L 23 SO 17/13 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 47 SO 1941/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 17/13 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 07. Dezember 2012 aufgehoben und der Klägerin für das sozialgerichtliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt M L, Ustraße B, gewährt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Bewilligung von Hilfe zur Pflege im Rahmen eines Persönlichen Budgets –pB –nach § 61 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII, § 17 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – SGB IX -.

Die 1974 geborene Klägerin beantragte, nachdem ihr bis 31. Januar 2011 Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB XII als pB gewährt worden waren (Bl. 22 der Verwaltungsakte – VA -), die Weitergewährung dieser Leistungen als pB. Mit Bescheid vom 10. Mai 2011 gewährte der Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01. Februar 2011 bis 31. Januar 2012 Hilfe zur Pflege zur Organisation einer persönlichen Assistenz im Rahmen des Arbeitgebermodells (§ 65 Abs. 1 SGB XII). Den hiergegen erhobenen Widerspruch, mit dem die Klägerin die gewährte Leistung als pB begehrte (Begründung mit Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten vom 18. Juli 2011), wies der Beklagte mit Bescheid vom 20. Juni 2012, dem Verfahrensbevollmächtigten am 27. Juni 2012 zugegangen, zurück. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen an, dass die der Klägerin gewährten Leistungen nicht als pB gewährt werden könnten. Budgetfähig seien zwar auch die Leistungen der Hilfe zur Pflege, dies allerdings nach den gesetzlichen Regelungen nur neben Leistungen der Teilhabe im Rahmen der Eingliederungshilfe – EinglH -. Der Klägerin würden keine Leistungen der EinglH gewährt, so dass die Hilfe zur Pflege zur Organisation einer persönlichen Assistenz im Rahmen des Arbeitgebermodells erfolgt sei.

Daraufhin hat die Klägerin am 26. Juli 2012 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben und schriftsätzlich beantragt festzustellen, dass die Ablehnung der Gewährung eines pB mit dem Bescheid vom 10. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2012 rechtswidrig war.

Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 07. Dezember 2012, zugestellt am 02. Januar 2013, abgelehnt. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg. Für die erhobene Feststellungsklage habe die Klägerin weder ein Rechtsschutzbedürfnis noch ein Feststellungsinteresse nachgewiesen.

Mit der am 25. Januar 2013 eingelegten Beschwerde begehrt die Klägerin weiterhin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren. Für das für eine Feststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse reiche ein vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse aus, welches sie geltend mache. Die bloße Tatsache, dass ein Rechtsanspruch ignoriert werde, reiche für die Annahme eines berechtigten Interesses. Der bestehende Nachteil liege darin, dass sie, die Klägerin, an der Ausübung ihres Wunsch- und Wahlrechts gehindert werde. Es komme nicht darauf an, ob die Möglichkeiten, die sich aus der Gewährung eines pB ergeben könnten, genutzt werden können. Zumindest liege ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse vor.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 07. Dezember 2012 aufzuheben und ihr für das sozialgerichtliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt M L, Ustraße B, zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten (Band IV und V) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz SGG i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO erhält ein Beteiligter auf Antrag PKH, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die Klägerin ist nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Dies folgt aus der vorliegenden Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Anlagen. Sie bezieht Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den §§ 41 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – von dem Beklagten; einzusetzendes Vermögen ist nicht vorhanden.

Der Rechtsstreit bietet auch hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint nicht mutwillig.

Dabei dürfen an die Prüfung der Erfolgsaussicht keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Oktober 1991, 1 BvR 1386/91, NJW 1992, 889). Eine Rechtsverfolgung ist dann hinreichend Erfolg versprechend, wenn das Gericht nach vorläufiger summarischer Prüfung den Rechtsstandpunkt des Antragstellers unter Berücksichtigung des Vortrages des anderen Beteiligten zumindest für vertretbar und den Prozesserfolg für wahrscheinlich hält. Eine Vorwegnahme der Entscheidung der Hauptsache erfolgt im Rahmen der Prüfung der Erfolgswahrscheinlichkeit im Prozesskostenhilfeverfahren nicht (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, NJW 1991, 413). Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ist vom Antrag der Klägerin auszugehen, der ggf. auszulegen ist.

