun teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Schreiben vom 3. Dezember 2011 – überschrieben mit "Ratenzahlungsvereinbarung" – mit, sie sei einverstanden, dass er zur Tilgung der Forderung monatliche Raten von 1.460 EUR leiste, beginnend zum 1. Juli 2012, wobei es sich bei dieser Entscheidung nicht um eine Stundung handele. Hiergegen legte der Antragsteller – unter Hinweis auf den vorangegangenen Widerspruch und dass dies keine Ratenzahlung sei - Widerspruch ein. Eine Entscheidung zum Widerspruch ist nicht erfolgt.

Mit Mahnung vom 12. Juli 2012 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Zahlung der am 1. Juli 2012 fälligen Rate in Höhe von 1.460 EUR auf. Der Antragsteller verwies noch im Juli auf seinen Widerspruch und bat erneut um Stundung. Die Antragsgegnerin forderte den Antragsteller mit Mahnung vom 2. August 2012 zur Zahlung innerhalb einer Woche auf und kündigte die zwangsweise Einziehung der Forderung bei Nichtzahlung an. Der Antragsteller legte gegen die Festsetzung der Mahngebühr Widerspruch ein und führte u.a. aus, das Sozialamt sei der Meinung, dass zu stunden sei und er ggf. Zuständigkeiten vor dem Sozialgericht klären müsse. Die Antragsgegnerin hob den Bescheid vom 2. August 2012 auf und stornierte die Mahngebühren.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2012 wandte sich das Sozialamt erneut an die Antragsgegnerin, wies darauf hin, dass der Antragsteller SGB XII-Leistungen beziehe und finanziell nicht in der Lage sei, das Darlehen zurückzuzahlen. Das von der Antragsgegnerin "praktizierte Prozedere zwischen den JobCentern und den Sozialämtern" sei "unüblich". Die Antragsgegnerin wandte sich im Januar 2013 an den Antragsgegner und bat um Klärung, ob dieser weiter vollstrecken lassen will bzw. wie weiterverfahren werden soll. Eine Antwort ist nicht aktenkundig. Mit Schreiben vom 14. Januar 2013 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, die Einziehung des Darlehens ruhe vorerst bis zum 30. März 2015, es sei denn, er ziehe vorher aus.

Mit Zahlungserinnerung vom 17. April 2015 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller wieder zur Zahlung von 1.460 EUR auf. Dieser bat um Verlängerung der Stundung. Die Antragsgegnerin teilte mit "Zahlungsvereinbarung" vom 23. Juni 2015 mit, sie sei einverstanden, dass der Antragsteller die 1.460 EUR bis zum 31. Oktober 2015 zahle, was keine Stundung sei. Mit Mahnung vom 9. November 2015 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Zahlung von 1.460 EUR auf. Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 15. November 2015 – unter Hinweis auf seine unveränderten wirtschaftlichen Verhältnisse – die dauerhafte Stundung bis zum Auszug aus der Wohnung, Tod oder Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Antragsgegnerin erwiderte, sie erwarte (nun) spätestens zum 1. Juli 2017 die Zahlung der Gesamtforderung.

Per E-Mail vom 8. Juni 2015 stellte der Antragsteller erneut einen Antrag auf dauerhafte Stundung, weil sich seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht geändert haben. Mit Mahnung vom 10. Juli 2017 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Zahlung von 1.460 EUR auf. Mit Schreiben vom 19. Juli 2017 verwies der Antragsteller auf seinen per E-Mail gestellten Stundungsantrag. Nun teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, sie erwarte spätestens zum 1. August 2018 die Zahlung der Gesamtforderung. Auf die Mahnung vom 9. August 2018 und Zahlungserinnerung vom 24. August 2018 ist keine Reaktion des Antragstellers in den vorgelegten Verwaltungsunterlagen erkennbar.

Mit Vollstreckungsankündigung vom 1. Februar 2019 teilte das Hauptzollamt dem Antragsteller mit, für die Antragsgegnerin die Vollstreckung von 1.460 EUR auf Basis des vom Antragsgegner erlassenen Ursprungsbescheides vom 26. Februar 2009 durchzuführen.

Daraufhin hat der Antragsteller am 8. Februar 2019 beim Sozialgericht - mit Benennung der drei an der Vollstreckung beteiligten Behörden - Vollstreckungsschutz und die Aussetzung der Vollstreckung im Wege einer einstweiligen Anordnung beantragt.

