L 6 AS 130/07

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 8 AS 366/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 130/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. März 2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch des Berufungsverfahrens.

III. Die Beklagte hat Verschuldenskosten in Höhe von 450,00 EUR zu zahlen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist noch die Höhe der von der Beklagten zu übernehmenden Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 1. August bis 31. Oktober 2005 streitig.

Der 1944 geborene Kläger bezog bis zum 31. Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe. Seit dem 1. Januar 2005 ist er Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Der Kläger bewohnt eine circa 50 m² große Wohnung in A-Stadt, für die er zunächst pauschal für Miete und Nebenkosten 285,00 EUR monatlich zahlte. Zum 1. Januar 2005 vereinbarten der Kläger und seine Vermieterin die Anhebung der monatlichen Zahlungen wie folgt: Miete 250,00 EUR, Warmwasser 40,00 EUR und Heizkosten 60,00 EUR (gesamt 350,00 EUR). Weiter wurde Wassergeld in Höhe von 100,00 EUR jährlich pauschal vereinbart.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab dem 1. Januar 2005 Leistungen ausgehend von einem Gesamtbedarf in Höhe von 663,33 EUR (Regelleistung 345,00 EUR, Bruttowarmmiete 318,33 EUR). Weiter teilte sie dem Kläger mit Schreiben vom 28. Januar 2005 mit, derzeit würden Kosten der Unterkunft (Kaltmiete und Betriebskosten ohne Heizkosten) in tatsächlicher Höhe von 258,33 EUR berücksichtigt. Dieser Betrag sei jedoch unangemessen hoch und übersteige den heranzuziehenden Wohngeldhöchstbetrag um 28,33 EUR. Die Beklagte forderte den Kläger auf, sich ab sofort um eine kostengünstigere Wohnung zu bemühen. Nach Ablauf von 6 Monaten sei nur noch der angemessene Mietbetrag zu berücksichtigen, es sei denn, der Kläger beantrage Fristverlängerung und weise nach, dass er sich ausreichend um anderweitigen Mietraum erfolglos bemüht habe.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 29. April 2005 bewilligte die Beklagte durch Bescheid vom 3. Mai 2005 Folgeleistungen für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 31. Oktober 2005. Dabei berücksichtigte sie für die Monate Juni und Juli 2005 eine Bruttokaltmiete in Höhe von 258,33 EUR sowie anteilige Heizkosten in Höhe von 32,50 EUR, mithin gesamt 290,83 EUR. Für die anschließende Zeit ab dem 1. August 2005 bis zum 31. Oktober 2005 berücksichtigte die Beklagte dagegen Gesamtkosten der Unterkunft lediglich in Höhe von 262,50 EUR (Miete 230,00 EUR, anteilige Heizkosten 32,50 EUR).

Der Kläger erhob Widerspruch am 27. Mai 2005 und machte geltend, die Kosten der Unterkunft seien zu Unrecht pauschaliert worden. Dies stelle vielmehr für ihn eine unbillige Härte dar.

Durch Widerspruchsbescheid vom 4. April 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach der gesetzlichen Regelung des § 22 SGB II würden tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft, die unangemessen hoch seien, in der Regel längstens für einen Zeitraum von sechs Monaten weiter übernommen. Dies gelte jedoch nicht für die Heizkosten, so dass diese stets nur in angemessenem Umfang berücksichtigt werden könnten. Sie, die Beklagte, habe in ihrem Zuständigkeitsbereich aufgrund eigener Ermittlungen die Angemessenheit der Unterkunftskosten nach § 22 SGB II festgelegt. Dabei habe sich herausgestellt, dass die Angemessenheit der Unterkunftskosten durch die Werte der Wohngeldtabelle ausreichend abgebildet würde. Im Falle des Klägers seien als angemessene Unterkunftskosten monatlich 230,00 EUR Miete einschließlich Nebenkosten ohne Heizung anzuerkennen. Die Höhe der Heizkosten sei von zahlreichen Faktoren abhängig. Im Interesse der Gleichbehandlung seien Pauschalbeträge je Quadratmeter angemessene Wohnfläche für bestimmte Brennstoffe festgesetzt worden. Bei der Verwendung von Öl seien 0,65 EUR je m2 monatlich zu berücksichtigen. Ausgehend von der Wohnungsgröße von 50 m², die für den allein stehenden Kläger angemessen sei, errechne sich ein berücksichtigungsfähiger Betrag von monatlich 32,50 EUR. Bis Juli 2005 sei deshalb für Kosten der Unterkunft und Heizung ein Betrag von 290,83 EUR und ab August 2005 ein Betrag von 262,50 EUR zu übernehmen gewesen.

Der Kläger erhob am 28. April 2006 Klage und trug im Wesentlichen vor, die Heizkosten für seine Wohnung im Dachgeschoss seien von seinem Vermieter dreimal erhöht worden, was die Beklagte nicht berücksichtigt habe. Die Kosten seien durch die von der Beklagten vorgenommenen Pauschalierung nicht abgedeckt. Zudem beabsichtige er, mit 63 Jahren in Rente zu gehen. Die zu erwartende Rente betrage 712,64 EUR. Bis zum Rentenbeginn seien es nur noch ca. 15 Monate, so dass ein Umzug für ihn nicht wirtschaftlich sei. Er sei weder in der Lage noch bereit, sich um anderweitigen Wohnraum zu bemühen bzw. seine bisherige Wohnung in A-Stadt aufzugeben.

Die Beklagte trug demgegenüber vor, die Unterkunftskosten des Klägers seien nicht angemessen. Zwar sei die schematische Anwendung der Wohngeldtabelle zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten nach der Rechtsprechung nicht mehr zulässig. Der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts habe jedoch entschieden (Beschluss vom 13. Dezember 2005, Az. L 9 AS 48/05 ER), dass die Anwendung der Werte der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) dann unbedenklich sei, wenn der örtliche Wohnungsmarkt damit hinreichend abgebildet werde. Zudem beobachte sie die Entwicklung der Unterkunftskosten in ihrem Zuständigkeitsbereich laufend bzw. habe ausreichende eigene Ermittlungen zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten vorgenommen. Danach sei davon auszugehen, dass dem Kläger die Anmietung angemessenen Wohnraums möglich sei. Die Beklagte legte hierzu zahlreiche Mietbescheinigungen, Zeitungsinserate sowie eine als "Mietspiegel" bezeichnete Tabelle vor. Soweit sie damit die Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft unter Berücksichtigung des vorhandenen Wohnraums im unteren Bereich ermittelt habe und die Aufwendungen des Klägers für die Unterkunft den nach den Besonderheiten des Einzelfalles angemessenen Umfang überschreiten würden, sei es nun Sache des Klägers, im einzelnen darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er sich ernsthaft und intensiv um eine andere bedarfsgerechte und kostengünstige Wohnung bemüht habe und es ihm trotz seiner Bemühungen nicht möglich gewesen sei, eine solche Wohnung zu finden (Hinweis auf Hessisches Landessozialgericht aaO). An einer derartigen Darlegung und Glaubhaftmachung fehle es hier.

Das Sozialgericht hat die Beklagte auf die Rechsprechung des Bundessozialgerichts (Entscheidung vom 7. November 2006, B 7 b AS 18/06 R) hingewiesen und um Vorlage eines Nachweises gebeten, der belege, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum eine konkrete Anmietungsmöglichkeit zu der von der Beklagten bewilligten Pauschale von 230,00 EUR gehabt habe. Die Beklagte hat dies unter Hinweis darauf, sie sei kein Maklerbüro, abgelehnt. Sie habe erst dann Nachweise, dass angemessener Wohnraum konkret verfügbar sei, zu erbringen, wenn der Leistungsempfänger unter Vorlage geeigneter Nachweise ernsthafte und erfolglose Bemühungen zur Kostensenkung nachgewiesen habe.

Sodann hat das Sozialgericht durch Urteil vom 16. März 2007 den Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2006 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juni 2005 bis 31. Oktober 2005 monatlich zusätzliche Heizkosten in Höhe von 21,50 EUR und für die Zeit vom 1. August 2005 bis 31. Oktober 2005 monatlich zusätzliche Kosten für die Unterkunft in Höhe von 28,33 EUR zu gewähren. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, im Hinblick auf die Heizkosten sei eine Orientierung an Pauschalbeträgen, wie dies die Beklagte in dem Widerspruchsbescheid getan habe, nicht zulässig. Vielmehr sei von den monatlichen Vorauszahlungen für die Heizkosten – hier in Höhe von 60,00 EUR pro Monat – auszugehen. Von diesem Betrag sei ein Warmwasseranteil in Höhe von 18% nicht abzuziehen, weil der Kläger ausweislich der Mietbescheinigung einen Warmwasseranteil in Höhe von 40,00 EUR monatlich gesondert zahlen müsse. Allerdings bestehe der Anspruch des Klägers nur anteilig im Verhältnis der angemessenen zu der tatsächlichen Wohnfläche. Für eine Person sei eine Wohnungsgröße von 45 m² angemessenen. Die 50 m² große Wohnung des Klägers überschreite diese Grenze, so dass sich angemessene Heizkosten von 54,00 EUR errechneten. Hiervon sei der von der Beklagten anerkannte Betrag von 32,50 EUR in Abzug zu bringen, so dass ein offener Anspruch des Klägers in Höhe von 21,50 EUR verbleibe. Der Kläger habe weiter einen Anspruch auf Übernahme seiner Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 258,33 EUR. Nach Abzug des von der Beklagten bewilligten Betrages von 230,00 EUR monatlich für die Zeit vom 1. August 2005 bis 31. Oktober 2005 ergebe sich noch ein Anspruch für diesen Zeitraum in Höhe von 28,33 EUR monatlich. Das Sozialgericht hat die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes referiert (Entscheidung vom 7. November 2006 aaO) und weiter ausgeführt, die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen belegten, dass in der Stadt A-Stadt, auf die als räumlicher Vergleichsmaßstab abzustellen sei, Wohnungen zu einem m2-Preis von 5,11 EUR (230,00 EUR: 45) anmietbar seien. In einem zweiten Schritt sei jedoch unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zu prüfen, ob der Kläger konkret auch die Möglichkeit gehabt habe, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung auf dem Wohnungsmarkt anmieten zu können. Die Beklagte habe kein entsprechendes Wohnungsangebot für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. August bis 31. Oktober 2005 vorlegen können. Die Vorlage eines solchen Wohnungsangebotes habe die Beklagte vielmehr – auch nach nochmaligem Befragen in der mündlichen Verhandlung – abgelehnt. Deshalb komme es im vorliegenden Fall auch nicht mehr darauf an, ob der Kläger ausreichende Eigenbemühungen nachweisen könne, denn dies wäre erst in einem dritten Schritt zu überprüfen gewesen. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.

Gegen das der Beklagten am 26. März 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. April 2007 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Die Beklagte trägt vor, das Sozialgericht habe zu Unrecht auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 abgestellt, denn diese Entscheidung sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil der dortige Kläger zahlreiche Bemühungen unternommen habe, seine Kosten der Unterkunft zu senken. Hier sei der Kläger jedoch gar nicht gewillt, Anstrengungen zur Kostensenkung zu unternehmen. Deshalb komme es nicht maßgeblich auf die Frage an, ob in ihrem Zuständigkeitsbereich angemessener Wohnraum vorhanden sei und von dem Kläger zum streitgegenständlichen Zeitpunkt hätte angemietet werden können. Insoweit habe der Kläger in keiner Weise dargelegt und bewiesen, dass es ihm bezogen auf zumutbare Unterkünfte in ihrem Zuständigkeitsbereich unmöglich gewesen sei, eine angemessene Unterkunft anzumieten. Ebenso habe er nicht dargelegt, dass ihm ein Umzug nicht zuzumuten sei. Für eine solche Fallgestaltung habe das Hessische Landessozialgericht bereits entschieden (Hinweis auf Beschluss vom 21. März 2006, L 9 AS 124/05 ER), dass es keiner Darlegungen des Leistungsträgers im Hinblick auf eine konkrete Unterkunftsalternative bedürfe. Dessen ungeachtet sei angemessener Wohnraum für einen Ein-Personen-Haushalt in ihrem Zuständigkeitsbereich konkret vorhanden. Insoweit vertrete sie abweichend von dem Sozialgericht die Auffassung, dass es einem Leistungsempfänger zumutbar sei, innerhalb des gesamten Zuständigkeitsgebiets des SGB II-Leistungsträgers nach einer angemessenen Wohnung zu suchen und umzuziehen. Auch von einem Erwerbstätigen werde bei weiteren Strecken zwischen Wohnort und Arbeitsplatz ein Wohnortwechsel erwartet. Für einen Leistungsempfänger nach dem SGB II könne zur Vermeidung einer ungerechtfertigten Besserstellung nichts anderes gelten. Im Übrigen habe das Hessische Landessozialgericht entschieden (Hinweis auf Beschluss vom 24. April 2006, L 9 AS 99/05 ER), dass für ihren Zuständigkeitsbereich Teilwohnungsmärkte nicht bestehen würden und deshalb ein Umzug grundsätzlich im gesamten Zuständigkeitsbereich zumutbar sei.

Mit Schreiben vom 11. September 2008 hat die Beklagte die Berufung auf die von dem Sozialgericht ausgesprochene Verpflichtung, dem Kläger zusätzliche Kosten für die Unterkunft zu gewähren, beschränkt.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. März 2007 aufzuheben, soweit sie verpflichtet worden ist, dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2005 bis 31. Oktober 2005 monatlich zusätzliche Kosten für die Unterkunft in Höhe von 28,33 EUR zu gewähren, und insoweit die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verweist auf die nach seiner Auffassung zutreffende Entscheidung des Sozialgerichts und trägt ergänzend vor, er sei Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60. Der Kläger legt hierzu den Bescheid des Versorgungsamtes Kassel vom 13. Februar 2007 vor. Er trägt weiter vor, bereits abgestellt auf den streitgegenständlichen Zeitraum sei wegen zahlreicher Operationen für ihn abzusehen gewesen, dass er sich örtlich nicht weiter von seinen Kindern entfernen könne. Er wohne 50 m von einer Straßenbahnhaltestelle entfernt. Sein Sohn F. wohne mit seiner Familie ca. 300 m von ihm entfernt. Sein anderer Sohn arbeite in K-Stadt. In den Jahren 2003 bis 2007 habe er insgesamt fünf Krankenhausaufenthalte mit verschiedenen Operationen hinter sich gebracht. Er sei jedoch nicht gewillt, die entsprechenden Entlassungsberichte bzw. Krankenunterlagen vorzulegen. Nicht zuletzt verweist der Kläger darauf, dass er ab dem 1. Oktober 2007 Rente beziehe. Im Falle eines Umzugs in eine andere Gemeinde des Landkreises würde er ab Erhalt der Rente in jedem Fall wieder in seine vertraute Umgebung zurückziehen. Für einen derart kurzen Zeitraum finde er jedoch keine Alternativunterkunft.

Demgegenüber repliziert die Beklagte, die nunmehr im Berufungsverfahren vorgetragenen Umstände im Hinblick auf den Gesundheitszustand und die Betreuung durch die Kinder machten einen Umzug nicht unzumutbar. Zwar sei es vorteilhaft, dass der Kläger in der Nähe seines Sohnes wohne. Dies schließe einen Umzug aber ebenso wenig aus wie die Schwerbehinderung des Klägers. Im Übrigen gehe der Kläger wohl selbst davon aus, dass bei ihm keine so gravierenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorlägen, was aus seiner Weigerung, die Befundunterlagen und Entlassungsberichte vorzulegen, geschlossen werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 144 Abs. 2 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kraft Zulassung statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.

Die Berufung der Beklagten hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die zulässige Klage des Klägers zu Recht auch hinsichtlich der Kosten für die Unterkunft als begründet angesehen, die angefochtenen Bescheide entsprechend geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2005 bis 31. Oktober 2005 zusätzliche Kosten für die Unterkunft in Höhe von 28,33 EUR monatlich zu zahlen.

Die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ergeben sich aus der Anwendung des § 22 Abs. 1 SGB II (hier in der vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2006 geltenden Fassung). Danach werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (S. 1). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie solange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsempfänger nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, die Aufwendungen durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (S. 2). Hierbei ist nach der bisher ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (Urteile vom 7. November 2006, Az. B 7b AS 10/06 R und B 7b AS 18/06 R, Urteil vom 27. Februar 2008, Az. B 14/7b AS 70/06 R), der sich der Senat insoweit anschließt, von folgender Prüfung auszugehen:

Die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung sind für die Berechnung des Anspruches zu Grunde zu legen, sofern sie unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles angemessen sind. Im Hinblick darauf, dass der Leistungsträger nur den notwendigen Bedarf sicherzustellen hat, ist bei der Prüfung der Angemessenheit nicht abzustellen auf den jeweiligen örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich marktüblichen Wohnungsmieten. Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten stellt das Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro m² dar (Produkttheorie). Für die Ermittlung der berücksichtigungsfähigen Wohnfläche kann abgestellt werden auf die Kriterien der Förderungswürdigkeit im sozialen Wohnungsbau nach den hierfür geltenden landesrechtlichen Vorschriften (Hessen: Richtlinie zur sozialen Wohnraumförderung vom 20. Februar 2003, Staatsanzeiger 13/2003, Seite 1346). Ein Rückgriff auf die Werte der Wohngeldtabelle nach § 8 WoGG ist grundsätzlich nicht möglich. Die Tabellenwerte können allenfalls als Richtwerte Berücksichtigung finden, wenn alle anderen Erkenntnismöglichkeiten erschöpft sind. Es ist zunächst Sache des Leistungsträgers, die Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft unter Berücksichtigung des vorhandenen Wohnraums im unteren Bereich zu ermitteln. Dabei kann sich der Leistungsträger auf örtliche Mietspiegel stützen oder andere Erkenntnisquellen verwenden, zum Beispiel Mietpreisübersichten des Verbandes Deutscher Makler oder anderer privater Organisationen, Auswertungen der Wohnungsangebote in den lokalen Zeitungen, Erkenntnisse des Wohnungsamtes oder andere nachvollziehbar dokumentierte Erfahrungswerte. Sind danach die Unterkunftskosten des Hilfeempfängers angemessen, sind sie in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Überschreiten die Aufwendungen den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang, ist es Sache des Leistungsträgers, angemessenen und für den Leistungsempfänger zumutbaren sowie anmietbaren Alternativwohnraum konkret zu ermitteln und nachzuweisen. Insoweit muss gewährleistet sein, dass nach der Struktur des örtlichen Wohnungsmarktes die Hilfeempfänger tatsächlich die Möglichkeit haben, eine abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung konkret anmieten zu können. Ist der Leistungsträger dieser Darlegungs- und Nachweispflicht nachgekommen, verbleibt als weiterer Prüfschritt, ob der Hilfeempfänger im Einzelnen darzulegen und nachzuweisen vermag, dass er sich ernsthaft und intensiv um eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung bemüht hat und es ihm trotz seiner Bemühungen nicht möglich gewesen ist, eine solche Wohnung anzumieten. Hat der Hilfeempfänger ausreichende erfolglose Bemühungen dargelegt und glaubhaft gemacht, sind die Unterkunftskosten in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Sozialgericht zutreffend auf einen Anspruch des Klägers auf Zahlung weiterer Kosten der Unterkunft in Höhe von 28,33 EUR monatlich für die Zeit vom 1. August 2005 bis 31. Oktober 2005 erkannt. Die von der Beklagten vorgenommene Reduzierung der berücksichtigungsfähigen Bruttokaltmiete in Höhe von 258,33 EUR auf 230,00 EUR für den genannten Zeitraum hält einer rechtlichen Prüfung aus mehreren Gründen nicht stand.

Zunächst ist davon auszugehen, dass der Kläger eine Wohnung mit einer Größe von 50 m² bewohnt und dies auch die für ihn zu Grunde zu legende Angemessenheitsgrenze darstellt. Zwar überschreiten 50 m² die Grenze gemäß Ziffer 4.2.1 der Hessischen Richtlinie zur sozialen Wohnraumförderung vom 20. Februar 2003, wonach die förderfähige Wohnfläche bei Wohnungen für eine Person bis 45 m² beträgt. Dennoch ist von 50 m² auszugehen, weil die Beklagte selbst im angefochtenen Widerspruchsbescheid von der Angemessenheit der Wohnungsgröße ausgegangen ist. Insofern muss sich der Leistungsträger, der gegenüber den Förderrichtlinien großzügigere Wohnflächengrenzen zu Grunde legt, im Interesse der Gleichbehandlung der Hilfeempfänger und im Rahmen der Selbstbindung daran festhalten lassen.

Nach der Rechsprechung des Bundessozialgerichtes (Urteil vom 7. November 2006, Az. B 7b AS 10/06 R) ist räumlicher Vergleichsmaßstab für die Prüfung der Angemessenheit der tatsächlichen Aufwendungen der Unterkunft in der Regel der Wohnort des Hilfeempfängers, dem eine freie Wohnortwahl zuzubilligen ist. Insoweit kann von dem Hilfebedürftigen grundsätzlich nicht verlangt werden, in eine andere Wohngemeinde umzuziehen und sein bisheriges soziales Umfeld aufzugeben. Dies bedeutet jedoch keine strikte Orientierung an dem kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der "Gemeinde". Insbesondere im ländlichen Raum kann es geboten sein, größere Gebiete zu einem Vergleichsgebiet zusammenzufassen, während für größere Städte eine Unterteilung in mehrere kleinere Vergleichsgebiete geboten sein kann (BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az. 7b AS 18/06 R). In dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht für eine Stadt mit 75.000 Einwohnern diskutiert, dass diese insgesamt als räumlicher Vergleichsmaßstab angesehen werden könnte. Davon ausgehend bleibt zweifelhaft, ob allein der Wohnort des Klägers, die Stadt A-Stadt mit 15.000 Einwohnern, einen eigenständigen Maßstab bildet. Dies bedarf hier jedoch keiner Entscheidung, denn selbst unter Einbeziehung eines größeren Gebietes überschreiten die tatsächlichen Mietaufwendungen des Klägers nicht die abstrakte Angemessenheitsgrenze, wobei davon auszugehen ist, dass die Einbeziehung ländlicher Gebiete gegenüber der Stadt A-Stadt zu einem Absinken der Angemessenheitsgrenze führt, weil das Mietniveau in Umlandgemeinden erfahrungsgemäß niedriger ist als das städtische Mietniveau. Der Senat berücksichtigt insoweit folgende Gemeinden, die mit einer maximalen Fahrweg-Distanz von 15 km um A-Stadt herum liegen: N.Stadt, NM-Stadt, F-Stadt, FU-Stadt, H. und L. Der von der Beklagten vorgelegte "Mietspiegel", enthält ausgehend von A-Stadt und den genannten Gemeinden 15 Wohnungen, die eine Größe bis 50 m² aufweisen. Deren durchschnittliche Kaltmiete beträgt 5,14 EUR pro m². Werden, um ein repräsentativeres Ergebnis zu erreichen, auch alle Wohnungen einbezogen, die unter 60 m² liegen, so sind 7 weitere Wohnungen und damit gesamt 22 Wohnungen zu berücksichtigen. Hierfür errechnet sich ein Durchschnittswert von 5,13 EUR pro m². Dabei weist der Senat allerdings darauf hin, dass keinesfalls regelmäßig von einem abstrakten Radius von 15 km ausgegangen werden kann, sondern dass zur Vermeidung willkürlicher Ergebnisse stets ortsübliche Umstände, insbesondere die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, zu berücksichtigen sind. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten stützt sich der "Mietspiegel" auf eine Auswertung von Zeitungsinseraten bezogen auf preisangemessene Wohnungen und damit auf das hier maßgebliche untere Preissegment. Im Ergebnis liegt die tatsächliche Miete des Klägers mit 5,00 EUR pro m² (250,00 EUR für 50 m²) unter der errechneten angemessenen Miete für 50 m² von 5,14 EUR bzw. 5,13 EUR pro m². Mithin bestätigen bereits die in dem "Mietspiegel" wiedergegebenen Ermittlungen der Beklagten die Angemessenheit der Aufwendungen des Klägers für seine Unterkunft, so dass der erstinstanzlich zugesprochene Anspruch bereits hieraus begründet ist. Soweit die Beklagte auch eine Fülle von Mietbescheinigungen vorgelegt hat, vermochte sich der Senat nicht von der Aussagekraft und Repräsentativität dieser Unterlagen zu überzeugen. Hierbei ist zunächst grundsätzlich zu berücksichtigen, dass Mietbescheinigungen lediglich Mieten für Bestandsmietverhältnisse ausweisen, denen notwendigerweise die Aktualität zum Teil deshalb fehlt, weil sie zu einem früheren Zeitpunkt – u. U. Jahre zuvor – vereinbart und zwischenzeitlich nicht angepasst worden sind. Dies trifft konkret auch auf einen Teil der von der Beklagten vorgelegten Mietbescheinigungen zu, in denen Mieten bestätigt werden, die seit mehreren Jahren unverändert geblieben sind. Dementsprechend bleibt die Aussagekraft von Mietbescheinigungen gegenüber denjenigen Unterlagen zurück, die den aktuellen Wohnungsmarkt und damit die Angebotsmieten repräsentativ wiedergeben. Ohnehin ist vorliegend ein großer Teil der vorgelegten Mietbescheinigungen bereits deshalb nicht verwertbar, weil insoweit Mietverhältnisse wiedergegeben werden, die über den hier zu Grunde zu legenden räumlichen Vergleichsmaßstab (A-Stadt und die genannten Umlandgemeinden) hinausgehen.

