L 3 R 742/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 28 R 270/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 742/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Juni 2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1957 geborene Kläger durchlief vom 01. September 1974 bis zum 15. Juli 1976 eine Ausbildung zum Elektromonteur. In der Folgezeit arbeitete er bis Herbst 1980 in seinem Ausbildungsberuf. Am 21. März 1981 erlitt er während der Ableistung seines Grundwehrdienstes bei der Nationalen Volksarmee (NVA) am rechten Knie eine Kreuz- und Seitenbandschädigung. Danach wurde er bei seinem bisherigen Arbeitgeber als Hochspannungsschaltwart eingesetzt. In dieser Funktion war er bis zum September 1993 tätig. Ab Oktober 1993 folgte eine weitere Beschäftigung als Elektroinstallateur bis Mai 1994, welche der Kläger eigenen Angaben zufolge krankheitsbedingt aufgab. Danach war der Kläger unter anderem als Handelsvertreter selbständig tätig.

Der Kläger beantragte am 22. Mai 2009 die Gewährung einer Versichertenrente. Zur Begründung verwies er auf eine bei ihm bestehende posttraumatische Arthrosis deformans nach einer operativ behandelten komplexen Kapselbandschädigung und die hiernach eingetretene drastische Verschlechterung seines Gesundheitszustands.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung des Klägers durch den Facharzt für Orthopädie F. Dieser gelangte aufgrund einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 22. September 2009 in seinem Gutachten vom 26. September 2009 zu den Diagnosen - chronische Arthritis des rechten Kniegelenks bei fortgeschrittener posttrauamtischer Gonarthrose rechts bei Zustand nach Kreuz- und Seitenbandruptur - chronisches Lumbalsyndrom - initiale Gonarthrose links. Der Gutachter schützte die Leistungsfähigkeit des Klägers in seiner Tätigkeit als Handelsvertreter auf unter drei Stunden täglich ein. Unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts könne der Kläger bei dort näher beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen sechs Stunden oder mehr täglich tätig sein. Ideal wäre eine Bürotätigkeit mit der Möglichkeit des Haltungswechsels und des Ausstreckens des rechten Kniegelenks.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme der Ärztin H vom 06. Oktober 2009 mit Bescheid vom 13. Oktober 2009 ab. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers vom 28. Oktober 2009 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2010 zurück. Es fehle sowohl an den versicherungsrechtlichen als auch an den leistungsrechtlichen Voraussetzungen. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert.

Der Kläger hat sein Begehren mit der am 28. April 2010 zum Sozialgericht Cottbus (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt und behauptet, wegen hochgradiger posttraumatischer Gonarthrose rechts bei Zustand nach operativ versorgter vorderer Kreuzbandruptur, rezidivierenden thorakolumbalen Schmerzsyndroms und rezidivierenden cervicalen Schmerzsyndroms, insbesondere wegen der Folgen seines Wehrdienstunfalls außerstande zu sein, auch nur drei Stunden oder mehr täglich erwerbstätig sein zu können, wobei er Berufsschutz als Elektromonteur genieße.

Die Beklagte hat den Kläger mit Schriftsatz vom 09. November 2010 auf die Tätigkeit eines Bürohelfers in einer Poststelle oder Registratur der öffentlichen Verwaltung oder in der Buchhaltung größerer Betriebe verwiesen und zwei Gutachten des arbeitsmarkt- und berufskundigen Sachverständigen R vom 31. Oktober 2005 und 22. Januar 2007 vorgelegt.

Das SG hat einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Orthopäden B vom 12. November 2010 und eine Arbeitgeberauskunft des Haus- und Wärmetechnikbetriebs von S eingeholt, wo der Kläger von Oktober 1993 bis Juni 1994 angestellt war.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 14. Juni 2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die medizinischen Voraussetzungen einer teilweisen oder vollen Erwerbsminderung seien nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen, insbesondere nach dem Gutachten des Orthopäden F nicht bewiesen. Es lägen auch die medizinischen Voraussetzungen einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht vor. Der Kläger könne zwar unstreitig nicht mehr in seinem Ausbildungsberuf tätig sein, jedoch könne er auf die Tätigkeit eines Bürohelfers verwiesen werden. Dies ergebe sich aus den beigezogenen Gutachten des Sachverständigen R. Im Übrigen seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Der Kläger hat gegen das ihm am 23. Juni 2011 zugestellte Urteil am 18. Juli 2011 Berufung erhoben. Das SG verkenne, dass er einen Berufsabschluss als Elektromonteur mit der Spezialisierung Wartung und Instandhaltung besitze. Des Weiteren verfüge er über eine besondere Spezialisierung für Arbeiten an Mittel- und Hochspannungsanlagen. Damit gehöre er zur Gruppe der besonders hochqualifizierten Facharbeiter mit der Folge, dass ihm nur solche Tätigkeiten sozial zuzumuten seien, die einem Facharbeiter zumindest gleichständen. Solche Tätigkeiten gebe es für ihn indes nicht. Darüber hinaus stelle das SG rechtswidrig fest, dass der Kläger sozial und medizinisch zumutbar auf den Beruf eines Bürohelfers verweisbar sein solle. Mit dieser Feststellung würden die verfassungsrechtlichen Grenzen der Rückwirkung, die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergäben, verletzt. Schließlich habe das SG die Leiden des Klägers nicht hinreichend gewürdigt.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 14. Juni 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. Oktober 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat das schriftliche Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie, Rheumatologie, Unfall- und Handchirurgie Prof. Dr. S vom 11. Januar 2012 eingeholt, welcher beim Kläger auf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet eine Fehlform des Achsorgans mit deutlichen degenerativen Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule und rezidivierenden Nervenwurzelerscheinungen bzw. eine skoliotische Fehlform der Wirbelsäule, eine posttraumatische Kniearthrose Stadium IV in allen Kompartimenten, insbesondere auch hinter der Kniescheibe festgestellt hat. Ferner bestünden ein Bluthochdruckleiden, eine zeitweilig auftretende Gichterkrankung und Übergewichtigkeit. Bei näher beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen könne er leichte Tätigkeiten über die volle übliche Arbeitszeit von acht Stunden täglich verrichten. Die üblichen Pausen reichten aus. Einschränkungen für die Wegefähigkeit bestünden nicht.

Der Senat hat auf Antrag des Klägers das schriftliche Sachverständigengutachten des Facharztes für Chirurgie und Unfallchirurgie H vom 30. Juli 2012 eingeholt. Gegenüber den bisherigen Befunden habe der Kläger nun auch einen Abszess und eine Fistel im Bereich des Enddarms gehabt. Bei der Arbeit am Computer würden die Augen zu brennen anfangen. Die Augenärztin habe ihm eine Augenerkrankung bescheinigt mit vermehrter Tränenabsonderung, die einer mehrstündigen Arbeit am Computer entgegen stehe. Im Bewegungsapparat finde sich zudem im Bereich des rechten Hüftgelenks eine Bewegungseinschränkung als Ausdruck einer rechts geringgradig vermehrten Coxarthrose Kellgren I. Ebenfalls habe sich eine Abschwächung der Außenbewegung des rechten Fußes gezeigt, wohl im Sinne einer Fehlbelastung aufgrund des Außenrotierens des herumschwenkenden Gangbilds bei Schmerzen im Bereich des rechten Kniegelenks. Es sei das Leistungsvermögen aufgrund der eingeschränkten Geh- und Stehfähigkeit von Seiten des Bewegungsapparates und der gleichzeitigen Einschränkung der Sitzfähigkeit aufgrund der perianalen Fistel eingeschränkt und eine Belastung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit wechselnder sitzender, gehender und stehender Tätigkeit (nur) bis sechs Stunden täglich möglich. Eine Bürotätigkeit mit Computerarbeit sei nicht mehr als sechs Stunden täglich möglich. Tragen von Lasten von über 5 kg und häufiges Klettern und Steigen seien ebenfalls zu vermeiden. Die üblichen Pausen reichten aus. Der Kläger sei in der Lage, viermal täglich 500 m zurückzulegen. Zur Zeit sei das regelmäßige Aufofahren und Sitzen aufgrund der perianalen Fistel nicht möglich. Hierbei sei eine Besserung innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 15. und 31. Januar 2013 einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts einschließlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Berichterstatter kann, weil die vorliegende Streitsache weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist noch von grundsätzlicher Bedeutung ist, in Ausübung des insofern eröffneten richterlichen Ermessens anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. §§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Die Voraussetzungen des als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 43 Abs. 1 und Abs. 2 des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) sind nicht erfüllt.

Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch behinderte Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist dagegen nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage insoweit nicht zu berücksichtigen ist.

Dies zugrunde gelegt steht das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen der teilweisen oder vollen Erwerbsminderung nicht gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG zur Überzeugung des Senats fest und ist so nicht bewiesen. Denn der Kläger ist auch angesichts der bei ihm festgestellten Leiden und unter Beachtung der daraus folgenden qualitativen Leistungseinschränkungen in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Hierfür bezieht sich der Senat auf die überzeugenden, weil auf einer umfassenden Befunderhebung beruhenden, schlüssigen Ausführungen des im Berufungsverfahren eingeholten schriftlichen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. S vom 11. Januar 2012, durch welche die vom Kläger behaupteten quantitativen Leistungseinschränkungen keine Bestätigung finden. Vielmehr wird ihm bei den im Gutachten näher bezeichneten qualitativen Einschränkungen jedenfalls noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen bescheinigt, ohne dass er dem Ergebnis der Begutachtung mit aussagekräftigen ärztlich erhobenen Befunden entgegen getreten ist, welche den Rückschluss auf ein zumindest teilweise aufgehobenes quantitatives Leistungsvermögen hätten zulassen könnten. Im Ergebnis deckt sich die Beurteilung des Leistungsvermögens durch Prof. Dr. S mit derjenigen des auf Antrag des Klägers gehörten Sachverständigen H in dessen schriftlichen Sachverständigengutachten vom 30. Juli 2012, welcher unter Einbeziehung neuerer Befunde (Augentränen, perianale Fistel) auch nicht zur Annahme quantitativer Leistungseinschränkungen gelangt ist, sondern – sogar derzeit unter den Nachwirkungen der Fistel-Operation – den Kläger noch für imstande hält, bei dort näher beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen bis zu sechs Stunden täglich tätig zu sein.

Da nach dem Gesamtermittlungsergebnis für den Senat außer Zweifel steht, dass das Restleistungsvermögen des Klägers Verrichtungen oder Tätigkeiten erlaubt (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen etc.), die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden und ernste Zweifel an der beschriebenen Einsatzfähigkeit des Versicherten als Folge von qualitativen Leistungseinschränkungen ausgeräumt werden können, stellt sich hier nicht die Rechtsfrage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl. BSG, Urteil vom 09. Mai 2012 – B 5 R 68/11 -, zitiert nach juris Rn. 25 ff.).

Schließlich fehlt es dem Kläger auch nicht an der erforderlichen Wegefähigkeit. In der Regel ist auch derjenige erwerbsgemindert, welcher selbst unter Verwendung von Hilfsmitteln, zum Beispiel von Gehstützen, nicht in der Lage ist, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als fünfhundert Metern mit zumutbarem Zeitaufwand zu Fuß zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991, - 13/5 RJ 73/90 -, zitiert nach juris Rn. 19). An einer Wegefähigkeit dieses Umfangs bestehen hier nach der überstimmenden Einschätzung sämtlicher medizinischer Sachverständiger keine vernünftigen Zweifel.

Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI besteht ebenfalls nicht. Zwar ist der Kläger, weil er vor dem 02. Januar 1961 geboren wurde, grundsätzlich zum anspruchsberechtigten Personenkreis zu zählen, ein Anspruch scheitert jedoch daran, dass er entgegen § 240 Abs. 1 SGB VI nicht berufsunfähig ist.

Bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit ist vom bisherigen Beruf des Versicherten auszugehen. Es ist dann zu prüfen, ob er diesen Beruf ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausüben kann. Ist er hierzu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs dafür maßgebend, auf welche Tätigkeiten der Versicherte verwiesen werden kann (BSG, Urteile vom 25. Januar 1994 - 4 RA 35/93 -, vom 16. November 2000 - B 13 RJ 79/99 R -, jeweils zitiert nach juris). Bisheriger Beruf ist in der Regel eine der Versicherungspflicht unterliegende Berufstätigkeit, welche der Versicherte zuletzt auf Dauer verrichtete, und zwar mit dem Ziel, sie bis zum Erreichen der Altersgrenze oder bis zum Eintritt der auf Krankheit oder Behinderung beruhenden Unfähigkeit auszuüben. Wurde zuvor im Laufe des Erwerbslebens eine höherqualifizierte Tätigkeit im Wesentlichen krankheits- oder gebrechensbedingt aufgegeben, so ist zu prüfen, ob diese Tätigkeit maßgeblicher Hauptberuf geblieben ist oder ob der Versicherte ihn dennoch freiwillig aufgegeben oder sich mit seinem Verlust dauerhaft abgefunden hat (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R -, zitiert nach juris). Zur Erleichterung der Beurteilung, ob ein Verweisungsberuf benannt werden muss und welcher Verweisungsberuf gegebenenfalls sozial zumutbar ist, hat das Bundessozialgericht ein aus mehreren Stufen bestehendes Schema entwickelt. Die Stufen sind von unten nach oben nach Bedeutung, welche Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet. Danach ergeben sich für die Arbeiterberufe folgende Stufen: - Stufe 1: ungelernte Arbeiter oder Angestellte - Stufe 2: angelernte Arbeiter oder Angestellte mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren - Stufe 3: Facharbeiter mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren oder Angestellte mit längerer Ausbildung, regelmäßig von drei Jahren - Stufe 4: hoch qualifizierte Facharbeiter, zu denen Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung gehören, oder Angestellte mit hoher beruflicher Qualität (BSG, Urteile vom 13. Dezember 1984 – 11 RA 72/83 - und vom 22. Oktober 1996 - 13 RJ 25/96 -, jeweils zitiert nach juris). Eine Verweisung, die grundsätzlich durch die konkrete Benennung eines Berufs geschehen muss, der an mindestens dreihundert Arbeitsplätzen im Bundesgebiet ausgeübt wird, kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächstniedrigeren erfolgen. Hierbei ist das Überforderungsverbot (Einarbeitung innerhalb von drei Monaten) zu beachten. Eine konkrete Benennung ist grundsätzlich nur dann nicht erforderlich, wenn der bisherige Beruf der ersten Stufe angehört oder wenn ein so genannter einfacher Angelernter (Stufe 2, aber mit einer Ausbildungsdauer von nur bis zu einem Jahr) auf ungelernte Berufe verwiesen wird (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R -, a.a.O.).

Ausgehend vom Beruf des Elektroinstallateurs, zu welchem eine unter zweijährige Ausbildung hinführte, liegt ein Arbeiterberuf der zweiten Stufe, mithin noch nichts für eine Facharbeiterqualifikation im vom Kläger behaupteten Maße vor. Hiernach ist der Kläger jedenfalls auf die von der Beklagten genannte Tätigkeit als Bürohelfer oder Bürokraft zu verweisen. Nach den sachverständigen Äußerungen des arbeitsmark- und berufskundigen Sachverständigen R (vgl. Gutachten vom 31. Oktober 2005 und 22. Januar 2007) besteht der arbeitsmarktrelevante, weil im Bundesgebiet mit jedenfalls mit mehr als 300 Arbeitsplätzen zur Verfügung stehende Verweisungsberuf in folgenden Tätigkeiten: Es handelt sich um körperlich leichte Tätigkeiten in geschlossenen temperierten Räumen. Ein medizinisch geforderter Haltungswechsel kann voll eingehalten werden. Zum Beruf als Bürokraft in einer Poststelle der öffentlichen Verwaltung gehören zudem Sortierarbeiten für bestimmte Arbeitsgebiete, Zuordnen nach Ordnungssystemen, Führen von Brieftagebüchern, zum Teil Eingabe und Abrufen von Daten an Computern unter Verwendung einfacher Anwenderprogramme. Bürohelfer in der Buchhaltung größerer Betriebe erledigen schematische Aufgaben, ohne das Erfordernis einer abgeschlossenen kaufmännischen Ausbildung. Sie wirken mit beim Vertrieb/ Verkauf von Leistungen und Waren (Mithilfe bei der Kalkulation, Ausstellen und Bearbeiten von Frachtbriefen auf Anweisung, Bearbeiten von Lieferscheinen und Orderzetteln). Sie wirken im Finanz- und Rechnungswesen durch Prüfen, Feststellen und Anweisen von Rechnungen mit.

Anhaltspunkte dafür, dass hier eine längere Einarbeitungszeit erforderlich wäre, bestehen beim zuletzt als Handelsvertreter tätig gewesenen und damit mit Büroarbeit vertrauten Kläger, bei welchem nichts für eine eingeschränkte geistige Belastbarkeit vorliegt, nach Überzeugung des Senats nicht. Die Verweisungstätigkeit ist dem Kläger auch eingedenk der bei ihm bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen zuzumuten. Prof. Dr. S hat in seinem für den Senat erstatteten schriftlichen Sachverständigengutachten das Leistungsbild des Klägers überzeugend dahingehend beschrieben, dass er Arbeiten verrichten soll, welche er anteilig im Sitzen erledigen kann. Er soll dabei nicht ausschließlich sitzen, weil die skoliotische Fehlform der Wirbelsäule und die degenerativen Umformungen im Bereich der Lendenwirbelsäule einen Haltungswechsel erforderlich machen, weshalb er zeitweilig stehen können muss. Wegen der Verschleißerkrankungen im Knie kann der Kläger nicht im Gehen arbeiten. Er kann nur noch leichte Tätigkeiten bei voller geistiger Belastbarkeit verrichten. Dies alles steht einer Tätigkeit im Büro nicht entgegen.

Ein wesentlich anderes Leistungsbild ergibt sich auch nicht aus dem auf Antrag des Klägers eingeholten schriftlichen Gutachten des Sachverständigen H vom 30. Juli 2012, indem er dort ausführt, dass hinsichtlich der geistigen Belastbarkeit keine Einschränkungen bestehen und in körperlicher Hinsicht das ständige Stehen und Gehen ebenso vermieden werden sollte wie das Tragen von Lasten über 5 kg, häufiges Klettern und Steigen, Arbeiten auf Unebenheiten und im Freien sowie ständig hockende und kniende Tätigkeiten. Gegen eine Berufsfähigkeit bestehende Bedenken werden auch nicht durch die – ja nur derzeitig im Hinblick auf die Analfistel – bestehenden Bedenken gegen eine vermehrt sitzende Tätigkeit erzeugt. Auch eingedenk der vom Sachverständigen H festgestellten vermehrten Tränenabsonderung, welche keine Computerarbeit von mehr als sechs Stunden täglich zulasse, ergeben sich keine Bedenken gegen die Verweisung auf die Tätigkeit im Büro, weil eine solche nach den sachverständigen Äußerungen des arbeitsmarkt- und berufskundigen Sachverständigen R die Bürotätigkeit nicht von unentwegter Computerarbeit geprägt ist.

Ein abweichendes Leistungsbild ergibt sich auch nicht aus den im Verwaltungsverfahren gewonnenen medizinischen Erkenntnissen. Vielmehr führte der Sachverständige F in seinem am 26. September 2009 für die Beklagte erstellten Gutachten aus, dass eine Bürotätigkeit mit der Möglichkeit des Haltungswechsels und des Ausstreckens des rechten Kniegelenks ideal ist.

Soweit der Kläger einen Verstoß gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot rügt, ist dem nicht zu folgen. Der Senat vermag weder eine aus rechtsstaatlichen Gründen (vgl. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG)) grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung (im Sinne einer nachträglich Änderung abgewickelter, der Vergangenheit angehörender Tatbestände durch eine gesetzliche Neuregelung) noch eine unechte Rückwirkung (im Sinne einer gesetzlichen Rückanknüpfung, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt) zu erkennen. Hier geht es nicht um die rückwirkende Anerkennung der Gutachten des Sachverständigen Rauf das Schadensereignis im Jahr 1981, sondern – auf den Rentenantrag des Klägers hin - um die rechtliche Bewertung des aktuellen Leistungsvermögens und die hiervon abhängige Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit, wofür vorliegend auf den höchsten, je vom Kläger in sozialversicherungspflichtiger Tätigkeit erreichten Qualifikationsgrad als Elektromonteur abgestellt wird.

Auf das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen kommt es nach alldem nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist mangels Zulassungsgrunds gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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