Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 22 KA 374/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 77/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zum Anspruch eines Vertragsarztes auf Durchsetzung der Genehmigung der Verlegung seines Vertragsarztsitzes im vorläufigen Rechtschutzverfahren.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 2013 aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt; die Beschwerde der Antragstellerin gegen den sozialgerichtlichen Beschluss wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Instanzen auf 15.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23.September 2013 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat den Beschluss des Antragsgegners vom 07. August 2013 zu Unrecht aufgehoben und ihn rechtsfehlerhaft verpflichtet, über den Antrag der Antragstellerin auf Sitzverlegung vom S Ring, B nach B, Bstraße unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Die Beschwerde der Antragstellerin, ihr unter Änderung der sozialgerichtlichen Entscheidung die Verlegung ihres Vertragsarztsitzes zu genehmigen, musste erfolglos bleiben.
1.) Die Antragstellerin hat weder für ihr Begehren auf Genehmigung der Sitzverlegung noch für die vom Sozialgericht beschlossene Neubescheidung ihres Verlegungsantrages einen Anordnungsgrund gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Sie hat auch nicht plausibel machen können, dass die Abwägung der beiderseitigen Interessen der Beteiligten zu ihren Gunsten ausfallen muss.
2.) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschlüsse vom 11. Dezember 2009, L 7 KA 143/09 ER, vom 27. Januar 2010, L 7 KA 139/09 B ER, vom 18. März 2011, L 7 KA 39/11 B ER sowie vom 27. Januar 2012, L 7 KA 87/11 B ER jeweils zitiert nach juris) besteht in aller Regel kein eiliges Regelungsbedürfnis und damit kein Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung, mit der einem Antragsteller ein vertragsärztlicher Status - z. B. eine Zulassung oder Ermächtigung - zugesprochen werden soll. Denn ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zielt darauf ab, vorläufige Regelungen herbeizuführen, während Statusentscheidungen stets endgültigen Charakter haben und damit die Hauptsache vorwegnehmen; zumindest die während der Dauer ihrer vorübergehenden Geltung erbrachten Leistungen können nachträglich nicht vollständig rückabgewickelt werden. Dasselbe gilt auch in anderen Fällen, in denen die Hauptsache durch die sozialgerichtliche Entscheidung endgültig oder zumindest vorübergehend vorweggenommen werden soll. Auch in diesen Fällen ist eine stattgebende Entscheidung nur auf eng zu begrenzende Ausnahmefälle zu beschränken (vgl. hierzu zuletzt Beschluss des Senats vom 19. September 2013, L 7 KA 71/13 B ER m.w.N.)
3.) Mit seiner Entscheidung, den Beschluss des Antragsgegners vom 07. August 2013 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zur Neubescheidung des Verlegungsantrages der Antragstellerin zu verpflichten, hat das Sozialgericht die Hauptsache endgültig vorweggenommen. Die Aufhebung des von der Antragstellerin angefochtenen Bescheides wäre nicht mehr rückgängig zu machen. Nach einer Neubescheidung des Verlegungsantrages der Antragstellerin durch den Antragsgegner würde sich die Hauptsache im Falle einer stattgebenden Entscheidung durch den Antragsgegner erledigen; im Falle einer neuerlichen Ablehnung durch den Antragsgegner auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Sozialgerichts würde der neue Ablehnungsbescheid gemäß § 96 SGG an die Stelle des aufgehobenen Bescheides vom 07. August 2013 treten und damit nicht nur den Streitgegenstand (endgültig) ändern, sondern auch dem Antragsgegner jede Möglichkeit nehmen, die seinem Bescheid vom 07. August 2013 zu Grunde liegende Rechtsauffassung in einem Hauptsacheverfahren überprüfen lassen zu können. Der Senat hat im Hinblick darauf einen in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sicherungsfähigen Anspruch auf Bescheidung nur dann bejaht, wenn die Zulassungsgremien ihre Entscheidung nachweislich rechtswidrig verzögern und dadurch dem betroffenen Arzt ein durch das Hauptsacheverfahren nicht wieder gutzumachender Nachteil entstehen würde. Ausschließlich in einem solchen Fall können die Betroffenen vor einer Entscheidung der Zulassungsgremien vorläufigen Rechtsschutz dadurch erhalten, dass diese im Wege einstweiliger Anordnung zu einer Entscheidung bis zu einem von den Sozialgerichten zu bestimmenden Zeitpunkt verpflichtet werden (Beschluss des Senats vom 28. Dezember 2011, L 7 KA 153/11 B ER, zitiert nach juris); Im Übrigen ist die Verpflichtung der Zulassungsgremien zur Neubescheidung in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeschlossen.
4.) Zur Wahrung des Verbotes der Vorwegnahme der Hauptsache käme allenfalls die sozialgerichtliche Entscheidung in Betracht, der Antragstellerin vorübergehend die Ausübung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit in der Bstraße zu gestatten. Dann könnte die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage, ob die Sitzverlegung gemäß § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV allein wegen des schlechteren Versorgungsgrades der Versicherten in B im Bereich der Psychiatrie und der Psychotherapie versagt werden durfte oder sich die Entscheidung des Antragsgegners an der konkreten Versorgungslage und der Versorgungsstruktur in den beiden betroffenen Verwaltungsbezirken hätte orientieren müssen, in einem Hauptsacheverfahren überprüft werden. Denn die ablehnende Entscheidung des Antragsgegners bliebe durch eine solche Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unberührt. Selbst wenn man davon ausginge, dass ein solcher Antrag in dem Begehren der Antragstellerin als "Minus" mit enthalten wäre, käme eine entsprechende Entscheidung zu ihren Gunsten nicht in Betracht. Auch insoweit fehlt ein hinreichender Grund für die - vorübergehende - Vorwegnahme der Hauptsache.
5.) Ein Ausnahmefall, der die Vorwegnahme der Hauptsache gestattet, liegt immer nur dann vor, wenn der geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch völlig unzweifelhaft besteht (Fallkonstellation 1) oder die Interessenlage zu Gunsten eines Antragstellers so eindeutig ist, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache geboten erscheint (Fallkonstellation 2). Die Fallkon- stellation 1 ist nur dann gegeben, wenn sich der vom Antragsteller zur Begründung seines Begehrens geltend gemachte Anordnungsanspruch sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht ohne aufwändige Prüfung feststellen lässt. Dies setzt auf der Tatsachenebene voraus, dass sämtliche tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs zwischen den Beteiligten unstreitig sind oder sich aus dem Vortrag der Beteiligten oder den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners ohne weiteres feststellen lassen, so dass an ihrem Vorliegen kein vernünftiger Zweifel bestehen kann. In rechtlicher Hinsicht ist zu verlangen, dass die entscheidungserheblichen Rechtsfragen geklärt sind oder die Einwände des Antragsgegners nach der bisherigen Rechtsprechung so wenig Substanz haben, dass sie ohne weiteres widerlegt werden können. Die Fallkonstellation 2 ist nur dann gegeben, wenn die Interessenlage jede andere Entscheidung als die zugunsten des Antragstellers als sachwidrig und damit willkürlich erscheinen ließe. Denn nur bei Vorliegen so gearteter Fallkonstellationen erscheint eine Berufung auf ein Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache als bloße Förmelei und würde den verfahrensrechtlichen Wirkungen der Art. 12, Art. 19 Abs. 4 und Art. 3 Grundgesetz widersprechen.
6.) Hieran fehlt es im vorliegenden Fall jedoch. Es ist sozialgerichtlich noch ungeklärt, von welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nach der seit dem 01. Januar 2013 geltenden Rechtslage ein Anspruch eines Vertragsarztes auf Genehmigung der Verlegung seines Sitzes von einem Verwaltungsbezirk im Zulassungsbezirk Berlin in einen anderen abhängt. Zwar mag einiges dafür sprechen, dass der Antragsgegner die vom LSG Niedersachsen-Bremen in seinem Beschluss vom 15. Oktober 2009 (L 3 KA 73/09 B ER, zitiert nach juris) genannte Gesichtspunkte berücksichtigen muss. Das Sozialgericht hat aber selbst unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 10. Mai 2000 (B 6 KA 67/98 R, zitiert nach juris) darauf hingewiesen, dass es auch beachtliche Gründe für den Rechtsstandpunkt des Antragsgegners gebe. Deshalb haben die Einwände des Antragsgegners, im Hinblick auf die Sitzverlegung von einem überversorgten Planungsbereich in einen noch stärker überversorgten nach der bisherigen Rechtsprechung so viel Substanz, dass sie nicht ohne weiteres im vorläufigen Rechtsschutzverfahren widerlegt werden können; dies lässt sich nicht zuletzt daran erkennen, dass das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss mehr als fünf Seiten benötigt, um seine Rechtsauffassung zu begründen.
7.) Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass die Interessenlage jede andere Entscheidung als die zugunsten der Antragstellerin als sachwidrig und damit willkürlich erscheinen ließe. Vielmehr begegnet eine Interessenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin begründeten Zweifeln. Denn die Antragstellerin ist erst seit Januar 2013 im Rahmen der Praxisnachfolge des Dr. T an ihrem jetzigen Praxisstandort in B zugelassen. Zu Recht haben die Zulassungsgremien bei der Zulassungsentscheidung auch die Kontinuität der Patientenversorgung am Vertragsarztsitz der Antragstellerin berücksichtigt, die durch seine Verlegung nur wenige Monate nach der Zulassung nicht zu gewährleisten wäre. Außerdem ist es der Antragstellerin zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Selbst wenn ihr bei einer Entscheidung des Sozialgerichts über ihre Klage die Praxisräume in der Bstraße, für die sie jetzt über eine Mietoption verfügt, nicht mehr zur Verfügung stehen sollten, würde es zur gerichtlichen Überprüfung ihres Antrages auf Sitzverlegung ausreichen, wenn sie zu diesem Zeitpunkt auf geeignete Praxisräume in der näheren Umgebung zurückgreifen könnte, ohne dass sie ein neues Verwaltungsverfahren durchführen müsste. Auch wenn darin eine Klageänderung liegen sollte, wäre diese zur Vermeidung eines neuen Rechtsstreits sachdienlich im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie aus §§ 52 und 53 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat hat der Wertfestsetzung den mutmaßlichen Streitwert des Hauptsacheverfahrens (15.000 EUR) zu Grunde gelegt, weil die Antragstellerin mit ihrem Antrag eine vollständige Vorwegnahme der Hauptsache begehrt hat, die auch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden ist.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird für beide Instanzen auf 15.000 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23.September 2013 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und begründet. Das Sozialgericht hat den Beschluss des Antragsgegners vom 07. August 2013 zu Unrecht aufgehoben und ihn rechtsfehlerhaft verpflichtet, über den Antrag der Antragstellerin auf Sitzverlegung vom S Ring, B nach B, Bstraße unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Die Beschwerde der Antragstellerin, ihr unter Änderung der sozialgerichtlichen Entscheidung die Verlegung ihres Vertragsarztsitzes zu genehmigen, musste erfolglos bleiben.
1.) Die Antragstellerin hat weder für ihr Begehren auf Genehmigung der Sitzverlegung noch für die vom Sozialgericht beschlossene Neubescheidung ihres Verlegungsantrages einen Anordnungsgrund gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Sie hat auch nicht plausibel machen können, dass die Abwägung der beiderseitigen Interessen der Beteiligten zu ihren Gunsten ausfallen muss.
2.) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Beschlüsse vom 11. Dezember 2009, L 7 KA 143/09 ER, vom 27. Januar 2010, L 7 KA 139/09 B ER, vom 18. März 2011, L 7 KA 39/11 B ER sowie vom 27. Januar 2012, L 7 KA 87/11 B ER jeweils zitiert nach juris) besteht in aller Regel kein eiliges Regelungsbedürfnis und damit kein Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung, mit der einem Antragsteller ein vertragsärztlicher Status - z. B. eine Zulassung oder Ermächtigung - zugesprochen werden soll. Denn ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zielt darauf ab, vorläufige Regelungen herbeizuführen, während Statusentscheidungen stets endgültigen Charakter haben und damit die Hauptsache vorwegnehmen; zumindest die während der Dauer ihrer vorübergehenden Geltung erbrachten Leistungen können nachträglich nicht vollständig rückabgewickelt werden. Dasselbe gilt auch in anderen Fällen, in denen die Hauptsache durch die sozialgerichtliche Entscheidung endgültig oder zumindest vorübergehend vorweggenommen werden soll. Auch in diesen Fällen ist eine stattgebende Entscheidung nur auf eng zu begrenzende Ausnahmefälle zu beschränken (vgl. hierzu zuletzt Beschluss des Senats vom 19. September 2013, L 7 KA 71/13 B ER m.w.N.)