In diesem Zusammenhang stellt der Senat klar, dass die von der Beklagten bis zuletzt vorgetragene Auffassung, wonach es für die Ermittlung der abstrakten Angemessenheitsgrenze bzw. den räumlichen Vergleichsmaßstab auf ihren gesamten Zuständigkeitsbereich, mithin auf den gesamten Landkreis K-Stadt. ankomme, spätestens seit den genannten Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Insoweit beruft sich die Beklagte auch zu Unrecht auf eine Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 24. April 2006, Az. L 9 AS 99/05 ER), wonach Teilwohnungsmärkte für den Zuständigkeitsbereich der Beklagten nicht bestehen würden. Diese Rechtsprechung ist durch die genannten Entscheidungen des Bundessozialgerichts als überholt anzusehen. Insoweit kann jedenfalls aus dem Erfordernis, im ländlichen Raum ggf. "größere Gebiete" einzubeziehen, nicht abgeleitet werden, dass auf einen gesamten Landkreis, wie hier den Landkreis Kassel., mit 29 Städten und Gemeinden und einer Längenausdehnung von 60 km abzustellen ist. Im Übrigen ist der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts von seiner Rechtsprechung abgerückt und geht nun von dem Wohnort bzw. einem Umkreis von circa 12 bis 15 km aus (vgl. Beschluss vom 23. Juli 2007, Az. L 9 AS 91/06 ER).

