Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 R 7864/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 1145/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Minderung des Zugangsfaktors.
Dem im Dezember 1962 geborenen Kläger bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 13. September 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. Dezember 2004 bis 31. Dezember 2005 nach einem am 04. Mai 2004 eingetretenen Leistungsfall mit 0,4409 persönlichen Entgeltpunkten und 28,6936 persönlichen Entgeltpunkten (Ost), die sie unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 0,892 ermittelte. Sie verminderte den Zugangsfaktor von 1,0 für jeden Kalendermonat nach dem 31. Dezember 2022 (dem Kalendermonat nach Vollendung des 60. Lebensjahres) bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres um 0,003, also für 36 Kalendermonate um insgesamt 0,108, auf 0,892 und vervielfältigte damit die Summe aller aus rentenrechtlichen Zeiten ermittelten Entgeltpunkte von 0,4943 und Entgeltpunkte (Ost) von 32,1677.
Auf den Antrag auf Weiterzahlung erteilte sie den Bescheid vom 10. Januar 2006, mit dem sie die Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung der bisherigen Entgeltpunkte bzw. Entgeltpunkte (Ost) bis 31. Dezember 2007 bewilligte.
Den im Mai 2007 unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Mai 2006 – B 4 RA 22/05 R – gestellten Antrag auf Überprüfung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2007 ab.
Die dagegen am 11. Oktober 2007 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage hat das Sozialgericht, nachdem es auf die Rechtsprechung des 5. Senats des BSG vom 14. August 2008 und den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3588/08 und 1 BvR 555/09 sowie auf die Auferlegung von Verschuldenskosten wegen Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung hingewiesen hatte, nach entsprechender Anhörung mit Gerichtsbescheid vom 28. September 2011 abgewiesen und dem Kläger zugleich auferlegt, 150 Euro an die Staatskasse zu zahlen: Es hat sich der Auffassung des BSG im Urteil vom 16. Mai 2006 – B 4 RA 22/05 R nicht angeschlossen, sondern ist der Rechtsprechung des nunmehr allein zuständigen 5. und 13. Senats des BSG (Urteile vom 14. August 2008 – B 5 R 32/07 R, B 5 R 140/07 R, B 5 R 88/07 R; Urteil vom 25. November 2008 – B 5 R 112/08 R; Beschluss vom 26. Juni 2008 – B 13 R 9/08 S) gefolgt, da § 77 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nach Wortlaut, Systematik und historischer Auslegung so zu verstehen sei, dass auch bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres eine Verminderung des Zugangsfaktors vorzunehmen sei. Das BVerfG habe mit Beschluss vom 11. Januar 2011 entschieden, dass dies verfassungsgemäß sei. Missbrauch bestehe insoweit, als die Rechtsverfolgung im Hinblick auf die gefestigte Rechtsprechung der Rentensenate des BSG und der sie bestätigenden Entscheidung des BVerfG als völlig aussichtslos angesehen werden müsse.
Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 13. Oktober 2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 14. November 2011, einem Montag, eingelegte Berufung des Klägers.
Er meint, die Minderung des Zugangsfaktors verstoße gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot. Die dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit trete sowohl bei Altersrenten als auch bei krankheitsbedingten Erwerbsminderungen auf. Aufgrund körperlicher Gebrechlichkeit sei der jeweils Betroffene nicht mehr in der Lage, hinreichend für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Eine Kürzung des Zugangsfaktors bei einer auf einer Behinderung beruhenden Erwerbsminderung, die nicht altersbedingt sei, werde letztlich derselbe Sachverhalt, nämlich die aufgrund körperlicher Gebrechlichkeit verminderte Erwerbsfähigkeit, unterschiedlich behandelt. Derjenige, der den Grad seiner Gebrechlichkeit durch alterungsbedingte Symptome erreicht habe, könne die volle Rente erhalten; derjenige, der krankheitsbedingt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit erreiche, werde nur mit einer gekürzten Rente bedacht. Diese Art und Weise der Kürzung des Zugangsfaktors stelle daher eine Diskriminierung desjenigen da, der aufgrund körperlicher Behinderung nicht mehr in der Lage sei, für seinen Lebensunterhalt vollumfänglich selbst zu sorgen. Der Kläger hat sich auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 06. Dezember 2012 – C 152/11 bezogen und ausgeführt, diese Entscheidung betreffe zwar nicht die Minderung des Zugangsfaktors. Es würden jedoch grundsätzliche Ausführungen zum Verbot der Diskriminierung behinderter Menschen im Rentenrecht gemacht. Die Auferlegung von Gerichtskosten sei verfassungswidrig. Sie stelle eine Bestrafung für die Inanspruchnahme der Judikative dar. Sie verhindere die Möglichkeit der Rechtsfortbildung. Rechtsmissbrauch könne dann nicht angenommen werden, wenn die vom Kläger vertretene Rechtsauffassung teilweise von Literatur und Rechtsprechung unterstützt werde, wobei es unerheblich sei, ob das BVerfG oder das BSG die Sache bereits durchentschieden habe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Rentenhöchstwertfestsetzung im Bescheid vom 13. September 2004 in Gestalt des Überprüfungsbescheides vom 15. Juni 2007 und des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2007 zu verpflichten, den dynamisierten Geldwert des Rechts auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für Bezugszeiten ab 01. Dezember 2004 nach einem ungeminderten Zugangsfaktor von 1,0 festzusetzen und für den Bezugszeitraum vom 01. Dezember 2004 bis heute zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben hierzu ihr Einverständnis erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 15. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2007 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den Bescheid vom 13. September 2004 und vom 10. Januar 2006 zurücknimmt und dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. Dezember 2004 bis heute unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 gewährt.
Es ist auch über den Bescheid vom 10. Januar 2006 zu entscheiden, obwohl dieser Bescheid ausdrücklich weder im Bescheid vom 15. Juni 2007 genannt noch vom Kläger in seinem Klageantrag bezeichnet worden ist. Es kommt maßgebend darauf an, wie der Kläger ausgehend von seinem im Mai 2007 gestellten Antrag den Bescheid vom 15. Juni 2007 verstehen durfte und worauf sein Begehren gerichtet ist.
Danach erweist sich die Ablehnung des Antrages auf Überprüfung aus Sicht eines objektiven Empfängerhorizonts zugleich als konkludente Ablehnung der Rücknahme auch des Bescheides vom 10. Januar 2006, denn insoweit ist der Kläger ebenfalls durch die Minderung des Zugangsfaktors über den 31. Dezember 2005 hinaus bis 31. Dezember 2007 belastet. Dies kommt auch in seinem Klageantrag zum Ausdruck, denn er begehrt die Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Minderung des Zugangsfaktors sogar bis heute.
Eine inhaltliche Überprüfung ist dem Senat allerdings lediglich zu den Bescheiden vom 13. September 2004 und 10. Januar 2006 und damit für die Zeit vom 01. Dezember 2004 bis 31. Dezember 2007 möglich, denn auf diesen Zeitraum ist die Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung beschränkt. Ein weiterer Bescheid über eine darüber hinausgehende Weitergewährung dieser Rente lag bei Erteilung des Bescheides vom 15. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2007 nicht vor. Soweit daher das klägerische Begehren auf Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Minderung des Zugangsfaktors über den 31. Dezember 2007 hinaus bis heute gerichtet ist, ist die Klage unzulässig, da es an einer Entscheidung der Beklagten zu einem (erst) nach dem Widerspruchsbescheid vom 11. September 2007 ergangenen Verwaltungsakt fehlt.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Bescheide vom 13. September 2004 und 10. Januar 2006 sind rechtmäßig, denn Rente wegen voller Erwerbsminderung steht nicht ohne Minderung des Zugangsfaktors zu.
Nach § 64 SGB VI unter Berücksichtigung der für das Beitrittsgebiet geltenden Regelungen der §§ 254 b bis 254 d, §§ 255 a, 255 b SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte bzw. persönlichen Entgeltpunkte (Ost), der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert bzw. der aktuelle Rentenwert (Ost) mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden.
Die Ermittlung des Zugangsfaktors ist in § 77 SGB VI geregelt. Maßgebend ist vorliegend § 77 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl I 2002, 754), der bis zum 31. Dezember 2007 und damit bei Beginn der dem Kläger bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Dezember 2004 galt. Dies folgt nicht nur aus § 64 SGB VI, der auf den Zeitpunkt des Rentenbeginns abstellt, sondern auch aus § 300 Abs. 2 SGB VI, wonach aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuches und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung wurde vom Kläger jedenfalls vor Ablauf des 31. Dezember 2007 geltend gemacht.
Nach § 77 Abs. 1 SGB VI richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrages der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder ist bei Hinterbliebenenrenten der Versicherte vor Vollendung des 60. Lebensjahres verstorben, ist die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend (§ 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Der Zugangsfaktor ist für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei Erziehungsrenten für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0 (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI).
Diesen Vorschriften entsprechend hat die Beklagte für jeden Kalendermonat nach dem 31. Dezember 2022 (dem Kalendermonat nach Vollendung des 60. Lebensjahres) bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres den Zugangsfaktor von 1,0 um 0,003 für 36 Kalendermonate, also um insgesamt 0,108, auf 0,892 vermindert und damit die ermittelten 0,4943 persönlichen Entgeltpunkte und 32,1677 persönlichen Entgeltpunkte (Ost) vervielfältigt, woraus die der Rente wegen voller Erwerbsminderung zugrunde zu legenden 0,4409 persönlichen Entgeltpunkte und 28,6936 persönlichen Entgeltpunkte (Ost) resultieren.
Allein diese Auslegung entspricht dem Gesetz. Dies stellt weder eine Verletzung der Menschenwürde dar, noch wird dadurch gegen andere Grundrechte verstoßen.
Das BSG hat im Urteil vom 14. August 2008 – B 5 R 32/07 R (vgl. auch die weiteren Urteile vom selben Tag B 5 R 88/07 R, B 5 R 140/07 R und B 5 R 98/07 R) dazu wie folgt ausgeführt:
"Im Ergebnis ist der Zugangsfaktor bei Inanspruchnahme von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres um maximal 0,108 zu mindern und somit auf mindestens 0,892 festzulegen. Dafür sprechen Wortlaut und systematische Stellung des § 77 SGB VI wie auch Sinn und Zweck, systematischer Gesamtzusammenhang und Entstehungsgeschichte der Norm.
Indem die Grundregel des § 77 Abs. 1 SGB VI für die Rentenberechnung zum einen das Alter des Versicherten bei Rentenbeginn oder Tod für maßgebend erklärt und zum anderen das rechnerische Verhältnis zwischen EP und persönlichen EP festlegt, bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass der Zugangsfaktor und somit die nach § 77 Abs. 2, 3 SGB VI zu ermittelnden "Abschläge" oder "Zuschläge" für die gesamte Dauer des ununterbrochenen Rentenbezugs gelten sollen. Falls dieselben EP einer weiteren Rente zu Grunde zu legen sind, ist durch § 77 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI eine erneute Ermittlung des Zugangsfaktors grundsätzlich ausgeschlossen.
§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI bestimmt die Höhe des Zugangsfaktors für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Danach sinkt der Zugangsfaktor von 1,0 um 0,003 für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird. Ein Rentenbeginn nach dem 63. Lebensjahr hat somit keine Absenkung des Zugangsfaktors zur Folge. Ein sehr früher Rentenbeginn würde demgegenüber bei isolierter Anwendung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI zu einer Absenkung des Zugangsfaktors auf null führen. Zur Vermeidung dieses Ergebnisses ergänzt § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI die genannte Vorschrift dahingehend, dass die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend sein soll, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bereits vor der Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt. Bei jüngeren erwerbsgeminderten Versicherten wird hinsichtlich des Zugangsfaktors so getan, als habe der Versicherte das 60. Lebensjahr bereits vollendet. Entgegen der Grundregel des § 77 Abs. 1 SGB VI, wonach sich der Zugangsfaktor nach dem (tatsächlichen) Alter des Versicherten bei Rentenbeginn bestimmt, ordnet das Gesetz eine Rentenberechnung unter der (fiktiven) Annahme an, der Versicherte habe das 60. Lebensjahr bereits vollendet, um auf diese Weise die Minderung des Zugangsfaktors entsprechend der 36 Monate zwischen dem vollendeten 60. und dem vollendeten 63. Lebensjahr auf maximal 36 x 0,003 = 0,108 zu begrenzen Eine zusätzliche Herabsetzung des Zugangsfaktors mit Rücksicht auf eine tatsächliche Inanspruchnahme der Erwerbsminderungsrente vor der Vollendung des 60. Lebensjahres ist ausgeschlossen. Dass es bei der Bezugnahme auf das 60. Lebensjahr des Versicherten um eine Fiktion für die Bestimmung des Zugangsfaktors und nicht etwa um die Festlegung des Beginns der Rentenminderung geht, wird insbesondere daran deutlich, dass dieselbe Vorschrift auch bei der Hinterbliebenenrente auf die Vollendung des 60. Lebensjahres abstellt, um die Höhe des Zugangsfaktors zu bestimmen. Andernfalls müsste dem Gesetz unterstellt werden, es wolle die Rentenhöhe für den Zeitraum regeln, nachdem der verstorbene Versicherte das genannte Lebensalter erreicht haben würde.
§ 77 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB VI dient für die aktuell zu berechnende Rente ausschließlich der Bestimmung eines einheitlichen Zugangsfaktors für die gesamte Zeit des Rentenbezugs und nicht etwa eines variablen Zugangsfaktors in Abhängigkeit von verschiedenen Bezugszeiträumen. Das auf einer möglichen "Vorzeitigkeit" der Rente wegen Erwerbsminderung beruhende gegenteilige Konzept des 4. Senats des BSG findet im Gesetz keine Stütze. Eine "vorzeitige" Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung im Sinne einer freien Entscheidung des Versicherten, vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden zu wollen, ist nicht möglich, da der Leistungsfall (Eintritt der Erwerbsminderung) in der Regel unabhängig vom Willen des Versicherten eintritt. Streng genommen kann somit in Bezug auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht von einer vorzeitigen, sondern allenfalls von einer früheren oder späteren Inanspruchnahme gesprochen werden. Dessen war sich der Gesetzgeber auch bewusst, wie nicht nur die Auseinandersetzung im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung zeigt, sondern auch im Wortlaut des § 77 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zum Ausdruck kommt. Denn das Gesetz spricht von einer "vorzeitigen" Inanspruchnahme nur in Satz 1 Nr 2a, der sich ausschließlich auf Renten wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres bezieht. Mit der Einführung des abgesenkten Zugangsfaktors bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden, durch das RRErwerbG vom 20.12.2000 wurde der Begriff der "Vorzeitigkeit" auch in § 63 Abs. 5 SGB VI gestrichen. Während vor dem 1.1.2001 eine Bezugnahme auf die "vorzeitige Inanspruchnahme " enthalten war, heißt es jetzt nur noch: "Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer werden durch einen Zugangsfaktor vermieden."
Dieses Ergebnis wird durch die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI nicht in Frage gestellt. Danach "gilt" die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme. Mit dieser Fiktion wird im Interesse des Versicherten eine Ausnahme von dem sich aus § 77 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB VI ergebenden Grundsatz geschaffen, dass ein früherer Zugangsfaktor auch für spätere Renten maßgeblich bleibt. § 77 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI schließt eine (Neu-)Berechnung des Zugangsfaktors aus, soweit die EP des Versicherten bereits Grundlage von persönlichen EP einer Rente gewesen sind. Damit korrespondiert die in Abs. 3 Satz 1 derselben Vorschrift angeordnete Übernahme des bisherigen Zugangsfaktors in die Berechnung einer Folgerente. Dadurch wird das gesetzgeberische Anliegen verwirklicht , Rentenleistungen an jüngere Versicherte mit Rücksicht auf die längere Bezugszeit auch in denjenigen Fällen zu begrenzen, in denen eine Erwerbsminderungsrente mangels Besserung im Gesundheitszustand des Versicherten ohne Unterbrechung wiederholt zu bewilligen ist, weil sie gemäß § 102 Abs. 2 SGB VI grundsätzlich längstens für drei Jahre und nicht auf Dauer gewährt werden darf; ohne die genannten Vorschriften wäre der Zugangsfaktor für jede Folgerente als eigenständiger Leistungsfall neu zu ermitteln.
Die Fiktion des § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI durchbricht die beschriebene "Perpetuierung" des Zugangsfaktors bei Rentenbezug aufgrund mehrerer aufeinander folgender Rentenbewilligungen für diejenigen Fälle, in denen ein früherer Rentenbezug endet - wenn der Versicherte also beispielsweise lediglich zwischen dem 42. und 44. Lebensjahr Rente bezieht, dann aber bis zum 65. Lebensjahr (oder darüber hinaus) wieder erwerbstätig ist. Obwohl die vor dem 42. Lebensjahr erworbenen EP anlässlich der früheren Rentenbewilligung mittels abgesenktem Zugangsfaktor zu persönlichen EP umgerechnet und der Rente zugrunde gelegt worden waren, weil es sich um einen Rentenbezug vor dem 63. Lebensjahr gehandelt hatte, ist die Altersrente des Versicherten nach § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI so zu berechnen, als sei die frühere Rente nicht "vorzeitig" gewährt und infolgedessen auch nicht abgesenkt worden; infolgedessen bestimmt sich der Zugangsfaktor nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 Buchst b SGB VI und nicht nach Abs. 3. Schon nach dem Wortlaut des § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI ("gilt") wird der Rentenabschlag nicht auf die Zeit nach dem 60. Lebensjahr verschoben; vielmehr wird der frühere Bezug einer abgesenkten Rente als ungeschehen fingiert, um den nur vorübergehend erwerbsgeminderten Versicherten vor einem "immerwährenden Abschlag" zu schützen.
