L 12 AS 57/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 153/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 57/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 81/08 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das normale Wachstum von Kindern stellt keinen Umstand dar, der eine Erstausstattung mit Bekleidung nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II rechtfertigt.
Bemerkung
Revision des Klägers zurückgewiesen.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.06.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob die Beklagte den Klägern zu 3) und 4) zusätzliche Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) in Form eines verlorenen Zuschusses zur Anschaffung von geeigneter Kinderkleidung im Wert von insgesamt 448,- EUR zu gewähren hat.

Die Kläger zu 1) und 2) sind verheiratet und bilden mit ihren am 00.00.2002 und 00.00.2003 geborenen Kindern, den Klägern zu 3) und 4), eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 SGB II. Weiterer Teil dieser Bedarfsgemeinschaft ist seit seiner Geburt am 14.06.2006 der weitere Sohn, L L V. Die Kläger beziehen seit Februar 2005 Leistungen nach dem SGB II in Form von Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Leistungen für die Unterkunft und Heizung. Leistungen wurden ihnen letztmals mit Bewilligungsbescheid vom 13.07.2006 für den Zeitraum 01.08.2006 bis 31.01.2007 in Höhe von monatlich insgesamt 1.423,- EUR bewilligt. Der Leistungsbewilligung legte die Beklagte dabei jeweils einen Bedarf der Kläger zu 3) und 4) in Höhe von 304,60 EUR (207,-EUR Regelleistung und 97,60 EUR für die anteiligen monatlichen Kosten der Unterkunft und Heizung) zugrunde.

Mit Schreiben vom 06.07.2006 beantragte die Klägerin zu 1) eine "Beihilfe für Bekleidungserstausstattung" für die Kläger zu 3) und 4) bei der Beklagten. Diese passten nicht mehr in die vorhandene Kleidung hinein, da sie gewachsen seien.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10.07.2006 ab. Die Kläger seien aufgrund der Ihnen gewährten Leistungen in der Lage, die Kosten für die beantragte Kinderkleidung in vollem Umfang aus eigenen Kräften und Mitteln zu decken. Dieses gelte insbesondere, da ein Teil der Regelleistung für die Beschaffung von Kleidung und Schuhen vorgesehen sei. Ein Zuschuss nach § 23 Abs. 3 SGB II könne nicht gewährt werden.

Die Klägerin zu 1) legte mit Schreiben vom 18.07.2006 Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 10.07.2006 ein. Die Kläger zu 3) und 4) benötigten Kleidung in den Konfektionsgrößen 116 und 110, besäßen jedoch lediglich Garderobe in den Größen 104 und 98, die sie nicht weiter tragen könnten. Die Beklagte wies den Widerspruch vom 18.07.2006 mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2006 zurück. Zur Begründung führte sie aus, es läge kein Fall der Erstausstattung gemäß § 23 Abs. 3 SGB II vor. Der von den Klägern geltend gemachte Bedarf sei aus der diesen jeweils gewährten Regelleistung zu decken. Diese enthalte einen Teilbetrag für die Neu- bzw. Ersatzbeschaffung von Kleidung und Schuhen. Aus diesem seien ggf. Rücklagen zu bilden um größere Anschaffungen zu finanzieren. Zudem sei die Beklagte an Recht und Gesetz gebunden und könne zusätzliche Leistungen nicht ohne bestehende gesetzliche Grundlage gewähren.

Mit ihrer am 28.08.2006 vor dem SG Gelsenkirchen erhobenen Klage haben die Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung eines einmaligen verlorenen Zuschusses in Höhe von insgesamt 448,- EUR an sie zur Beschaffung von Kinderkleidung für die Kläger zu 3) und 4) begehrt. Der Kläger zu 3) habe bereits eine Winterjacke für 25,- EUR und 2 Strumpfhosen für 15,- EUR erhalten. Weiterhin würden benötigt:
1 Winterjacke für die Klägerin zu 4) im Wert von 25,- EUR
2 x 2 Hosen für die Kläger zu 3) und 4) im Wert von 80,- EUR
2 x 3 Pullis für die Kläger zu 3) und 4) im Wert von 90,- EUR
2 Strumpfhosen für die Klägerin zu 4) im Wert von 15,- EUR
2 x Unterwäsche für die Kläger zu 3) und 4) im Wert von 50,- EUR
2 x Schuhe für die Kläger zu 3) und 4) im Wert von 50,- EUR
2 x Pantoffeln für die Kläger zu 3) und 4) im Wert von 20,- EUR
2 x 3 T-Shirts für die Kläger zu 3) und 4) im Wert von 48,- EUR und
2 Mützen und Handschuhe für die Kläger zu 3) und 4) im Wert von 30,- EUR.