Ungeachtet des Ergebnisses, dass die Aufwendungen des Klägers für seine Unterkunft die abstrakte Angemessenheitsgrenze gar nicht überschreiten, ergibt sich der Anspruch des Klägers auf Übernahme seiner tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft auch daraus, dass die Beklagte eine konkrete und angemessene Anmietmöglichkeit weder vorgetragen noch belegt hat. Der Leistungsträger hat insoweit einen konkret-individuellen Maßstab anzulegen und zu ermitteln, ob in dem maßgeblichen räumlichen Vergleichsbereich Wohnungen mit einfachem Ausstattungsniveau konkret zur Verfügung stehen (BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az. B 7b AS 18/06 R, bestätigt durch BSG, Urteil vom 27. Februar 2008, Az. B 14/7b AS 70/06 R ). Derartige Ermittlungen hat die Beklagte nicht getätigt. Sie hat vielmehr geltend gemacht, der Kläger habe sich von vornherein geweigert, die Kosten der Unterkunft zu senken und sich um Alternativwohnraum zu bemühen. Sie unterliege deshalb nicht der Pflicht, die tatsächliche für den Kläger bestehende Möglichkeit, kostengünstigeren und angemessenen Wohnraum anzumieten, nachzuweisen. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar trifft zu, dass der Kläger u.a. unter Hinweis auf das bevorstehende Ausscheiden aus dem Leistungsbezug infolge der zu gewährenden Rente einen Umzug ausgeschlossen hat. Eine Weigerung des Leistungsempfängers, sich um kostengünstigeren Wohnraum zu bemühen, ist jedoch nur dann rechtlich relevant, wenn die Weigerung kausal für die Verhinderung einer tatsächlich in Betracht kommenden Kostensenkung ist. Daran mangelt es hier, weil infolge der seitens der Beklagten unterlassenen Ermittlungen unklar bleibt, ob für den Kläger überhaupt eine konkrete und angemessene Anmietmöglichkeit in Betracht gekommen wäre. Unterlässt der Leistungsträger aber die insoweit erforderlichen Ermittlungen, so hat er die Kosten der Unterkunft des Leistungsempfängers in tatsächlichen Umfang zu tragen. In Übereinstimmung mit der Auffassung des Sozialgerichts vertritt auch der Senat die Auffassung, dass die konkret-individuellen Ermittlungen zum Wohnungsmarkt vorrangig vor den Bemühungen des Hilfebedürftigen, kostengünstigeren Alternativwohnraum zu erlangen, zu prüfen sind. Im anderen Fall würde lediglich eine Weigerung des Hilfebedürftigen, sich ernsthaft um anderen Wohnraum zu bemühen, sanktioniert, obwohl relevante Auswirkungen dieser Weigerung nicht feststehen. Soweit der 9. Senat des Hessischen Landessozialgericht (Beschluss vom 21. März 2006, L 9 AS 124/05 ER) abweichend die Auffassung vertreten hat, eine Verpflichtung des Leistungsträgers darzulegen, dass angemessener freier Wohnraum vorhanden und für den Leistungsempfänger zugänglich sei, werde erst dann ausgelöst, wenn der Leistungsempfänger unter Vorlage geeigneter Nachweise ernsthafte und erfolglose Bemühungen zur Kostensenkung nachgewiesen habe, vermag sich der Senat dem aus den ausgeführten Gründen nicht anzuschließen. Diese Rechtsprechung ist durch die genannten Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 7. November 2006 und 27. Februar 2008 als überholt anzusehen, wobei ohnehin zu berücksichtigen ist, dass der Entscheidung des 9. Senates des Hessischen Landessozialgerichts vom 21.März 2006 ein Eilverfahren mit lediglich summarischer Prüfung zu Grunde lag.

Ist der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch jeweils bereits aus den dargestellten Prüfschritten begründet, so sind zur Frage der Zumutbarkeit des Wohnortwechsels bzw. des Wohnungswechsels weitere individuelle Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Nach den genannten Entscheidungen des Bundessozialgerichtes vom 7. November 2006 kann ein Umzug in einen anderen Wohnort, der mit einer Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, von dem Hilfebedürftigen im Regelfall nicht verlangt werden. Dies muss hier erst recht für den Kläger gelten, der nach seinem unbestrittenen Vortrag seit 40 Jahren im selben Wohnort wohnt, so dass von gewachsenen sozialen Beziehungen auszugehen ist.

Weiter hat der Kläger gesundheitliche Beeinträchtigungen geltend gemacht, die einem Umzug in einen anderen Wohnort entgegenstehen. Der Kläger hat insoweit auf den Bescheid des Versorgungsamtes K-Stadt vom 13. Februar 2007 verwiesen, wonach ihm ein GdB von 60 aufgrund der genannten Diagnose bzw. Funktionsbeeinträchtigungen zuerkannt worden ist. Soweit nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP, Januar 2008) die Schwerbehinderteneigenschaft (Gesamt-GdB von 50) bspw. nur angenommen werden kann, "wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung und bei Hirnschäden mit mittelschwere Leistungsbeeinträchtigung usw.", so muss der Kläger mit einem Gesamt-GdB von 60 zumindest wie ein derart in seinen körperlichen Funktionen beeinträchtigter Schwerbehinderter angesehen werden. Daraus folgt, dass er der Unterstützung bedarf, die ihm durch den in der Nähe wohnenden Sohn gewährt werden kann. Der Kläger hat insoweit unbestritten vorgetragen, dass sein Sohn F. lediglich 300 m entfernt wohnt.

