Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 19 KR 327/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 145/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. April 2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die nach § 172 Abs. 1 und § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. April 2013 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat das den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 20. Februar 2013 zu Recht abgelehnt.
Die Antragstellerin begehrt Krankengeld für die Zeit vom 16. Januar 2013 (hilfsweise ab dem 20. Februar 2013) bis zum 7. April 2013. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 16. Mai 2013 vorgetragen, dass sie "sich aufgrund der der langen Dauer des einstweiligen Verfahrens entgegen dem ärztlichen Rat ab dem 8. 04. 13 gesundschreiben (hat) lassen und eine neue Tätigkeit aufgenommen (habe), um ihren Lebensunterhalt zu sichern."
Der Erlass einer entsprechenden Regelungsanordnung setzt nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Dabei sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund jeweils glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Dem vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzantrag fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Denn die Antragstellerin begehrt ausschließlich Leistungen für die Vergangenheit. Es besteht insoweit keine besondere Dringlichkeit, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlich machen würde.
In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet. Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar (ständige Rechtsprechung des Senats: Beschlüsse vom 23. Dezember 2010 – L 1 KR 368/10 B ER-, vom 14. Dezember 2011 – L 1 KR 304/11 B ER – und vom 14. Februar 2013 - L 1 KR 5/13 B ER -).
Ausnahmsweise kann das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.
An diesen Grundsätzen gemessen besteht hier für den vom Zeitpunkt der Beschlussfassung des Senates aus gesehen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum keine Dringlichkeit, die den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung rechtfertigen würde. Mit dem Gesuch nach einstweiligem Rechtsschutz durch eine Entscheidung des Senats könnte insoweit lediglich eine (vorläufige) Nachzahlung von Leistungen für den im Zeitpunkt der Zustellung dieses Beschlusses abgelaufenen, also in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erreicht werden. Insoweit ist indes nicht vorgetragen worden, dass zu befürchten ist, dass der Antragstellerin durch ein Zuwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile entstünden, die durch eine Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren nicht oder nicht hinreichend rückgängig gemacht werden könnten. Entsprechende Anhaltspunkte sind auch nach Aktenlage nicht ersichtlich. Sie hat zwar vorgetragen, dass ihr von ihrer Mutter ein zinsloses Darlehen gewährt worden sei, dieses Darlehen muss sie nach ihrem Vortrag aber erst zurückzahlen, wenn das Krankengeld "auf ihrem Konto ist". Effektiver Rechtsschutz kann daher in einem Hauptsacheverfahren erlangt werden. Der Antragstellerin ist ein Zuwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache zumutbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die nach § 172 Abs. 1 und § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. April 2013 ist unbegründet. Das Sozialgericht hat das den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 20. Februar 2013 zu Recht abgelehnt.
Die Antragstellerin begehrt Krankengeld für die Zeit vom 16. Januar 2013 (hilfsweise ab dem 20. Februar 2013) bis zum 7. April 2013. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 16. Mai 2013 vorgetragen, dass sie "sich aufgrund der der langen Dauer des einstweiligen Verfahrens entgegen dem ärztlichen Rat ab dem 8. 04. 13 gesundschreiben (hat) lassen und eine neue Tätigkeit aufgenommen (habe), um ihren Lebensunterhalt zu sichern."
Der Erlass einer entsprechenden Regelungsanordnung setzt nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Dabei sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund jeweils glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Dem vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzantrag fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Denn die Antragstellerin begehrt ausschließlich Leistungen für die Vergangenheit. Es besteht insoweit keine besondere Dringlichkeit, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlich machen würde.
In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet. Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Breithaupt 2005, S. 803). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar (ständige Rechtsprechung des Senats: Beschlüsse vom 23. Dezember 2010 – L 1 KR 368/10 B ER-, vom 14. Dezember 2011 – L 1 KR 304/11 B ER – und vom 14. Februar 2013 - L 1 KR 5/13 B ER -).
Ausnahmsweise kann das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Absatz 4 GG in besonderen Fällen auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen, so insbesondere dann, wenn anderenfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen.
An diesen Grundsätzen gemessen besteht hier für den vom Zeitpunkt der Beschlussfassung des Senates aus gesehen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum keine Dringlichkeit, die den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung rechtfertigen würde. Mit dem Gesuch nach einstweiligem Rechtsschutz durch eine Entscheidung des Senats könnte insoweit lediglich eine (vorläufige) Nachzahlung von Leistungen für den im Zeitpunkt der Zustellung dieses Beschlusses abgelaufenen, also in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erreicht werden. Insoweit ist indes nicht vorgetragen worden, dass zu befürchten ist, dass der Antragstellerin durch ein Zuwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile entstünden, die durch eine Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren nicht oder nicht hinreichend rückgängig gemacht werden könnten. Entsprechende Anhaltspunkte sind auch nach Aktenlage nicht ersichtlich. Sie hat zwar vorgetragen, dass ihr von ihrer Mutter ein zinsloses Darlehen gewährt worden sei, dieses Darlehen muss sie nach ihrem Vortrag aber erst zurückzahlen, wenn das Krankengeld "auf ihrem Konto ist". Effektiver Rechtsschutz kann daher in einem Hauptsacheverfahren erlangt werden. Der Antragstellerin ist ein Zuwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache zumutbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
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