Der Klage kann danach eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit nicht abgesprochen werden. Die Klage, mit der die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides des Beklagten begehrt wird, ist nicht offensichtlich unzulässig. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben. Nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG kann mit der Klage die Feststellung begehrt werden, dass ein Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn sich der Verwaltungsakt erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat.

Vorliegend hat sich der Bescheid vom 10. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 2012, mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, der Klägerin für den Zeitraum vom 01. Februar 2011 bis 31. Januar 2012 Leistungen als pB zu gewähren, bereits vor Klageerhebung durch Zeitablauf erledigt. Mit dem Bescheid hat der Beklagte nur die Leistungsgewährung für den genannten Zeitraum regeln wollen, so dass sich auch auf diesen nur die Ablehnung der von der Klägerin begehrten Leistungsart bezieht. Dass sich auch bei einer Ablehnung der Leistung "pB" auf Dauer die Regelung durch ein weiteres Antragsverfahren, welches mit Bescheid vom 14. Mai 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2012 beendet worden ist, erledigt hat (vgl. hierzu BSG vom 02. Februar 2010, B 8 SO 21/08 R, juris, Rnr. 9), kann dahinstehen.

Zwar setzt die Fortsetzungsfeststellungsklage nach dem Wortlaut den Eintritt der Erledigung nach Klageerhebung voraus. Sie ist aber entsprechend auf Sachverhalte anwendbar, wenn der Verwaltungsakt vor Klageerhebung erledigt ist (BSG v. 28.08.2007 – B 7/7a AL 16/06 R -, juris; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leither, SGG, 10. Auflage, § 131, Rn. 7d, mwN.) und der Verwaltungsakt bei Klageerhebung noch nicht bestandskräftig war (BVerwG v. 05. Juni 174 – VIII C 1.74 -, BVerwGE 45, 189; Keller, aaO.). Der Bescheid vom 10. Mai 2011 ist nicht bestandskräftig geworden, da die Klägerin rechtzeitig Widerspruch und Klage erhoben hat.

Die Klage ist auch nicht mangels eines erforderlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresses unzulässig. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist dabei nur dann zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der behördlichen Entscheidung – hier der Ablehnung der Leistung "pB" - hat. Ein solches Interesse besteht nur dann – ist aber auch in diesem Fall anzunehmen -, wenn die begehrte Entscheidung des Gerichts in irgendeiner Weise noch geeignet ist, die Position des Klägers in wirtschaftlicher, rechtlicher oder ideeller Art zu verbessern (Keller, aaO., Rn. 10a). Das Interesse kann in einer Wiederholungsgefahr bestehen, in einer Präjudizialität der erstrebten Entscheidung liegen, rechtlicher und wirtschaftlicher Art sein (BSG v. 28.08.2007 – B 7/7a AL 16/06 R, juris, Rn. 11).

Hier begründet bereits die mit Schriftsatz vom 04. September 2012 geltend gemachte Wiederholungsgefahr das berechtigte Interesse der Klägerin, so dass es nicht darauf ankommt, ob die Klägerin einen wirtschaftlichen Vorteil aus der von ihr begehrten Feststellung erlangen kann.

Für die Annahme einer Wiederholungsgefahr ist es ausreichend, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass bei wesentlich unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen in naher Zukunft eine gleichartige Verwaltungsentscheidung ergeht (BSG v. 24.07.1996 – 7 KlAr 1/95 -, juris, Rn. 47). Diese Situation liegt für die Klägerin hier vor. Der Beklagte gewährt die von der Klägerin regelmäßig beantragte Leistung der Hilfe zur Pflege offenbar jeweils für die Dauer eines Jahres, so dass weitere Verwaltungsentscheidungen zu dem Begehren der Klägerin, die Leistung als pB zu erhalten, konkret zu erwarten sind. Die geltend gemachte Gefahr hat sich bereits verwirklicht, denn der Beklagte hat mit Bescheid vom 14. Mai 2012 in der Gestalt der Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2012 bereits – bei unveränderter Sach- und Rechtslage – das Begehren der Klägerin mit der Begründung des Bescheides vom 10. Mai 2011 abgelehnt.

