L 6 U 39/04

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 8 U 52/01
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 39/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 25. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Witwe des am 1999 verstorbenen D. K. (nachfolgend der Versicherte), mit dem sie bis zu dessen Tod in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Sie begehrt als Sonderrechtsnachfolgerin die Anerkennung des Ereignisses vom 16. September 1999 als Arbeitsunfall.

Der am 1949 geborene Versicherte war seit 1992 bei der a. GmbH in H. als Maschinist beschäftigt. Am Morgen des 16. September 1999 kam er auf der Landstraße 15 gegen 4.45 Uhr als Fahrer eines PKW auf dem Weg zur Arbeitsstelle, ca. 30 m hinter dem Ortsausgangsschild seines Heimatortes K., in einer Linkskurve nach rechts von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum; der PKW kam quer auf der Fahrbahn zum Stehen. Dabei wurde der Versicherte schwer verletzt.

Mit dem Rettungswagen wurde der Versicherte in das J.-Krankenhaus S. gebracht. Dort wurde er ausweislich des Durchgangsarztberichtes des Facharztes für Chirurgie und Chefarztes der Unfallchirurgischen Klinik Dr. S. um 5.20 Uhr in der Notfallambulanz aufgenommen. Dr. S. diagnostizierte ein Hämatothorax (Ansammlung von Blut im Brustraum) aufgrund einer Rippenserienfraktur der dritten bis siebten Rippe links, eine Kopfplatzwunde sowie ein Schädel-Hirn-Trauma I. Grades. Der Versicherte sei zu diesem Zeitpunkt schläfrig, aber jederzeit erweckbar und kooperativ gewesen; Übelkeit habe nicht vorgelegen. Ohne weitere Ausführungen kreuzte Dr. S. formularmäßig im Durchgangsarztbericht an, es habe Alkoholeinfluss vorgelegen.

Die anschließende Behandlung des Versicherten erfolgte im Reanimationsraum der Intensivstation des Krankenhauses. Dort wurde ihm auch eine Blutprobe entnommen, die um 6.30 Uhr im Labor des Krankenhauses eintraf. Die Analyse der Probe ergab eine Ethanolkonzentration von 1,80 g/l Blutserum. Nach der Blutentnahme wurde der Versicherte intensivmedizinisch im Krankenhaus S. versorgt, eine weitere Blutprobe wurde nicht abgenommen. Nach einer am 27. September 1999 durchgeführten Computertomographie (CT), die eine große Einblutung in der rechten Kleinhirnhemisphäre und größere Kontusionsblutungen gezeigt hatte, wurde der Versicherte in die Universitätsklinik Magdeburg verlegt, wo er am 3. Oktober 1999 verstarb.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 1999 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und teilte mit, sie habe von der festgestellten Alkoholisierung erfahren. Möglicherweise sei aufgrund eines starken Leberschadens kein Alkoholabbau mehr erfolgt. Zudem sei unbekannt, ob zum Zeitpunkt der Blutentnahme bereits eine Medikation stattgefunden habe oder ob die Blutentnahme in großer örtlicher Nähe zu der Stelle erfolgt sei, an der die Medikamente zugeführt worden seien. Außerdem verfüge das Krankenhaus Stendal nicht über eine Labortechnik, die für eine sichere Blutalkoholbestimmung geeignet sei.

Die Beklagte zog die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft bei. Nach der von Polizeiobermeister (POM) Zieghahn und POM Henne gefertigten Unfallanzeige vom 16. September 1999 sei bei der Unfallaufnahme Alkoholgeruch in der Atemluft des Verletzten festgestellt worden. Die Verkehrstüchtigkeit sei nicht gegeben gewesen, eine Alkoholeinwirkung habe vorgelegen. Eine Blutentnahme habe im Krankenhaus nicht gleich durchgeführt werden können, da der Verletzte nach der Röntgenuntersuchung sofort auf die Intensivstation verlegt worden sei. Zum Unfallzeitpunkt sei die Straße trocken und mit einer Schwarzdecke befestigt gewesen. Nach dem Aktenvermerk des POM Klose vom 16. September 1999 habe eine Rücksprache mit der Intensivstation des Krankenhauses ergeben, dass aufgrund der durchgeführten Operation keine Blutentnahme habe erfolgen können. Ausweislich der staatsanwaltlichen Einstellungsverfügung bezüglich des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens vom 27. Oktober 1999 hätten Hinweise auf ein Fremdverschulden und Anhaltspunkte für technische Mängel am Fahrzeug nicht festgestellt werden können.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 1999 lehnte die Beklagte es ab, das Ereignis vom 16. September 1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Bei dem Versicherten habe zum Unfallzeitpunkt absolute Fahruntüchtigkeit, dessen Grenzwert nach der Rechtsprechung bei 1,1 ‰ liege, bestanden. Bei der Unfallstelle habe es sich um eine trockene Straße mit einer Schwarzteerdecke und einer übersichtlichen Linkskurve mit gewöhnlichem Verlauf und ohne besondere Gefahren gehandelt. Weitere Verkehrsteilnehmer seien am Unfall nicht beteiligt gewesen. Dass der Versicherte beim Durchfahren der Kurve von der Straße abgekommen sei, sei nach den Erfahrungen des täglichen Lebens auf ein alkoholbedingtes Fehlverhalten zurückzuführen. Andere wegebedingte Ursachen seien nicht ersichtlich, sodass die erhebliche Alkoholeinwirkung die allein rechtlich wesentliche Unfallursache gewesen sei.

Am 6. Dezember 1999 erhob die Klägerin Widerspruch und trug vor, vermutlich sei der Versicherte einem Reh ausgewichen. Dafür sprächen Tages- und Jahreszeit. Das Ausweichmanöver sei wohl gelungen, da es offensichtlich keinen Kontakt mit einem Wildtier gegeben habe. Es sei auch nicht nachzuweisen, dass der Versicherte zum Unfallzeitpunkt unter Alkoholeinfluss gestanden habe. Ihm sei u. a. das alkoholhaltige Medikament Faustan verabreicht worden. Außerdem seien durch denselben venösen Zugang Medikamente verabreicht und das Blut entnommen worden. Zudem sei die Blutentnahme nur für die internen Behandlungszwecke des Krankenhauses erfolgt. Das Laborergebnis sei daher unverwertbar. Schließlich bestünden Zweifel, ob die vorliegende Blutprobe von dem Versicherten stamme, da im Laborbericht ein falsches Geburtsdatum (22.11.1949) angegeben sei.

Daraufhin holte die Beklagte eine Stellungnahme des Dr. S. ein. Dieser erklärte am 4. April 2001 unter Hinweis auf die Stellungnahme des Leitenden Oberarztes der Intensivstation, Dr. B., eine Verfälschung des Blutalkoholwertes durch andere Medikamente sei auszuschließen. Der Versicherte sei bis zur Einlieferung in das Krankenhaus von Rettungssanitätern betreut worden, die laut Rettungsprotokoll keine Medikamente verabreicht hätten. Auch während der Betreuung in der Notfallambulanz, von 5.20 Uhr bis 6.00 Uhr, seien dem Versicherten keine Medikamente gegeben worden. Ab 6.00 Uhr sei eine Behandlung im Reanimationsraum der Intensivstation erfolgt. Die laut Dokumentation dort verabreichten Medikamente (Radenarcon, Succinylcholin, Effortil) enthielten kein Ethanol. Im Reanimationsraum sei auch die Blutentnahme zur Ethanolbestimmung auf jedem Fall vor 6.30 Uhr erfolgt, da dies die dokumentierte Annahmezeit des Zentrallabors sei. Das Medikament Faustan sei aber erst um 10.30 Uhr verabreicht worden. Dr. S. teilte außerdem mit, der fehlerhaft angegebene Geburtsmonat des Versicherten finde sich bereits im Rettungsdienstprotokoll und habe sich danach bis zu einem gewissen Zeitpunkt fortgesetzt. Es habe offensichtlich ein Schreibfehler oder ein Versehen in einer Notfallsituation vorgelegen. Die übrigen Angaben zur Person, zum Unfallbetrieb, zur Wohnung usw. ließen keine Zweifel an der Identität zu. Auch habe sich laut Auskunft der Patientenverwaltung am 16. September 1999 kein anderer Patient gleichen Namens im Krankenhaus befunden. In Anlage zum Schreiben legte Dr. S. eine Kopie der Krankenakte bei. Danach sei bereits bei Aufnahme des Versicherten eine eingeschränkte Leberfunktion mit entgleister Gerinnung bei Hepatomegalie (Lebervergrößerung) auffällig gewesen. Zudem habe der Versicherte an einer Thrombozytopenie (verminderte Thrombozyten (Blutblättchen)) gelitten.

Mit Schreiben vom 15. Mai 2000 teilte die Klägerin der Beklagten mit, der Versicherte habe wenige Minuten vor dem Unfallgeschehen ihr gegenüber keinen alkoholisierten Eindruck gemacht. Selbst wenn er unmittelbar nach dem Fahrtantritt Alkohol zu sich genommen habe, hätte dies nicht zu einer später festgestellten Alkoholisierung von nahezu 1,8 ‰ führen können. Am 19. Juli 2000 legte die Klägerin den Obduktionsbericht des Prof. Dr. K. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Magdeburg vom 6. Oktober 1999 vor, wonach der Tod des Versicherten durch ein Multiorganversagen bei zentraler Regulationsstörung nach einem Schädel-Hirn-Trauma eingetreten sei. Die vorbestehende Lebererkrankung habe sich dabei erschwerend auf den Krankheitsverlauf ausgewirkt, aber nicht ursächlich zum Eintritt des Todes beigetragen.

Die Beklagte holte telefonische Auskünfte der Beamten ein, die die Unfallanzeige gefertigt hatten. Nach dem Aktenvermerk vom 10. November 2000 habe POM H. mitgeteilt, POM Z. habe sich vor ihm zum Unglückswagen begeben. An weitere Details könne er sich nicht mehr erinnern. Nach dem Aktenvermerk vom 8. Februar 2001 habe POM Z. berichtet, eine weitere Polizeistreife vom Polizeirevier S. sei bereits vor ihnen zufällig am Unfallort gewesen. Der Polizeibeamte S. und sein Kollege hätten den Versicherten in seinem Fahrzeug, mit dem Kopf auf dem Lenkrad liegend, vorgefunden. Auf dem Beifahrersitz habe sich eine Schnapsflasche befunden. In der Atemluft des Versicherten habe man Alkoholgeruch wahrgenommen. Da sich die Fahrertür nicht habe öffnen lassen, sei dem Versicherten über die geöffnete Beifahrertür aus dem Fahrzeug geholfen worden.

Am 9. Februar 2001 fand ein Telefongespräch zwischen der Beklagten und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin statt. Nach dem darüber gefertigten Aktenvermerk habe der Prozessbevollmächtigte mitgeteilt, Fotos von der Unglücksstelle gebe es nicht, lediglich Fotos, die vom Gutachter für die Schadensabwicklung gefertigt worden seien. Mit Schreiben vom 9. Februar 2001 teilte Polizeikommissar (PK) S. mit, er und POM S. seien zuerst am Unfallort eingetroffen. Vor Ort seien bereits zwei bis drei LKW gewesen, deren Fahrer aber nicht unmittelbare Zeugen des Unfalls gewesen seien. In dem Unfallfahrzeug habe er eine männliche Person mit einer Kopfverletzung angetroffen. Die Seitenscheibe der Fahrertür sei mit Blut verschmiert bzw. bespritzt gewesen. Der Versicherte habe, nachdem er ihn angesprochen habe, reagiert. Da die Fahrertür stark deformiert gewesen sei und nicht habe geöffnet werden können, habe er dem Versicherten geholfen, über den Beifahrersitz aus dem Fahrzeug zu gelangen. Dabei habe er starken Alkoholgeruch in der Atemluft des Versicherten bemerkt. Außerdem habe er eine fast leere Flasche Alkohol (Schnaps) im Fußbereich der Beifahrerseite liegen gesehen. Weitere Angaben zum Unfall könne er jetzt nicht mehr machen.

Ein Mitarbeiter der Beklagten, Herr A., führte am 15. Mai 2001 Außenermittlungen durch, deren Ergebnisse er im Bericht vom 21. Mai 2001 festhielt: Er habe zunächst den Unfallbetrieb aufgesucht und ein Gespräch mit Herrn P. (leitender Kaufmann) und Herrn J. (Werkstattmeister) geführt. Danach habe die Arbeitszeit des Versicherten regelmäßig um 6.30 Uhr bzw. um 7.00 Uhr begonnen. Am Unfalltag habe der Versicherte zwischen 4.30 Uhr und 5.00 Uhr die Arbeit an einer Mischanlage aufnehmen sollen. Da er nicht erschienen sei, sei telefonisch bei der Klägerin nachgefragt worden. Diese habe erklärt, dass der Versicherte schon weggefahren sei. Nach den Angaben der Mitarbeiter des Unfallbetriebs habe im Betrieb am Vortag keine Feier stattgefunden. Auch seien Alkoholprobleme und Einzelheiten über das Privatleben des Versicherten unbekannt. Nach dem Gespräch im Unfallbetrieb habe er, Herr A., die Unfallstelle aufgesucht und dort Fotos gefertigt. Die Entfernung vom Betriebsgelände bis zum Ortsschild K. habe 10,7 km und von der Wohnung bis zum Ortsschild 2 km betragen. Schließlich habe er ein Gespräch mit dem Prozessbevollmächtigten, der Klägerin und ihren beiden Töchtern geführt. Die Klägerin habe von einem gemeinsamen Abendessen mit dem Versicherten, der dabei ein Bier getrunken habe, berichtet. Gegen 20.30 Uhr sei er zu Bett gegangen, der Wecker sei auf 4.30 Uhr gestellt gewesen. Nach dem Weckerläuten sei der Versicherte sofort aufgestanden und habe nach einer kurzen Morgentoilette das Haus verlassen. Gefrühstückt habe er zu Hause nicht. Die Klägerin und die Tochter A. seien bereits aufgestanden gewesen und hätten sich von ihm verabschiedet. Streit oder sonstige familiäre Auseinandersetzungen habe es nicht gegeben. Beim Abschiedskuss habe die Klägerin keinen Alkoholgeruch wahrgenommen. Nach dem Anruf des Arbeitskollegen sei die Klägerin mit ihrer Tochter A. zur Unfallstelle gefahren. Besondere Umstände, wie z.B. eine bekannte Alkoholisierung, hätten sie hierzu nicht veranlasst. An der Unfallstelle habe die Klägerin auch in das Fahrzeuginnere geschaut; eine Schnapsflasche habe sie dabei nicht gesehen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. Mai 2001 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, der Versicherte sei absolut verkehrsuntüchtig gewesen. Eine Verfälschung oder ein Verwechseln der festgestellten Blutalkoholkonzentration (BAK) sei nach den Angaben des Dr. S. ausgeschlossen. Die Verkehrsuntüchtigkeit werde durch das Polizeiprotokoll vom 16. September 1999, die Angaben der Polizeibeamten und die Erkenntnisse der Außenermittlungen bestätigt. Die These des Fahrens und der Unfallverursachung durch Alkoholeinwirkung werde durch den bei der Unfallaufnahme festgestellten starken Alkoholgeruch in der Atemluft, die im Wageninneren vorgefundene Schnapsflasche und den Streckenverlauf mit Abkommen von der Straße an typischer Stelle ohne Gegenreaktion belegt. Die Alkoholbeeinflussung sei die rechtlich wesentliche Unfallursache, da keine anderen Ursachen für die Entstehung des Unfalls ersichtlich seien. Das vermutete Ausweichmanöver sei als Unfallursache nicht bewiesen.

Am 12. Juni 2001 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stendal Klage erhoben und die Feststellung des Ereignisses als Arbeitsunfall weiter verfolgt. Sie hat ergänzend vorgetragen, die Blutprobe sei nicht verwertbar, da bei der Blutalkoholuntersuchung für gerichtliche Zwecke auf zwei verschiedene Untersuchungsverfahren nicht verzichtet werden könne. Zudem habe es sich nicht um ein unkontrolliertes Schleuder- bzw. Ausbrechmanöver gehandelt, sondern um eine planmäßige Aktion, welche allerdings nicht zum gewünschten Erfolg geführt habe. Insbesondere aus der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft, die Fotos vom Oktober 1999 enthalte, lasse sich eine Bremsspur eindeutig entnehmen. Das Sozialgericht hat die Akte der Staatsanwaltschaft beigezogen. Die darin enthaltenen Ermittlungsunterlagen hatten schon im Verwaltungsverfahren vorgelegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 25. Februar 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit habe den inneren Zusammenhang zwischen der versicherten Fahrt zur Arbeit und dem Unfallereignis gelöst. An der Richtigkeit der ermittelten BAK bestünden keine Bedenken, insbesondere seien dem Versicherten keine die BAK beeinflussenden Medikamente vor der Blutentnahme gegeben worden. Das falsche Geburtsdatum resultiere aus dem insoweit auch falschen Unfallaufnahmebogen. Die Alkoholisierung des Versicherten werde durch den Polizeibeamten S., der Alkoholgeruch und eine fast leere Schnapsflasche bemerkt habe und durch Dr. S., der in der Unfallmeldung Alkoholeinfluss angekreuzt habe, bestätigt. Die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit sei auch rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls gewesen. Die zum Unfallzeitpunkt herrschenden Witterungs- und Straßenverhältnisse hätten keine besondere Gefahr ausgewiesen. Eine Gefährdung durch oder ein Zusammenstoß mit einem Wild sei nicht bewiesen.

Gegen den am 3. März 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 19. März 2004 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und beantragt, das Ereignis vom 16. September 1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen und Entschädigungen zu leisten. Sie hat ihren Vortrag zur Unverwertbarkeit der Blutprobe vertieft und ergänzend vorgetragen, soweit der Polizeibeamte S. Atemalkoholgeruch und eine Schnapsflasche im Fahrzeug bemerkt haben wolle, erscheine dies nicht glaubwürdig. Denn die Flasche hätte er dann auch als Beweismittel einer Trunkenheitsfahrt beschlagnahmen müssen. Im Übrigen befinde sich die Unfallstelle in einer völlig unübersichtlichen starken Linkskurve. Der Streckenverlauf sei schwer einsehbar, da die Straße sehr schmal und mit Alleebäumen eng bepflanzt sei. Zum Tag vor dem Unfall hat die Klägerin ausgeführt, sie habe gemeinsam mit dem Versicherten sowie A. W. und A. K. von 18.00 bis 20.00 Uhr auf der Terrasse Karten gespielt; 20.30 Uhr sei der Versicherte ins Bett gegangen. Am Unfalltag habe der Wecker statt 4.00 Uhr erst 4.30 Uhr geklingelt. Der Versicherte sei aus dem Bett gesprungen und ins Bad gelaufen. Der Versicherte habe sich mit einem Kuss verabschiedet, dabei habe sie keinen Alkoholgeruch bemerkt. Um 4.35 Uhr sei er zur Arbeitsstelle gefahren.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 25. Februar 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Mai 2001 aufzuheben und festzustellen, dass der Verkehrsunfall vom 16. September 1999 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 25. Februar 2004 zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, eine erhebliche Alkoholisierung sei aus dem Umstand zu folgern, dass der Versicherte den Unfall ohne erkennbaren Grund in einer ihm bekannten Kurve erlitten habe. Die Kurve habe sich nur ca. 30 m hinter dem Ortsausgang seines Wohnortes auf dem direkten Weg zu seinem Arbeitgeber befunden. Den Weg zur Arbeitsstelle habe der Kläger zum Unfallzeitpunkt bereits über sieben Jahre täglich zurückgelegt.

Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte des Versicherten eingeholt. Der Internist Dr. U. hat am 26. Mai 2006 eine Fettleber, den Verdacht auf eine initiale Leberzirrhose und den Verdacht auf eine Hämosidorose (vermehrte Eisenablagerung, Hämochromatose) diagnostiziert. Alkoholprobleme des Versicherten seien ihm nicht bekannt. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin K. hat unter dem 27. Juli 2006 eine Hämochromatose mit Fettleber sowie eine Fettstoffwechselstörung festgestellt. Hinweise für Alkoholprobleme des Versicherten habe sie nicht.

Der Senat hat außerdem von der Fachärztin für Rechtsmedizin Dr. R. (Institut für Rechtsmedizin der M.-L.-Universität H.-W.) das rechtsmedizinische Gutachten vom 15. Mai 2007 erstatten lassen. Im Hinblick auf mögliche Fehler bei der Blutbestimmung hat diese ausgeführt, vor der Blutentnahme könne die Hautdesinfektion durch ein alkoholhaltiges Desinfektionsmittel erfolgt sein. Zum Vorliegen eines systematischen Fehlers könne sie keine Stellung nehmen, da keine Ergebnisse über interne und externe Qualitätskontrollen vorlägen. Es sei auch nicht ersichtlich, wann die letzte vorausgehende Kalibrierung erfolgt sei, wie häufig das Labor Ethanolbestimmungen durchführe und ob die Blutprobe des Versicherten einzeln oder in Serie mit anderen Blutproben untersucht worden sei. Weitere Anhaltspunkte für unterlaufene Fehler seien nicht ersichtlich. Aus den vorliegenden Unterlagen folge, dass im Krankenhaus das ADH (Alkoholhydrogenese)-Verfahren zur Bestimmung der BAK angewandt worden sei. Die ADH/REA-(Radiative-Energy-Attenuation)-Methode sei nicht auf eine so hohe Messgenauigkeit ausgerichtet, sondern bediene klinische Fragestellungen. Nach Angaben der Firma Abbott, dem Hersteller des Messgerätes ADxEthanaol Essays, liege die Fehlerquote durch Abweichungen aufgrund von Interferenzen mit anderen Substanzen, bei weniger als 10%. In Kombination mit der Gaschromatographie und bei vierfachen Einzelbestimmungen sei die ADH/REA-Methode grundsätzlich auch zur forensischen Blutethanolanalyse geeignet. Unter strengem Qualitätsmanagement (u.a. tägliche Kalibrierung, Mitführen von zwei Serumkontrollen je Probenkarussell) könnten auch Einzelergebnisse erzielt werden, die innerhalb der für forensische Bestimmungen vorgegebenen Streubreite lägen. Da der Akte nicht zu entnehmen sei, ob eine Vollblutprobe oder eine Blutserumprobe untersucht worden sei, müsse aufgrund des unterschiedlichen Wassergehaltes von Vollblut und Serum möglicherweise eine Umrechnung vorgenommen werden. Dann sei lediglich von einer BAK von 1,38 ‰ auszugehen (Umrechnungsdivisior 1,92 nach 3). Schließlich hat die Sachverständige ausgeführt, die vorliegende Eisenspeicherkrankheit (Hämachromatose) könne zu einer Leberzirrhose führen und erkläre auch die krankhaften Blutwerte hinreichend. Zwingende Hinweise auf einen chronischen Alkoholmissbrauch ergäben sich nicht. Aus den medizinischen Befunden sei auch nicht auf eine erhebliche Alkoholeinwirkung zum Unfallzeitpunkt zu schließen. Die ärztlichen Feststellungen bei der stationären Aufnahme sprächen eher dagegen.

Auf Nachfrage des Senats haben Prof. Dr. S. und Dr. T. vom Krankenhaus Stendal unter dem 29. Juli 2007 mitgeteilt, es sei lediglich eine Ethanolmessung durchgeführt worden. Das Prüfmaterial sei Vollblut und das Untersuchungsmaterial Serum gewesen. Die Untersuchung sei durch die REA-Methode auf dem Gerät ADx von der Firma Abbott erfolgt. Im Jahre 1999 seien im Labor des Krankenhauses 321 Ethanolbestimmungen veranlasst worden, im Monat September seien es 24 gewesen. Externe Qualitätskontrollen habe es nicht gegeben. Die interne Qualitätskontrolle sei arbeitstäglich in jeder Arbeitsschicht mit zwei Kontrollen unterschiedlicher Ethanolkonzentrationen ausgeführt worden. Am 16. September 1999 sei die Qualitätskontrolle um 3.58 Uhr mit zwei Levels erfolgt. Die Messungen hätten alle Voraussetzungen für die Freigabe der nachfolgenden Patientenergebnisse erfüllt. Außerdem haben Prof. Dr. S. und Dr. T. ausgeführt, aufgrund eines Updates der EDV-Firma zum Jahrtausendwechsel sei am 1. November 1999 der zuvor gemessene Wert von 1,80 aufgrund eines Fehlers auf 1,79 umgewandelt worden. Nach telefonischer Auskunft der EDV-Firma vom 27. Juli 2007 sei der damals intern gespeicherte Wert von 1,79999993 zwei Stellen nach dem Komma abgeschnitten worden. Der Fehler sei von der EDV-Firma am 24. Februar 2000 behoben worden, sodass der zunächst ermittelte Wert von 1,80 auf allen nachfolgenden Ausdrucken zu finden sei. In Anlage sind die Messergebnisse der internen Qualitätskontrolle für Ethanolbestimmungen vorgelegt worden. Zudem hat sich in Anlage ein Zertifikat des Landeseichamtes Sachsen-Anhalt vom 13. November 1998 mit Gültigkeit bis zum 9. November 2000 befunden, wonach die gesetzlichen Bestimmungen zur Qualitätssicherung in medizinischen Laboratorien eingehalten wurden. Nach dem Schreiben des Labors L. vom 11. März 1999 entspricht die im Krankenhaus S. eingesetzte Qualitätskontrolle im Rahmen der GELAB-Labordatenverarbeitung den Richtlinien der Bundesärztekammer. Außerdem hat sich in Anlage der Begutachtungsbericht der Deutschen Akkreditierungsstelle Chemie GmbH vom 10. August 1999 befunden, wonach für das Prüfgebiet Laboratoriumsmedizin die Eignung und Wirksamkeit der Maßnahmen bezüglich der Anforderungen nach DIN EN 45001 festgestellt wurden. Die entsprechende Akkreditierungsurkunde vom 6. Oktober 1999 hat ausdrücklich die Kompetenz zur Prüfung von Blut- und Serumuntersuchungen festgestellt.

In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 17. Oktober 2007 hat die Sachverständige Dr. R. ausgeführt, der ermittelte Messwert sei ein Einzelergebnis, dessen Genauigkeit weder durch den Vergleich mit Paralleluntersuchungen mit derselben Probe noch durch Vergleich mit anderen im gleichen Untersuchungsgang analysierten Proben eingeschätzt werden könne. Hieraus resultierten ernste Zweifel an der Richtigkeit und Präzision. Die nur geringe Anzahl von Blutalkoholbestimmungen im Labor des Krankenhauses und die fehlende externe Qualitätskontrolle unterstrichen diese Zweifel.

Daraufhin hat die Beklagte eine Stellungnahme des Prof. Dr. T. vom Institut für Rechtsmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover vom 26. November 2007 vorgelegt. Dieser hat der Sachverständigen im Hinblick auf die forensische Verwertbarkeit des Messwertes in einem Strafverfahren zugestimmt. Da keine Doppelbestimmung durchgeführt worden sei, könne ein so genannter Ausreißer theoretisch nicht ausgeschlossen werden. Aus den Laborberichten ergebe sich, dass im Monat September 1999 insgesamt 27 Kontrolluntersuchungen durchgeführt worden seien. Dabei habe die maximale Abweichung 3 % betragen. Übertrage man diesen Abweichungsfaktor auf den beim Versicherten gemessenen Alkoholwert, sei eine BAK von 1,34 ‰ anzunehmen. Es sei eine rein statistische Frage, wie groß die Wahrscheinlichkeit einer Fehlbestimmung bei den 321 im Jahr 1999 entnommenen Blutproben sei. Zwar sei ein Ausreißer nie gänzlich ausgeschlossen, doch erscheine es möglich, mit einer für das praktische Leben ausreichenden Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass die Messungenauigkeit nicht so groß gewesen sei, dass zum Unfallzeitpunkt eine BAK von 1,1 ‰ ernsthaft angezweifelt werden müsse.

Die Gerichtsakte und Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und in der von § 151 SGG geforderten Form und Frist eingelegte Berufung ist nicht begründet. Die von der Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 56 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage nach den §§ 54 Abs 1, 55 Abs 1 Nr 1 SGG hat keinen Erfolg. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, das Ereignis vom 16. September 1999 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich (auf eine Arbeitsschicht) begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Konkret bedeutet dies, dass die Verrichtung, die der Versicherte zur Zeit des Unfalls ausübt, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein muss (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem von außen auf den Körper wirkenden Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass dieses Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht haben muss (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. nur Urteil vom 30. Januar 2007 – B 2 U 23/05 R – zitiert nach Juris m. w. N.).

Der Versicherte war als Maschinist bei der a. GmbH gemäß § 2 Abs 1 Nr. 1 SGB VII gesetzlich unfallversichert. Auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach dem Ort der Tätigkeit ist nach § 8 Abs 2 Nr. 1 SGB VII versichert (Wegeunfall). Des Weiteren war der innere bzw. sachliche Zusammenhang zwischen dem Zurücklegen des Weges und dem Unfallereignis gegeben, denn ein Vollrausch durch Alkoholgenuss, der den sachlichen Zusammenhang bereits löst (dazu BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, a.a.O., Rn. 20) hat keinesfalls vorgelegen.

Doch fehlt es hier an der Unfallkausalität. Wenn bei der Ausübung einer Verrichtung, die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, eine Unfallereignis eintritt, muss vom Vorliegen der Unfallkausalität ausgegangen werden, es sei denn, eine konkurrierende Ursache, wie z. B. eine innere Ursache oder eine eingebrachte Gefahr, ist feststellbar (dazu BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, a.a.O., Rn. 17). Erst wenn eine solche konkurrierende Ursache feststeht, ist auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie aufbauend in einem zweiten Prüfungsschritt wertend zu entscheiden, ob die versicherte Ursache wesentlich nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist (vgl. nur BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, a.a.O., Rn. 17). Als eine solche konkurrierende Ursache kann die Folge von Alkoholgenuss neben die versicherte Ursache treten. Der alkoholbedingte Leistungsabfall kann dann derart stark sein, dass ihm im Vergleich zur versicherten Ursache - hier dem Zurücklegen des Weges - überragende Bedeutung für das Eintreten des Unfallereignisses beizumessen und die versicherte Ursache nicht mehr als wesentlich für das Unfallereignis zu bewerten ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. bereits Urteil vom 30. Juni 1960 – 2 RU 86/56 = BSGE 12, 242 sowie zuletzt Urteil vom 30. Januar 2007, a.a.O., Rn. 20). Ein typischer Anwendungsfall für die alkoholbedingte Herabsetzung der Leistungsfähigkeit ist die eingeschränkte Fahrtüchtigkeit von Kraftfahrern, weil der Alkoholgenuss ihre Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, a.a.O., Rn. 21).

Eine absolute Fahruntüchtigkeit, bei der ohne weitere Beweisanzeichen vermutet wird, dass die Folgen des Alkoholgenusses für die Verursachung des Unfalls von überragender Bedeutung waren, ist nach der Rechtsprechung des BSG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ((BGH), BGHSt 37, 89) bei einer BAK von 1,1 ‰ anzunehmen (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, a.a.O., Rn. 22 m.w.N.). Bei einer relativen Fahruntüchtigkeit mit einer BAK von unter 1,1 ‰ kann der Alkoholgenuss zwar auch von überragender Bedeutung für den Eintritt des Unfallereignisses sein. Dies setzt aber voraus, dass neben der BAK aus weiteren Beweisanzeichen in Form von alkoholtypischen Ausfallerscheinungen darauf geschlossen werden kann, dass der Versicherte wegen der Folgen des Alkoholgenusses fahruntüchtig und damit der Alkoholgenuss die überragende Ursache für das Unfallereignis war (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, a.a.O., Rn. 23). Als Beweisanzeichen für eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit kommen z. B. die Fahrweise des Versicherten, eine überhöhte Geschwindigkeit, ein plötzliches Bremsen sowie das Verhalten vor, bei und nach dem Unfall in Betracht (BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 – 8 RU 66/77 = BSGE 45, 285, 289). Ein Fehlverhalten beweist nur dann eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit, wenn es nicht auch andere Ursachen haben kann, wie z. B. Unaufmerksamkeit, Leichtsinn oder Übermüdung (BSG, Urteil vom 2. Februar 1978 a.a.O.). Insoweit sind die Beweisanzeichen nicht einzeln, sondern alle zusammen zu betrachten (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, a.a.O., Rn. 23). Je geringer die festgestellte BAK ist, desto höhere Anforderungen sind an den Beweiswert der sonstigen für das Vorliegen von Fahruntüchtigkeit sprechenden Beweisanzeichen zu stellen (BSG, Urteil vom 20. Januar 1977 – 8 RU 52/76 = BSGE 43, 110, 113; BSG, Urteil vom 2. Februar 1978, a.a.O.).

Der Senat ist davon überzeugt, dass zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls Alkoholeinfluss als eine konkurrierende Ursache vorgelegen hat, der Versicherte infolgedessen fahruntüchtig war und die Fahruntüchtigkeit infolge des Alkoholeinflusses die überragende Bedingung für den Eintritt des Unfallereignisses gewesen ist.

Im Zentrallabor des Krankenhauses S. wurde eine Ethanolbestimmung unter Anwendung der ADH/REA-Methode auf dem Gerät ADx von der Firma Abbott mit Blutserum des Versicherten durchgeführt. Der ermittelte Wert hat 1,8 g/l (1,79999993) betragen, wurde allerdings aufgrund eines EDV-Fehlers zunächst mit 1,79 angegeben. Dieser Wert ist durch den konstanten Divisor 1,2 aufgrund des unterschiedlichen Wassergehalts von Serum und Blut zu teilen (Schoknecht, NZV 1990, 104, 106). Der Divisor entspricht dem Quotienten der Wassergehalte von Serum (91 %) und Blut (76%). Unter Anwendung dieses Umrechnungsfaktors ist von einer BAK von 1,5 ‰ (1,8 geteilt durch 1,2) auszugehen. Soweit die Sachverständige Dr. R. eine BAK von 1,38 ‰ aufgrund eines Umrechnungsdivisors von 1,92 nach 3 angegeben hat, erscheint diese Umrechnung ohne Begründung für den Umrechnungsfaktor nicht nachvollziehbar.

Die im Krankenhaus Stendal ermittelte BAK wurde allerdings nicht nach standardisierten Regeln ermittelt, die es zulassen würden, ohne weitere Beweiszeichen darauf zu schließen, dass eine absolute Fahruntüchtigkeit des Versicherten vorgelegen hat, die ursächlich für den Eintritt des Unfallereignisses war. Denn ein medizinischer Erfahrungssatz, wonach bei einer BAK von 1,1 ‰ absolute Fahruntüchtigkeit vorliegt, kann nur dann angenommen werden, wenn standardisierte Regeln eingehalten werden, die einen hinreichend sicheren Ausschluss möglicher Mess- und Berechnungsfehler gewährleisten. Die Sachverständige Dr. R. hat dargelegt, dass die ADH/REA-Methode nicht auf eine hohe Messgenauigkeit ausgerichtet ist, sondern klinische Fragestellungen bedient. In Kombination mit der Gaschromatographie und bei vierfachen Einzelbestimmungen ist zwar nach den Ausführungen der Sachverständigen die ADH/REA-Methode grundsätzlich auch zur forensischen Blutethanolanalyse geeignet. Unter strengem Qualitätsmanagement (u.a. tägliche Kalibrierung, Mitführen von zwei Serumproben je Probenkarussell) könnten sogar auch Einzelergebnisse erzielt werden, die innerhalb der für forensische Bestimmungen vorgegebenen Streubreite liegen. Doch weder diese Anforderungen, noch die Forderung von zwei Einzeluntersuchungen nach der ADH-Methode (so BGHSt 28, 1, 2) hat das Zentrallabor ausweislich der Stellungnahme von Prof. Dr. S. und Dr. T. erfüllt. Eine mehrfach abgesicherte Bestimmung der BAK ist nicht erfolgt.

Dennoch bestehen für den Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Zweifel, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfallereignisses unter Alkoholeinfluss gestanden hat. Auch wenn keine den standardisierten Regeln entsprechende Blutalkoholbestimmung vorliegt, weil nur eine Blutentnahme vorrangig für klinische Zwecke durchgeführt wurde, ist es den Unfallversicherungsträgern und Gerichten nicht verwehrt, den so ermittelten Blutalkoholwert zu würdigen; ein generelles Beweismittelverwertungsverbot für derartige Einzelmesswerte lässt sich rechtlich nicht begründen (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 5/07, § 8 Rn. 1243, ebenso LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17. Oktober 2006 - L 1 U 5341/04 - zitiert nach Juris, Rn. 38; BGH, Urteil vom 25. September 2002 – IV ZR 212/01 – zitiert nach Juris, Rn. 20). Die Frage des Alkoholisierungsgrades ist unter Heranziehung aller Indizien in freier Beweiswürdigung nach § 128 SGG zu klären (Bereiter/Hahn/Mertens a.a.O.; LSG Baden Württemberg, a.a.O.). Dabei ist zu würdigen, in welcher Höhe und in welchem Umfang das zugrunde liegende Verfahren Abweichungen erwarten lässt, um so eine statistisch abgesicherte Aussage über die Messgenauigkeit und den maximalen erforderlichen Sicherheitsabschlag zu gewinnen (BGH, a.a.O, Rn. 21).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass die Bestimmung der BAK im Krankenhaus S. mit ordnungsgemäß funktionierenden Geräten erfolgt ist. Ca. 2,5 h zuvor wurden bei einer internen Qualitätskontrolle zwei Proben mit unterschiedlichen Ethanolkonzentrationen analysiert. Die Messungen hatten alle Voraussetzungen für die Freigabe der nachfolgenden Patientenergebnisse erfüllt. Außerdem erfolgten im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zum Unfallereignis unterschiedliche Kontrollen bzw. Zertifizierungen der eingesetzten Geräte. Nach dem Zertifikat des Landeseichamtes S.-A. vom 13. November 1998 mit Gültigkeit bis zum 9. November 2000 wurden die gesetzlichen Bestimmungen zur Qualitätssicherung in medizinischen Laboratorien eingehalten. Nach dem Schreiben des Labors L. vom 11. März 1999 hat die im Krankenhaus S. eingesetzte Qualitätskontrolle im Rahmen der GELAB-Labordatenverarbeitung den Richtlinien der Bundesärztekammer entsprochen. Ausweislich des Begutachtungsberichtes der Deutschen Akkreditierungsstelle Chemie GmbH vom 10. August 1999 wurden für das Prüfgebiet Laboratoriumsmedizin die Eignung und Wirksamkeit der Maßnahmen bezüglich der Anforderungen nach DIN EN 45001 festgestellt. Die entsprechende Akkreditierungsurkunde vom 6. Oktober 1999 hat ausdrücklich die Kompetenz zur Prüfung von Blut- und Serumuntersuchungen festgestellt.

Zu beachten sind allerdings die messtechnischen Abweichungen, die bei der Anwendung der ADH/REA-Methode mit dem Messgerät ADx von der Firma A. auftreten können. Insoweit ist unter Berücksichtigung der von der Sachverständigen Dr. R. dargelegten Abweichungsrate von maximal 10 % beim Einsatz dieses Messgerätes aufgrund von Interferenzen mit anderen Substanzen auszugehen. In diesem Abweichungsbereich von 10 % ist auch eine mögliche Veränderung des BAK-Wertes durch Hautdesinfektionsmittel berücksichtigt. Anhaltspunkte für eine weitere Veränderung des BAK-Wertes durch verabreichte Medikamente gibt es nicht, da nach der Stellungnahme von Dr. Schaper vom 4. April 2001 dem Versicherten erst ab 6.00 Uhr im Reanimationsraum der Intensivstation Medikamente verabreicht worden sind, die laut der Dokumentation aber kein Ethanol enthalten hatten. Das alkoholhaltige Medikament Faustan wurde erst um 10.30 Uhr verabreicht. Somit ist unter Berücksichtigung einer möglichen messtechnischen Abweichung von einer BAK in Höhe von 1,35 ‰ (1,5 abzüglich 0,15) auszugehen.

Eine weitere Korrektur der BAK kommt nicht in Betracht. So hat hier zu Lasten des Versicherten keine Hochrechnung der BAK auf den Unfallzeitpunkt zu erfolgen. Denn eine Rückrechnung vom Blutentnahmewert auf den Unfallzeitpunkt ist nur dann möglich, wenn das Trinkende feststeht (BSG, Urteil vom 23. September 1997, 2 RU 40/96 – zitiert nach Juris). Regelmäßig ist von einem Resorptionszeitraum von 120 Minuten nach Trinkende auszugehen, sodass für diesen Zeitraum keine Rückrechnung erfolgen kann. Da hier der Versicherte möglicherweise erst unmittelbar vor Fahrtbeginn Alkohol zu sich genommen hat - dafür spricht die von den Polizeibeamten gesehene Schnapsflasche im Beifahrerbereich - und zwischen dem Verlassen der Wohnung um 4.35 Uhr und der Blutprobeentnahme um 6.30 Uhr keine zwei Stunden liegen, darf hier keine Rückrechnung erfolgen. Allerdings erfolgt auch keine Korrektur der BAK zu Gunsten des Versicherten, weil dieser möglicherweise die gesamte Alkoholmenge unmittelbar vor Fahrtantritt im Sinne eines Sturztrunkes zu sich genommen hat. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ist ein Verkehrsteilnehmer bereits dann fahruntüchtig, wenn er zum Zeitpunkt der Fahrt die Alkoholmenge im Körper hat, die in der Folgezeit zu einer BAK führt, die die Annahme von Fahruntüchtigkeit begründet (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 27. Juni 1994 – 2 BvR 1269/94, NZV 1995, 76 f.). Damit wird den in der so genannten Anflutungsphase bereits bestehenden Auswirkungen des Alkohols auf den Organismus Rechnung getragen. Schließlich führt auch nicht die Lebererkrankung des Versicherten zu einer Korrektur der BAK. Denn dadurch wird die tatsächlich bestehende Alkoholisierung mit den verbundenen Ausfallerscheinungen nicht verändert, sondern nur die Fähigkeit, den Alkohol abzubauen. Eine Verfälschung des Messergebnisses aufgrund der Lebererkrankung hat im Übrigen auch die Sachverständige nicht sehen können.

Der Senat hat darüber hinaus auch keine Zweifel, dass die analysierte Blutprobe auch von dem Versicherten stammt. Ein Verwechseln der Blutprobe aufgrund des fehlerhaften Geburtsdatums auf dem Laborausdruck (statt 22.01.1949 die Annahme 22.11.1949) erscheint ausgeschlossen. Dr. S. hat dargelegt, dass sich schon auf dem Rettungsdienstprotokoll das fehlerhafte Datum befand. Dass der Fehler sich bis zu einem gewissen Zeitpunkt fortgesetzt hat, wird auch durch das fehlerhafte Datum im Durchgangsarztbericht bestätigt. Eine ausreichende Identifikation der Blutprobe konnte allerdings auch über den Namen und das Geburtsjahr des Versicherten gewährleistet werden, da sich laut der Auskunft der Patientenverwaltung am 16. September 1999 kein anderer Patient gleichen Namens im Krankenhaus befunden hat. Im Übrigen erscheint auch bei der relativ geringen Anzahl von 24 BAK-Bestimmungen im September 1999 im Labor des Krankenhauses Stendal ein Vertauschen von Blutproben zur Ethanolbestimmung nahezu ausgeschlossen.

Dafür, dass der Versicherte im oben festgestellten Umfang alkoholisiert war, sprechen auch die Unfallanzeige und die Mitteilungen der Polizeibeamten. So wurde in der Unfallanzeige Alkoholeinfluss festgehalten. Die Polizeibeamten haben am Unfallort Alkoholgeruch in der Atemluft des Versicherten bemerkt und davon der Beklagten im Verwaltungsverfahren ohne Belastungstendenz glaubhaft berichtet. Durch das Heraushelfen aus dem Fahrzeug über den Beifahrersitz bestand auch die Möglichkeit, den Atemalkoholgeruch wahrzunehmen. Dagegen steht der Annahme einer Alkoholisierung nicht entgegen, dass die Klägerin angegeben hat, weder am Vorabend habe der Versicherte mehr als ein Bier getrunken, noch sei dieser bei Fahrtantritt alkoholisiert gewesen. Denn möglicherweise hat ein Sturztrunk vorgelegen. Schließlich spricht auch nicht der Aufnahmebefund in der Notambulanz des Krankenhauses Stendal gegen die im Rahmen der freien Beweiswürdigung festgestellte Alkoholisierung. Im Durchgangsarztbericht wurden zwar keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen festgehalten. Doch sind bei einer BAK von 1,35 ‰ markante Ausfallerscheinungen, wie z. B. Koordinations- und Gleichgewichtstörungen oder eine lallende Aussprache, noch nicht zu erwarten. Zudem konnten die bei der festgestellten BAK bereits vorliegenden Ausfallerscheinungen, wie z. B. das Nachlassen der Reaktionsfähigkeit, Enthemmung oder die Steigerung der Risikobereitschaft, in Anbetracht der Schädel-Hirn-Verletzung des Versicherten gar nicht mit Sicherheit festgestellt werden.

Unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist zumindest von einer relativen Fahruntüchtigkeit des Versicherten auszugehen, selbst wenn unterstellt wird, dass im hier zu betrachtenden Einzelfall der Messfehler höher lag als im üblicherweise angenommene Abweichungsbereich von 10% bei Messung auf dem Gerät der Firma Abbott (so genannter Ausreißer). Insoweit kommt der Einschätzung der den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten eine Indizwirkung zu. Diese haben aufgrund ihrer täglichen Berufserfahrung unter Berücksichtigung der gesamten Unfallsituation (Gesamtzustand des Versicherten, Straßen- und Witterungsverhältnisse) in der Unfallanzeige festgehalten, dass die Verkehrstüchtigkeit aufgrund von Alkohol nicht vorgelegen hat. Auch zeigt die Nachfrage des POM K. im Krankenhaus S. zur Möglichkeit einer Blutentnahme sowie die Einleitung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens, dass von einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit des Versicherten ausgegangen worden ist.

Zwar kann nach alledem aufgrund des eingeschränkten Beweiswertes der BAK-Bestimmung im Krankenhaus S. im Vollbeweis nur eine relative Fahruntüchtigkeit angenommen werden. Doch ist das Unfallgeschehen nach Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung aller Indizien bei einer Gesamtbetrachtung nur mit der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit als wesentliche Ursache zu erklären. Der Versicherte hat auf einer ihm bekannten Strecke, die er schon sieben Jahre jeden Tag routinemäßig zurückgelegt hatte, das Fahrzeug nicht in dem linksabbiegenden Streckenverlauf halten können, sondern ist gerade aus weiter gegen einen Baum gefahren. Bremsspuren wurden nicht festgestellt; insoweit können die erst im Oktober 1999 gefertigten Aufnahmen von der Unfallstelle keinen Beweiswert haben. Indem der Versicherte das Fahrzeug nicht mit dem Straßenverlauf führen konnte, hat er einen typischen alkoholbedingten Fahrfehler begangen, der auf die durch Alkohol eingeschränkte Fähigkeit der Konzentrations-, Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit zurückzuführen ist. Dagegen sind keine wege- bzw. betriebsbezogenen Umstände ersichtlich, die ursächlich für den Unfall geworden sein könnten. Andere Verkehrsteilnehmer waren nicht am Unfall beteiligt. Das Fahrzeug hatte nach den staatsanwaltlichen Ermittlungen keinen technischen Defekt. Für ein Manöver, um einem Wildtier auszuweichen, fehlen jegliche Anhaltspunkte. Auch die Straßen-, Sicht- und Witterungsverhältnisse bieten keine Erklärung für das Abweichen von der Fahrbahn. Die Straße war trocken und mit einer Schwarzdecke überzogen. Weder Regen noch Nebel haben die Sicht behindert. Zwar war es zum Unfallzeitpunkt noch dunkel. Doch diese (auch normale) Verkehrssituation war der Versicherte in Anbetracht seines regelmäßigen frühen Arbeitsbeginns von 6.30 Uhr bzw. 7.00 Uhr gewohnt, sie barg keine erhöhte Unfallgefahr. Auch sind keine weiteren Ursachen für den Fahrfehler ersichtlich. Der Versicherte ist am Vorabend nach einem entspannten Abend auf der Terrasse bereits um 20.30 Uhr zu Bett gegangen. Damit hatte er beim Aufstehen um 4.30 Uhr eine Nachtruhe von acht Stunden, sodass nicht von einer Übermüdung ausgegangen werden kann. Auch gab es unmittelbar vor Fahrbeginn keine familiären Auseinandersetzungen oder andere Vorkommnisse, die seine Konzentrationsfähigkeit oder Aufmerksamkeit während der Fahrt herabgesetzt haben könnten. Insoweit hat die Klägerin mehrfach die harmonische Verabschiedung mit einem Abschiedskuss beschrieben. Damit sind keine anderen Ursachen als die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit für das Abkommen von der Fahrbahn ersichtlich, sodass die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Versicherten überragende Ursache für den Eintritt des Unfallereignisses war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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