Neben den gesundheitlichen Beeinträchtigungen hat der Kläger geltend gemacht, Altersrente ab Vollendung des 63. Lebensjahres beziehen zu wollen, die zu erwartende Rente betrage 712,64 EUR. Mit diesem Betrag läge der Kläger über dem SGB II-Bedarf und würde aus dem Leistungsbezug ausscheiden. Unter Berücksichtigung des 6 Monats-Zeitraums des § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II a.F. sowie des Aufforderungsschreibens der Beklagten vom 28. Januar 2005 lägen zwischen dem Ende des geschützten Zeitraums und einem Rentenbeginn am 1. Oktober 2007 etwa zwei Jahre. Es ist naheliegend, dass für einen Leistungsempfänger, der seine Wohnung über lange Zeit nicht gewechselt hat, ein Umzug wegen des nur noch begrenzten Leistungsbezugs nicht ohne weiteres verlangt werden kann, zumal auch Wirtschaftlichkeitserwägungen – zumindest in dieser Konstellation – im Hinblick auf die Kosten des Umzugs anzustellen wären. Insoweit drängt sich auf, dass die Einsparungen bei den Kosten der Unterkunft für die Dauer von zwei Jahren von den Kosten des Umzugs, für die der Leistungsträger ebenfalls einstandspflichtig ist (§ 22 Abs. 3 SGB II), kompensiert würden. Ob die Grenze der Zumutbarkeit überschritten ist, wenn – wie hier – der Leistungsbezug voraussichtlich nach etwa zwei Jahren endet und daraus folgend ein Wohnungswechsel nicht verlangt werden kann, bedarf jedoch vorliegend keiner endgültigen Entscheidung.

In der Gesamtschau vertritt der Senat aber die Auffassung, dass dem Kläger zumindest ein Wohnortwechsel im Jahr 2005 nicht zumutbar war. Mithin unterlag die Beklagte erst Recht der Pflicht, eine angemessene und kostengünstigere Wohnung (am Wohnort des Klägers) konkret nachzuweisen. Dem ist die Beklagte – wie ausgeführt – nicht nachgekommen mit der Folge, dass sie die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen hat.

Dem Anspruch des Klägers steht auch nicht die in § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II a.F. geregelte 6-Monats-Frist entgegen. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Regelhöchstfrist, so dass in atypischen Fällen einerseits eine Verkürzung der Frist denkbar ist, andererseits in den Fällen der Unzumutbarkeit eines Umzugs die Frist zu verlängern ist (vgl. Piepenstock in: jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 22 Rdnr. 84). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Leistungsträger seinen Ermittlungspflichten nicht ausreichend nachgekommen ist.

Im Ergebnis hat das Sozialgericht die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. August 2005 bis 31. Oktober 2005 monatlich zusätzliche Kosten der Unterkunft in Höhe von 28,33 EUR zu gewähren.

Soweit die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung trotz Erläuterung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (Urteile vom 7. November 2006 aaO) einschließlich der aktuellen Bestätigung (Urteil vom 27. Februar 2008 aaO) an der Berufung unter Hinweis auf die Rechtsprechung des 9. Senates des Hessischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 23. Juli 2007, Az. L 9 AS 91/06 ER) festgehalten hat, sieht der Senat die Voraussetzungen des § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG als erfüllt an. Angesichts des in der Gesamtschau eindeutigen Ergebnisses und der nur noch geringen wirtschaftlichen Bedeutung (insgesamt 84,99 EUR) drängte sich für die Beklagte auf, das Verfahren durch Rücknahme der Berufung zu beenden. Soweit sie Kenntnis von den genannten Entscheidungen des Bundessozialgerichts eingeräumt, jedoch zugleich das Berufungsverfahren fortgeführt hat, ist von Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung auszugehen. Daran ändert auch die Bezugnahme auf die Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 2007 (aaO) nichts. Der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts hat mit dieser Entscheidung an seiner bisherigen Spruchpraxis festgehalten, das Aufzeigen einer konkreten Unterkunftsalternative durch den Leistungsträger könne dann unterbleiben, wenn der Hilfebedürftige sich nicht ernsthaft und intensiv um eine andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnung bemüht habe. Eine derartige Schlussfolgerung steht nach Auffassung des erkennenden Senates – wie ausgeführt – der aufgezeigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entgegen, wobei auch im Hinblick auf diese Entscheidung des 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts ohnehin zu berücksichtigen ist, dass es sich um eine vorläufige Eilentscheidung nach lediglich summarischer Prüfung gehandelt hat.

Dessen ungeachtet ergab sich die Unbegründetheit der Berufung auch daraus, dass der Aufwand des Klägers für seine Unterkunft im streitigen Zeitraum gar nicht die abstrakte Angemessenheitsgrenze überschritten hat, was sich bereits aus dem von der Beklagten vorgelegten "Mietspiegel" ergibt. Auch dies ist der Beklagten im Verhandlungstermin ausführlich erläutert worden.

Die Höhe der verhängten Verschuldenskosten war im Rahmen einer Schätzung (§ 202 SGG in Verbindung mit § 287 Zivilprozessordnung – ZPO –) auf den doppelten Betrag festzusetzen, der sich aus §§ 192 Abs. 1 S. 3, 184 Abs. 2 SGG ergibt. Dieser Betrag bleibt noch deutlich hinter den tatsächlichen Kosten des Gerichts für das vorliegende Verfahren zurück.

Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere ist auch in Ansehung der Rechtsfrage der Prüfreihenfolge gemäß § 22 Abs. 1 SGB II grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu verneinen, weil eine ausreichende Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes hierzu bereits vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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