3.) Mit seiner Entscheidung, den Beschluss des Antragsgegners vom 07. August 2013 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zur Neubescheidung des Verlegungsantrages der Antragstellerin zu verpflichten, hat das Sozialgericht die Hauptsache endgültig vorweggenommen. Die Aufhebung des von der Antragstellerin angefochtenen Bescheides wäre nicht mehr rückgängig zu machen. Nach einer Neubescheidung des Verlegungsantrages der Antragstellerin durch den Antragsgegner würde sich die Hauptsache im Falle einer stattgebenden Entscheidung durch den Antragsgegner erledigen; im Falle einer neuerlichen Ablehnung durch den Antragsgegner auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Sozialgerichts würde der neue Ablehnungsbescheid gemäß § 96 SGG an die Stelle des aufgehobenen Bescheides vom 07. August 2013 treten und damit nicht nur den Streitgegenstand (endgültig) ändern, sondern auch dem Antragsgegner jede Möglichkeit nehmen, die seinem Bescheid vom 07. August 2013 zu Grunde liegende Rechtsauffassung in einem Hauptsacheverfahren überprüfen lassen zu können. Der Senat hat im Hinblick darauf einen in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sicherungsfähigen Anspruch auf Bescheidung nur dann bejaht, wenn die Zulassungsgremien ihre Entscheidung nachweislich rechtswidrig verzögern und dadurch dem betroffenen Arzt ein durch das Hauptsacheverfahren nicht wieder gutzumachender Nachteil entstehen würde. Ausschließlich in einem solchen Fall können die Betroffenen vor einer Entscheidung der Zulassungsgremien vorläufigen Rechtsschutz dadurch erhalten, dass diese im Wege einstweiliger Anordnung zu einer Entscheidung bis zu einem von den Sozialgerichten zu bestimmenden Zeitpunkt verpflichtet werden (Beschluss des Senats vom 28. Dezember 2011, L 7 KA 153/11 B ER, zitiert nach juris); Im Übrigen ist die Verpflichtung der Zulassungsgremien zur Neubescheidung in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ausgeschlossen.
4.) Zur Wahrung des Verbotes der Vorwegnahme der Hauptsache käme allenfalls die sozialgerichtliche Entscheidung in Betracht, der Antragstellerin vorübergehend die Ausübung ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit in der Bstraße zu gestatten. Dann könnte die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage, ob die Sitzverlegung gemäß § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV allein wegen des schlechteren Versorgungsgrades der Versicherten in B im Bereich der Psychiatrie und der Psychotherapie versagt werden durfte oder sich die Entscheidung des Antragsgegners an der konkreten Versorgungslage und der Versorgungsstruktur in den beiden betroffenen Verwaltungsbezirken hätte orientieren müssen, in einem Hauptsacheverfahren überprüft werden. Denn die ablehnende Entscheidung des Antragsgegners bliebe durch eine solche Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unberührt. Selbst wenn man davon ausginge, dass ein solcher Antrag in dem Begehren der Antragstellerin als "Minus" mit enthalten wäre, käme eine entsprechende Entscheidung zu ihren Gunsten nicht in Betracht. Auch insoweit fehlt ein hinreichender Grund für die - vorübergehende - Vorwegnahme der Hauptsache.
