Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 192 SB1306/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 162/12 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juli 2012 aufgehoben und der Klägerin unter Beiordnung von Rechtsanwalt G F B, B, ab dem 26. Februar 2013 Prozesskostenhilfe bewilligt. Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen sind nicht zu leisten. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die gemäß § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin ist nach Maßgabe des Tenors begründet. Das Sozialgericht Berlin hat insoweit den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Streitverfahren zum Aktenzeichen S 192 SB 1306/12 zu Unrecht zurückgewiesen.
Der Klägerin, der nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht – auch nicht in Raten – aufbringen kann, hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe nach Maßgabe des Tenors, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Ansprüche auf Zuerkennung des Merkzeichen "B" (Berechtigung für eine ständige Begleitung) hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG und dem aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe dieses Verfahren an die Stelle des Verfahrens der Hauptsache treten zu lassen (BVerfG, Beschluss vom 28. November 2007, 1 BvR 68/07). Aus diesem Grunde dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen in dem Verfahren der Prozesskostenhilfe nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von dem Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Verfahren der Hauptsache zugeführt werden können (BVerfG a.a.O).
Hiernach ist ausgehend von dem für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar hält bzw. – sofern der Tatsachenstoff noch nicht geklärt ist – eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden ausgehen würde (so BVerfG a.a.O. mit weiteren Nachweisen).
Vor dem Hintergrund dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist der von der Klägerin beabsichtigten Rechtsverfolgung im maßgeblichen Zeitpunkt für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag, nämlich dem Tag des Eingangs der vollständigen Unterlagen - hier am 26. Februar 2013 -, eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht abzusprechen.
Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Beschluss selbst ausgeführt, dass das Merkzeichen "B" nur dann zuerkannt werden könne, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr"), "H" (Hilflosigkeit) oder "Gl" (Gehörlosigkeit) vorliegen. Sowohl die §§ 145, 146 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) als auch Teil D Nr. 2 b) der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung beziehen sich ausschließlich auf das Vorliegen der genannten Voraussetzungen und nicht auf deren behördliche Feststellung. Deshalb kommt es für die Zuerkennung des Merkzeichens "B" nicht darauf an, ob eines der anderen zuvor genannten Merkzeichen bereits aufgrund einer Verwaltungsentscheidung zuerkannt worden ist oder zeitlich mit der Zuerkennung des Merkzeichens "B" begehrt wird. Es ist vielmehr für die Beurteilung der Frage, ob der Klägerin das Merkzeichen "B" zuerkannt werden kann, unerheblich, dass – wie das Sozialgericht ausführt - der Beklagte das Merkzeichen "G" bestandskräftig abschlägig beschieden hat bzw. die übrigen Merkzeichen nicht zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht worden sind.
Eine Sachprüfung, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G" oder eventuell "H" – die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Gl" dürften jedenfalls nach Aktenlage nicht vorliegen – mit Blick auf das begehrte Merkzeichen "B" gegeben sind, hat das Sozialgericht nicht vorgenommen. Sie wird ohne weitere medizinische Ermittlungen und insbesondere ohne Einholung eines regelmäßig erforderlichen medizinischen Sachverständigengutachtens nicht möglich sein. Ob das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten vom 7. Februar 2012 eine abschließende und auch noch aktuelle Bewertung bestehender Funktionsbeeinträchtigungen mit Blick auf das begehrte Merkzeichen ermöglicht, wird das Sozialgericht im Rahmen der erforderlichen weiteren Ermittlungen zu klären und zu beurteilen haben.
Vor diesem Hintergrund sind die Erfolgsaussichten in der Sache als offen zu betrachten, so dass eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage im Sinne des § 114 ZPO besteht. Die Beiordnung folgt aus § 121 Abs. 2 ZPO.
Da eine Bedürftigkeit im Sinne des Prozesskostenrechts erst mit Eingang der vollständigen Prüfunterlagen am 26. Februar 2013 nachgewiesen ist, ist die Beschwerde zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe auf die Zeit zuvor bis zur Antragstellung beim Sozialgericht bezieht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die gemäß § 172 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin ist nach Maßgabe des Tenors begründet. Das Sozialgericht Berlin hat insoweit den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Streitverfahren zum Aktenzeichen S 192 SB 1306/12 zu Unrecht zurückgewiesen.