Ferner sei zu berücksichtigen, dass auch der jüngste Sohn Winterkleidung benötige und in einigen Monaten bereits Frühjahrs- und Sommerbekleidung für 3 Kinder anzuschaffen sei. Darüber hinaus haben sich die Kläger auf ein Schreiben des Caritas-Verbandes für die Diözese N e.V. vom 23.08.2006 gestützt, welches sie zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht haben. Aus diesem folgt, es handele sich bei der Beschaffung von Kinderkleidung aufgrund des Wachstums der Kinder um eine der in § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II genannten Erstbeschaffung von Kleidung bei Schwangerschaft und Geburt vergleichbare Situation und damit um einen durch die Beklagte zusätzlich zur Gewährung der Regelleistung und der Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmenden Bedarf. Durch § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II werde ein Anspruch auf Erstausstattung für Bekleidung unabhängig von der Ursache der Erstausstattung begründet, d.h. für jede erstmalige Bedarfslage bestehe ein Anspruch. Kinder benötigten regelmäßig eine komplette Neuausstattung ihrer Bekleidung in der passenden Konfektionsgröße, wobei es sich nicht um Erhaltungs- oder Ergänzungsbedarf handele.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 10.07.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2006 zu verurteilen, ihnen zusätzliche Leistungen nach dem SGB II in Form eines verlorenen Zuschusses für die Anschaffung von Kinderkleidung für die Kläger zu 3) und 4) im Gesamtwert von 448,- EUR zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen auf ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren Bezug genommen.

Mit Urteil vom 22.06.2007 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung wörtlich ausgeführt:

"Die Kläger sind durch den angefochtenen Bescheid vom 10.07.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2006 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Der vorgenannte Bescheid ist nicht rechtswidrig. Weder den Klägern gemeinsam, noch einzelnen von ihnen, steht ein Anspruch auf Gewährung eines einmaligen verlorenen Zuschusses zur Beschaffung von passender Kinderkleidung für die Kläger zu 3) und 4) in Höhe von 448,- EUR zu.

Dabei hat das Gericht zunächst offen gelassen und kann dahin stehen, ob den Klägern zu 1) und 2) vor dem Hintergrund des Bestehens von Individualansprüchen auf Leistungen nach dem SGB II (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 8/06 R und Urteil vom 23.11.2006, Az.: B 11b AS 3/06 R) überhaupt ein Anspruch der geltend gemachten Art zustehen kann oder ein solcher nur erfolgversprechend von den Klägern zu 3) und 4) selber, jeweils vertreten durch ihre Erziehungsberechtigten, als eigener selbständiger Anspruch geltend zu machen ist und zustehen kann. Dieses bedurfte keiner Entscheidung, da weder den Klägern gemeinsam noch einzelnen Klägern - weder Eltern noch Kindern - ein Anspruch auf die oben genannte Leistung zusteht.

Für das Begehren der Kläger besteht im - von der Beklagten einzig anzuwendenden -SGB II bereits keine Anspruchsgrundlage. Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB II umfasst die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Damit ist der allgemeine Bedarf, die Beschaffung von Kleidung betreffend, auch bezüglich Kindern, denen ebenfalls eine Regelleistung gewährt wird, aus dieser zu bestreiten (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - LSG NRW -, Urteil vom 16.08.2006, Az.: L 12 AS 6/06; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.01.2007, Az.: L 5 B 801/06 AS ER; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 26.10.2006, Az.: L 7 AS 212/06 und Urteil vom 21.04.2006, Az.: L 7 AS 91/05).

