S 4 SO 5937/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 5937/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Mietverträge zwischen Angehörigen sind für die Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung nur dann maßgeblich, wenn sie wirksam geschlossen sind und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden üblichen entspricht (Fremdvergleich)
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Grundsicherungsleistungen im Alter.

Die am ... geborene Klägerin ist ... gesetzlich krankenversichert und bezieht Witwen- (251,70 EUR) und Altersrente (273,25 EUR). Sie ist schwerbehindert (GdB 90); die Merkzeichen G und B sind festgestellt.

Am 26. Juni 2007 beantragte die Klägerin, ..., beim Beklagten die Gewährung von Grundsicherungsleistungen. Dazu legte sie die Rentenbescheide, ihre Kontoauszüge, eine auf den 26. Januar 2004 datierende Anmeldebestätigung der Gemeinde P ..., einen mit ihrer Schwiegertochter am 01. Juli 2004 formulargemäß geschlossenen Wohnraummietvertrag - ... - für eine Einzimmerwohnung (monatliche Gesamtmiete 433,- EUR - aufgeteilt in 287 EUR Grundmiete und 146 EUR Betriebskosten) sowie einen Grundbuchauszug über ihr ehemaliges Hausgrundstück in der Gemeinde B ... vor. Bis Januar 2004 lebte die Klägerin in ihrem Wohnhaus in B ...; durch notariell beurkundeten Schenkungsvertrag vom 06. Oktober 2004 übertrug sie das Eigentum an dem ... Wohnhausgrundstück auf ihren Sohn und Bevollmächtigten. In der Schenkungsvertragsurkunde hieß es, eingetragene Grundpfandrechte seien nicht mehr valutiert. Der Verkehrswert des Wohnhausgrundstückes werde auf weniger als 80.000,- EUR (Maklerschätzung) geschätzt.

Im von der Klägerin als Mieterin und ihrer Schwiegertochter als Vermieterin unterschriebenen Mietvertrag vom 1. Juli 2004 hieß es unter "§ 30 Sonstige Bestimmungen" u. a.:

"Aufgrund der wirtschaftlichen Situation der Mieterin wird das Mietentgelt (solange) gestundet, bis sie Leistungen aus Wohngeld- oder Grundleistungs-Beihilfe erhält. Die NK werden pauschal mit 100 Euro bar oder per Überwsg. an die Vermieterin erhoben. Nach Zahlungsbeginn einer Leistung aus der öffentl. Hand kann der gestundete Rückstand in zu vereinbarenden, kleineren Beträgen zurückgezahlt werden."

Mit Bescheid vom 13. August 2007 lehnte der Beklagte den Leistungsantrag der Klägerin ab. Zur Begründung hieß es, Sozialhilfe erhalte nicht, wer sich selbst helfen könne oder wer die erforderliche Leistung von anderen erhalte. Die Klägerin habe ihr Grundeigentum in B ... durch Schenkungsvertrag vom 06. Oktober 2004 ihrem Sohn übergeben. Der Wert der Schenkung liege bei knapp unter 80.000,- EUR. Da die Klägerin nach Vollziehung der Schenkung außer Stande sei, ihren angemessenen Unterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten, könne sie die Herausgabe des Geschenks von ihrem Sohn fordern. Der Sohn könne die Herausgabe durch Zahlung des Betrages abwenden, der zur Bestreitung des Unterhalts der Klägerin fehle und zwar insgesamt bis zur Höhe des Wertes, den das Grundeigentum zum Zeitpunkt der Schenkung gehabt habe. Der Schenkungsherausgabeanspruch sei vorrangig gegenüber Leistungen der Sozialhilfe.

Den dagegen unter dem 12. September 2007 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchbescheid vom 20. November 2007 ... zurück ... Der Widerspruch sei unbegründet, da der Schenkungsherausgabeanspruch der Klägerin gegen ihren Sohn den beantragten Sozialhilfeleistungen vorgehe. Durch Geltendmachung des Schenkungsherausgabeanspruches sei die Klägerin in der Lage, sich selbst zu helfen, weshalb Leistungen der Grundsicherung im Alter nicht zu bewilligen seien.

Am 12. Dezember 2007 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben.

Die Klägerin lässt vortragen, ...in der Sache werde weiterhin bestritten, dass es sich bei der Übertragung des Einfamilienhausgrundstücks in B ... um eine Schenkung gehandelt habe. Zum Einen trage der Sohn der Klägerin die laufenden Kosten für Kommunalabgaben, Heizung, Wasser und Strom des nicht dauerhaft bewohnten ...hauses in B ... in jährlicher Höhe von über 5.000,- EUR. Darüber hinaus habe der Sohn der Klägerin erhebliche Mittel zur Instandhaltung und Erneuerung des Gebäudes schon vor der Eigentumsübertragung auf ihn eingesetzt. So habe er die Neuverglasung der Fenster mit Thermopenscheiben (5 größere Fenster), die Erneuerung der Druckerhöhungsanlage für die Trinkwasserversorgung, Installationserneuerungen im Bad und Erneuerung und Reparatur dadurch beschädigter Kachelung sowie den Abbau eines Geräteschuppens und die Entsorgung der darin befindlichen alten Ölofen, Tanks und defekten Rasenmäher auf seine Kosten veranlasst. Rechnung hierfür vorzulegen falle ihm schwer, da sämtliche Maßnahmen länger als 10 Jahre zurücklägen. Die Aufforderung, solch alte Rechnungen vorzulegen, werde als Zumutung empfunden.

Des Weiteren sei die Verkehrswertschätzung des dem Sohn der Klägerin übertragenen Einfamilienhauses (ca. 80.000,- EUR) zu hinterfragen. Ein erster Verkaufsversuch sei jedenfalls erfolglos geblieben. Kaufinteressenten seien bei Augenscheinnahme des Objekts vom Zustand regelmäßig erschrocken gewesen. Eine Rückgabe des ...hauses würde auch niemandem nützen. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass der Beschenkte, der Sohn der Klägerin, infolge eigener Krankheit und Schwerbehinderung inzwischen selbst zum Sozialfall zu drohen werde. Dabei sei auch zu bedenken, dass der Beschenkte derzeit außer Kosten keinerlei Vorteil von der Schenkung habe, da er wie bereits gesagt, jährlich über 5.000,- EUR an laufenden Kosten für das ...haus aufzuwenden habe. Darüber hinaus habe der Beschenkte und Sohn der Klägerin deren Umzug von B ... nach P ... und sodann von P ... nach D ... organisiert und finanziert. Des Weiteren sei für die Klägerin eine Einzimmerwohnung in D ... für einen Gesamtpreis von 55.000,- EUR erworben worden. Barmittel seien damals allerdings nur 10.000,- EUR zur Verfügung gestanden, sodass 45.000,-EUR hätten aufgenommen werden müssen. Diese Darlehensbelastung sei als Ausgleich für das Haus in B ... zu sehen. Denn dieses Darlehen sei mit monatlich 195,- EUR tilgen. Außerdem seien 210,- EUR an Nebenkosten zu zahlen. In diesem Zusammenhang sei schließlich zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach einem Schlaganfall selbst schwerbehindert sei.

Die Klägerin beantragt zuletzt,

den Bescheid des Beklagten vom 13. August 2007 in der Gestalt seines Widerspruchsbescheids vom 20. November 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr laufende Leistungen der Grundsicherung im Alter (SGB XII) ab dem Zeitpunkt der Antragstellung (Juni 2007) bis zum 28. November 2008 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen. Der Beklagte ist weiter der Auffassung, der Beschenkte und Sohn der Klägerin habe keine angemessene Gegenleistung für die schenkweise Eigentumsübertragung an dem Einfamlienwohnhausgrundstück in B ... erbracht. Zu den Ausführungen zur Hypothek und Darlehenstilgung betreffend die Einzimmerwohnung auf dem D ... sei darauf hinzuweisen, dass diese nicht vom Beschenkten und Sohn der Klägerin erbracht werde, sondern von dessen Ehefrau. Der Ehefrau des Beschenkten gehöre auch die Wohnung auf dem D ..., die diese an ihre Schwiegermutter vermietet habe. Soweit der Beschenkte und Sohn der Klägerin die Finanzierung von Renovierungsmaßnahmen hinsichtlich des ihm schenkweise überlassenen Einfamilienwohnhauses ... geltend mache, könne bestenfalls die Rechnung der Firma ... über 3.783,50 DM berücksichtigt werden ... Wo der Umbau der Holzfenster, die dort in Rechnung gestellt worden seien, durchgeführt worden sei, sei nicht belegt. Immerhin sei Rechnungsaussteller allerdings Schlossermeister ... Die weiter vorgelegten Rechnungen beinhalteten im Wesentlichen Positionen wie "Balkenmäher", Schaufeln, Besen, Eimer und dergleichen mehr. Solche Gegenstände stellten keine Renovierungsmaßnahmen dar. Im Übrigen sei nicht mal klar, ob der Balkenmäher, für den auch ein Schneeräumschild angeschafft worden sei, in B ... oder P ... verwendet werde. Deswegen mache der Gesamtbetrag der vom Sohn der Klägerin vorgelegten Rechnungen auch nur ca. 6.000,- DM aus. Er erreiche damit noch nicht einmal 10% des im Übergabebetrag genannten Verkehrswert des Anwesens. Auch insoweit könne also von einer angemessenen Gegenleistung nicht gesprochen werden. Die Verkehrswertschätzung des B ... Anwesens mit knapp unter 80.000,- EUR sei von der Klägerin nicht substantiell erschüttert worden. Im Übrigen stehe es der Klägerin frei, ein neues Verkehrswertgutachten zu veranlassen und vorzulegen. Schließlich werde anheim gestellt, in Verkehrswert basierend auf dem Gebäude Brandversicherungswert des Bereborner Wohnhausgrundstücks zu berechnen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Bevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt, diese Anfang November 2008 wieder zu sich nach P ... genommen zu haben.

...

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 13. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2007 ist im Ergebnis rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin kann vom Beklagten laufende Leistungen der Grundsicherung auch für den zuletzt zwischen den Beteiligten noch streitgegenständlichen Zeitraum von Juni 2007 bis November 2008 nicht verlangen.

Gemäß § 41 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII - ist Älteren mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus Einkommen und verwertbarem Vermögen nach den §§ 82 bis 84 und § 90 SGB XII beschaffen können, auf Antrag Grundsicherung im Alter zu leisten. § 91 SGB XII ist anzuwenden (§ 41 Abs. 1 S. 2 SGB X). Nach § 41 Abs. 2 S. 1 SGB XII ist leistungsberechtigt wegen Alters nach Abs. 1, wer die Altersgrenze erreicht hat. Personen, die wie die Klägerin vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres (§ 41 Abs. 2 S. 2 SGB XII). Die Leistungen der Grundsicherung im Alter umfassen nach § 42 Abs. 1 SGB XII u. a. den für den Antragsberechtigten maßgebenden Regelsatz nach § 28 SGB XII sowie die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung entsprechend § 29 SGB XII.

An diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, erfüllt die Klägerin aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögenssituation an sich die Voraussetzungen für ergänzende Grundsicherungsleistungen. Sie verfügt lediglich über Renteneinkünfte im Sinne von 82 Abs. 1 SGB XII von monatlich unter 550 EUR und hat nach der schenkweisen Eigentumsübertragung ihres Wohnhausgrundstück in Bereborn auf ihren Sohn durch notariellen Vertrag vom 6. Oktober 2004 kein Vermögen im Sinn von § 90 SGB XII. Die Schenkung ist auch ohne wesentliche Gegenleistungen des Beschenkten erfolgt. Renovierungsmaßnahmen am Haus in Bereborn vor dem Eigentumsübergang hat der Beschenkte nicht nachgewiesen. Die von ihm aufgeführte Begleichung der laufenden Kosten für das nun ihm gehörende Wohnhausgrundstück kommen im Hinblick auf ihre schuldbefreiende Wirkung allein ihm zugute, haben also ebenfalls keinen Leistungscharakter im Verhältnis zur Klägerin. Schließlich kann auch und erst recht die Anschaffung des Einzimmerappartments auf dem Dobel nicht in Gegenleistungsbezug zu der schenkweisen Übertragung des Berenborner Hausgrundstücks gebracht werden. Zum meinen ist es nach Aktenlage bereits vor der Schenkung erworben worden und zum anderen gehört es nicht dem Beschenkten, sondern der Schwiegertochter der Klägerin.

Damit liegt - entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten der Klägerin - eine Schenkung vor, mit der Folge, dass die Klägerin auch zur Überzeugung des Gerichts das ihrem Sohn 2004 übertragene Wohnhausgrundstück in Bereborn wegen Verarmung nach § 528 BGB zurückverlangen kann. Dieser vom Beklagten in den angefochtenen Bescheiden im Bezug genommene zivilrechtliche Rückforderungsanspruch der Klägerin gegen den beschenkten Sohn wegen Verarmung des Schenkers nach § 528 BGB beinhaltet zwar ein vermögenswertes Recht und damit Vermögen im Sinn von § 90 Abs. 1 SGB XII. Es fehlt indes an der konkreten Verwertbarkeit dieses Vermögensrechts. Ansprüche gegenüber Dritten sind sozialhilferechtlich aber nur dann als verwertbares Vermögen anzusehen, wenn die Vermögenswerte im streitgegenständlichen Zeitraum - vorliegend also ab Beantragung der Grundsicherungs-leistungen am 26. Juni 2007 - als bereite Mittel zur Verfügung stehen. Bereit stehen Mittel nur zur Verfügung, die in der eingetretenen Notlage tatsächlich effektiv einsetzbar sind (vgl. Bundesverwaltungsgericht, ständige Rechtsprechung, etwa Urteil vom 11. Dezember 2003, 5 C 84.02, NJW 2004, 2914, 2915; ebenso Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 14. Februar 2008, 26 K 1644/07, JURIS, Rn. 41 ff.; Wahrendorf, in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Kommentar, 2. Aufl., 2008, § 90 Rn. 13 m. w. N.). Auch wenn sich jemand seines verwertbaren Vermögens bewusst begeben und dadurch Sozialhilfebedürftigkeit herbeigeführt hat, hat der Sozialhilfeträger grundsätzlich allein die Handhabe der §§ 26 und 103 SGB XII (vgl. so bereits BVerwGE 55, 150 zu den Regelungen des BSHG).

Wenn die danach dem Grunde nach vermögenslose und mangels hinreichenden Einkommens leistungsberechtigte Klägerin vorliegend gleichwohl ausnahmsweise keinen tatsächlichen Leistungsbedarf geltend machen, ist dies der besonderen Sachverhaltskonstellation geschuldet. Die Klägerin ist nämlich tatsächlich nicht bedürftig, weil ihr von ihrer Schwiegertochter bereits seit dem 1. Juli 2004 unentgeltlich Unterkunft in dem Einzimmerappartment auf dem D ... gewährt wird. Den von der Klägerin am 1. Juli 2004 für das Einzimmerappartment unterschriebenen Wohnraummietvertrag beurteilt das erkennende Gericht als Scheingeschäft unter Verwandten (§ 117 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -).

Für die Bewertung der Frage, ob Wohnungskosten vorliegen, ist zwar grundsätzlich der tatsächlich abgeschlossene Mietvertrag entscheidend (vgl. Berlit, in LPK-SGB II, 2. Auflage, § 22 Rn. 19 m. w. N.). Allerdings sind nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 15. September 2006 - L 8 AS 5071/05 - und Urteil vom 14. März 2008, L 8 AS 5912/06, JURIS, Rn. 23, ebenso VG Augsburg, Urteil vom 17. Januar 2006, - Au 3 K 05.00724 -, JURIS Rn. 28 und VG Karlsruhe, Urteil vom 23. März 2005, - 10 K 4181/03 -, JURIS Rn. 29 jeweils für das Bafög-Recht) in Anlehnung an die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Verträge zwischen Angehörigen einer Leistungsgewährung nur dann zugrunde zu legen, wenn sie zum einen bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen sind und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (sog. Fremdvergleich). Dies setzt zumindest voraus, dass die Hauptpflichten der Vertragsparteien, wie das Überlassen einer bestimmten Mietsache zur Nutzung und die Höhe der zu entrichteten Miete, klar und eindeutig vereinbart worden sind und entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden (BFH, Urteile vom BFH vom 19. Februar 2002, BFHE 198, 288 = NJW 2002, 3726 und vom 19. Oktober 1999 - IX R 39/99 - NJW 2000, 758 m. w. N.). Diese für das Steuerrecht aufgestellten Kriterien zur Abgrenzung des Spielraums an zulässigen rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und deren Missbrauch können auf das Recht des SGB XII, bei dem es um die Bewilligung öffentlicher Leistungen geht, übertragen werden (so zum Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung VG Augsburg - Au 3 K 04.1474 - in JURIS).

Der Klägerin ist zwar von ihrer Schwiegertochter auf Veranlassung ihres Sohnes Wohnraum zum persönlichen Gebrauch überlassen worden. Eine den oben aufgezeigten Anforderungen an einen Fremdvergleich entsprechende entgeltliche Wohnraumüberlassung in Form eines wirksamen Mietvertrages ist aber nicht nachgewiesen. Zur Überzeugung des erkennenden Gerichts steht vielmehr fest, dass die Klägerin - wenn überhaupt - seit Vertragsschluss und Wohnungsbezug zum 1. Juli 2004 allenfalls die Mietnebenkosten für Strom, Wasser und Abfall in Höhe von monatlich 100 Euro an ihre Schwiegertochter gezahlt hat. Auch insoweit fehlt es freilich am erforderlichen Nachweis. Die im Mietvertrag vereinbarte Miete ist nach § 30 des Mietvertrags bis zu einer (etwaigen) Leistungsgewährung aus Sozialhilfe- oder Wohngeldmitteln des Beklagten gestundet gewesen. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach Aktenlage erstmals am 26. Juni 2007 - also drei Jahre nach Bezug des gemieteten Einzimmerappartments in D ... - überhaupt Grundsicherungsleistungen beim Beklagten beantragt hat. Schon dies zeigt, dass es den Vertragsparteien nicht um die tatsächliche Durchführung des Mietvertrags gegangen ist. Andernfalls hätte die Klägerin unverzüglich nach Abschluss des Mietvertrags im Juli 2004 Sozialleistungen beim Beklagten beantragt, die ihr dann allerdings unter Hinweis auf das damals noch in ihrem Vermögen vorhandene Wohnhausgrundstück in B ... abgelehnt worden wären. Zur schenkweisen Übertragung des Eigentums am Berenborner Wohnhaus auf ihren Sohn ist es erst im Oktober 2004 gekommen. Aber auch danach sind Sozialleistungen nicht alsbald beantragt worden, wohl im mutmaßlichen Wissen um die so unzulässige Vermögensverschiebung zu Lasten des Sozialhilfeträgers.

Im Übrigen und unabhängig vom Vorstehenden spricht aber auch bereits die vereinbarte pauschale Stundungsklausel in § 30 des Mietvertrags vom 1. Juli 2004 nach Wortlaut und Zweck gegen die Absicht der Vertragparteien, den Mietvertrag ernsthaft umsetzen und durchführen zu wollen. Kein Fremder würde sich als Vermieter auf eine Klausel einlassen, die das "Ob" der Mietzahlung vom Eintritt einer Bedingung - hier: die mögliche Gewährung von Sozialleistungen durch staatliche Stellen - abhängig macht, auf die er selbst keinen Einfluss hat. Genau dies aber haben die familiär eng verbundenen Mietvertragsparteien vorliegend vereinbart. Vereinfacht ausgedrückt: Miete für das von ihr im Juli 2004 bezogene Einzimmerappartment soll die Klägerin nur zahlen, wenn ihr insoweit von dem Beklagten oder einer anderen staatlichen Stelle Wohngeld oder Grundsicherung gewährt wird. Daraus ergibt sich für das Gericht umgekehrt: wird mangels konkreten Bedarfs keine Sozialleistung für die Unterkunftskosten bewilligt, so wandelt sich die Stundung in einen Mietzinsverzicht der Vermieterin. Die Klägerin hat also keine Mietzahlungen auf den Vertrag zu leisten.

Dieses Ergebnis bestätigt zusätzlich eine weitere Kontrollüberlegung: Da bis zum 26. Juni 2007 gar keine Sozialleistungen beantragt worden sind, haben bis dahin von vornherein keine Grundsicherungsleistungen gewährt werden können (vgl. § 41 Abs. 1 S. 1 SGB XII: " auf Antrag "). Der Leistungsantrag erlaubte dem Beklagten schon formal frühestens eine Leistung ab Antragstellung; rückwirkende Leistungen in die Vergangenheit sind jedenfalls in Fallgestaltungen wie der vorliegenden generell ausgeschlossen. Dafür fehlt es sowohl an einer vergangenheitsbezogenen Notlage wie auch überhaupt an einem auch nur erkennbaren sozialhilferechtlichen Bedarf.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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