Der Antragsteller verweist im Wesentlichen auf seine fortbestehende Hilfebedürftigkeit.

Die Antragsgegnerin und der Antragsgegner halten die Forderung für vollstreckbar und sehen in dem Darlehensbescheid vom 26. Februar 2009 die zulässige Grundlage für die Vollstreckung. Zwar sei der Antragsteller hilfebedürftig, die Rückzahlungsverpflichtung sei aber eindeutig geregelt und beinhalte drei fälligkeitsauslösende Ereignisse. Der Antragsgegner führt zudem aus, dass ihm vordergründig nicht an einer Vollstreckung gelegen sei, sondern die Möglichkeit einer Ratenzahlung gesehen werde, was kein unzumutbarer Einschnitt in Rechte des Antragstellers darstellen würde. Sofern der Antragsteller eine Ratenzahlung ablehne, bedeute dies nicht, dass eine Vollstreckung unzulässig wäre; diese stelle dann lediglich eine unerwünschte Folge dar. Die Antragsgegnerin weist noch darauf hin, dass der Antragsteller nach Auslaufen der ratenfreien Stundung zum 1. August 2018 keinen erneuten Stundungsantrag gestellt hat, was der Antragsteller jedoch - unter Hinweis auf seinen Antrag per E-Mail vom 21. August 2019 - bestreitet.

Die Antragsgegnerin hat ihren Inkasso-Service beauftragt, die Vollstreckungsankündigung zunächst bis zum Abschluss des gerichtlichen Eilverfahrens zurückzuziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vortrages der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die dem Gericht vorgelegten Unterlagen der Forderungseinzugsakte L847T8658 verwiesen.

II.

Der vom Sozialgericht danach sinngemäß ausgelegte Antrag,

der Antragsgegnerin und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, aus dem Darlehensbescheid vom 26. Februar 2009 zu vollstrecken,

hat Erfolg.

Der Sozialrechtsweg ist eröffnet, weil sich der Antragsteller bei Würdigung seines Vortrages und des aktenkundigen Verlaufs sich mit seinem Begehren gerade nicht ausdrücklich und ausschließlich gegen das Hauptzollamt wendet, sondern vielmehr gegen die Behörden, die den Forderungseinzug eingeleitet bzw. die Vollstreckung durch das Hauptzollamt angeordnet haben. Es steht auch im Verantwortungs-, Zuständigkeits- und Machtbereich beider Antragsgegner, eine Rücknahme des Vollstreckungsersuchens an das Hauptzollamt zu veranlassen. Es ist daher auch das Hauptzollamt nicht im Rubrum als weiterer Antragsgegner zu erfassen gewesen. Mit Blick darauf und der Tatsache, dass es sich um eine Forderung aus dem SGB II-Bereich handelt und die Antragsgegnerin im Rahmen dessen für den Antragsgegner tätig wird, ist der erforderliche Sachzusammenhang im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 4a Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben (vgl. z.B. Landessozialgericht – LSG – Berlin-Brandenburg vom 15.02.2017, L 18 AS 1641/16, Rnr. 14 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).

Der zulässige Antrag ist auch begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn eine Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Voraussetzung ist das Vorliegen von Anordnungsanspruch - wobei dieser den materiellen Anspruch auf die begehrte Regelung an sich beinhaltet - und Anordnungsgrund, also ein besonderes Eilbedürfnis. Die Anforderungen an den Anordnungsgrund sind umso geringer, je höher die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des Anordnungsanspruchs ist.