Zweifel am Rechtsschutzbedürfnis bestehen bei einem berechtigten Interesse an der begehrten gerichtlichen Feststellung nicht. Das Rechtsschutzbedürfnis ist auch nicht etwa deshalb zu verneinen, weil der Beklagte mit dem Bescheid vom 14. Mai 2012 erneut einen entsprechenden Antrag der Klägerin abschlägig entschieden hat und die Klägerin in dem dortigen Verfahren ihr Rechtsschutzziel verfolgen könnte. Ein solches Verfahren ließe nicht das Rechtsschutzbedürfnis im vorliegenden entfallen, allenfalls bestünden Zweifel an der Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage bezogen auf den Bescheid vom 14. Mai 2012 im Hinblick auf das anhängige Klageverfahren, für welches hier Prozesskostenhilfe begehrt wird.

Der somit zulässigen Fortsetzungsfeststellungsklage kann auch eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit nicht abgesprochen werden. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist begründet, wenn der Bescheid vom 10. Mai 2011 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt war. Dies erscheint nicht ausgeschlossen. Die Klägerin begehrt die Leistung pB. Nach § 17 SGB IX in Verbindung mit § 159 Abs. 5 SGB IX besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Anspruch auf Ausführung der Leistungen zur Teilhabe als pB.

Dabei kann im Rahmen der Entscheidung über einen Anspruch auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren dahingestellt bleiben, ob die Klägerin einen Anspruch darauf hätte, allein Leistungen der Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB XII in Form eines pB zu erhalten, was der Beklagte vorliegend verneint. Der Senat lässt daher ausdrücklich offen, ob aus § 61 Abs. 2 Satz 4 SGB XII und dem Verweis auf § 2 Verordnung zur Durchführung des § 17 Abs. 2 bis 4 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – Budgetverordnung – (BudgetVO) folgt, dass auch Leistungen der Hilfe zur Pflege isoliert in Form eines pB auf Antrag zu leisten sind (in diesem Sinne: Meßling in jurisPK-SGB XII, 1. Auflage 2011, § 61, Rn. 156). Jedenfalls besteht, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, ein Anspruch auf die Leistungsform pB, wenn die Hilfe zur Pflege neben einer Teilhabeleistung erbracht würde. Dies ergibt sich bereits aus § 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, wonach "neben" Leistungen zur Teilhabe auch die erforderlichen Leistungen der Hilfe zur Pflege der Sozialhilfe budgetfähig sind. Vorliegend macht die Klägerin u.a. geltend, mit den Leistungen des Beklagten auch Leistungen der Teilhabe nach § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 SGB IX bereits zu erhalten bzw. beanspruchen zu können (Schriftsatz vom 06.12.2012). Die Klägerin hat schon mit dem bei der Antragstellung bei dem Beklagten am 02. Februar 2011 eingereichen "Assistenzplan" angeführt, dass sie u.a. Hilfen zur Teilnahme am kulturellen Leben, bei der Teilnahme an einem Vereinsleben, zur Wahrnehmung der Vorstandsarbeit in einem Verein benötige und damit einen Teilhabebedarf geltend gemacht. Ob und in welchem Umfang ein solcher besteht, bereits bedarfsdeckende Teilhabeleistungen erbracht werden, ist nach dem vorliegenden Akteninhalt nicht festgestellt, so dass es weiterer Feststellungen zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides des Beklagten vom 10. Mai 2011 bedarf. Dass die Klägerin tatsächlich einen Teilhabebedarf hat und daher auch nach der Rechtsauffassung des Beklagten der daneben festgestellte Bedarf an Hilfe zur Pflege im Rahmen eines pB zu erbringen und die Ablehnung mit Bescheid vom 10. Mai 2011 rechtswidrig war, erscheint nach allem nicht unwahrscheinlich.

Damit war hier Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren zu gewähren.

Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt in dem anhängigen Streitverfahren erscheint erforderlich, so dass mit Bewilligung der Prozesskostenhilfe der Prozessbevollmächtigte beizuordnen war (§ 73a SGG in Verbindung mit § 12 Abs. 2 ZPO).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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