Anders als im Rahmen des bis zum 31.12.2004 geltenden Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) werden einmalige Leistungen für die Anschaffung von Verbrauchsgütern im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem SGB II nicht mehr erbracht. Die dafür zu erbringenden Leistungen sind nunmehr pauschaliert in der monatlichen Regelleistung gemäß § 20 SGB II und einem ggf. zu zahlenden Zuschlag enthalten (Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 26.10.2006, Az.: L 7 AS 212/06). Dieses folgt insbesondere auch aus § 23 Abs. 1 Satz 4 SGB II (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.01.2007, Az.: L 5 B 801/06 AS ER). Die Regelleistung wurde den Klägern zu 3) und 4) in gesetzlicher Höhe von monatlich 207,- EUR erbracht (§ 20 Abs. 2 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 1.Alt. SGB II).

Auch stellt der von den Klägern geforderte einmalige verlorene Zuschuss keine Leistung im Sinne von § 21 SGB II dar. Einen Mehrbedarf nach den Absätzen 2 - 5 dieser Vorschrift machen die Kläger nicht geltend. Auch liegen dessen Voraussetzungen offensichtlich nicht vor. Die Aufzählung in § 21 SGB II ist im übrigen abschließend (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, a.a.O.).

Eine von den §§ 20, 21 SGB II abweichende Erbringung von Leistungen ist nur nach § 23 SBG II möglich, wenn im Einzelfall ein von der Regelleistung umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass die Kläger keine darlehensweise Leistungsgewährung gemäß § 23 Abs. 1 SGB II begehren, sondern die Gewährung eines verlorenen Zuschusses. Die im Rahmen des SGB II als verlorener Zuschuss zu zahlenden Leistungen sind in § 23 Abs. 3 SGB II - wie von der Beklagten zutreffend ausgeführt -abschließend aufgeführt (LSG NRW, Beschluss vom 01.12.2005, Az.: L 19 B 97/05 AS). Dabei handelt es sich bei den von den Klägern beantragten Kleidungsstücken offensichtlich weder um eine Erstausstattung der Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten noch um eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen schulrechtlicher Bestimmungen. Jedoch unterfallen diese, entgegen der von den Klägern vertretenen Rechtsauffassung, auch nicht der Erstausstattung für Bekleidung und Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Der Begriff der Erstausstattung ist abzugrenzen von den Fällen des Erhaltungs- bzw. Ergänzungsbedarfs, die vorliegen, wenn es sich nicht um eine erstmalige Ausstattung handelt (Münder in: LPK - SGB II, 2. Auflage 2007, § 23, Rn. 26, m.w.N.). Die Erstausstattung mit Bekleidung umfasst neben den im Gesetz genannten Ereignissen die Schwangerschaft und Geburt auch einen Bedarf bei Gesamtverlust (z.B. durch Wohnungsbrand) oder aufgrund "außergewöhnlicher Umstände" (Bundestagsdrucksache 15/1514, S. 16). Zu den außergewöhnlichen Umständen zählen z.B. eine Gewichtszu- oder Gewichtsabnahme oder eine unzureichende Bekleidungsausstattung nach einer Haft oder Wohnungslosigkeit (Münder in: LPK - SGB II, a.a.O., § 23, Rn. 31; Lang in: Eichner/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 1. Auflage 2005, § 23, Rn. 104). Die vorliegende Situation stellt keinen "außergewöhnlichen Umstand" im Sinne der Gesetzbegründung dar und ist den aufgeführten Situationen nicht vergleichbar. Dass Kinder im Rahmen des Wachstums regelmäßig auf neue Kleidung angewiesen sind, stellt einen normalen, vom Gesetzgeber im Rahmen der Bemessung der Regelleistung berücksichtigten Umstand dar, der die Gewährung eines Mehrbedarfs aufgrund wachstumsbedingter Notwendigkeit der Beschaffung neuer Kleidung ausschließt. Während die Gewichtszu- bzw. Gewichtsabnahme im Erwachsenenalter insbesondere, soweit sie krankheitsbedingt erfolgt, einen zumindest nicht regelmäßig vorkommenden und damit weniger planbaren Umstand darstellt, ist dieses vorliegend gerade nicht der Fall (vgl. Landessozialgericht Hessen, Beschluss vom 10.04.2006, Az.: L 9 AS 44/06 ER). Dass Kinder aufgrund ihres natürlichen Wachstums regelmäßig Kleidung und Schuhe anderer Größen benötigen ist offensichtlich und vorhersehbar. Für eine derartige Gesetzesauslegung spricht auch bereits die Entstehungsgeschichte des SGB II. Abweichend von der Erbringung einmaliger Beihilfen und Leistungen im Rahmen der Leistungsgewährung nach dem BSHG beabsichtigte der Gesetzgeber mit Einführung des SGB II zur Verwaltungsvereinfachung sämtliche regelmäßig bestehenden Bedarfe durch die Gewährung der Regelleistung gemäß § 20 SGB II abzudecken. Nur wenige außergewöhnliche, enumerativ aufgeführte Bedarfe wurden in § 23 SGB II aufgeführt und werden gesondert erbracht. Es ist demnach davon auszugehen, dass der Gesetzgeber gerade den normalen wachstumsbedingten Kleidungsbedarf bei Kindern durch die Regelleistung mit abgegolten verstanden wissen will. Eine anderweitige Regelung - und damit ein Abweichen vom vorgestellten Gesamtkonzept - hätte der Gesetzgeber explizit geregelt und begründet. Dieses Zeit auch ein Vergleich mit § 23 Abs. 3 SGB II und den diesbezüglich seitens des Gesetzgebers vorgenommenen Änderungen seit Inkrafttreten des SGB II.

Des Weiteren ist es den Sozialgerichten verwehrt eine Anspruchsgrundlage über das normierte Recht hinaus, etwa aus der Verfassung selbst zu schöpfen. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist gemäß § 51 SGG nur für "Rechtsstreitigkeiten" eröffnet; die Gerichtsbarkeit darf also nur entscheiden, wenn und soweit der Streit darum geführt wird, was derzeit rechtens ist, nicht was künftig Recht werden soll (Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 7, 183, 288 ff.; LSG NRW, Beschluss vom 01.12.2005, Az.: L 19 B 97/05 AS, m.w.N.). Der einzelne Staatbürger hat grundsätzlich keinen Anspruch auf ein bestimmtes Handeln des parlamentarischen Gesetzgebers. Daher liegt es prinzipiell außerhalb der funktionellen Kompetenzen der Sozialgerichte, sich selbst in die Rolle einer normsetzenden Instanz zu begeben oder die Gesetzgebungsorgane zu verurteilen,. bestimmte Gesetze zu beschließen (BSG, Urteil vom 27.01.1993, Az.: 4 RA 40/92, SozR 3-8570, § 10, Nr. 1, m.w.N.). Im Rahmen der Gewaltenteilung, Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG), steht es dem Gericht damit nicht zu, als "Quasi-Ersatzgesetzgeber" zu fungieren. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistung nach § 20 SGB II oder des abschließenden Katalogs an einmaligen Leistungen in § 23 Abs. 3 SGB II hat das Gericht nicht (BSG, Urteile vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R und 23.11.2006, Az.: B 11b AS 1/06 R). Die pauschalierten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts decken den allgemeinen Bedarf des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der Personen, die mit diesem in einer Bedarfsgemeinschaft leben, abschließend ab (BT-Drucks 16/1696, S. 26). Denn die immer noch eröffnete - hier nicht streitgegenständliche - Option einer darlehensweisen Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 1 SGB II ermöglicht eine auch die Menschenwürde und das Recht auf körperliche Unversehrtheit des Hilfebedürftigen wahrende Handhabung."

Gegen dieses den Klägern am 10.07.2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 02.08.2007 eingegangene Nichtzulassungsbeschwerde. Der Senat hat die Berufung mit Beschluss vom 22.11.2007 zugelassen.