Der Anordnungsanspruch ist gegeben, denn zur Überzeugung der Kammer der Antragssteller bisher nicht verpflichtet ist, das mit Bescheid vom 26. Februar 2009 vom Antragsgegner gewährte Darlehen in Höhe von 1.460 EUR zurückzuzahlen, weil es hier einerseits an einem vollstreckbaren (Rückforderungs-)Bescheid bzw. einem vollstreckbaren Titel durch gerichtliche Entscheidung fehlt und zum anderen noch keine Fälligkeit eingetreten ist. Gemäß § 3 Abs. 2 a) Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) hat – neben weiteren Voraussetzungen für eine zulässige Vollstreckung - ein "Leistungsbescheid" vorzuliegen. Der Darlehensbescheid vom 26. Februar 2009 ist nach Auffassung der Kammer nicht ein Leistungsbescheid in diesem Sinne, weil er nicht bereits die Rückforderung des gewährten Darlehens regelt. Vielmehr enthält der Darlehensbescheid bei genauer Betrachtung des Wortlauts neben der Regelung der Gewährung des Darlehens (lediglich) Vorgaben, bei Eintritt welcher Ereignisse die Rückzahlung – in der Zukunft zeitlich unbestimmt - fällig werden soll. Es handelt sich nur um Fälligkeitsvoraussetzungen, nicht aber zugleich um die Begründung einer konkreten Rückzahlungsverpflichtung, was vor allem dann Sinn macht, wenn keine datumsmäßig bestimmte Rückzahlung geregelt werden kann. Die Kammer tendiert zudem dazu, bei einer Regelung einer Rückzahlung bereits im Zeitpunkt der Darlehensgewährung durch einen Verwaltungsakt, dann die konkrete Rückforderung ebenfalls durch einen gesonderten Verwaltungsakt zu erfolgen hat (so wohl auch Behrend in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 24, Rn. 48). Zudem wird nicht hinreichend bestimmt geregelt, dass eines der Fälligkeitsereignisse das Ende des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II sein soll, auch wenn weiterhin Hilfebedürftigkeit gegeben ist, denn die Formulierung "nach Beendigung des Bezuges von Arbeitslosengeld II" findet sich lediglich als Zusatz in Klammern. Die Eingangsformulierung zur Fälligkeit der Rückzahlung des Darlehens legt deutlich das Augenmerk auf die Ereignisse "Beendigung des Mietverhältnisses" und "Beendigung der Hilfebedürftigkeit", was auch mit Sinn und Zweck der Darlehensgewährung zur Erlangung des Wohnraumes im Einklang steht. Nur dies sind zur Überzeugung der Kammer die – zwei einzig geregelten - Fälligkeitsereignisse. Es ist weder behauptet noch ersichtlich, dass eines dieser beiden Ereignisse eingetreten ist. Die Rückzahlung des Darlehens ist damit auch noch nicht fällig geworden. Auch die Fälligkeit ist eine Vollstreckungsvoraussetzung (§ 3 Abs. 2 b) VwVG). Soweit im Darlehensbescheid ergänzend auf den Darlehensvertrag verwiesen wird, führt dies nicht zu einer hinreichenden Vollstreckungsgrundlage. Einerseits wird der Vertrag nicht ausdrücklich als Vollstreckungsgrundlage in den Zahlungserinnerungen, Mahnungen und der Vollstreckungsankündigung benannt. Zum anderen ist in dem Vertrag nicht die Unterwerfung unter die sofortige Vollstreckung vereinbart (§ 60 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch), so dass der Antragsgegner gehalten wäre, vor Vollstreckung seinen Rückzahlungsanspruch im Wege der Leistungsklage (aus dem Darlehensvertrag) gerichtlich geltend zu machen, wenn er denn die Rückzahlungsverpflichtung auf die vertragliche Vereinbarung stützen will (vgl. LSG Berlin-Brandenburg vom 15.04.2010, L 23 SO 38/08, Rnrn. 32 f., juris). Auch die 31. März 2011 geltende Rechtslage spricht dafür, dass ein nach § 22 Abs. 3 S. 2 SGB II (seinerzeitiger Fassung) gewährtes Darlehen erst beim Auszug aus der Unterkunft oder Beendigung der Hilfebedürftigkeit zurückzuzahlen ist (vgl. BSG vom 22.03.2012, B 4 AS 26/10 R, juris – wonach eine hiervon abweichende Regelung im Darlehensvertrag nicht möglich ist). Der Antragsteller wohnt weiterhin in der Wohnung, für die das Darlehen gewährt wurde und er ist weiterhin hilfebedürftig und zwar auch im Sinne der Vorgaben des § 9 Abs. 1 SGB II. Allein der Umstand, dass der Antragsteller nicht mehr zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem SGB II zählt, weil er seit 2010 Rente und ergänzend Sozialhilfe nach dem SGB XII bezieht, ändert nichts an der sich fortsetzenden Hilfebedürftigkeit, zumal die Vermögensfreibeträge und die Einkommensanrechnungsvorschriften des SGB XII strenger sein dürften, als die des SGB II. Damit ist weder die eine noch die andere Fälligkeitsvoraussetzung aus dem Darlehensbescheid eingetreten.