5.) Ein Ausnahmefall, der die Vorwegnahme der Hauptsache gestattet, liegt immer nur dann vor, wenn der geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch völlig unzweifelhaft besteht (Fallkonstellation 1) oder die Interessenlage zu Gunsten eines Antragstellers so eindeutig ist, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache geboten erscheint (Fallkonstellation 2). Die Fallkon- stellation 1 ist nur dann gegeben, wenn sich der vom Antragsteller zur Begründung seines Begehrens geltend gemachte Anordnungsanspruch sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht ohne aufwändige Prüfung feststellen lässt. Dies setzt auf der Tatsachenebene voraus, dass sämtliche tatsächlichen Voraussetzungen des Anspruchs zwischen den Beteiligten unstreitig sind oder sich aus dem Vortrag der Beteiligten oder den Verwaltungsvorgängen des Antragsgegners ohne weiteres feststellen lassen, so dass an ihrem Vorliegen kein vernünftiger Zweifel bestehen kann. In rechtlicher Hinsicht ist zu verlangen, dass die entscheidungserheblichen Rechtsfragen geklärt sind oder die Einwände des Antragsgegners nach der bisherigen Rechtsprechung so wenig Substanz haben, dass sie ohne weiteres widerlegt werden können. Die Fallkonstellation 2 ist nur dann gegeben, wenn die Interessenlage jede andere Entscheidung als die zugunsten des Antragstellers als sachwidrig und damit willkürlich erscheinen ließe. Denn nur bei Vorliegen so gearteter Fallkonstellationen erscheint eine Berufung auf ein Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache als bloße Förmelei und würde den verfahrensrechtlichen Wirkungen der Art. 12, Art. 19 Abs. 4 und Art. 3 Grundgesetz widersprechen.
6.) Hieran fehlt es im vorliegenden Fall jedoch. Es ist sozialgerichtlich noch ungeklärt, von welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen nach der seit dem 01. Januar 2013 geltenden Rechtslage ein Anspruch eines Vertragsarztes auf Genehmigung der Verlegung seines Sitzes von einem Verwaltungsbezirk im Zulassungsbezirk Berlin in einen anderen abhängt. Zwar mag einiges dafür sprechen, dass der Antragsgegner die vom LSG Niedersachsen-Bremen in seinem Beschluss vom 15. Oktober 2009 (L 3 KA 73/09 B ER, zitiert nach juris) genannte Gesichtspunkte berücksichtigen muss. Das Sozialgericht hat aber selbst unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 10. Mai 2000 (B 6 KA 67/98 R, zitiert nach juris) darauf hingewiesen, dass es auch beachtliche Gründe für den Rechtsstandpunkt des Antragsgegners gebe. Deshalb haben die Einwände des Antragsgegners, im Hinblick auf die Sitzverlegung von einem überversorgten Planungsbereich in einen noch stärker überversorgten nach der bisherigen Rechtsprechung so viel Substanz, dass sie nicht ohne weiteres im vorläufigen Rechtsschutzverfahren widerlegt werden können; dies lässt sich nicht zuletzt daran erkennen, dass das Sozialgericht in dem angefochtenen Beschluss mehr als fünf Seiten benötigt, um seine Rechtsauffassung zu begründen.
7.) Ebenso wenig lässt sich feststellen, dass die Interessenlage jede andere Entscheidung als die zugunsten der Antragstellerin als sachwidrig und damit willkürlich erscheinen ließe. Vielmehr begegnet eine Interessenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin begründeten Zweifeln. Denn die Antragstellerin ist erst seit Januar 2013 im Rahmen der Praxisnachfolge des Dr. T an ihrem jetzigen Praxisstandort in B zugelassen. Zu Recht haben die Zulassungsgremien bei der Zulassungsentscheidung auch die Kontinuität der Patientenversorgung am Vertragsarztsitz der Antragstellerin berücksichtigt, die durch seine Verlegung nur wenige Monate nach der Zulassung nicht zu gewährleisten wäre. Außerdem ist es der Antragstellerin zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Selbst wenn ihr bei einer Entscheidung des Sozialgerichts über ihre Klage die Praxisräume in der Bstraße, für die sie jetzt über eine Mietoption verfügt, nicht mehr zur Verfügung stehen sollten, würde es zur gerichtlichen Überprüfung ihres Antrages auf Sitzverlegung ausreichen, wenn sie zu diesem Zeitpunkt auf geeignete Praxisräume in der näheren Umgebung zurückgreifen könnte, ohne dass sie ein neues Verwaltungsverfahren durchführen müsste. Auch wenn darin eine Klageänderung liegen sollte, wäre diese zur Vermeidung eines neuen Rechtsstreits sachdienlich im Sinne des § 99 Abs. 1 SGG.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie aus §§ 52 und 53 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Senat hat der Wertfestsetzung den mutmaßlichen Streitwert des Hauptsacheverfahrens (15.000 EUR) zu Grunde gelegt, weil die Antragstellerin mit ihrem Antrag eine vollständige Vorwegnahme der Hauptsache begehrt hat, die auch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden ist.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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