Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 32 R 56/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 45/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 23. November 2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die nachträgliche Erhebung von Beiträgen aus der Pflichtversicherung der Klägerin als selbständige Lehrerin.
Die 1943 geborene Klägerin besitzt die schwedische Staatsbürgerschaft. Sie ist seit September 1994 bis April 2009 in der Bundesrepublik als selbständige Lehrerin tätig gewesen. Für die Zeiträume vom 22. Juli bis 17. November 1994, vom 1. Dezember 1994 bis 26. Januar 1995 und vom 12. bis 29. Juni 1996 sind der Rentenversicherung Zeiten der Pflichtversicherung wegen abhängiger Beschäftigung gemeldet worden. Am 7. Mai 2009 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente. Vom schwedischen Rentenleistungsträger bezieht sie seit 1. August 2009 Altersrente.
Die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren auf Aufforderung vom 27. November 2009 eingereichten Einkommenssteuerbescheide weisen folgende Einkünfte aus selbständiger freiberuflicher Tätigkeit aus: EStB 2004 vom 04.11.2005 – 8.723 EUR EStB 2005 vom 30.10.2006 – 11.341 EUR EStB 2006 vom 22.08.2007 – 16.088 EUR EStB 2007 vom 05.09.2008 – 18.606 EUR
Mit Bescheid vom 4. März 2010 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin vom 15. September 1994 bis 30. April 2009 nach § 2 Abs 1 Nr. 1-2 SGB VI versicherungspflichtig gewesen sei. Die Versicherungspflicht habe mit dem Tag der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit begonnen. Ein Verzicht, d.h. ein freiwilliges Ausscheiden aus der Versicherungspflicht, sei nicht möglich. Die Versicherungspflicht ende mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht wegfielen. Die Höhe der fälligen Beiträge könne die Klägerin der Beitragsberechnung entnehmen, die Bestandteil des Bescheides sei. Versicherungspflichtige Selbständige hätten grundsätzlich den Regelbeitrag, der einem Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße entspreche, zu zahlen. Die Klägerin sei berechtigt, einen niedrigeren Beitrag als den Regelbeitrag zu zahlen, weil das Arbeitseinkommen aus ihrer selbständigen Tätigkeit niedriger sei als die Bezugsgröße. Die Beiträge vom 15. September 1994 bis 30. November 2004 seien bereits verjährt. Für den Zeitraum ab 1. Dezember 2004 bis 30. April 2009 machte die Beklagte Beitragsforderungen i.H.v. insgesamt 10.904,68 EUR geltend. Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer als "Berufung" bezeichneten E-Mail vom 26. März 2010. Sie verzichte auf die deutsche Rente und möchte diese nicht weiter ausbezahlt kommen; was sie schon erhalten habe, werde sie zurück überweisen. Sie beantragte, die Forderung zu erlassen, hilfsweise niederzuschlagen. Durch die Zahlung der Beiträge, werde sie vermehrt sozialhilfebedürftig und müsste private Insolvenz anmelden. Allerdings könne über diese Anträge erst entschieden werden, wenn die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung geklärt sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2010 zurück. Selbständig tätige Lehrer würden kraft Gesetzes der Versicherungspflicht unterliegen, sofern sie im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen würden. Die von der Klägerin ausgeübte selbständige Tätigkeit im Fremdsprachenunterricht unterliege kraft Gesetzes der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Auf dieser Grundlage seien von der Klägerin Pflichtbeiträge zu entrichten.
Mit ihrer Klage vom 19. Oktober 2010 verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Sie hat vor dem Sozialgericht beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2010 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht Potsdam hat durch Urteil vom 23. November 2011 die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Hinsichtlich der Entscheidungsgründe wurde auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Hinzuzufügen sei, dass die Versicherungspflicht der Klägerin als selbständige Lehrerin nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VI zurecht festgestellt worden sei. Die Beklagte habe die Einkommenssteuerbescheide der Klägerin im festgesetzten Zeitraum ordnungsgemäß ausgewertet, so dass die festgesetzten Versicherungsbeiträge in ihrer Höhen nicht zu beanstanden sein. Ein Aufklärungsbedarf habe sich der Beklagten nicht aufdrängen müssen. Vielmehr sei es Sache der Klägerin gewesen, zu gegebener Zeit einen rechtzeitigen Antrag auf die Klärung ihres Versicherungskontos zu stellen und sich wegen der daraus ergebenden Rechtsfragen an die Beklagte zu wenden. Es falle in den Risikobereich der Klägerin, wenn diese auf die Klärung des Versicherungskontos bis zur Beantragung der Altersrente zugewartet habe. Von ihr als Akademikerin könne erwartet werden, dass sie dies hinreichend überblicke.
Die Klägerin begründet ihre Berufung damit, dass sich das Sozialgericht im angegriffenen Urteil nicht vollständig mit den aufgeworfenen Rechtsfragen beschäftigt habe. Die Versicherungspflicht als solche stehe nicht mehr im Streit. Vielmehr gehe es um die Frage, ob nachträglich Beiträge erhoben werden könnten. Dabei sei insbesondere die Frage nicht beantwortet worden, ob die Entrichtung von Beiträgen, die zu keiner wesentlichen Erhöhung der Rente führen würden, verhältnismäßig sei. Insbesondere sei auch nicht geklärt worden, ob die Rente seit Eintritt des Versicherungsfalles neu zu berechnen sei, sollten die Beiträge nachentrichtet werden. Zudem sei der Beklagten ein Aufklärungsverschulden vorzuwerfen. Die Klägerin lebe bereits seit 1994 in Deutschland und habe anfänglich eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Die Kontenklärung sei erst 15 Jahre später iniziert worden. Dies beruhe auf einem Antrag der Klägerin und nicht der Beklagten. Nach § 115 Abs 6 SGB VI seien die Träger der Rentenversicherung gehalten, die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinzuweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Aufgrund des bevorstehenden Eintritts des Versicherungsfalles wäre die Beklagte gehalten gewesen, rechtzeitig darauf hinzuwirken, dass die Klägerin einen Rentenantrag stelle. Dies sei nie geschehen. Zudem habe die Beklagte es versäumt, das Versicherungskonto so zu führen, dass rechtzeitig ein Kontenklärungsverfahren hätte durchgeführt werden können. Es fehle an jeglicher Aufklärung der Klägerin über ihre Gestaltungsmöglichkeiten. Auch eine entsprechende Information durch die schwedische Verbindungsstelle liege nicht vor. Ein Fehlverhalten dieser Verbindungsstelle sei dem Rentenversicherungsträger in Deutschland zuzurechnen und führe zu einem Herstellungsanspruch. Eine Aufklärungspflicht bestehe in besonderem Maße, wenn es sich um Versicherte handele, die aus einem nicht deutschsprachigen Land kommen. Die Klägerin mache daher aufgrund der fehlenden Aufklärung den Herstellungsanspruch geltend mit der Folge, dass keine Beiträge zu erheben seien. Sie hat den auf den 2. September 2004 datierten Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2003, der Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 11.695 EUR ausweist, und den auf den 9. März 2005 datierten EStB 2002 (Einkünfte aus selbständiger Arbeit: 15.376 EUR) eingereicht.
Sie hat das Teilanerkenntnis der Beklagten, den angefochtenen Bescheid dahingehend zu ändern, dass als monatlich zu zahlende Beiträge für November und Dezember 2006 nur jeweils 142,94 EUR, für September und Oktober 2007 nur jeweils 189,91 EUR, für Oktober und November 2008 nur jeweils 272,13 EUR festgesetzt werden und sich die Gesamtforderung auf den Betrag von 10.582,88 EUR reduziert, in der mündlichen Verhandlung angenommen.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 23. November 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2010 insoweit aufzuheben, als die Beklagte die Zahlung von Beiträgen verfügt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ihr sei keine höchstrichterliche Rechtsprechung bekannt, wonach die Erhebung von Rentenversicherungsbeiträgen unverhältnismäßig sei. Insofern gebe es Vorschriften zu Stundung und Erlass von Forderungen. Ab dem Folgemonat auf die Zahlung der Beiträge würde die Rentenhöhe entsprechend der gezahlten Beiträge angepasst. Eine Kontenklärung sei nicht möglich gewesen, weil die einzige bekannte Anschrift unzutreffend gewesen sei. Die Nichtforderung von Beiträgen sei keine mögliche Rechtsfolge eines Herstellungsanspruchs.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Soweit nicht der Rechtsstreit durch das Teilanerkenntnis erledigt ist, ist das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 4. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2010 verletzt nach dem Teilanerkenntnis der Beklagten keine Rechte der Klägerin. Aufgrund der Versicherungspflicht der Klägerin durfte die Beklagte die nichtverjährten Beiträge durch Beitragsbescheid geltend machen.
Gegenstand des Rechtsstreites sind, nachdem die Klägerin ausdrücklich klar gestellt hat, dass die Versicherungspflicht nicht mehr im Streit sei, nur noch die Regelungen des angefochtenen Bescheides, welche die Beitragsforderungen betreffen. Die Feststellung der Versicherungspflicht durch den angefochtenen Bescheid ist durch die Begrenzung der Berufung bestandskräftig geworden, während die Verfügungen über die Beitragszahlung dem Grunde und der Höhe nach weiter Gegenstand des Verfahrens bleiben.
Die Klägerin hat nach dem Teilanerkenntnis der Beklagten keinen weitergehenden Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides und kann nicht geltend machen, die Beitragsforderungen würden dem Grunde nach nicht bestehen. Die Beklagte hat zutreffend die kraft Gesetzes entstandenen Beitragsforderungen durch Bescheid geltend gemacht und dabei einkommensgerechte Beiträge berechnet. Das Recht zur Zahlung höherer Beiträge verfolgt die Klägerin jedenfalls nicht. Die geltend gemachten Beiträge sind weder verjährt noch verwirkt.
Gemäß §§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB IV, 173, 169 Nr 1, 157, 161 Abs 1, 165 Abs 1 Nr 1 SGB VI war zwingende gesetzliche Folge der gesetzlichen Versicherung der Klägerin die Pflicht zur Beitragszahlung. Gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Die Beiträge sind nach § 173 SGB VI von denjenigen, die sie zu tragen haben (Beitragsschuldner), unmittelbar an die Träger der Rentenversicherung zu zahlen. Wegen § 169 Nr 1 SGB VI werden die Beiträge bei selbständig Tätigen von diesen selbst getragen. Die Beiträge werden gemäß § 157 SGB VI nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird. Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI). Nach § 165 Abs 1 Nr 1 SGB VI sind beitragspflichtige Einnahmen bei selbständig Tätigen ein Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines niedrigeren oder höheren Arbeitseinkommens jedoch dieses Arbeitseinkommen, wobei mindestens ein Einkommen entsprechend der Geringfügigkeitsgrenze von 400,00 EUR zu verbeitragen ist.
Die selbständig tätige Klägerin mit Einkommen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze unterlag damit kraft Gesetzes der Pflicht zur Zahlung einkommensgerechter Beiträge, denn ihre Einkünfte waren durch die Steuerbescheide jedenfalls für die Zeiträume seit Januar 2007 nachgewiesen. Einen Gestaltungsspielraum für die Begründung dieser Pflicht war den Beteiligten nicht eingeräumt. Weil die Versicherungspflicht der Klägerin für die Beteiligten und das Gericht nach insoweit eingetretener Bestandskraft des die Versicherungspflicht feststellenden Bescheides bindend festgestellt ist, tritt die daraus gesetzesunmittelbar resultierende Rechtsfolge der Beitragspflicht ein. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtsfolge hat der Senat weder dem Grunde nach noch hinsichtlich der Frage, inwieweit die Beiträge im Hinblick auf deren Höhe und den daraus resultierenden Rentenwert unverhältnismäßig sein könnten. Denn aus den gezahlten Beiträgen würde wie für alle anderen Versicherten auch der Rentenwert auf das verbeitragte Einkommen ermittelt. Von der Höhe des verbeitragten Einkommens hinge die Höhe der Rente ab. Bei der Rentenberechnung würde eine Benachteiligung der Klägerin etwa gegenüber abhängigen Beschäftigten nicht vorgenommen. Ein Verzicht auf die Sozialleistung bei Eintritt des Versicherungsfalles lässt die gesetzliche Beitragspflicht nicht entfallen.
Die Klägerin kann auch nicht über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch die Freistellung von der Beitragspflicht geltend machen. Der von der Rechtsprechung entwickelte, auf § 2 Abs 2 letzter Teilsatz SGB I und Art 20 Abs 3 GG beruhende sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aufgrund des konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Berechtigten gegenüber erwachsenden Haupt- und Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (st. Rspr.: BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 R 7/10 R, RdNr 28 mwN). Ziel des Herstellungsanspruchs ist die Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes. Weil die hier streitige Rechtsfolge der Beitragspflicht bei bestehender Versicherungspflicht kraft Gesetzes eintritt und nicht Ausfluss eines Gestaltungsrechts der Beteiligten ist, wäre die einzige Rechtsfolge eines ggf bestehenden Herstellungsanspruchs die Pflicht und das Recht zur Beitragszahlung, ggf im Rahmen des § 165 SGB VI die Gestaltung der Höhe der Beiträge. Ausgeschlossen ist als Rechtsfolge die Freistellung von der Beitragspflicht. Daher kann sich die Klägerin, soweit sie sich gegen die Beitragspflicht wendet, schon im Hinblick auf dessen Rechtsfolge nicht auf den Herstellungsanspruch berufen. Auf eine Verletzung von Hinweis-, Aufklärungs- oder Beratungspflichten kommt es daher nicht an.
Die von der Beklagten nunmehr noch geltend gemachten Beiträge sind nicht verjährt. Nach § 25 Abs 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Der Beitrag für Dezember 2004 wurde gemäß § 23 Abs 1 Satz 2 SGB IV am 15. Januar 2005 fällig und war daher bis zum Ablauf des Kalenderjahres 2009 noch nicht verjährt. Dies gilt für die Beiträge späterer Beitragsmonate erst recht. Die bei der Klägerin am 27. November 2009 durch die Anforderung der Angaben zur versicherungspflichtigen Tätigkeit und der Einkommenssteuerbescheide eingeleitete Beitragsprüfung hat gemäß § 25 Abs 2 Satz 6 SGB IV in Verbindung mit den Sätzen 2 bis 5 der Vorschrift die Verjährung gehemmt. Nach § 25 Abs 2 Satz 6 SGB IV gelten die Sätze 2 bis 5 der Vorschrift bei Prüfungen der Beitragszahlung durch versicherungspflichtige Selbständige, wie der Klägerin, entsprechend. Satz 2 ordnet die Hemmung der Verjährung an. Die Hemmung währte bis zum Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides (Satz 4). Der Beitragsbescheid löst wegen § 52 Abs 1 SGB X eine weitere Hemmung aus. Gemäß § 52 Abs 1 SGB X hemmt ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs. Die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts. Daher ist zwischenzeitlich noch keine Verjährung eingetreten.
Die nunmehr noch offenen Beitragsforderungen sind auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt (st. Rspr, vgl BSG, Urteil vom 27.07.2011, B 12 R 16/09 R, RdNr 36 mwN). Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG ebd). Im Fall der Klägerin scheitert eine Verwirkung jedenfalls daran, dass ein vertrauensauslösendes Verwirkungsverhalten der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht feststellbar ist. Die Klägerin rügt ja gerade, dass die Beklagte ihr gegenüber keinerlei Aktivitäten entfaltet hat.
Die Beitragsfestsetzungen verletzen hinsichtlich der ihrer Höhe keine Rechte der Klägerin. Soweit die Höhe der Beiträge von der Beklagten für die Monate November, Dezember 2006, September, Oktober 2007 sowie Oktober und November 2008 entgegen § 165 Abs 6 SGB VI nicht korrekt berechnet worden war, hat die Beklagte die Klageforderung anerkannt.
Die Rechtswidrigkeit der Beitragsfestsetzungen für die Zeiträume vor Februar 2006 löst keinen Anspruch der Klägerin auf Aufhebung oder Korrektur des angefochtenen Bescheides aus. Die Klägerin ist insoweit nicht beschwert. Zwar konnte der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2004 nach § 165 Abs 1 Sätze 3 und 8 SGB VI wegen seiner Ausfertigung am 4. November 2005 erst ab 1. Februar 2006 berücksichtigt werden. Für die Zeiträume davor konnte nur der EStB 2003 maßgeblich sein. Dieser wies jedoch deutlich höhere Arbeitseinkommen als der berücksichtigte EStB 2004 aus. Dies hätte zu deutlich höheren Beiträgen geführt, als sie von der Beklagten festgesetzt wurden. Wegen der niedriger festgesetzten Beitragslast ist die Klägerin nicht beschwert.
Die Berechnungen der Beiträge sind im Übrigen korrekt, insbesondere hinsichtlich der Dynamisierung der Arbeitseinkommen, deren monatliche Umrechnung und der angewandten Beitragssätze. Die Berechnungen der Beklagten sind insofern vom Senat vollständig nachvollzogen, von der Klägerin aber nicht gerügt worden, weshalb insofern auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe entsprechend § 136 Abs 3 SGG abgesehen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt die ganz überwiegende Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die nachträgliche Erhebung von Beiträgen aus der Pflichtversicherung der Klägerin als selbständige Lehrerin.
Die 1943 geborene Klägerin besitzt die schwedische Staatsbürgerschaft. Sie ist seit September 1994 bis April 2009 in der Bundesrepublik als selbständige Lehrerin tätig gewesen. Für die Zeiträume vom 22. Juli bis 17. November 1994, vom 1. Dezember 1994 bis 26. Januar 1995 und vom 12. bis 29. Juni 1996 sind der Rentenversicherung Zeiten der Pflichtversicherung wegen abhängiger Beschäftigung gemeldet worden. Am 7. Mai 2009 beantragte sie bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente. Vom schwedischen Rentenleistungsträger bezieht sie seit 1. August 2009 Altersrente.
Die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren auf Aufforderung vom 27. November 2009 eingereichten Einkommenssteuerbescheide weisen folgende Einkünfte aus selbständiger freiberuflicher Tätigkeit aus: EStB 2004 vom 04.11.2005 – 8.723 EUR EStB 2005 vom 30.10.2006 – 11.341 EUR EStB 2006 vom 22.08.2007 – 16.088 EUR EStB 2007 vom 05.09.2008 – 18.606 EUR
Mit Bescheid vom 4. März 2010 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin vom 15. September 1994 bis 30. April 2009 nach § 2 Abs 1 Nr. 1-2 SGB VI versicherungspflichtig gewesen sei. Die Versicherungspflicht habe mit dem Tag der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit begonnen. Ein Verzicht, d.h. ein freiwilliges Ausscheiden aus der Versicherungspflicht, sei nicht möglich. Die Versicherungspflicht ende mit Ablauf des Tages, an dem die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht wegfielen. Die Höhe der fälligen Beiträge könne die Klägerin der Beitragsberechnung entnehmen, die Bestandteil des Bescheides sei. Versicherungspflichtige Selbständige hätten grundsätzlich den Regelbeitrag, der einem Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße entspreche, zu zahlen. Die Klägerin sei berechtigt, einen niedrigeren Beitrag als den Regelbeitrag zu zahlen, weil das Arbeitseinkommen aus ihrer selbständigen Tätigkeit niedriger sei als die Bezugsgröße. Die Beiträge vom 15. September 1994 bis 30. November 2004 seien bereits verjährt. Für den Zeitraum ab 1. Dezember 2004 bis 30. April 2009 machte die Beklagte Beitragsforderungen i.H.v. insgesamt 10.904,68 EUR geltend. Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrer als "Berufung" bezeichneten E-Mail vom 26. März 2010. Sie verzichte auf die deutsche Rente und möchte diese nicht weiter ausbezahlt kommen; was sie schon erhalten habe, werde sie zurück überweisen. Sie beantragte, die Forderung zu erlassen, hilfsweise niederzuschlagen. Durch die Zahlung der Beiträge, werde sie vermehrt sozialhilfebedürftig und müsste private Insolvenz anmelden. Allerdings könne über diese Anträge erst entschieden werden, wenn die Rechtmäßigkeit der Beitragsforderung geklärt sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. Oktober 2010 zurück. Selbständig tätige Lehrer würden kraft Gesetzes der Versicherungspflicht unterliegen, sofern sie im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen würden. Die von der Klägerin ausgeübte selbständige Tätigkeit im Fremdsprachenunterricht unterliege kraft Gesetzes der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Auf dieser Grundlage seien von der Klägerin Pflichtbeiträge zu entrichten.
Mit ihrer Klage vom 19. Oktober 2010 verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Sie hat vor dem Sozialgericht beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2010 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht Potsdam hat durch Urteil vom 23. November 2011 die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Hinsichtlich der Entscheidungsgründe wurde auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Hinzuzufügen sei, dass die Versicherungspflicht der Klägerin als selbständige Lehrerin nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VI zurecht festgestellt worden sei. Die Beklagte habe die Einkommenssteuerbescheide der Klägerin im festgesetzten Zeitraum ordnungsgemäß ausgewertet, so dass die festgesetzten Versicherungsbeiträge in ihrer Höhen nicht zu beanstanden sein. Ein Aufklärungsbedarf habe sich der Beklagten nicht aufdrängen müssen. Vielmehr sei es Sache der Klägerin gewesen, zu gegebener Zeit einen rechtzeitigen Antrag auf die Klärung ihres Versicherungskontos zu stellen und sich wegen der daraus ergebenden Rechtsfragen an die Beklagte zu wenden. Es falle in den Risikobereich der Klägerin, wenn diese auf die Klärung des Versicherungskontos bis zur Beantragung der Altersrente zugewartet habe. Von ihr als Akademikerin könne erwartet werden, dass sie dies hinreichend überblicke.
Die Klägerin begründet ihre Berufung damit, dass sich das Sozialgericht im angegriffenen Urteil nicht vollständig mit den aufgeworfenen Rechtsfragen beschäftigt habe. Die Versicherungspflicht als solche stehe nicht mehr im Streit. Vielmehr gehe es um die Frage, ob nachträglich Beiträge erhoben werden könnten. Dabei sei insbesondere die Frage nicht beantwortet worden, ob die Entrichtung von Beiträgen, die zu keiner wesentlichen Erhöhung der Rente führen würden, verhältnismäßig sei. Insbesondere sei auch nicht geklärt worden, ob die Rente seit Eintritt des Versicherungsfalles neu zu berechnen sei, sollten die Beiträge nachentrichtet werden. Zudem sei der Beklagten ein Aufklärungsverschulden vorzuwerfen. Die Klägerin lebe bereits seit 1994 in Deutschland und habe anfänglich eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Die Kontenklärung sei erst 15 Jahre später iniziert worden. Dies beruhe auf einem Antrag der Klägerin und nicht der Beklagten. Nach § 115 Abs 6 SGB VI seien die Träger der Rentenversicherung gehalten, die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinzuweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Aufgrund des bevorstehenden Eintritts des Versicherungsfalles wäre die Beklagte gehalten gewesen, rechtzeitig darauf hinzuwirken, dass die Klägerin einen Rentenantrag stelle. Dies sei nie geschehen. Zudem habe die Beklagte es versäumt, das Versicherungskonto so zu führen, dass rechtzeitig ein Kontenklärungsverfahren hätte durchgeführt werden können. Es fehle an jeglicher Aufklärung der Klägerin über ihre Gestaltungsmöglichkeiten. Auch eine entsprechende Information durch die schwedische Verbindungsstelle liege nicht vor. Ein Fehlverhalten dieser Verbindungsstelle sei dem Rentenversicherungsträger in Deutschland zuzurechnen und führe zu einem Herstellungsanspruch. Eine Aufklärungspflicht bestehe in besonderem Maße, wenn es sich um Versicherte handele, die aus einem nicht deutschsprachigen Land kommen. Die Klägerin mache daher aufgrund der fehlenden Aufklärung den Herstellungsanspruch geltend mit der Folge, dass keine Beiträge zu erheben seien. Sie hat den auf den 2. September 2004 datierten Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2003, der Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 11.695 EUR ausweist, und den auf den 9. März 2005 datierten EStB 2002 (Einkünfte aus selbständiger Arbeit: 15.376 EUR) eingereicht.
Sie hat das Teilanerkenntnis der Beklagten, den angefochtenen Bescheid dahingehend zu ändern, dass als monatlich zu zahlende Beiträge für November und Dezember 2006 nur jeweils 142,94 EUR, für September und Oktober 2007 nur jeweils 189,91 EUR, für Oktober und November 2008 nur jeweils 272,13 EUR festgesetzt werden und sich die Gesamtforderung auf den Betrag von 10.582,88 EUR reduziert, in der mündlichen Verhandlung angenommen.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 23. November 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2010 insoweit aufzuheben, als die Beklagte die Zahlung von Beiträgen verfügt hat.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Ihr sei keine höchstrichterliche Rechtsprechung bekannt, wonach die Erhebung von Rentenversicherungsbeiträgen unverhältnismäßig sei. Insofern gebe es Vorschriften zu Stundung und Erlass von Forderungen. Ab dem Folgemonat auf die Zahlung der Beiträge würde die Rentenhöhe entsprechend der gezahlten Beiträge angepasst. Eine Kontenklärung sei nicht möglich gewesen, weil die einzige bekannte Anschrift unzutreffend gewesen sei. Die Nichtforderung von Beiträgen sei keine mögliche Rechtsfolge eines Herstellungsanspruchs.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Soweit nicht der Rechtsstreit durch das Teilanerkenntnis erledigt ist, ist das angefochtene Urteil im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 4. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Oktober 2010 verletzt nach dem Teilanerkenntnis der Beklagten keine Rechte der Klägerin. Aufgrund der Versicherungspflicht der Klägerin durfte die Beklagte die nichtverjährten Beiträge durch Beitragsbescheid geltend machen.
Gegenstand des Rechtsstreites sind, nachdem die Klägerin ausdrücklich klar gestellt hat, dass die Versicherungspflicht nicht mehr im Streit sei, nur noch die Regelungen des angefochtenen Bescheides, welche die Beitragsforderungen betreffen. Die Feststellung der Versicherungspflicht durch den angefochtenen Bescheid ist durch die Begrenzung der Berufung bestandskräftig geworden, während die Verfügungen über die Beitragszahlung dem Grunde und der Höhe nach weiter Gegenstand des Verfahrens bleiben.
Die Klägerin hat nach dem Teilanerkenntnis der Beklagten keinen weitergehenden Anspruch auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides und kann nicht geltend machen, die Beitragsforderungen würden dem Grunde nach nicht bestehen. Die Beklagte hat zutreffend die kraft Gesetzes entstandenen Beitragsforderungen durch Bescheid geltend gemacht und dabei einkommensgerechte Beiträge berechnet. Das Recht zur Zahlung höherer Beiträge verfolgt die Klägerin jedenfalls nicht. Die geltend gemachten Beiträge sind weder verjährt noch verwirkt.
Gemäß §§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB IV, 173, 169 Nr 1, 157, 161 Abs 1, 165 Abs 1 Nr 1 SGB VI war zwingende gesetzliche Folge der gesetzlichen Versicherung der Klägerin die Pflicht zur Beitragszahlung. Gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB IV entstehen die Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz bestimmten Voraussetzungen vorliegen. Die Beiträge sind nach § 173 SGB VI von denjenigen, die sie zu tragen haben (Beitragsschuldner), unmittelbar an die Träger der Rentenversicherung zu zahlen. Wegen § 169 Nr 1 SGB VI werden die Beiträge bei selbständig Tätigen von diesen selbst getragen. Die Beiträge werden gemäß § 157 SGB VI nach einem Vomhundertsatz (Beitragssatz) von der Beitragsbemessungsgrundlage erhoben, die nur bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt wird. Beitragsbemessungsgrundlage für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI). Nach § 165 Abs 1 Nr 1 SGB VI sind beitragspflichtige Einnahmen bei selbständig Tätigen ein Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines niedrigeren oder höheren Arbeitseinkommens jedoch dieses Arbeitseinkommen, wobei mindestens ein Einkommen entsprechend der Geringfügigkeitsgrenze von 400,00 EUR zu verbeitragen ist.
Die selbständig tätige Klägerin mit Einkommen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze unterlag damit kraft Gesetzes der Pflicht zur Zahlung einkommensgerechter Beiträge, denn ihre Einkünfte waren durch die Steuerbescheide jedenfalls für die Zeiträume seit Januar 2007 nachgewiesen. Einen Gestaltungsspielraum für die Begründung dieser Pflicht war den Beteiligten nicht eingeräumt. Weil die Versicherungspflicht der Klägerin für die Beteiligten und das Gericht nach insoweit eingetretener Bestandskraft des die Versicherungspflicht feststellenden Bescheides bindend festgestellt ist, tritt die daraus gesetzesunmittelbar resultierende Rechtsfolge der Beitragspflicht ein. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtsfolge hat der Senat weder dem Grunde nach noch hinsichtlich der Frage, inwieweit die Beiträge im Hinblick auf deren Höhe und den daraus resultierenden Rentenwert unverhältnismäßig sein könnten. Denn aus den gezahlten Beiträgen würde wie für alle anderen Versicherten auch der Rentenwert auf das verbeitragte Einkommen ermittelt. Von der Höhe des verbeitragten Einkommens hinge die Höhe der Rente ab. Bei der Rentenberechnung würde eine Benachteiligung der Klägerin etwa gegenüber abhängigen Beschäftigten nicht vorgenommen. Ein Verzicht auf die Sozialleistung bei Eintritt des Versicherungsfalles lässt die gesetzliche Beitragspflicht nicht entfallen.
Die Klägerin kann auch nicht über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch die Freistellung von der Beitragspflicht geltend machen. Der von der Rechtsprechung entwickelte, auf § 2 Abs 2 letzter Teilsatz SGB I und Art 20 Abs 3 GG beruhende sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Sozialleistungsträger die ihm aufgrund des konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Berechtigten gegenüber erwachsenden Haupt- und Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (st. Rspr.: BSG, Urteil vom 29.08.2012, B 12 R 7/10 R, RdNr 28 mwN). Ziel des Herstellungsanspruchs ist die Herstellung eines gesetzmäßigen Zustandes. Weil die hier streitige Rechtsfolge der Beitragspflicht bei bestehender Versicherungspflicht kraft Gesetzes eintritt und nicht Ausfluss eines Gestaltungsrechts der Beteiligten ist, wäre die einzige Rechtsfolge eines ggf bestehenden Herstellungsanspruchs die Pflicht und das Recht zur Beitragszahlung, ggf im Rahmen des § 165 SGB VI die Gestaltung der Höhe der Beiträge. Ausgeschlossen ist als Rechtsfolge die Freistellung von der Beitragspflicht. Daher kann sich die Klägerin, soweit sie sich gegen die Beitragspflicht wendet, schon im Hinblick auf dessen Rechtsfolge nicht auf den Herstellungsanspruch berufen. Auf eine Verletzung von Hinweis-, Aufklärungs- oder Beratungspflichten kommt es daher nicht an.