Zur Begründung der Berufung tragen die Kläger vor, sie stellten nicht die Höhe der Regelleistung oder die Art der Bedarfsermittlung in Frage, sondern seien der Auffassung, dass der Bedarf wegen wachstumsbedingter Änderung der Konfektionsgröße bei Kindern eben nicht durch die Regelleistung berücksichtigt worden sei und deswegen ein Anspruch auf Erstausstattung nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II bestehe. Die Regelleistung eines Kindes werde von der des Erwachsenen abgeleitet. Der Eckregelsatz werde errechnet aus dem Verbrauchsverhalten eines Erwachsenen. Der besondere durch Wachstum bedingte Bedarf an Bekleidung trete aber bei einem Erwachsenen nicht auf. Diesen vollständigen Wechsel an Bekleidung erfasse die Regelleistung daher nicht. Weder die Begründung des SGB II noch die Regelsatzverordnung erwähnten den besonderen Bedarf von Kindern. Der besondere Bedarf von Kindern und Jugendlichen sei bei der Ermittlung der Regelleistung nicht zum Ansatz gebracht worden.

Man brauche auch entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht die Verfassung zu bemühen oder das Gesetz über den Wortlaut hinaus auszulegen. § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II lasse einen Anspruch bei wachstumsbedingter Änderung der Konfektionsgröße zu. Die Aufzählung der möglichen Bedarfslagen sei nicht abschließend. Schwangerschaft und Geburt seien Regelbeispiele, neben deren weitere Bedarfslagen möglich seien. Angesichts der fehlenden Berücksichtigung des besonderen Bedarfs von Kindern und Jugendlichen bei der Berechnung der Regelleistung bestehe daher ein Anspruch auf eine Erstausstattung, wie sie mit der Klage geltend gemacht worden sei. Wegen des genauen Wortlauts der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 30.07.2007 Bezug genommen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22.06.2007 zu ändern und nach dem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die die Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten lagen dem Senat bei der Entscheidungsfindung ebenso wie die Vorstreitakte des SG Gelsenkirchen S 5 AS 126/06 ER vor.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist aufgrund des Beschlusses des Senats vom 22.11.2007 zulässig. Das Beschwerdeverfahren war gemäß § 145 Abs. 5 SGG als Berufungsverfahren fortzusetzen.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Senat nimmt gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil Bezug. Die Ausführungen des Sozialgerichts sind sorgfältig begründet und überzeugend. Der Senat hat den dortigen Ausführungen nichts hinzuzufügen.

Die Ausführungen im Berufungsverfahren geben zu keiner anderen Beurteilung Anlass. Mit dem Sozialgericht ist der Senat der Auffassung, dass das normale Wachstum von Kindern keinen außergewöhnlichen Umstand darstellt, der eine Erstausstattung mit Bekleidung nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II rechtfertigt. Soweit die Kläger eine andere Regelung für Kinder und Jugendliche für wünschenswert halten, kann dem gefolgt werden. Der Senat sieht jedoch - wie das SG - keine Möglichkeit, hier aufgrund der geltenden Gesetzeslage zu einem für die Kläger günstigeren Ergebnis zu kommen. Dem Gesetzgeber war bekannt, dass auch Kinder die Regelleistungen in Anspruch nehmen müssen. Auch das Wachstum von Kindern ist eine allgemein bekannte Tatsache. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber dies übersehen haben sollte. Auch wenn den Klägern zuzubilligen sein dürfte, dass die Aufzählung in § 23 Abs. 3 SGB II nicht abschließend ist, so lässt § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II einen Anspruch bei wachstumsbedingter Änderung der Konfektionsgröße entgegen der Auffassung der Kläger nicht zu. Soweit aus der Kommentierung von Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 23 Randnr. 105, der gegenteilige Schluss gezogen werden sollte, so schließt sich der Senat dieser Auffassung nicht an. Dort wird ausgeführt, dass Bedarfe für Erstausstattung nach einer bestimmten Zeit im Bereich der Bekleidung erneut entstehen können, etwa wenn die Tragedauer abgelaufen sei und sich der Bedarf auf alle Kleidungsstücke bezieht. Ob hiermit auch Bedarf bei normalem Wachstum abgedeckt werden soll, wird aus der Kommentarstelle nicht deutlich.

Die Berufung konnte somit im Ergebnis keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 183, 193.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Rechtssache gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat.
Rechtskraft
Aus
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