Gestützt wird dieses Normverständnis durch die Regelung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI. Danach wird der Zugangsfaktor für EP, die Versicherte bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit einem Zugangsfaktor kleiner als 1,0 nach Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 60. Lebensjahres bis zum Ende des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres nicht in Anspruch genommen haben, um 0,003 je Kalendermonat erhöht. Die Normierung dieses "Zuschlags" nach Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 60. Lebensjahres bei einem Zugangsfaktor "kleiner als 1,0" wäre sinnlos, hätte die gesetzgeberische Absicht tatsächlich darin bestanden, die Minderung des Zugangsfaktors bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Rentenbezugszeiten ab dem 60. Lebensjahr zu beschränken.
Ein weiteres systematisches Argument hat der 13. Senat im Beschluss vom 26.6.2008 aufgezeigt. Gleichzeitig mit dem RRErwerbG hat der Gesetzgeber einen Rentenabschlag bei der Alterssicherung für Landwirte eingeführt, der demjenigen in der allgemeinen Rentenversicherung entsprechen sollte. Da die Renten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) ohne Zugangsfaktor berechnet werden, musste die Neuregelung anders formuliert werden als im SGB VI. Infolgedessen ordnete § 23 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 ALG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung eine Minderung des (dortigen) allgemeinen Rentenwerts um 0,3 % für jeden Kalendermonat an, für den eine Rente wegen Erwerbsminderung vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird; § 23 Abs. 8 Satz 2 Halbsatz 1 ALG begrenzte den Abschlag (grundsätzlich) auf höchstens 10,8 %. Zwischen Rentenbezugszeiten vor und nach Vollendung des 60. Lebensjahres wurde dabei nicht unterschieden, sodass Erwerbsminderungsrenten nach dem ALG auch dann abzusenken sind, wenn sie vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten beginnen. Das muss infolgedessen auch im Rahmen von § 77 SGB VI gelten. Diese Vorschrift ist in diesem Punkt nicht anders zu verstehen als die Parallelregelung im ALG, nachdem die angeordnete Rentenkürzung in allen übrigen Punkten in beiden Bereichen gleich ist.
Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigen die Auffassung, dass § 77 Abs. 2 SGB VI die Minderung des Zugangsfaktors auch für Zeiten des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente vor der Vollendung des 60. Lebensjahres regelt.
Die Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme von Renten wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 63. Lebensjahres durch die Neufassung des § 77 SGB VI in Art 1 Nr. 22 RRErwerbG vom 20.12.2000 ist Teil einer Gesamtstrategie, mit der in mehreren aufeinander aufbauenden Schritten auf die demografische Entwicklung reagiert und die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung gesichert werden soll. Sie enthielt zunächst die Anhebung des Renteneintrittsalters und die Minderung des Zugangsfaktors für vorzeitige Altersrenten durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) und wurde mit einer nochmaligen Anhebung der regelmäßigen Altersgrenze durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007 in jüngster Vergangenheit fortgeführt. Damit soll eine sozial angemessene und finanziell tragfähige Alterssicherungspolitik verwirklicht und ein wichtiger Beitrag zu mehr Wachstum und Beschäftigung geleistet werden.
In dieses Gesamtkonzept fügt sich die Absenkung des Zugangsfaktors für Erwerbsminderungs-, Erziehungs- und Hinterbliebenenrenten nur dann ohne gravierende Widersprüche ein, wenn sie auch in den Fällen angewandt wird, in denen der Leistungsfall vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten liegt. Die Höhe des Zugangsfaktors hängt seit 1992 bei den Altersrenten vom Zeitpunkt des Rentenbeginns ab, damit Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer vermieden werden. Der Vorteil einer früheren Inanspruchnahme einer Rente liegt darin, dass die Summe der gezahlten Rentenleistungen (statistisch gesehen) höher ist als bei einem späteren Rentenbeginn, weil die Rentenlaufzeit (statistisch) insgesamt länger ist. Ein früher Renteneintritt bedeutet trotz der durch fehlende Beitragszeiten bedingten geringeren Rente eine Mehrbelastung der Versichertengemeinschaft, die durch einen abgesenkten Zugangsfaktor begrenzt werden soll; dieser ist so bestimmt, dass der jeweilige Gesamtwert der lebenslangen Rente unabhängig vom Rentenbeginn im statistischen Durchschnitt gleich hoch ist Denn die möglichst frühzeitige Inanspruchnahme einer Rente entspricht nicht dem eine Versicherung prägenden Prinzip der Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung. Eine wesentliche Durchbrechung dieses Äquivalenz- bzw. Versicherungsprinzips lag im früheren Recht darin, dass Versicherte die Altersrente ohne Abschlag bis zu fünf Jahre vor der regulären Altersgrenze erhalten konnten und durch den (statistisch) verlängerten Rentenbezug die insgesamt zu zahlende Rentensumme beträchtlich erhöhten.
Unter dem Gesichtspunkt des Versicherungsprinzips gilt für die übrigen Rentenarten nichts anderes, soweit der Berechtigte die Rente (oder weitere Renten) durchgehend bis zu seinem Tode in Anspruch nimmt. Nachdem das Missverhältnis zwischen Beitrag und Leistung bei einem vorzeitigen Altersrentner zur Absenkung des Zugangsfaktors führte, war es im Grunde nur schwer verständlich, dass ein gleichaltriger Erwerbsminderungsrentner von jeglicher Kürzung verschont bleiben sollte, zumal bei erheblich gesenkten Altersrenten in der betroffenen Altersgruppe mit einer massiven Zunahme der Anträge auf Erwerbsminderungsrente zu rechnen war. Deshalb forderte der Bundesrat bei den Beratungen über das RRG 1992 die Bundesregierung zu einer Änderung des Rechts der Erwerbsminderungsrenten auf, "die zu einer sachgerechten und sozial ausgewogenen Risikoabgrenzung zwischen Renten- und Arbeitslosenversicherung führt und gleichzeitig verhindert, dass die im RRG 1992 vorgesehene Heraufsetzung der Altersgrenzen unterlaufen wird". Sowohl der Äquivalenzgedanke als auch der Hinweis auf die Gefahr von Ausweichreaktionen finden sich in der Gesetzesbegründung zum RRErwerbG wieder. Die in allen Rentenarten vergleichbare Mehrbelastung durch einen frühen Renteneintritt würde allerdings eine völlige Angleichung des Zugangsfaktors der übrigen Rentenarten an denjenigen der Altersrente kaum rechtfertigen können. Denn die Altersrente darf erst ab einem bestimmten Mindestalter in Anspruch genommen werden, während die anderen Renten schon in sehr jungen Jahren beginnen können. Zudem können die Versicherten (außer in bestimmten Fällen der Arbeitslosigkeit) regelmäßig frei wählen, ab wann sie eine Altersrente beziehen wollen. Im Lichte dieser Unterschiede passen die im RRErwerbG getroffenen Regelungen in die Gesamtstrategie zur Anhebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung; gleichzeitig wurde vermieden, dass sich der Zugangsfaktor im Laufe der Rentenbezugszeit ändert, was das überkommene System der Rentenberechnung mit einer grundsätzlich einmalig zu ermittelnden konstanten Rechengröße und nur einem dynamischen Faktor durchbrochen hätte.
Infolgedessen ging es dem Gesetzgeber des RRErwerbG nur um eine "Anpassung" und nicht um eine "Gleichstellung" von Erwerbsminderungsrenten und Altersrenten. Dabei werden der Versicherte und seine Hinterbliebenen - wie bereits dargelegt - vor einer allzu empfindlichen Minderung geschützt, indem der Zugangsfaktor bei jüngeren Versicherten so festgesetzt wird, als habe der Versicherte das Mindestalter für eine Altersrente (in der hier anwendbaren Fassung 60 Jahre) bereits erreicht, und indem die Absenkung auf einen Renteneintritt vor dem 63. Lebensjahr beschränkt wird, während der Anspruch auf Altersrente erst ab dem 65. Lebensjahr in voller Höhe besteht; dadurch beträgt die Absenkung maximal 10,8 % im Vergleich zu 18 % bei der Altersrente. Darüber hinaus wird der Versicherte mit Hilfe zusätzlicher Zurechnungszeiten jetzt so gestellt, als ob er bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres weitergearbeitet hätte ; vorher wurde die Zeit ab dem 55. Lebensjahr lediglich zu einem Drittel berücksichtigt. Die weitergehende Anrechnung von Zurechnungszeiten soll die Anpassung der Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten zusätzlich begrenzen. Bei Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung im Alter von 56 Jahren und acht Monaten reduziert sich die Rentenminderung bei einem "Eckrentner" dadurch auf 3,3 % - je nach Versicherungsbiografie kann sie geringer oder höher ausfallen. Jedenfalls kommt der effektive Abschlag dem Maximalwert von 10,8 % umso näher, je mehr sich der Rentenbeginn dem 60. Lebensjahr des Versicherten nähert; bei späterem Renteneintritt sinkt der prozentuale Rentenabschlag allmählich wieder, bis er bei 63 Jahren ganz entfällt. Die Fokussierung der Rentenminderung auf den Renteneintritt mit 60 stellt insofern ein schlüssiges Konzept dar, als sich gerade die Versicherten dieser Altersgruppe unter der Geltung des bisherigen Rechts zB insbesondere bei Arbeitslosigkeit vor die Frage gestellt sehen konnten, ob sie statt der vorzeitigen Altersrente mit einem Abschlag von 18 % eine wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts mögliche Erwerbsminderungsrente ohne Abschlag anstreben sollten.
Ein ganz wesentliches Element dieses Konzepts ist die Abschwächung des Rentenabschlags durch die zusätzliche Zurechnungszeit bei einem Renteneintritt vor dem 60. Lebensjahr. Wäre der nach § 77 Abs. 2 SGB VI abgesenkte Zugangsfaktor nur bei Renteneintritt bzw. Rentenbezug ab dem 60. Lebensjahr anwendbar, würde der Rentenabschlag gerade nicht abgeschwächt, sondern das RRErwerbG hätte bei früherem Renteneintritt im Vergleich zum bisherigen Recht zu einer Rentenerhöhung geführt und entgegen den dargestellten Bemühungen des Gesetzgebers um eine Anhebung des Renteneintrittsalters einen Anreiz geschaffen, mittels frühen Rentenantrags zu versuchen, zumindest vorübergehend den Abschlag zu vermeiden. Infolgedessen bestätigt die Neuregelung der Zurechnungszeit die mit den Absichten des Gesetzgebers im Einklang stehende Auslegung, nach der die Rentenminderung auch Renten erfasst, die vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten gewährt werden. Die § 59 Abs. 2 Satz 2, § 63 Abs. 5, §§ 77, 253a, 264c SGB VI bilden ein aufeinander abgestimmtes "Gesamtpaket". Dies wird besonders deutlich in der Anlage 23 zum SGB VI, die übergangsweise je nach Zeitpunkt des Rentenbeginns festlegt, in welchem Umfang der Zugangsfaktor zu senken bzw. - in darauf abgestimmten Stufen - die Zurechnungszeit zu verlängern ist.
Schließlich bestätigt die Einfügung von Abs. 4 in § 77 SGB VI durch Art 1 Nr 23 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007 ab dem 1.1.2008 das dargestellte Gesamtkonzept und führt es fort, indem für langjährig Versicherte die Weitergeltung der bisherigen Altersgrenzen angeordnet wird. Folgte man der Auffassung, wonach der Rentenabschlag erst ab Vollendung des 60. Lebensjahres greifen soll, so würde diese zu Zwecken des Vertrauensschutzes geschaffene Regelung in ihr Gegenteil verkehrt: Versicherte mit mindestens 40 Pflichtbeitragsjahren würden durch die Herabsetzung des 62. auf das 60. Lebensjahr nicht begünstigt, sondern benachteiligt.
Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt die Regelung des § 77 Abs. 2 SGB VI nicht gegen das GG ...
Rentenansprüche und -anwartschaften werden vom verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz nach Art 14 Abs. 1 GG erfasst. Der Schutzbereich des Art 14 Abs. 1 GG ist vorliegend dadurch tangiert, dass im Vergleich zur früheren Rechtslage mit der Rechtsänderung durch das RRErwerbG eine Verschlechterung für den Kläger insoweit eingetreten ist, als nunmehr bei einer Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres der Zugangsfaktor gemindert wird.
Der Kläger wird jedoch nicht in seinem Grundrecht aus Art 14 GG verletzt. Bei der in Streit stehenden Vorschrift handelt es sich um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung durch den Gesetzgeber. Der Eingriff in die Rechtsposition des Klägers erweist sich gemessen an der gesetzgeberischen Zielsetzung als geeignet und erforderlich und ist andererseits gemessen an der vom Kläger erworbenen Rechtsposition sowie Art und Umfang seiner Beitragsleistung verhältnismäßig und zumutbar.
Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften sind zulässig, wenn sie einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sind. Dabei verengt sich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in dem Maße, in dem Rentenanwartschaften durch den personalen Anteil eigener Leistungen der Versicherten geprägt sind. Die eigene Leistung findet vor allem in einkommensbezogenen Beitragszahlungen ihren Ausdruck. Sie rechtfertigt es, dass der durch sie begründeten rentenrechtlichen Rechtsposition ein höherer Schutz gegen staatliche Eingriffe zuerkannt wird als einer Anwartschaft, soweit sie nicht auf Beitragsleistungen beruht. Knüpft der Gesetzgeber an ein bereits bestehendes Versicherungsverhältnis an und verändert er die in dessen Rahmen begründete Anwartschaft zum Nachteil des Versicherten, so ist darüber hinaus ein solcher Eingriff am rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes zu messen, der für die vermögenswerten Güter und damit auch für die rentenrechtliche Anwartschaft in Art 14 GG eine eigene Ausprägung erfahren hat.
Wie bereits näher dargelegt, wollte der Gesetzgeber mit den in Rede stehenden Regelungen des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 und 3 SGB VI idF des RRErwerbG zum einen der Gefahr begegnen, dass im Hinblick auf die gesetzlich normierten Abschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Altersrenten unverhältnismäßig viele Anträge auf Erwerbsminderungsrenten gestellt würden; zum anderen hat er das Ziel verfolgt, das Versicherungsrisiko der unterschiedlich langen Rentenbezugsdauer mit Hilfe versicherungsmathematischer Abschläge zu neutralisieren.
Die mit dem RRErwerbG normierte Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres stellt allein schon deshalb eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung dar, weil sie ersichtlich dazu dient, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten und den – u. a. durch die demografische Entwicklung - veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Wie der Hochrechnung der finanziellen Auswirkungen der im RRG 1992 und im RRErwerbG beschlossenen Maßnahmen zu entnehmen ist, geht es dabei in erster Linie um eine Verlangsamung der nach früherem Recht zu erwarten gewesenen Erhöhungen des Beitragssatzes in der Rentenversicherung und der entsprechenden Mehrausgaben des Bundes. Sind allein die finanziellen Erwägungen ein legitimer Grund für den Eingriff, so kann offen bleiben, ob auch andere mit der Regelung vom Gesetzgeber verfolgte Ziele für sich oder zusätzlich die in Frage stehende Regelung rechtfertigen könnten.
Die im öffentlichen Interesse liegende Minderung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 63. Lebensjahres war auch verhältnismäßig im weiteren Sinne (d.h. geeignet, erforderlich und zumutbar).
Die Regelung war geeignet, die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele zu erreichen. Ihm steht - wie dies das BVerfG erneut in seinem Beschluss vom 27.2.2007 zum Ausdruck gebracht hat - im Sozialversicherungsrecht wie in allen komplexen, von künftigen Entwicklungen abhängigen Regelungsbereichen ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Bei der Ausgestaltung der Versicherungsverhältnisse benötigt der Rentengesetzgeber Flexibilität, die ihm nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich nicht verwehrt werden kann. Mit Rücksicht auf das unterschiedliche Versicherungsrisiko von in niedrigerem oder höherem Alter beginnenden Renten und auf die dadurch gebotene Annäherung von Erwerbsminderungs- und Altersrenten bewegt sich die Vorschrift über die Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 63. Lebensjahres innerhalb dieses verfassungsrechtlichen Einschätzungsspielraums.
Die Regelung genügt auch dem Gebot der Erforderlichkeit. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht des Klägers nicht oder doch weniger einschränkendes Mittel hätte wählen können. Der Gesetzgeber kann insbesondere nicht darauf verwiesen werden, eine Einsparung in anderen, von dem betroffenen Gesetz nicht erfassten Bereichen zu erzielen. Unter dem Gesichtspunkt des Erforderlichkeitsgrundsatzes war er nicht verpflichtet, auf andere Maßnahmen auszuweichen, insbesondere - im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen - die Beitragssätze zu erhöhen, die Bestandsrenten abzusenken oder auf eine Anpassung der Renten an die Lohn- und Gehaltsentwicklung zu verzichten. Um dem Erforderlichkeitsgebot Rechnung zu tragen, war er ebenso wenig gehalten, einen höheren Bundeszuschuss vorzusehen und ggf. für diesen Zweck Steuern einzuführen oder zu erhöhen.
Die Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres ist für den Kläger auch zumutbar. Hierbei ist zu beachten, dass das Gesetz nicht in einen schon bestehenden Rentenanspruch des Klägers, sondern in seine Rentenanwartschaft eingegriffen hat. Anwartschaften sind aber wegen des großen Zeitraums zwischen ihrem Erwerb und der Aktivierung des Rentenanspruchs naturgemäß stärker einer Veränderung der für die Rentenberechnung maßgeblichen Verhältnisse unterworfen und genießen nicht denselben eigentumsrechtlichen Schutz wie die Rente. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Übergangsregelung des § 264c SGB VI und die Kompensation über die verlängerte Zurechnungszeit nach §§ 59, 253a SGB VI die Wirkung der Absenkung des Zugangsfaktors abgemildert hat ...
Die Neuregelung durch das RRErwerbG genügt auch dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die hier für den Eingriff - Absenkung des Zugangsfaktors - maßgebliche Regelung des § 77 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI idF des RRErwerbG greift nicht im Sinne einer (echten) Rückwirkung zu Ungunsten des Klägers in eine Rechtsposition ein, die dieser bereits vor deren Inkrafttreten am 1.1.2001 inne hatte. Im Übrigen war die Änderung der Rechtslage für die Versicherten nicht völlig überraschend, nachdem der Bundesrat bereits im April 1989 die Bundesregierung zu einer Reform der Erwerbsminderungsrenten in diesem Sinne aufgefordert hatte.
Die Regelungen des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 und 3 SGB VI verstoßen auch nicht gegen Art 3 Abs. 1 GG.
Der darin enthaltene allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem gemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten ; Entsprechendes gilt für eine Gleichbehandlung trotz Bestehens gewichtiger Unterschiede. Nachdem die getroffenen Maßnahmen durch das Ziel gerechtfertigt sind, die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten, ist es unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden, dass die Versichertengruppe, zu welcher der Kläger gehört, gegenüber derjenigen anders behandelt wird, die wegen eines Rentenbeginns vor dem 1.1.2001 noch nicht von der Absenkung des Zugangsfaktors betroffen war. Mit jeglicher Anpassung des Rechts an geänderte Verhältnisse ist zwangsläufig eine ungleiche Behandlung von Betroffenen vor und nach dem Inkrafttreten einer Rechtsänderung verbunden und kann daher für sich allein nicht zur Verfassungswidrigkeit führen.
Der Gesetzgeber war durch das im Gleichheitssatz enthaltene Differenzierungsgebot nicht gehalten, Erwerbsminderungsrenten wegen gewichtiger Unterschiede zu den Altersrenten von den dort eingeführten Rentenabschlägen ganz auszunehmen. Dem Kläger ist zuzustimmen, dass ein Versicherter es letztlich nicht in der Hand hat, den Zeitpunkt einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung selbst zu bestimmen. Jedoch kann es bei länger währender Arbeitslosigkeit im rentennahen Alter ebenfalls kaum noch praktische Alternativen zu einem Antrag auf vorgezogene Altersrente mit Rentenabschlägen geben; bei Entlassungen gegen Abfindung kann sogar eine arbeitsrechtliche Verpflichtung zu einem solchen Antrag bestehen. Insofern haben die Unterschiede nicht das ihnen vom Kläger beigemessene Gewicht. Sie sind durch den geringeren Abschlag in Höhe von maximal 10,8 statt 18 % und die erhöhte Zurechnungszeit bei jüngeren Erwerbsminderungsrentnern angemessen berücksichtigt. Aus Sicht des Senats war es im Hinblick auf den Gleichheitssatz nicht nur gerechtfertigt, sondern möglicherweise sogar geboten, die Finanzierungsschwierigkeiten der Rentenversicherung durch längere Rentenlaufzeiten nicht allein zu Lasten der Altersrentner zu lösen, nachdem der Bundesrat im Jahre 1989 auf diese Problematik hingewiesen hatte.
Schließlich greift der Einwand nicht, der Gesetzgeber habe auch für Erwerbsminderungsrentner eine dem § 187a SGB VI entsprechende Möglichkeit schaffen müssen, die bei Anwendung von § 77 Abs. 2 SGB VI entstehende Rentenminderung durch Beitragszahlungen auszugleichen. Ein diesbezügliches Verfassungsgebot ist schon deshalb zu verneinen, weil die Erwerbsminderungsrente in deutlich geringerem Ausmaß abgesenkt wird als die Altersrente, sodass die unterschiedlich hohen Versorgungslücken eine unterschiedliche Behandlung sachlich rechtfertigen. Im Übrigen sind keine Gründe ersichtlich, die den Erwerbsminderungsrentner an der Entrichtung freiwilliger Beiträge hindern würden, um seine künftig zu erwartende Altersrente aufzubessern ; da § 7 Abs. 3 SGB VI das Recht zur freiwilligen Versicherung ausschließt, wenn eine Vollrente wegen Alters bindend bewilligt ist, bedarf es lediglich für vorzeitig in Anspruch genommene Altersrenten der Sonderregelung des § 187a SGB VI.
Ein Verstoß gegen Art 3 Abs. 3 Satz 2 GG liegt ebenfalls nicht vor.
Art 3 Abs. 3 Satz 2 GG bezweckt die Stärkung der Stellung behinderter Menschen in Recht und Gesellschaft. Sie enthält ein Gleichheitsrecht zu Gunsten Behinderter sowie einen Auftrag an den Staat, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken. Es ist bereits fraglich, ob der Schutzbereich des Grundrechts, der zunächst eine Ungleichbehandlung voraussetzt, tangiert ist. Jedenfalls liegt eine Benachteiligung wegen Behinderung nicht vor. Die Absenkung des Zugangsfaktors nach § 77 Abs. 2 SGB VI betrifft seit dem RRErwerbG alle Rentenarten, wenn die jeweilige Rente vor der im Gesetz normierten Altersgrenze in Anspruch genommen wird. Damit sollen Vor- und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer bei allen Rentenarten ausgeglichen werden. Eine Benachteiligung des Klägers wegen einer Behinderung liegt somit nicht vor."
Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.
Die Rechtsfrage, wie § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI auszulegen ist, ist zwischenzeitlich mit dem oben genannten Urteil des BSG abschließend geklärt, nachdem auch der 13. Senat des BSG in dem im Urteil vom 14. August 2008 – B 5 R 32/07 R erwähnten Beschluss vom 26. Juni 2008 – B 13 R 9/08 S sich der Rechtsprechung des 4. Senats im Urteil vom 16. Mai 2006 – B 4 RA 22/05 R nicht angeschlossen hat. Der für die Alterssicherung der Landwirte zuständige 10. Senat des BSG hat im Urteil vom 25. Februar 2010 – B 10 LW 3/09 R unter Hinweis auf die jetzt maßgebliche Auslegung des § 77 Abs. 2 SGB VI durch die zuständigen Rentensenate des BSG die vergleichbare Vorschrift des § 23 Abs. 8 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) im gleichen Sinne wie diese Rentensenate ausgelegt.
Diese Auslegung des § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist verfassungskonform. Sie verletzt insbesondere nicht das Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, den Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG), den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG oder das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3588/08 und 1 BvR 555/09, abgedruckt in BVerfGE 128, 138 = SozR 4-2600 § 77 Nr. 9). Das BVerfG hat dazu u. a. ausgeführt:
"Da sich die Inhalts- und Schrankenbestimmung nach alledem als sachgerecht erweist, liegt auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor. Dem Umstand, dass der Zugang zur Erwerbsminderungsrente - anders als die vorzeitige Inanspruchnahme von Altersrente - eine schicksalhafte Entwicklung des Gesundheitszustandes voraussetzt, ist dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten bei weitem nicht die bei Altersrenten mögliche Höhe erreichen und zudem noch durch die Zurechnungszeiten nach § 59 SGB VI teilweise kompensiert werden. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ist nicht verletzt. Zwar erschöpft sich das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht in der Anordnung, Behinderte und Nichtbehinderte rechtlich gleich zu behandeln. Vielmehr kann eine Benachteiligung auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt gegeben sein, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Fördermaßnahme kompensiert wird (vgl. BVerfGE 96, 288 (303); 99, 341 (357); BVerfGK 7, 269 (273); vgl. auch Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl 2008 II, S. 1419, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft seit 26. März 2009, BGBl 2009 II, S. 812)). Daher scheidet eine Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht bereits deshalb aus, weil die Beschwerdeführer lediglich rügen, gegenüber nichtbehinderten Altersrentnern hinsichtlich der Abschläge beim Zugangsfaktor rechtlich gleich behandelt zu werden. Allerdings knüpft der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente nicht an eine Behinderung im verfassungsrechtlichen Sinne an. Der Behindertenbegriff des § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI der allein auf die Fähigkeiten des Versicherten auf dem Arbeitsmarkt abstellt, ist nicht identisch mit dem allgemein auf die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben abstellenden Behindertenbegriff des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, an dessen Vorgängernorm (§ 3 Abs. 1 Schwerbehindertengesetz) sich der verfassungsändernde Gesetzgeber bei der Schaffung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 orientiert hat (vgl. BVerfGE 96, 288 (301)). Zudem knüpft § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI nicht ausschließlich an eine Behinderung an, sondern lässt auch eine vorübergehende Krankheit ausreichen. Dies entspricht der gesetzlichen Regel, nach der eine Erwerbsminderungsrente grundsätzlich nur auf Zeit gewährt wird, weil davon auszugehen ist, dass die Erwerbsminderung wieder entfallen kann (§ 102 Abs. 2 SGB VI). Aber auch soweit die Vorschrift Behinderte im Sinne des Art 3 Abs. 3 Satz 2 GG trifft, ist sie wegen der oben dargestellten Berücksichtigung der gesundheitsbedingten Unfähigkeit, zu arbeiten, im Vergleich zu sonstigen Erwerbslosigkeiten noch gerechtfertigt."