Der Klägerin, der nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht – auch nicht in Raten – aufbringen kann, hat Anspruch auf Prozesskostenhilfe nach Maßgabe des Tenors, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinsichtlich der von ihr geltend gemachten Ansprüche auf Zuerkennung des Merkzeichen "B" (Berechtigung für eine ständige Begleitung) hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung - ZPO -).
Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) verfassungskonform auszulegen. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG und dem aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folgenden Gebot effektiven Rechtsschutzes gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Hierbei braucht der Unbemittelte allerdings nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Dementsprechend darf die Prüfung der Erfolgsaussichten jedenfalls nicht dazu führen, über die Vorverlagerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe dieses Verfahren an die Stelle des Verfahrens der Hauptsache treten zu lassen (BVerfG, Beschluss vom 28. November 2007, 1 BvR 68/07). Aus diesem Grunde dürfen insbesondere schwierige, bislang nicht geklärte Rechts- und Tatfragen in dem Verfahren der Prozesskostenhilfe nicht entschieden werden, sondern müssen über die Gewährung von Prozesskostenhilfe auch von dem Unbemittelten einer prozessualen Klärung im Verfahren der Hauptsache zugeführt werden können (BVerfG a.a.O).
Hiernach ist ausgehend von dem für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Sachantrag eine hinreichende Erfolgsaussicht bereits dann gegeben, wenn das Gericht den klägerischen Rechtsstandpunkt aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder für zumindest vertretbar hält bzw. – sofern der Tatsachenstoff noch nicht geklärt ist – eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden ausgehen würde (so BVerfG a.a.O. mit weiteren Nachweisen).
Vor dem Hintergrund dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist der von der Klägerin beabsichtigten Rechtsverfolgung im maßgeblichen Zeitpunkt für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag, nämlich dem Tag des Eingangs der vollständigen Unterlagen - hier am 26. Februar 2013 -, eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht abzusprechen.
Das Sozialgericht hat in dem angefochtenen Beschluss selbst ausgeführt, dass das Merkzeichen "B" nur dann zuerkannt werden könne, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr"), "H" (Hilflosigkeit) oder "Gl" (Gehörlosigkeit) vorliegen. Sowohl die §§ 145, 146 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) als auch Teil D Nr. 2 b) der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung beziehen sich ausschließlich auf das Vorliegen der genannten Voraussetzungen und nicht auf deren behördliche Feststellung. Deshalb kommt es für die Zuerkennung des Merkzeichens "B" nicht darauf an, ob eines der anderen zuvor genannten Merkzeichen bereits aufgrund einer Verwaltungsentscheidung zuerkannt worden ist oder zeitlich mit der Zuerkennung des Merkzeichens "B" begehrt wird. Es ist vielmehr für die Beurteilung der Frage, ob der Klägerin das Merkzeichen "B" zuerkannt werden kann, unerheblich, dass – wie das Sozialgericht ausführt - der Beklagte das Merkzeichen "G" bestandskräftig abschlägig beschieden hat bzw. die übrigen Merkzeichen nicht zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht worden sind.
Eine Sachprüfung, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen der Merkzeichen "G" oder eventuell "H" – die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "Gl" dürften jedenfalls nach Aktenlage nicht vorliegen – mit Blick auf das begehrte Merkzeichen "B" gegeben sind, hat das Sozialgericht nicht vorgenommen. Sie wird ohne weitere medizinische Ermittlungen und insbesondere ohne Einholung eines regelmäßig erforderlichen medizinischen Sachverständigengutachtens nicht möglich sein. Ob das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten vom 7. Februar 2012 eine abschließende und auch noch aktuelle Bewertung bestehender Funktionsbeeinträchtigungen mit Blick auf das begehrte Merkzeichen ermöglicht, wird das Sozialgericht im Rahmen der erforderlichen weiteren Ermittlungen zu klären und zu beurteilen haben.
Vor diesem Hintergrund sind die Erfolgsaussichten in der Sache als offen zu betrachten, so dass eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage im Sinne des § 114 ZPO besteht. Die Beiordnung folgt aus § 121 Abs. 2 ZPO.
Da eine Bedürftigkeit im Sinne des Prozesskostenrechts erst mit Eingang der vollständigen Prüfunterlagen am 26. Februar 2013 nachgewiesen ist, ist die Beschwerde zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe auf die Zeit zuvor bis zur Antragstellung beim Sozialgericht bezieht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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