Ergänzend wird aus einem nicht veröffentlichten Beschluss der 174. Kammer des Sozialgerichts Berlin vom 4. August 2015 (Aktenzeichen S 174 AS 15567/15 ER) zitiert, mit dem ebenfalls einem Berliner Jobcenter die Vollstreckung aus einem Mietkautions-Darlehensbescheid aus Februar 2009 untersagt wurde: "Der Darlehensbescheid spricht zudem von einer Rückzahlungsverpflichtung bei Beendigung der Hilfebedürftigkeit und benennt die Beendigung des Alg II-Bezuges nur als Beispiel in Klammern. Auch Nr. 8.4 Abs. 3 der hier maßgeblichen (ab dem 01.03.2009 geltenden) AV-Wohnen spricht von einer Rückzahlungsverpflichtung bei Beendigung der Hilfebedürftigkeit und meint insoweit Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II oder SGB XII, wie sich aus dem Anwendungsbereich (vgl. Nr. 1 und 2 der AV-Wohnen) ergibt. Schlussendlich ist allein bei einem Auszug oder der Beendigung der Hilfebedürftigkeit dem Antragsteller eine Rückzahlung möglich. Sofern der Antragsteller nunmehr Leistungen nach dem SGB XII bezieht, mag sich der Antragsgegner ggf. an den SGB XII-Träger zwecks Umschichtung des Darlehens wenden. Jedenfalls dürfte naheliegen, dass der Antragsteller nicht erst beim SGB XII-Träger ein Darlehen zur Ablösung des Darlehens des Antragsgegners wird zu beantragen haben; zumal die Leistungen faktisch aus dem gleichen "Topf" kommen (Leistungen für Unterkunft und Heizung sind sowohl im Bereich des SGB II als auch des SGB XII kommunale Leistungen)."

Letztlich wird angemerkt, dass davon auszugehen ist, dass eine Vollstreckung – die weitere Kosten mit sich bringt - gegen den Antragsteller mangels pfändbaren Einkommen oder Vermögen nicht erfolgreich sein wird. Das im vorliegenden Beschluss dargestellte Forderungseinzugsverfahren über die Jahre 2011 - 2018 irritiert mit Blick darauf und die zeitnahen Reaktionen und Anträge des Antragstellers, der Intervention des Sozialamtes und lässt klare Entscheidungen zu den wiederholten Stundungsanträgen oder den Versuch einer adressatengerechten Einigung vermissen. Einseitig aufgestellte "Ratenzahlungsvereinbarung"en sind keine Vereinbarungen, weder im rechtlichen Sinne, noch nach dem allgemeinen Sprachverständnis. Die Vorgehensweise vermittelt eher den Eindruck, dass die Vollstreckung als Druckmittel genutzt werden soll, einen Schuldner zu einer Ratenzahlung zu bewegen, obwohl er – unabhängig von der hier von der Kammer dargelegten Rechtsauffassung, nach der eine Vollstreckung noch nicht zulässig ist - mangels pfändbaren Vermögen oder Einkommen nicht zur Schuldentilgung herangezogen werden kann. Eine Rechtsgrundlage, die die Erwartung des Antragsgegners, der Antragsteller solle zumindest kleine Raten monatlich zahlen, wird jedenfalls nicht genannt und ist der Kammer auch nicht ersichtlich. Im Gegenteil: nach der bis März 2011 geltenden Rechtslage ist die Tilgung eines Mietkautions-Darlehens durch monatliche Aufrechnung mit Hilfeleistungen für nicht zulässig gehalten wurde (vgl, BSG a.a.O.); ein wesentlicher Unterschied zur monatliche Tilgung durch kleine Raten bei weiterhin bestehender Hilfebedürftigkeit erschließt sich der Kammer nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Es ist ausschließlich der Antragsgegner als Inhaber der Forderung zur Kostentragung verpflichtet worden, weil er ausdrücklich die Fortsetzung der Vollstreckung trotz unbestrittener Hilfebedürftigkeit des Antragstellers betreiben will, hingegen die Antragsgegnerin nur in seinem Auftrag handelt und die Antragsgegnerin für die Dauer des gerichtlichen Eilverfahrens die weitere Vollstreckung gestoppt hat.
Rechtskraft
Aus
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