L 27 R 1235/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 R 35210
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 1235/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 26. Oktober 2011 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der im Jahre 1954 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Er war in den Jahren 1974 bis 1976, 1977 bis 1991 und 1993 bis 2000 in unterschiedlichen Anlernberufen beschäftigt. Seitdem ist er arbeitsuchend.

Den im Oktober 2009 gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte nach Durchführung medizinischer Ermittlungen mit Bescheid vom 28. April 2010 und Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2010 mit der Begründung ab, das festgestellte Leistungsvermögen des Klägers reiche aus, um körperlich leichte Arbeiten mindestens 6 Stunden täglich zu verrichten.

Im anschließenden Verfahren vor dem Sozialgericht Neuruppin hat das Gericht Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Aufgrund richterlicher Beweisanordnung hat am 07. März 2011 der Arzt für Allgemeinmedizin S ein medizinisches Sachverständigengutachten erstattet und sich auf richterliche Anforderung am 01. Juni 2011 ergänzend geäußert. Darin geht der Sachverständige davon aus, der Kläger leide vor allem an einer chronischen Pankreatitis, an einem Wirbelsäulenleiden und an weiteren gesundheitlichen Einschränkungen. Aufgrund des schlechten Allgemeinzustandes sei nur noch eine Tätigkeit mit bestimmten qualitativen Einschränkungen unterhalb von 6 Stunden täglich möglich.

Mit Urteil vom 26. Oktober 2011 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger befristet für die Zeit vom 01. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2014 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Das Sozialgericht ist dabei insbesondere der Einschätzung des Sachverständigen S gefolgt und erachtete es als erwiesen, dass der Kläger nicht 6 Stunden täglich erwerbstätig sein könne.

Gegen dieses ihr am 01. Dezember 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08. Dezember 2011 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Sie macht geltend, der Sachverständige habe die Einschätzung des Leistungsvermögens nicht nachvollziehbar begründet. Insbesondere müsse bedacht werden, dass der Kläger in der Lage gewesen sei, sich ergometrisch bis 100 Watt zu belasten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 26. Oktober 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie ist in der Sache jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2014 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, denn die Voraussetzungen für diese Leistung sind gemäß § 43 Absatz 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Sechstes Buch (SGB VI) erfüllt. Über das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Absatz 2 Satz 1 Nummern 2 und 3 SGB VI sowie über die Anwendung der Vorschriften der §§ 102 Absatz 2 Sätze 1 und 2, 101 Absatz 1 SGB VI besteht zwischen den Beteiligten ohnehin kein Streit, auch von Amts wegen besteht für den Senat insoweit kein Zweifel am Vorliegen dieser Voraussetzungen und der richtigen Rechtsanwendung durch das Sozialgericht.

Darüber hinaus ist aber auch die volle Erwerbsminderung gemäß § 43 Absatz 2 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 2 SGB VI erfüllt. Der Senat weist insoweit die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts Neuruppin als unbegründet zurück und sieht diesbezüglich gemäß § 153 Absatz 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Auch das weitere Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren vermag nicht zu einer anderen Entscheidung zu führen. So wendet die Beklagte ein, die Tatsache, dass der Kläger in der Ergometrie – wenn auch kurzzeitig – bis zu 100 Watt belastbar gewesen sei, stehe im Widerspruch zu der durch den Sachverständigen festgestellten atrophischen Muskulatur des Klägers und widerlege zugleich die Leistungseinschätzung des Sachverständigen insgesamt. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Vielmehr hat der Sachverständige überzeugend und von medizinischer Erfahrung getragen festgestellt, dass trotz eines kurzfristigen höheren Leistungsvermögens die täglich mehrstündige, insbesondere den Wert von mindestens sechs Arbeitsstunden täglich erreichende Erwerbstätigkeit für den Kläger nicht mehr möglich ist. Es bestehen insoweit auch keine medizinischen Erfahrungswerte, dass dies das Vorliegen einer atrophischen Muskulatur schlechthin ausschließt.

Soweit die Beklagte darüber hinaus geltend macht, es bestünden Besserungsaussichten im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Klägers, so etwa durch eine Umstellung der Ernährung und durch eine Ausschöpfung weiterer Behandlungsmöglichkeiten hinsichtlich der chronischen Pankreatitis, führte dies gleichfalls nicht zu einer anderen Entscheidung des Senats. Die Tatsache, dass eine Besserung des Gesundheitszustands des Klägers erreichbar sein kann, ist bereits durch die Befristung der Rentengewährung berücksichtigt worden. Darüber hinaus besteht für den Senat aber nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, § 128 Absatz 1 Satz 1 SGG, kein Zweifel, dass die festgestellten Leistungseinschränkungen des Klägers jedenfalls länger als sechs Monate durchgängig bestanden haben und bestehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § l93 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Absatz 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved