L 8 R 164/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 17 R 2290/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 164/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, Daten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) festzustellen.

Die 1961 geborene Klägerin hat ihr Berufsleben bis zum 2. Oktober 1990 in der DDR zurückgelegt. Am 14. Februar 1986 war ihr von der H-Universität zu B nach erfolgreichem Studium der Agrarwissenschaften, Fachrichtung Pflanzenproduktion, der akademische Grad Diplomargraringenieurin (Pflanzenproduktion) verliehen worden. In der Zeit vom 1. März 1986 bis zum 30. Juni 1990 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wissenschaftlich-Technischen Zentrum (WTZ) der Land- und Nahrungsgüterwirtschaft F beschäftigt.

Im Rahmen eines Verfahrens zur Feststellung einer Erziehungsrente prüfte die Beklagte auf Veranlassung des Trägers der Rentenversicherung, ob Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach dem AAÜG festzustellen seien. Dies lehnte sie gegenüber der Klägerin durch Bescheid vom 17. November 2008 ab. Das AAÜG sei auf sie nicht anwendbar, da sie bei dessen Inkrafttreten am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft gehabt habe. Die fiktive Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz scheide aus, weil die Klägerin nicht berechtigt gewesen sei, die hierzu erforderliche Berufsbezeichnung zu führen (Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. Oktober 2007 - B 4 RS 17/07 R, SozR 4-8570 § 1 Nr. 14).

Ihren Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, dass das BSG zu einer anderen Fragestellung entschieden habe, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 2. April 2009 zurück. Das BSG habe entschieden, dass der Titel eines Diplom-Ingenieurs im Sinne der Zusatzversorgung eine ingenieurtechnische Hoch- oder Fachschulausbildung voraussetze.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin weiter das Anliegen verfolgt, die Anwendbarkeit des AAÜG, die Beschäftigungszeiten vom 1. März 1986 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG sowie die in dieser Zeit tatsächlich erzielten Entgelte festzustellen. In dem Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 20/03 R, SozR 4-8570 § 1 Nr. 2, habe das BSG ausdrücklich entschieden, dass beim Führen des Titels Agraringenieur die persönlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz erfüllt seien. In dem Urteil vom 18. Oktober 2007 sei dagegen lediglich darüber zu entscheiden gewesen, ob die Berufsbezeichnung Diplomlandwirt mit der des Diplomagraringenieurs vergleichbar sei.

Die Beklagte ist bei ihrer Rechtsauffassung geblieben. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass die Klägerin auch nicht fiktiv in die Altersversorgung der wissenschaftlichen Intelligenz einbezogen werden könne. Das WTZ sei der Wirtschaftsgruppe der sonstigen produzierenden Betriebe zugeordnet gewesen. Außerdem habe es sich auch deshalb nicht um ein Forschungsinstitut im Sinne des Versorgungsrechts handeln können, weil es dem Rat des Bezirks F unterstanden habe und damit keine staatliche Einrichtung gewesen sei.

Das Sozialgericht hat vom Brandenburgischen Landeshauptarchiv das Statut des WTZ vom 14. Januar 1987 beigezogen. Die Klägerin ihrerseits hat noch eine Auskunft der I M D GmbH vom 20. Oktober 2009 eingereicht, die neben Personalunterlagen eine Entgeltbescheinigung enthielt, für die ein Formular mit der Kopfzeile "Deutsche Rentenversicherung" verwendet wurde.

Durch Urteil vom 18. Januar 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Das AAÜG sei nicht auf die Klägerin anwendbar. Sie sei nicht fiktiv als Angehörige eines Zusatzversorgungssystems zu behandeln, weil sie am 30. Juni 1990 keinen Anspruch auf eine Einbeziehung gehabt habe. Die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz erfülle sie deshalb nicht, weil sie nicht über einen Titel verfügt habe, der den Zugang zu dieser Zusatzversorgung öffne. Die Berufsbezeichnung Diplomagraringenieur stehe der des Diplomingenieurs nicht gleich (Hinweis auf BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 14). Die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der wissenschaftlichen Intelligenz erfülle sie zum einen deshalb nicht, weil sie nicht zu den Personen gehöre, die nach der Versorgungsordnung einen Anspruch auf Einbeziehung gehabt hätten. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin habe sie nur im Ermessensweg eine Versorgungszusage erhalten können. Darüber hinaus habe es sich beim WTZ nicht um eine wissenschaftliche Einrichtung im Sinne der Versorgungsordnung gehandelt. Es habe sich nicht um eine Einrichtung gehandelt, die in der Auswahl ihrer Forschungsziele frei gewesen sei. Dies ergebe sich aus den Aufgaben, wie sie im Statut definiert worden seien. Die Gerichte seien an den Wortlaut der Versorgungsordnungen zwingend gebunden.

Mit ihrer Berufung vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, dass sie die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz erfülle und verweist weiterhin auf das Urteil des BSG in SozR 4-8570 § 1 Nr. 2. Sie habe im Übrigen ein Ingenieurpraktikum absolviert. Erfüllt seien aber auch die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der wissenschaftlichen Intelligenz von daher, dass das WTZ in seinem Statut als wissenschaftliche Einrichtung definiert worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 17. November 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Anwendbarkeit des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes, die Beschäftigungszeiten vom 1. März 1986 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Altersversorgung der technischen, hilfsweise der wissenschaftlichen Intelligenz und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und die von ihr erlassenen Bescheide für zutreffend.

Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagte lagen dem Senat bei seiner Entscheidung vor. Wegen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Aktenstücke Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden. Er hält sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung angesichts des nicht weiter aufklärungsbedürftigen entscheidungserheblichen Sachverhalts und der durch die Rechtsprechung des BSG geklärten Rechtslage nicht für erforderlich (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Das Sozialgericht hat zutreffend entschieden, dass die Beklagte nicht verpflichtet ist, die von der Klägerin begehrten Feststellungen zu treffen. Sie unterfällt nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG, weil sie bei In-Kraft-Treten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bezogen auf den Stichtag 30. Juni 1990 (Tag vor der Schließung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR) keinen Versorgungsanspruch gegen einen Versorgungsträger hatte und auch keine Versorgungsanwartschaft erworben hatte.

Diese Voraussetzung für die Anwendbarkeit konnte die Klägerin aufgrund der Rechtsprechung des BSG zum "Anspruch auf Versorgungszusage" erfüllen. Danach ist der Anwendungsbereich des Gesetzes auch auf diejenigen zu erstrecken, die am 30. Juni 1990 (dem Tag vor der Schließung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR) zwar nicht in ein Versorgungssystem einbezogen waren, aber aus bundesrechtlicher Sicht aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen Sachlage nach der bundesrechtlichen Rechtslage zum 1. August 1991 einen Anspruch auf eine Versorgungszusage im Hinblick auf die bundesrechtlich weiter geltenden leistungsrechtlichen Regeln der Versorgungssysteme gehabt hätten. Es kommt danach in erster Linie auf das Bundesrecht des AAÜG an und nur nachrangig und Lücken füllend kraft bundesrechtlichen Anwendungsbefehls (Art. 9. Abs. 2 EV) auch auf die nach Maßgabe des Bundesrechts auszulegenden Versorgungsregeln im EV, der in Bundesrecht transformiert worden ist (ständige Rechtsprechung, beispielhaft etwa BSG in Entscheidungssammlung Sozialrecht [SozR] SozR 4-8570 § 1 Nr. 4 und 19 mit weiteren Nachweisen).

Ein Anspruch der Klägerin auf "fiktive Einbeziehung" besteht danach nicht.

Die Klägerin erfüllt nicht die für eine Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz notwendige persönliche Voraussetzung, welche die Berechtigung erfordert, eine bestimmte Berufsbezeichnung führen zu dürfen. Das Sozialgericht hat unter umfassender Darstellung des anwendbaren Rechts und mit zutreffendem Hinweis auf das Urteil des BSG in SozR 4-8570 § 1 Nr. 14 ausgeführt, dass der von der Klägerin nach dem Hochschulstudium erworbene akademische Grad der Diplom-Argraringenieurin, Fachrichtung Pflanzenproduktion, sie nicht berechtigte, eine den Zugang zur Zusatzversorgung öffnende Berufsbezeichnung (konkret: des Ingenieurs) zu führen. Er erfüllt keine der Anforderungen des § 1 der Verordnung über die Berufsbezeichnung "Ingenieur" (vom 12. April 1962, GBl. II Nr. 29 S. 278, [IngVO]). Entgegen ihrer Auffassung beschränkt sich die Aussage des Urteils in SozR 4-8570 § 1 Nr. 14 nicht auf die Frage, ob die Berufsbezeichnung Diplom-Landwirt der eines Diplom-Agraringenieurs gleichzustellen sei. Vielmehr hat das BSG ausdrücklich ausgeführt, dass es offen lassen könne, "ob der Versicherte als berechtigt anzusehen ist, den zu einem späteren Zeitpunkt nach dem Abschluss eines Studiums mit vergleichbarer Studienordnung vergebenen akademischen Grad des Diplom-Agraringenieurs zu führen. Auch wenn er den Titel des Diplom-Agraringenieurs hätte führen dürfen, wäre dieser Titel nicht den technischen Ingenieuren iS des § 1 Abs 1 der 2. DB iVm den Vorschriften der IngVO-DDR gleichzustellen" (Abs. 32). Das Urteil weicht auch nicht von dem in SozR 4-8570 § 1 Nr. 4 ab. Denn der dortige Kläger hatte im Gegensatz zur Klägerin eine Fachschule besucht (was nach Maßgabe des § 1 Buchstabe c) IngVO den Zugang zur persönlichen Voraussetzung der Altersversorgung der technischen Intelligenz öffnen konnte).

Die Voraussetzungen für die Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der wissenschaftlichen Intelligenz, über die im vorliegenden Fall ebenfalls zulässig entschieden werden konnte (s. in diesem Zusammenhang BSG, Urteil vom 27. Juli 2004 - B 4 RA 1/04 R), erfüllt die Klägerin ebenfalls nicht. Auch insoweit hat das Sozialgericht die Sach- und Rechtslage zutreffend dargestellt und gewürdigt: Die Klägerin gehörte als wissenschaftliche Mitarbeiterin nicht zu den Angehörigen der wissenschaftlich tätigen Intelligenz im Sinne des § 2 der Verordnung über die Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik vom 12. Juli 1951 (VO-AVIwiss; DDR-GBl. S. 675). Ebensowenig handelte es sich bei dem WTZ der Land- und Nahrungsgüterwirtschaft F um eine wissenschaftliche Einrichtung im Sinne des § 6 VO-AVIwiss. Es gehörte vor allem jedenfalls deshalb nicht zu den Forschungsinstituten, weil es nach seinem Statut nicht frei bei der Auswahl seiner Forschungsziele war (s., auch zur Abgrenzung zu den Forschungsinstuten im Sinne der VO-AVItech, BSG SozR 4-8570 § 1 Nr. 19 und Urteil vom 31. Juli 2002 - B 4 RA 62/01 R; zu einem WTZ LSG für das Land Brandenburg, Urteil vom 31. Mai 2005 - L 22 RA 254/04).

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird zur Begründung im Übrigen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved