L 1 KR 57/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 73 KR 2868/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 57/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. Februar 2011 aufgehoben, soweit der Bescheid der Beklagten vom 19. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2004 aufgehoben worden ist. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 19. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2004 und des Bescheides vom 7. Mai 2012 wird abgewiesen. Die Feststellungsklage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beigeladene zu 4) in der Zeit vom 30. März 2000 bis 4. Oktober 2002 von dem Kläger versicherungspflichtig beschäftigt wurde.

Die 1972 geborene Beigeladene zu 4) war während des streitigen Zeitraums als Dipl-Ing. der Fachrichtung Architektur für das Architektenbüro des Klägers tätig. Vereinbart war ein Honorar von 24,- DM in der Stunde, ein schriftlicher Vertrag wurde nicht geschlossen.

Am 23. August 2002 beantragte die Beigeladene zu 4) bei der Beklagten die Feststellung ihres sozialversicherungsrechtlichen Status. Sie gab an, als Berufsanfängerin weisungsgebundene Tätigkeiten zu verrichten, überwiegend Abrechnungen aber auch Bauüberwachung. Ihre regelmäßige Arbeitszeit seien 30-50 Stunden in der Woche. Die Klägerin legte Abrechnungen mit Stundenaufstellungen für die Monate März und April 2000 sowie Juni 2002 vor und eine interne Adressenliste sowie Schreiben des Klägers an seine "Mitarbeiter", auf denen sie jeweils auch verzeichnet war.

Die Beklagte stellte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 19. März 2003 fest, dass die Beigeladene zu 4) ihre Tätigkeit für den Kläger seit 30. März 2000 im Rahmen eines dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Sie sei in die Arbeitsorganisation ihres Auftraggebers eingebunden gewesen, der ihr einseitig Weisungen hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit sowie Art und Weise ihrer Durchführung erteilt habe.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein, mit dem er das Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrages geltend machte. Er habe keine Arbeitszeiten vorgegeben, auch tatsächlich habe die Beigeladene zu 4) zu völlig unterschiedlichen Zeiten mit ihrer Arbeit begonnen. Über monatliche Stundenzahlen habe es keine Vereinbarung gegeben. Weiter spreche gegen eine abhängige Beschäftigung, dass die Beigeladene zu 4) in ihren Abrechnungen bestimmte Beträge für bestimmte Bauvorhaben gefordert habe. Auch sei es für einen angestellten Mitarbeiter völlig unüblich, in den Monaten März und April 2000 geleistete Arbeiten zusammen und mehrwertsteuerpflichtig abzurechnen. Die freie Zeiteinteilung sei soweit gegangen, dass die Beigeladene zu 4) an einzelnen, näher genannten Tagen überhaupt nicht für den Kläger gearbeitet habe. Sie habe nebenher noch studiert und nur gearbeitet, soweit es mit ihrem Studium vereinbar gewesen sei. Eine Mitteilung, ob sie noch andere Auftraggeber habe, sei nie erfolgt und auch nicht erwartet worden. Die Schreiben, in denen die Beigeladene zu 4) unter den Mitarbeitern genannt worden sei, hätten ausschließlich technische Gründe gehabt. Außerdem habe die Beigeladene zu 4) das Auftragsverhältnis völlig frei ohne Angabe von Gründen mit einem Hinweis auf andere Aufträge beendet. Urlaub oder Krankenentgelt seien weder gewährt noch beansprucht worden.

Die Beigeladene zu 4) ließ vortragen, ihr seien konkrete Weisungen erteilt worden, ohne dass insoweit ein Unterschied zu den festangestellten Mitarbeitern des Klägers erkennbar geworden sei. Bestimmte Aufgaben seien ihr arbeitstäglich zugewiesen worden, die sie in den Räumen des Auftraggebers (bzw. auf den von ihm betreuten Baustellen) und mit dessen Arbeitsmitteln erledigt habe. Sie habe bereits begonnene Tätigkeiten auf Weisung des Klägers für andere Aufgaben unterbrechen müssen. Die vorgenommene Abrechung nach Stunden widerspreche zudem einem typischen unternehmerischen Handeln als Architekt, es seien von ihr auch nie Kostenvoranschläge eingefordert worden. Dass sie ausschließlich für den Kläger tätig geworden sei, ergebe sich schon aus der Zahl der Arbeitsstunden, die keinen Raum für eine weitere Tätigkeit gelassen hätten. Der Kläger habe auch bei Dritten nie den Eindruck hervorgerufen, dass sie als selbständige Architektin tätig werde. Sie selbst habe keine Rechte an den Ergebnissen ihrer Arbeit erworben, auch keine Mitarbeiter beschäftigt.

Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2004 zurück. Die Beigeladene zu 4) habe ausschließlich ihre eigene Arbeitskraft eingesetzt und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig geworden. Hinsichtlich dem Ort und der Art und Weise ihrer Tätigkeit habe sie einem Weisungsrecht unterlegen. Sie sei zur Ausführung von Arbeiten zu bestimmten Zeitpunkten und zur Führung von Stundenzetteln verpflichtet gewesen. Das Fehlen von Regelungen über Urlaub und Krankheit spiele keine Rolle. Solche Ansprüche seien keine Voraussetzung für das Entstehen eines Arbeitsverhältnisses, sondern vielmehr dessen Folge.

Gegen den am 25. Februar 2004 zugestellten Widerspruch richtet sich am 27. Mai 2004 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage, mit der der Kläger die Aufhebung der Bescheide und die Feststellung begehrt hat, dass die Beigeladene zu 4) als freie Mitarbeiterin für ihn tätig geworden sei. Das Sozialgericht hat auf Antrag wegen der Versäumung der Klagefrist mit Beschluss vom 6. Dezember 2007 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Zur Begründung seiner Klage hat sich der Kläger auf sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren bezogen und ergänzend für seine Behauptung, er habe keine zeitlichen Vorgaben gemacht, die Vernehmung seiner für die Entgegennahme der Stundenzettel zuständigen Mitarbeiterin R D angeboten. Die Beigeladene zu 4) habe ihre Arbeiten nach eigener Zeiteinteilung erledigt und lediglich von Zeit zu Zeit mitgeteilt, dass sie zu gewissen Zeiten nicht arbeiten könne. Eine Weisung über die Zahl der zu leistenden Stunden habe es nie gegeben, auch seien die monatlichen Abrechungen erheblich unterschiedlich ausgefallen. Die Monate Oktober und November 2000 sowie September und Oktober 2001 seien zusammen abgerechnet worden, was für einen Arbeitnehmer untypisch sei. Die vorhandene schriftliche Notiz über die Beendigung der Tätigkeit belege, dass die Beigeladene zu 4) völlig unabhängig vom Kläger eigene Entscheidungen getroffen habe. Weiter belege sie, dass es stets an die Beigeladene zu 4) gerichtete Anfragen gegeben habe, ob sie einen Auftrag übernehmen wolle.

Durch Gerichtsbescheid vom 2. Februar 2011 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Anfechtungsklage sei zulässig und begründet, weil die Beklagte in dem angegriffenen Bescheid nur über einzelne Tatbestandsmerkmale der Sozialversicherungspflicht entschieden habe, was rechtswidrig sei (Hinweis auf BSG, Urt. v. 11. März 2009 - B 12 R 11/07 R). Einen weiteren Verwaltungsakt, der Gegenstand des Verfahrens hätte werden können, habe die Beklagte nicht erlassen. Die Feststellungsklage sei unzulässig, weil sie nicht statthaft sei und auch das Feststellungsinteresse fehle.

Gegen den ihr am 8. Februar 2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Beklagten vom 4. März 2011. Durch Bescheid vom 7. Mai 2012 änderte die Beklagte ihren Bescheid vom 19. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2004 dahingehend ab, dass für die Beigeladene zu 4) in der bei dem Kläger ausgeübten Beschäftigung während der streitigen Zeit Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe. Der Bescheid werde Gegenstand des anhängigen sozialgerichtlichen Verfahrens.

Die Beklagte weist darauf hin, dass sie über die Versicherungspflicht auf Beweislastgrundlage entschieden habe, da ihr trotz bestehender Aufbewahrungspflichten nur unzureichend Unterlagen vorgelegt worden seien. Grundlage für ihre Entscheidung seien die vorhandenen Rechnungen für die Monate März und April 2000 sowie die Monate September bis Dezember 2000 und 2001 gewesen. Die Höhe der dort zu findenden Entgelte begründe das Bestehen von Versicherungspflicht. Anhaltspunkte für Tatbestände, welche für andere Zeiträume das Vorliegen von Versicherungspflicht ausschließen würden, ergäben sich aus den vorhandenen Unterlagen nicht.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Beigeladene zu 4) bei ihm in der Zeit vom 30. März 2000 bis 4. Oktober 2002 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war.

Er meint, dass der Bescheid vom 7. Mai 2012 keinen anderen Inhalt habe als der Ursprungsbescheid vom 19. März 2003. Das Nachschieben eines Bescheides während eines laufenden Berufungsverfahrens sei nicht möglich.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten muss Erfolg haben. Der angefochtene Bescheid vom 19. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2004 und des Bescheides vom 7. Mai 2012 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. Februar 2011 war daher insoweit aufzuheben und die gegen den Bescheid der Beklagten gerichtete Anfechtungsklage abzuweisen.

Der Bescheid vom 7. Mai 2012 ist nach §§ 96 Abs. 1, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Denn er ist nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen und hat den angefochtenen Bescheid ergänzt. Der Ausgangsbescheid enthielt die - nach der schon vom Sozialgericht referierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unzulässige - Elementenfeststellung, dass die Beigeladene zu 4) in der Zeit vom 30. März 2000 an bei dem Kläger in einem Beschäftigungsverhältnis stand. Diese Feststellung ist durch den Bescheid vom 7. Mai 2002 dahingehend ergänzt worden, dass die Beschäftigung am 4. Oktober 2002 endete und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung begründete. Die Ergänzung einer – gemessen an den gesetzlichen Regelungen der Versicherungspflicht - bisher unvollständigen isolierten Feststellung des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung durch einen weiteren Bescheid, mit dem das Bestehen von Versicherungspflicht für einen bestimmten Zeitraum festgestellt wird, gehört zu den in § 96 SGG geregelten Fällen der nachträglichen Ergänzung eines Ausgangsbescheides (BSG Urt. v. 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R). Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist § 96 SGG auch nicht deswegen unanwendbar, weil der Rechtsstreit bei Erlass des Bescheides vom 7. Mai 2012 bereits im Berufungsverfahren anhängig gewesen ist. § 96 SGG gilt nach § 153 Abs. 1 SGG auch, wenn ein Ausgangsbescheid erst in der Berufungsinstanz abgeändert wird. Im Berufungsverfahren ist dann (erstmals) über die Klage gegen den Änderungsbescheid zu entscheiden (Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 10. Aufl., § 96 Rdnr. 7).

Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach hat die Beklagte im Anfrageverfahren über das Vorliegen einer Versicherungspflicht auslösenden Beschäftigung zu entscheiden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) und § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der während des streitigen Zeitraums geltenden Fassung unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung.

Maßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist das der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Tätigkeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (BSG Urt. v. 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R; Urt. v. 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R).

Vorliegend überwiegen die auf eine abhängige Beschäftigung hindeutenden Merkmale. Zwar hat der Kläger keinen Arbeitsvertrag mit der Beigeladenen zu 4) geschlossen und es fehlte auch eine Abrede über die Gewährung von Entgeltfortzahlung im Falle von Krankheit oder Urlaub. Auch dass die Beigeladene zu 4) dem Kläger Rechnungen über ihre Mitarbeit unter Ausweisung von Mehrwertsteuer erstellte spricht dafür, dass die Beteiligten ihrer Rechtsbeziehung den äußeren Anschein einer selbständigen Mitarbeit geben wollten. Für die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit kommt es aber nicht entscheidend auf den äußeren Rahmen an, den die Beteiligten ihrem Vertragsverhältnis gegeben haben, sondern auf dessen Inhalt. Demgemäß ist vorrangig zu betrachten, wie das zwischen den Beteiligten bestehende Rechtsverhältnis faktisch umgesetzt wurde (Urteil des erkennenden Senats v. 30. März 2012 – L 1 KR 118/09).

Entgegen der Auffassung des Klägers spricht dabei nicht entscheidend für die Selbständigkeit, dass die Beigeladene zu 4) frei darin war, einen einzelnen Auftrag anzunehmen oder zurückzuweisen, und die weitere Mitarbeit bei dem Kläger schließlich im November 2002 ganz ablehnte. Jeder Arbeitnehmer ist frei in seiner Entscheidung, ob er ein neues Beschäftigungsverhältnis eingehen oder ein bereits bestehendes kündigen will. Für die Beurteilung, ob eine selbständige Tätigkeit gegeben ist oder nicht, ist deswegen nicht die Freiheit der Auftragsübernahme maßgeblich, sondern die Ausgestaltung der Verhältnisse nach Annahme eines Auftrags (BSG Urt. v. 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R Rdnr. 22). Deswegen kommt es auch auf die vom Kläger benannte Zeugin nicht an, die gerade bestätigen soll, dass die Beigeladene zu 4) frei über die Übernahme einzelner Aufträge entscheiden konnte. Keine Rolle spielt auch, dass mit der Beigeladenen zu 4) keine "Rahmenvereinbarung" über eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden im Monat geschlossen worden war und ihre Arbeitszeit - ebenso wie die Entlohnung - gewissen Schwankungen unterworfen war.

Für eine abhängige Beschäftigung spricht zunächst, dass der Beigeladenen zu 4) ihr Arbeitslohn stundenweise gezahlt wurde. Dadurch war für sie jegliches Unternehmerrisiko ausgeschlossen. Ein Unternehmerrisiko wird nicht schon dadurch begründet, dass Entgelt nur für geleistete Arbeit gezahlt wird. Der Grundsatz "ohne Arbeit kein Lohn" gilt typischerweise auch in Beschäftigungsverhältnissen. Ebenso ist jeder Arbeitnehmer darauf angewiesen, dass er einen Abnehmer für seine Arbeitskraft findet. Ein eigentliches Unternehmerrisiko wird deswegen erst dann begründet, wenn eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlusts eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist (BSG Urt. v. 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R Rdnr. 29). Durch die stundenweise Abrechnung ihrer Arbeitskraft konnte sich die Beigeladene zu 4) aber sicher sein, dass sie bei Einsatz ihrer Arbeitskraft für den Kläger auch eine Gegenleistung erhalten würde. Diese wurde nach geleisteten Arbeitsstunden berechnet - was bei selbständig arbeitenden Architekten nicht üblich ist, wie sich aus der HOAI ergibt. Soweit in den von der Beigeladenen zu 4) erstellten Rechnungen bestimmte Projekte ausgewiesen wurden, erfolgte damit keine werkbezogene Rechnungsstellung sondern wurde bestenfalls der äußere Anschein einer solchen gesetzt. Denn den Rechungen wurden minutengenaue Stundenaufstellungen beigefügt, denen zu entnehmen ist, was die eigentliche Grundlage für die Höhe des Arbeitslohnes war. Nichts anderes ergibt sich aus der vom Kläger betonten Tatsache, dass die Beigeladene zu 4) gelegentlich eine Rechnung für zwei Monate erstellte. Das ist zwar ebenso untypisch für einen Arbeitnehmer wie die Tatsache, dass überhaupt eine Rechnung erstellt wurde. Trotz des ungewöhnlichen Abrechnungsverfahrens entsprach die Zusammensetzung und Berechnung des Lohnes aber dem Leitbild einer abhängigen Beschäftigung, nicht dem der Selbständigkeit.

Weiter spricht entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung, dass die Beigeladene zu 4) in die Arbeitsorganisation des Klägers eingegliedert gewesen ist. Unwidersprochen geblieben ist der Vortrag der Beigeladenen zu 4), dass sie für den Kläger am Beginn ihres Berufslebens tätig geworden und mit eher untergeordneten Tätigkeiten aus dem Berufsfeld eines Architekten beschäftigt worden ist. Der Senat geht von der Wahrheit dieses Vortrags aus, zumal dieser durch die von der Beigeladenen zu 4) vorgelegten Stundenaufstellungen bestätigt worden ist. Die dort genannten Aufmaße, Bauüberwachungen und Kalkulationen sind keine Tätigkeiten, bei denen der Art nach ein erheblicher persönlicher Gestaltungsspielraum besteht. Sie stehen daher schon ihrem Inhalt nach einer abhängigen Beschäftigung näher als einer selbständigen Tätigkeit. Unwidersprochen geblieben ist auch, dass die Beigeladene zu 4) ihre Tätigkeit entweder in den Räumlichkeiten des Klägers oder auf den von ihm betreuten Baustellen verrichtete. Der Senat legt diese Angabe seiner Bewertung zugrunde, zumal die Darstellung auch durch das vorgelegte Mitarbeiterverzeichnis und dadurch bestätigt wird, dass die Beigeladene zu 4) auch in den vom Kläger an seine Mitarbeiter gerichteten Briefen als Adressatin genannt wird. Für einen selbständigen Architekten wäre es aber unüblich, dass er in dem Büro eines anderen Architekten arbeitet, ohne zumindest anteilig an den durch die Vorhaltung der Räumlichkeiten entstehenden Kosten beteiligt zu werden. Schließlich hat der Kläger im Verwaltungsverfahren auch eine detaillierte Aufstellung von Abwesenheitstagen vorgelegt. Auch dies spricht dafür, dass die Beigeladene zu 4) wie ein Mitarbeiter geführt und behandelt wurde, sofern sie denn einen "Auftrag" des Klägers zur Erledigung übernommen hatte.

Für Beginn und Ende der Tätigkeit bezieht sich der Senat auf die entsprechende Angabe des Klägers, die mit der Äußerung der Beigeladenen zu 4) übereinstimmt, sie habe von März 2000 bis Oktober 2002 für den Kläger gearbeitet.

Der Senat ist davon überzeugt, dass die Beigeladene zu 4) während des streitigen Zeitraums gegen Arbeitsentgelt oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze (§ 8 SGB IV) beschäftigt worden ist. Nach § 8 Abs. 1 SGB IV in der während des streitigen Zeitraums geltenden Fassung liegt eine geringfügige Beschäftigung vor, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als fünfzehn Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat 630 DM (ab 1. Januar 2002: 325 Euro) nicht übersteigt oder die Beschäftigung innerhalb eines Jahres seit ihrem Beginn auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 630 DM (ab. 1. Januar 2002: 325 Euro) im Monat übersteigt. Die Beigeladene zu 4) hat angegeben, dass sie während der streitigen Zeit regelmäßig 30-50 Stunden in der Woche mit einem Stundelohn von 24,- DM für den Kläger gearbeitet hat. Damit wäre die Geringfügigkeitsgrenze offensichtlich überschritten, zumal die Beschäftigung nicht auf einen vorübergehenden Zeitraum begrenzt gewesen ist. Der Senat hat keinen Anlass, an der Darstellung der Beigeladenen zu 4) zu zweifeln. Soweit Abrechnungsunterlagen vorhanden sind (für März/April 2000, September bis Dezember 2000, September bis Oktober 2001 und Juni 2002) bestätigen diese die Angaben. Der Kläger hat für die übrigen Zeiträume keine anderslautenden Unterlagen vorgelegt, obwohl er im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten im Mai 2003 noch vorgetragen hat, er könne Stundenzettel für weitere Monate vorlegen und detaillierte Angaben zu Fehltagen machte.

Nach alledem war der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 2. Februar 2011 insoweit aufzuheben und die nunmehr gegen den Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2012 gerichtete Klage abzuweisen.

Der von dem Kläger hilfsweise gestellte Antrag auf Feststellung, dass die Beigeladene zu 4) bei ihm in der Zeit vom 30. März 2000 bis 4. Oktober 2002 nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt war, konnte aus den schon oben angeführten Gründen keinen Erfolg haben. Die Beigeladene zu 4) stand bei dem Kläger in einem Beschäftigungsverhältnis.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 und 4, 161 Abs.1 Verwaltungsgerichtsordnung. Sie berücksichtigt, dass der ursprünglich rechtswidrige Bescheid erst während des laufenden Berufungsverfahrens ersetzt worden ist.
Rechtskraft
Aus
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