S 15 KR 3758/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Stuttgart (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 3758/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Zahlung eines Beitrages innerhalb der Nachfrist genügt nicht, um das Ende der freiwilligen Mitgliedschaft nach § 191 Satz 1 Nr. 3 SGB V abzuwenden.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten wegen Nichtentrichtung fälliger Beiträge geendet hat.

Der Kläger bezieht eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung i. H. v. EUR 846,38 monatlich. Wegen fehlender Vorversicherungszeiten besteht keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner; das ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Kläger erhält vom Rentenversicherungsträger monatliche Zuschüsse zur Krankenversicherung ab 01.04.2004 in Höhe von EUR 63,06. Seit 01.09.2003 ist der Kläger freiwilliges Mitglied der Beklagten in der Kranken- und Pflegeversicherung. Der Beitrag zur freiwilligen Versicherung beträgt EUR 140,50 (EUR 126,11 für die Kranken-, EUR 14,39 für die Pflegeversicherung). Nach § 21 Abs. 1 der Satzung der Beklagten werden die Beiträge am 15. des Monates fällig, der dem jeweiligen Beitragsmonat folgt.

Den Monatsbeitrag für April 2004 hatte der Kläger zum Fälligkeitstermin nicht gezahlt. Mit Schreiben vom 24.05.2004 forderte die Beklagte den Kläger auf, die ausstehenden Beträge sofort zu begleichen; der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass die Mitgliedschaft ende, wenn für zwei Monate Beiträge nicht gezahlt würden. In der Folge wurden vom Kläger zwar regelmäßig die Beiträge erbracht, allerdings nur ein Beitrag monatlich; der fehlende Beitrag wurde somit nicht entrichtet.

Mit Schreiben vom 21.12.2004 stellte die Beklagte gegenüber dem Kläger das Beitragskonto dar. Danach war ein Monatsbetrag weiterhin offen sowie ein Säumniszuschlag in Höhe von EUR 1,-. Der Gesamtrückstand belief sich somit auf EUR 141,50. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass die Mitgliedschaft mit Ablauf des nächsten Zahltages ende, falls für zwei Monate die fälligen Beiträge nicht entrichtet würden.

Bis zum 15.01.2004 erfolgte auch keine Zahlung des Klägers für den Beitrag Dezember 2004.

Mit Bescheid vom 25.01.2005 stellte die Beklagte fest, dass zwei Beiträge nicht entrichtet wor-den seien und die Mitgliedschaft deshalb zum 15.02.2005 ende. Den Ausschluss aus der Versi-cherung könne der Kläger abwenden, wenn seine Beiträge bis zum 15.02.2005 vollständig auf dem Konto der Beklagten gutgeschrieben seien. Die Versicherung ende unwiderruflich zum 15.02.2005, wenn die Beiträge nicht bis dahin gezahlt sein sollten. Der Bescheid enthält weiter folgende Hinweise: "Dies hat für Sie folgende Konsequenzen: - Sie und Ihre ggf. mitversicherten Familienangehörigen verlieren mit sofortiger Wirkung den gesamten Versicherungsschutz in der Kranken- und Pflegeversicherung. Die Kran-kenversicherungskarten sind aus diesem Grunde zurückzugeben. - Sollte es zu einem Ausschluss kommen, ist eine weitere freiwillige Mitgliedschaft auch bei anderen gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr möglich. Unter bestimmten Voraussetzungen ist auch eine Übernahme der Beiträge durch den Sozial-hilfeträger möglich." Die noch ausstehenden Beiträge für November und Dezember 2004 wurden aufgeschlüsselt nach Kranken- und Pflegeversicherung und unter zusätzlicher Ausweisung der Säumniszuschläge auf-geführt.

Am 04.02.2005 zahlte der Kläger EUR 140,50.

Unter dem 17.02.2005 stellt die Beklagte gegenüber dem Kläger fest, dass der Versicherungs-schutz kraft Gesetzes wegen Nichtentrichtung der fälligen Beiträge am 15.02.2005 geendet habe. Der Kläger wurde aufgefordert, die ausstehenden Beiträge noch zu entrichten. Hiergegen legte der Kläger am 01.03.2005 Widerspruch ein. Zu dessen Begründung führte er aus, er sei wegen einer im Januar 2005 erfolgten Kontenpfändung nicht in der Lage gewesen, die Beiträge zu zahlen. Zum 01.03.2005 sei er hierzu wieder in der Lage. Mit Schreiben vom 18.03.2005 führte die Beklagte aus, Teilzahlungen genügten nicht, um das Ende der Mitgliedschaft abzuwenden.

In der Folge entrichtete der Kläger die rückständigen Beiträge vollständig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2005 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Be-scheid vom 17.02.2005 als unbegründet zurück. Zur Begründung führt sie insbesondere aus, dass Teilzahlungen nicht genügten, um das Ende der Mitgliedschaft abzuwenden. Desgleichen könne auch die Entrichtung der Beiträge nach Ablauf der Nachfrist das Ende der Versicherung nicht mehr beseitigen. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.01.2005 wurde als unzulässig, weil verfristet, verworfen.

Am 21.06.2005 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart. Zur Begründung verweist er auf das Vorbringen im Widerspruchsverfahren.

Der Kläger beantragt:

Der Bescheid vom 17.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2005 wird aufgehoben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte der Beklagten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Stuttgart erhobene Klage ist zulässig. Statthaft ist die isolierte Anfechtungsklage gegen den feststellenden Verwaltungsakt der Beklag-ten. Klageziel ist die Fortführung der Mitgliedschaft bei der Beklagten. Um dieses Klageziel zu erreichen, ist nach dem Urteil des BSG vom 23.02.1995 (12 RK 29/93 - SozR 3-2500 § 191 Nr. 2) die isolierte Anfechtung des Verwaltungsaktes ausreichend, mit dem die Beklagte das Ende der freiwilligen Mitgliedschaft festgestellt hat. Ein darüber hinausgehender zusätzlicher Antrag ist nicht erforderlich. Im Rahmen der Anfechtungsklage ist danach zu entscheiden, ob die Mitgliedschaft geendet hat.

Rechtsgrundlage für die angefochtene Feststellungsentscheidung ist § 191 Satz 1 Nr. 3 SGB V. Danach endet die Mitgliedschaft mit Ablauf des nächsten Zahltages, wenn für zwei Monate die fälligen Beiträge trotz Hinweises auf die Folgen nicht entrichtet wurden. Im Falle des Satzes 1 Nr. 3 ist nach Satz 2 das Mitglied insbesondere darauf hinzuweisen, dass nach dem Ende der Mitgliedschaft eine freiwillige Versicherung auch bei einer anderen Krankenkasse ausgeschlos-sen ist, sowie darauf, dass unter den Voraussetzungen des SGB XII die Übernahme von Kran-kenversicherungsbeiträgen durch den Träger der Sozialhilfe möglich ist. Unstreitig hat der Klä-ger bis zum 15.01.2005 zwei Beiträge nicht entrichtet. Offen waren zu diesem Zeitpunkt die Bei-träge für November und Dezember 2004. Der ursprünglich nicht entrichtete Beitrag für April 2004 wurde entsprechend der zivilrechtlichen allgemeinen Tilgungsbestimmung des § 366 Abs. 2 BGB durch die nächste Beitragszahlung geleistet, da diese auf die ältere Schuld angerechnet wird. Da aber in der Folge jeweils nur ein Beitrag geleistet wurde, blieb immer der jüngste Monat offen. Schließlich wurde im Januar 2005 gar kein Beitrag entrichtet. Da nach der Satzungsbestimmung der Beklagten der Beitrag für Dezember 2004 am 15.01.2005 fällig gewe-sen wäre sowie der für November 2004 seit dem 15.12.2004, waren für zwei Monate keine Bei-träge entrichtet worden. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Beklagten verwiesen.

Der Kläger hat diesen Beitragsrückstand trotz Hinweises auf die Folgen nicht in der von der Be-klagten gesetzten Nachfrist vollständig beseitigt. Zunächst genügte der im Bescheid vom 25.01.2005 gegebene Hinweis den gesetzlichen Vorga-ben des § 191 Satz 2 SGB V. Es wurde klar und unmissverständlich angegeben, dass die Mit-gliedschaft endet, dass dies auch eine Mitgliedschaft bei anderen gesetzlichen Kassen ausschließt und dass eine Übernahme der Beiträge durch den Sozialhilfeträger erfolgen kann. Die Bedeutung und die Tragweite der Nichtentrichtung der Beiträge war für den Kläger somit ohne Weiteres zu erkennen. Des Weiteren war auch der Hinweis enthalten, dass nur die vollständige Begleichung der ausstehenden Beiträge die genannten Folgen abwenden kann. Die von der Beklagten gesetzte Nachfrist von mehr als zwei Wochen ist angemessen, um die Beitragsrückstände auszugleichen. Der Kläger hat hiergegen nichts eingewandt und auch in der Frist nicht gegenüber der Beklagten um eine Verlängerung nachgesucht oder Gründe hierfür genannt.

Der Kläger hat in der Nachfrist die Rückstände unstreitig nicht vollständig beseitigt. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang zutreffend auf das Urteil des BSG vom 23.02.1995 (a.a.O.) verwiesen, wonach Teilbeiträge nicht ausreichten, um das Ende der Mitgliedschaft ab-zuwenden. Anders als im dort entschiedenen Fall hat der Kläger hier jedoch einen Teilbetrag der Gesamtsumme erbracht, der einem Monatsbeitrag entspricht. Er war deshalb mit Ablauf der Nachfrist nicht mehr mit zwei Monatsbeiträgen im Rückstand, sondern nur noch mit einem. Denn die zivilrechtliche Tilgungsbestimmung des § 366 Abs. 2 BGB führt dazu, dass der geleis-tete Beitrag auf die älteste Forderung, also den Beitrag für November 2004 anzurechnen ist. Mit-hin kann der geleistete Betrag nicht auf die beiden offenen Forderungen verteilt werden.

Das Gericht geht jedoch davon aus, dass die Folge des § 191 Satz 1 Nr. 3 SGB V nur dann nicht eintritt, wenn der Rückstand in der Nachfrist vollständig beglichen wird. Ein Beitragsrückstand für zwei Monate hatte bereits bestanden, das heißt, der Kläger war mit seinen Beitragsleistungen im erforderlichen Umfange in Verzug geraten. Der Gesetzgeber lässt diesen Rückstand alleine aber noch nicht ausreichen, um das Ende der Mitgliedschaft herbeizu-führen. Vielmehr soll das Mitglied auf die möglichen Folgen hingewiesen werden. Damit ist sichergestellt, dass dem Mitglied vor Ende der Mitgliedschat die Folgen der pflichtwidrigen Nichtzahlung von Beiträgen vor Augen geführt wird. § 191 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 SGB V schützt also nur den Versicherten, der versehentlich Beiträge nicht abführt (BSG a.a.O.). Die Nachfrist hat nur den Zweck, dem Versicherten die Möglichkeit zu geben, den Beitragsrückstand zu besei-tigen. Der wiederholte Verstoß gegen die Beitragspflicht, der das Ende der Mitgliedschaft bedin-gen soll, wird aber nicht dadurch ausgeräumt, dass der Pflicht nur teilweise nachgekommen wird, der Verstoß im Übrigen also fortbesteht. Der Verzug ist somit erst bei vollständiger Zah-lung der ausstehenden Beiträge in der Nachfrist beseitigt (wie hier: Peters in KassKomm SGB V § 191 Rn. 14; a.A. Baier in Krauskopf SGB V § 191 Rn. 8). Der Wortlaut des § 191 Satz 1 Nr. 3 steht dem nach Ansicht der Kammer nicht entgegen. Denn die Beiträge für zwei ausstehende Monate sind tatsächlich nicht - in vollem - Umfang entrichtet worden.

Die Gründe für den Zahlungsverzug sind für das Ende der Mitgliedschaft unerheblich. Die Solidargemeinschaft der Versicherten tritt dafür nicht ein. Soweit der freiwillig Versicherte wirtschaftlich außerstande ist, die Beiträge zu zahlen, kann er sich an das Sozialamt zwecks Zahlung oder an die Kasse wegen einer Stundung wenden (LSG Nordrhein-Westfalen 28.10.2004 - L 16 KR 205/04). Die Zahlung nach Ablauf der Nachfrist bewirkt nicht den Erhalt der Mitgliedschaft. Solches ist der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen. Vielmehr tritt mit fortbestehendem Zahlungsver-zug bei Ablauf der Nachfrist das Ende der Mitgliedschaft kraft gesetzlicher Regelung ein.

Die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten hat somit tatsächlich, wie von der Beklagten zu Recht festgestellt, am 15.02.2005 geendet.

Die unbegründete Klage war abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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