Die von der Beklagten nunmehr noch geltend gemachten Beiträge sind nicht verjährt. Nach § 25 Abs 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Der Beitrag für Dezember 2004 wurde gemäß § 23 Abs 1 Satz 2 SGB IV am 15. Januar 2005 fällig und war daher bis zum Ablauf des Kalenderjahres 2009 noch nicht verjährt. Dies gilt für die Beiträge späterer Beitragsmonate erst recht. Die bei der Klägerin am 27. November 2009 durch die Anforderung der Angaben zur versicherungspflichtigen Tätigkeit und der Einkommenssteuerbescheide eingeleitete Beitragsprüfung hat gemäß § 25 Abs 2 Satz 6 SGB IV in Verbindung mit den Sätzen 2 bis 5 der Vorschrift die Verjährung gehemmt. Nach § 25 Abs 2 Satz 6 SGB IV gelten die Sätze 2 bis 5 der Vorschrift bei Prüfungen der Beitragszahlung durch versicherungspflichtige Selbständige, wie der Klägerin, entsprechend. Satz 2 ordnet die Hemmung der Verjährung an. Die Hemmung währte bis zum Erlass des angefochtenen Beitragsbescheides (Satz 4). Der Beitragsbescheid löst wegen § 52 Abs 1 SGB X eine weitere Hemmung aus. Gemäß § 52 Abs 1 SGB X hemmt ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs. Die Hemmung endet mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts. Daher ist zwischenzeitlich noch keine Verjährung eingetreten.
Die nunmehr noch offenen Beitragsforderungen sind auch nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch für das Sozialversicherungsrecht und insbesondere für die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt (st. Rspr, vgl BSG, Urteil vom 27.07.2011, B 12 R 16/09 R, RdNr 36 mwN). Die Verwirkung setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG ebd). Im Fall der Klägerin scheitert eine Verwirkung jedenfalls daran, dass ein vertrauensauslösendes Verwirkungsverhalten der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht feststellbar ist. Die Klägerin rügt ja gerade, dass die Beklagte ihr gegenüber keinerlei Aktivitäten entfaltet hat.
Die Beitragsfestsetzungen verletzen hinsichtlich der ihrer Höhe keine Rechte der Klägerin. Soweit die Höhe der Beiträge von der Beklagten für die Monate November, Dezember 2006, September, Oktober 2007 sowie Oktober und November 2008 entgegen § 165 Abs 6 SGB VI nicht korrekt berechnet worden war, hat die Beklagte die Klageforderung anerkannt.
Die Rechtswidrigkeit der Beitragsfestsetzungen für die Zeiträume vor Februar 2006 löst keinen Anspruch der Klägerin auf Aufhebung oder Korrektur des angefochtenen Bescheides aus. Die Klägerin ist insoweit nicht beschwert. Zwar konnte der Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2004 nach § 165 Abs 1 Sätze 3 und 8 SGB VI wegen seiner Ausfertigung am 4. November 2005 erst ab 1. Februar 2006 berücksichtigt werden. Für die Zeiträume davor konnte nur der EStB 2003 maßgeblich sein. Dieser wies jedoch deutlich höhere Arbeitseinkommen als der berücksichtigte EStB 2004 aus. Dies hätte zu deutlich höheren Beiträgen geführt, als sie von der Beklagten festgesetzt wurden. Wegen der niedriger festgesetzten Beitragslast ist die Klägerin nicht beschwert.
Die Berechnungen der Beiträge sind im Übrigen korrekt, insbesondere hinsichtlich der Dynamisierung der Arbeitseinkommen, deren monatliche Umrechnung und der angewandten Beitragssätze. Die Berechnungen der Beklagten sind insofern vom Senat vollständig nachvollzogen, von der Klägerin aber nicht gerügt worden, weshalb insofern auf den angefochtenen Bescheid Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe entsprechend § 136 Abs 3 SGG abgesehen wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt die ganz überwiegende Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil ein Grund hierfür nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG nicht vorliegt.
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