Damit liegt zugleich eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes nicht vor. Entgegen der Ansicht des Klägers wird auch bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrente - die von ihm angenommene schicksalhafte Entwicklung des Gesundheitszustandes vorausgesetzt – diese um einen Abschlag beim Zugangsfaktor gemindert. Derjenige, der den Grad seiner Gebrechlichkeit durch alterungsbedingte Symptome erreicht hat, kann somit entgegen seiner Auffassung die volle Rente nicht erhalten. Im Übrigen erfährt derjenige, der eine Erwerbsminderungsrente erhält, gegenüber demjenigen, der eine vorzeitige Altersrente bezieht, den vom BVerfG bezeichneten sachlich gerechtfertigten Vorteil. Das vom Kläger genannte Urteil des EuGH vom 06. Dezember 2012 C-152/11 besagt dazu nichts, denn es betrifft sowohl einen anderen Sachverhalt als auch eine andere Regelungsmaterie. Der EuGH hat ausgeführt: "Wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, müssen die Sozialpartner, wenn sie Maßnahmen treffen, die in den Geltungsbereich der das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters für Beschäftigung und Beruf konkretisierenden Richtlinie 2000/78 EG des Rates vom 27. November 2000 (ABl. L 303, 16) fallen, unter Beachtung dieser Richtlinie vorgehen." Der Kläger wird bereits nicht vom Geltungsbereich dieser Richtlinie erfasst.
Nach Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie gilt: Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf a) die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, einschließlich des beruflichen Aufstiegs; b) den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung, einschließlich der praktischen Berufserfahrung; c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts; d) die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation oder einer Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen.
Nach Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie gilt sie hingegen nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes.
Die vom Sozialgericht getroffene Entscheidung über die Auferlegung von 150 Euro ist ebenfalls nicht zu beanstanden, denn sie ist sachgerecht.
Die Entscheidung über die Missbrauchskosten (vom Sozialgericht als Verschuldenskosten bezeichnet) ergibt sich aus den §§ 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Sätze 2 und 3, 184 Abs. 2 SGG. Danach kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder –verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Den Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbeitrag gilt dabei (mindestens) der Betrag von 150 Euro für das Verfahren vor den Sozialgerichten.
Missbrauch ist anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Dabei ist von einem Rechtsanwalt zu verlangen, dass er sich mit der Materie auseinandersetzt, die Rechtsprechung zu den aufgeworfenen Fragen prüft und die Erfolgsaussichten eingehend abwägt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03. Juli 1995 – 2 BvR 1379/95, abgedruckt in NJW 1996, 1273 ff.).
Der Kläger und seine Prozessbevollmächtigten sind mit Verfügung des Vorsitzenden vom 07. September 2011 auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung und die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits im Umfang von mindestens 150 Euro hingewiesen worden. Dabei ist Bezug genommen worden auf das gerichtliche Schreiben vom 04. August 2011, in dem der Leitsatz des Beschlusses des BVerfG vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3588/08 und 1 BvR 555/09 mitgeteilt worden ist. Bereits zuvor hatte das Sozialgericht im Schreiben vom 02. September 2008 auf die oben genannte Rechtsprechung des 5. Senats des BSG vom 14. August 2008 aufmerksam gemacht. Gleichwohl ist der Rechtsstreit fortgeführt worden.
Dazu ist klägerischerseits vorgetragen worden, dass 1. nicht feststehe, dass in dieser (anhängigen) Sache zuletzt nicht der 4. Senat entscheide, und 2. sei die Auffassung des 5. Senats unzutreffend (Schriftsatz vom 08. September 2008). Verschuldenskosten wegen Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung könnten dem Kläger nicht auferlegt werden, da zum Zeitpunkt der Klageerhebung die mit der Klage vertretene Rechtsauffassung auch der Rechtsauffassung eines Senats des BSG entsprochen habe und der Kläger auch weiterhin diese Rechtsauffassung vertrete. Er beabsichtige daher, den Rechtsstreit auch in den Folgeinstanzen fortzuführen, was nicht rechtsmissbräuchlich sein könne (Schriftsatz vom 13. September 2011).
Es ist angemessen und sachgerecht, dass das Sozialgericht bei dem vorliegenden Ergebnis des Rechtsstreits die Kosten von 150 Euro auferlegt hat.
Der Vortrag des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten hat sich im Wesentlichen darauf beschränkt, an der zwischenzeitlich überholten Rechtsprechung des 4. Senats des BSG festzuhalten, obwohl diese Rechtsprechung durch die oben dargelegte Rechtsprechung der allein zuständigen anderen Senate des BSG nicht fortgeführt worden ist und diese neue maßgebende Rechtsprechung des BSG vom BVerfG nicht als verfassungswidrig beurteilt worden ist, ohne auch nur andeutungsweise sich mit der neu entstandenen rechtlichen Situation auseinanderzusetzen. Damit leuchtet jedem Einsichtigen, insbesondere einem Rechtsanwalt, ein, dass der Rechtsstreit für den Kläger nicht erfolgreich sein kann. Auf einer nicht mehr maßgeblichen Rechtsprechung zu beharren, weist auf ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit hin.
Dem steht nicht entgegen, dass die Rechtsverfolgung zum Zeitpunkt der Klageerhebung auch der Rechtsprechung eines Senats des BSG entsprach, denn nicht die Klageerhebung, sondern die Fortführung des Rechtsstreits ohne Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsprechungsänderung begründet das missbräuchliche Verhalten.
Unwesentlich ist die Absicht des Klägers gewesen, den Rechtsstreit auch in den Folgeinstanzen fortzuführen, denn die Missbräuchlichkeit entfällt nicht dadurch, dass höhere Instanzen mit aussichtslosen Begehren überzogen werden.
Das Vorbringen im Berufungsverfahren führt bezogen auf die Entscheidung des Sozialgerichts zu keinem anderen Ergebnis.
§ 192 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG ist nicht verfassungswidrig. Diese Vorschrift dient wie § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG), der sie nachgebildet ist (Bundestag-Drucksache 14/5943 S. 11 und 28), dazu, die Funktionsfähigkeit der Sozialgerichtsbarkeit zu gewährleisten und die Arbeitskapazität deren Gerichte nicht durch aussichtslose Verfahren zu belasten. Die Auferlegung von Missbrauchskosten ist daher keine Bestrafung für die Inanspruchnahme der Judikative. Die Möglichkeit zur bzw. die Verhängung von Missbrauchskosten ist auch grundsätzlich angesichts der Höhe auch nicht grundsätzlich geeignet, Personen von der gerichtlichen Wahrnehmung ihrer Rechte abzuhalten, wie das vorliegende Verfahren belegt. Insoweit tragen verhängte Missbrauchskosten jedenfalls dazu bei, den Beteiligten an den Kosten des regelmäßig gerichtskostenfreien Verfahrens vor den Sozialgerichten zu beteiligen.
Die vom Kläger gesehene Gefahr, dass durch die Verhängung von Missbrauchskosten jede Möglichkeit der Rechtsfortbildung verhindert wird, ist nicht gegeben, wenn - wie hier - dieses Instrument dem Gesetz gemäß angewendet wird. Gerade im vorliegenden Fall wird dies besonders deutlich, denn die Rechtsfindung und Rechtsfortbildung ist mit den oben genannten Entscheidungen des BSG abgeschlossen.
Es ist auch nicht ersichtlich, wie vom Kläger vorgetragen, aber durch keine einzige Fundstelle belegt, dass trotz der oben genannten Rechtsprechung des BSG die vom ehemaligen 4. Senat des BSG vertretene Rechtsansicht teilweise von Literatur und Rechtsprechung unterstützt wird. Schließlich hat der Kläger auch kein beim EuGH anhängiges Verfahren benennen können, in dem eine Verletzung des Diskriminierungsverbots wegen der Minderung des Zugangsfaktors streitgegenständlich wäre. Unabhängig davon erweist sich die vorgetragene Verletzung des Diskriminierungsverbots als schlichte Behauptung, denn dazu fehlt jegliche substanzielle Begründung.
Die Entscheidung des Sozialgerichts erweist sich mithin als sachgerecht, denn auch aus heutiger Sicht stellt sich die Fortführung des Rechtsstreits als missbräuchlich dar.
Die Berufung muss somit erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten höhere Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Minderung des Zugangsfaktors.
Dem im Dezember 1962 geborenen Kläger bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 13. September 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. Dezember 2004 bis 31. Dezember 2005 nach einem am 04. Mai 2004 eingetretenen Leistungsfall mit 0,4409 persönlichen Entgeltpunkten und 28,6936 persönlichen Entgeltpunkten (Ost), die sie unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 0,892 ermittelte. Sie verminderte den Zugangsfaktor von 1,0 für jeden Kalendermonat nach dem 31. Dezember 2022 (dem Kalendermonat nach Vollendung des 60. Lebensjahres) bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres um 0,003, also für 36 Kalendermonate um insgesamt 0,108, auf 0,892 und vervielfältigte damit die Summe aller aus rentenrechtlichen Zeiten ermittelten Entgeltpunkte von 0,4943 und Entgeltpunkte (Ost) von 32,1677.
Auf den Antrag auf Weiterzahlung erteilte sie den Bescheid vom 10. Januar 2006, mit dem sie die Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Zugrundelegung der bisherigen Entgeltpunkte bzw. Entgeltpunkte (Ost) bis 31. Dezember 2007 bewilligte.
Den im Mai 2007 unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 16. Mai 2006 – B 4 RA 22/05 R – gestellten Antrag auf Überprüfung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2007 ab.
Die dagegen am 11. Oktober 2007 beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage hat das Sozialgericht, nachdem es auf die Rechtsprechung des 5. Senats des BSG vom 14. August 2008 und den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3588/08 und 1 BvR 555/09 sowie auf die Auferlegung von Verschuldenskosten wegen Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung hingewiesen hatte, nach entsprechender Anhörung mit Gerichtsbescheid vom 28. September 2011 abgewiesen und dem Kläger zugleich auferlegt, 150 Euro an die Staatskasse zu zahlen: Es hat sich der Auffassung des BSG im Urteil vom 16. Mai 2006 – B 4 RA 22/05 R nicht angeschlossen, sondern ist der Rechtsprechung des nunmehr allein zuständigen 5. und 13. Senats des BSG (Urteile vom 14. August 2008 – B 5 R 32/07 R, B 5 R 140/07 R, B 5 R 88/07 R; Urteil vom 25. November 2008 – B 5 R 112/08 R; Beschluss vom 26. Juni 2008 – B 13 R 9/08 S) gefolgt, da § 77 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) nach Wortlaut, Systematik und historischer Auslegung so zu verstehen sei, dass auch bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres eine Verminderung des Zugangsfaktors vorzunehmen sei. Das BVerfG habe mit Beschluss vom 11. Januar 2011 entschieden, dass dies verfassungsgemäß sei. Missbrauch bestehe insoweit, als die Rechtsverfolgung im Hinblick auf die gefestigte Rechtsprechung der Rentensenate des BSG und der sie bestätigenden Entscheidung des BVerfG als völlig aussichtslos angesehen werden müsse.
Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 13. Oktober 2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 14. November 2011, einem Montag, eingelegte Berufung des Klägers.
Er meint, die Minderung des Zugangsfaktors verstoße gegen das europarechtliche Diskriminierungsverbot. Die dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit trete sowohl bei Altersrenten als auch bei krankheitsbedingten Erwerbsminderungen auf. Aufgrund körperlicher Gebrechlichkeit sei der jeweils Betroffene nicht mehr in der Lage, hinreichend für den eigenen Lebensunterhalt zu sorgen. Eine Kürzung des Zugangsfaktors bei einer auf einer Behinderung beruhenden Erwerbsminderung, die nicht altersbedingt sei, werde letztlich derselbe Sachverhalt, nämlich die aufgrund körperlicher Gebrechlichkeit verminderte Erwerbsfähigkeit, unterschiedlich behandelt. Derjenige, der den Grad seiner Gebrechlichkeit durch alterungsbedingte Symptome erreicht habe, könne die volle Rente erhalten; derjenige, der krankheitsbedingt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit erreiche, werde nur mit einer gekürzten Rente bedacht. Diese Art und Weise der Kürzung des Zugangsfaktors stelle daher eine Diskriminierung desjenigen da, der aufgrund körperlicher Behinderung nicht mehr in der Lage sei, für seinen Lebensunterhalt vollumfänglich selbst zu sorgen. Der Kläger hat sich auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 06. Dezember 2012 – C 152/11 bezogen und ausgeführt, diese Entscheidung betreffe zwar nicht die Minderung des Zugangsfaktors. Es würden jedoch grundsätzliche Ausführungen zum Verbot der Diskriminierung behinderter Menschen im Rentenrecht gemacht. Die Auferlegung von Gerichtskosten sei verfassungswidrig. Sie stelle eine Bestrafung für die Inanspruchnahme der Judikative dar. Sie verhindere die Möglichkeit der Rechtsfortbildung. Rechtsmissbrauch könne dann nicht angenommen werden, wenn die vom Kläger vertretene Rechtsauffassung teilweise von Literatur und Rechtsprechung unterstützt werde, wobei es unerheblich sei, ob das BVerfG oder das BSG die Sache bereits durchentschieden habe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Rentenhöchstwertfestsetzung im Bescheid vom 13. September 2004 in Gestalt des Überprüfungsbescheides vom 15. Juni 2007 und des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2007 zu verpflichten, den dynamisierten Geldwert des Rechts auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für Bezugszeiten ab 01. Dezember 2004 nach einem ungeminderten Zugangsfaktor von 1,0 festzusetzen und für den Bezugszeitraum vom 01. Dezember 2004 bis heute zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben hierzu ihr Einverständnis erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 15. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2007 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte den Bescheid vom 13. September 2004 und vom 10. Januar 2006 zurücknimmt und dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01. Dezember 2004 bis heute unter Zugrundelegung eines Zugangsfaktors von 1,0 gewährt.
Es ist auch über den Bescheid vom 10. Januar 2006 zu entscheiden, obwohl dieser Bescheid ausdrücklich weder im Bescheid vom 15. Juni 2007 genannt noch vom Kläger in seinem Klageantrag bezeichnet worden ist. Es kommt maßgebend darauf an, wie der Kläger ausgehend von seinem im Mai 2007 gestellten Antrag den Bescheid vom 15. Juni 2007 verstehen durfte und worauf sein Begehren gerichtet ist.
Danach erweist sich die Ablehnung des Antrages auf Überprüfung aus Sicht eines objektiven Empfängerhorizonts zugleich als konkludente Ablehnung der Rücknahme auch des Bescheides vom 10. Januar 2006, denn insoweit ist der Kläger ebenfalls durch die Minderung des Zugangsfaktors über den 31. Dezember 2005 hinaus bis 31. Dezember 2007 belastet. Dies kommt auch in seinem Klageantrag zum Ausdruck, denn er begehrt die Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Minderung des Zugangsfaktors sogar bis heute.
Eine inhaltliche Überprüfung ist dem Senat allerdings lediglich zu den Bescheiden vom 13. September 2004 und 10. Januar 2006 und damit für die Zeit vom 01. Dezember 2004 bis 31. Dezember 2007 möglich, denn auf diesen Zeitraum ist die Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung beschränkt. Ein weiterer Bescheid über eine darüber hinausgehende Weitergewährung dieser Rente lag bei Erteilung des Bescheides vom 15. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2007 nicht vor. Soweit daher das klägerische Begehren auf Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung ohne Minderung des Zugangsfaktors über den 31. Dezember 2007 hinaus bis heute gerichtet ist, ist die Klage unzulässig, da es an einer Entscheidung der Beklagten zu einem (erst) nach dem Widerspruchsbescheid vom 11. September 2007 ergangenen Verwaltungsakt fehlt.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Bescheide vom 13. September 2004 und 10. Januar 2006 sind rechtmäßig, denn Rente wegen voller Erwerbsminderung steht nicht ohne Minderung des Zugangsfaktors zu.
Nach § 64 SGB VI unter Berücksichtigung der für das Beitrittsgebiet geltenden Regelungen der §§ 254 b bis 254 d, §§ 255 a, 255 b SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte bzw. persönlichen Entgeltpunkte (Ost), der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert bzw. der aktuelle Rentenwert (Ost) mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden.
Die Ermittlung des Zugangsfaktors ist in § 77 SGB VI geregelt. Maßgebend ist vorliegend § 77 SGB VI in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl I 2002, 754), der bis zum 31. Dezember 2007 und damit bei Beginn der dem Kläger bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Dezember 2004 galt. Dies folgt nicht nur aus § 64 SGB VI, der auf den Zeitpunkt des Rentenbeginns abstellt, sondern auch aus § 300 Abs. 2 SGB VI, wonach aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuches und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung wurde vom Kläger jedenfalls vor Ablauf des 31. Dezember 2007 geltend gemacht.
Nach § 77 Abs. 1 SGB VI richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder bei Tod und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrages der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind. Beginnt eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder ist bei Hinterbliebenenrenten der Versicherte vor Vollendung des 60. Lebensjahres verstorben, ist die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend (§ 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Der Zugangsfaktor ist für Entgeltpunkte, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente waren, bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und bei Erziehungsrenten für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird, um 0,003 niedriger als 1,0 (§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI).
Diesen Vorschriften entsprechend hat die Beklagte für jeden Kalendermonat nach dem 31. Dezember 2022 (dem Kalendermonat nach Vollendung des 60. Lebensjahres) bis zum Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres den Zugangsfaktor von 1,0 um 0,003 für 36 Kalendermonate, also um insgesamt 0,108, auf 0,892 vermindert und damit die ermittelten 0,4943 persönlichen Entgeltpunkte und 32,1677 persönlichen Entgeltpunkte (Ost) vervielfältigt, woraus die der Rente wegen voller Erwerbsminderung zugrunde zu legenden 0,4409 persönlichen Entgeltpunkte und 28,6936 persönlichen Entgeltpunkte (Ost) resultieren.
Allein diese Auslegung entspricht dem Gesetz. Dies stellt weder eine Verletzung der Menschenwürde dar, noch wird dadurch gegen andere Grundrechte verstoßen.
Das BSG hat im Urteil vom 14. August 2008 – B 5 R 32/07 R (vgl. auch die weiteren Urteile vom selben Tag B 5 R 88/07 R, B 5 R 140/07 R und B 5 R 98/07 R) dazu wie folgt ausgeführt:
"Im Ergebnis ist der Zugangsfaktor bei Inanspruchnahme von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 60. Lebensjahres um maximal 0,108 zu mindern und somit auf mindestens 0,892 festzulegen. Dafür sprechen Wortlaut und systematische Stellung des § 77 SGB VI wie auch Sinn und Zweck, systematischer Gesamtzusammenhang und Entstehungsgeschichte der Norm.
Indem die Grundregel des § 77 Abs. 1 SGB VI für die Rentenberechnung zum einen das Alter des Versicherten bei Rentenbeginn oder Tod für maßgebend erklärt und zum anderen das rechnerische Verhältnis zwischen EP und persönlichen EP festlegt, bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass der Zugangsfaktor und somit die nach § 77 Abs. 2, 3 SGB VI zu ermittelnden "Abschläge" oder "Zuschläge" für die gesamte Dauer des ununterbrochenen Rentenbezugs gelten sollen. Falls dieselben EP einer weiteren Rente zu Grunde zu legen sind, ist durch § 77 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI eine erneute Ermittlung des Zugangsfaktors grundsätzlich ausgeschlossen.
§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI bestimmt die Höhe des Zugangsfaktors für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Danach sinkt der Zugangsfaktor von 1,0 um 0,003 für jeden Kalendermonat, für den eine Rente vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird. Ein Rentenbeginn nach dem 63. Lebensjahr hat somit keine Absenkung des Zugangsfaktors zur Folge. Ein sehr früher Rentenbeginn würde demgegenüber bei isolierter Anwendung des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI zu einer Absenkung des Zugangsfaktors auf null führen. Zur Vermeidung dieses Ergebnisses ergänzt § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI die genannte Vorschrift dahingehend, dass die Vollendung des 60. Lebensjahres für die Bestimmung des Zugangsfaktors maßgebend sein soll, wenn eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder eine Erziehungsrente bereits vor der Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt. Bei jüngeren erwerbsgeminderten Versicherten wird hinsichtlich des Zugangsfaktors so getan, als habe der Versicherte das 60. Lebensjahr bereits vollendet. Entgegen der Grundregel des § 77 Abs. 1 SGB VI, wonach sich der Zugangsfaktor nach dem (tatsächlichen) Alter des Versicherten bei Rentenbeginn bestimmt, ordnet das Gesetz eine Rentenberechnung unter der (fiktiven) Annahme an, der Versicherte habe das 60. Lebensjahr bereits vollendet, um auf diese Weise die Minderung des Zugangsfaktors entsprechend der 36 Monate zwischen dem vollendeten 60. und dem vollendeten 63. Lebensjahr auf maximal 36 x 0,003 = 0,108 zu begrenzen Eine zusätzliche Herabsetzung des Zugangsfaktors mit Rücksicht auf eine tatsächliche Inanspruchnahme der Erwerbsminderungsrente vor der Vollendung des 60. Lebensjahres ist ausgeschlossen. Dass es bei der Bezugnahme auf das 60. Lebensjahr des Versicherten um eine Fiktion für die Bestimmung des Zugangsfaktors und nicht etwa um die Festlegung des Beginns der Rentenminderung geht, wird insbesondere daran deutlich, dass dieselbe Vorschrift auch bei der Hinterbliebenenrente auf die Vollendung des 60. Lebensjahres abstellt, um die Höhe des Zugangsfaktors zu bestimmen. Andernfalls müsste dem Gesetz unterstellt werden, es wolle die Rentenhöhe für den Zeitraum regeln, nachdem der verstorbene Versicherte das genannte Lebensalter erreicht haben würde.
§ 77 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB VI dient für die aktuell zu berechnende Rente ausschließlich der Bestimmung eines einheitlichen Zugangsfaktors für die gesamte Zeit des Rentenbezugs und nicht etwa eines variablen Zugangsfaktors in Abhängigkeit von verschiedenen Bezugszeiträumen. Das auf einer möglichen "Vorzeitigkeit" der Rente wegen Erwerbsminderung beruhende gegenteilige Konzept des 4. Senats des BSG findet im Gesetz keine Stütze. Eine "vorzeitige" Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung im Sinne einer freien Entscheidung des Versicherten, vorzeitig aus dem Erwerbsleben ausscheiden zu wollen, ist nicht möglich, da der Leistungsfall (Eintritt der Erwerbsminderung) in der Regel unabhängig vom Willen des Versicherten eintritt. Streng genommen kann somit in Bezug auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht von einer vorzeitigen, sondern allenfalls von einer früheren oder späteren Inanspruchnahme gesprochen werden. Dessen war sich der Gesetzgeber auch bewusst, wie nicht nur die Auseinandersetzung im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung zeigt, sondern auch im Wortlaut des § 77 Abs. 2 Satz 1 SGB VI zum Ausdruck kommt. Denn das Gesetz spricht von einer "vorzeitigen" Inanspruchnahme nur in Satz 1 Nr 2a, der sich ausschließlich auf Renten wegen Alters vor Vollendung des 65. Lebensjahres bezieht. Mit der Einführung des abgesenkten Zugangsfaktors bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die vor Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen werden, durch das RRErwerbG vom 20.12.2000 wurde der Begriff der "Vorzeitigkeit" auch in § 63 Abs. 5 SGB VI gestrichen. Während vor dem 1.1.2001 eine Bezugnahme auf die "vorzeitige Inanspruchnahme " enthalten war, heißt es jetzt nur noch: "Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer werden durch einen Zugangsfaktor vermieden."
Dieses Ergebnis wird durch die Regelung des § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI nicht in Frage gestellt. Danach "gilt" die Zeit des Bezugs einer Rente vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Versicherten nicht als Zeit einer vorzeitigen Inanspruchnahme. Mit dieser Fiktion wird im Interesse des Versicherten eine Ausnahme von dem sich aus § 77 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 Satz 1 SGB VI ergebenden Grundsatz geschaffen, dass ein früherer Zugangsfaktor auch für spätere Renten maßgeblich bleibt. § 77 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB VI schließt eine (Neu-)Berechnung des Zugangsfaktors aus, soweit die EP des Versicherten bereits Grundlage von persönlichen EP einer Rente gewesen sind. Damit korrespondiert die in Abs. 3 Satz 1 derselben Vorschrift angeordnete Übernahme des bisherigen Zugangsfaktors in die Berechnung einer Folgerente. Dadurch wird das gesetzgeberische Anliegen verwirklicht , Rentenleistungen an jüngere Versicherte mit Rücksicht auf die längere Bezugszeit auch in denjenigen Fällen zu begrenzen, in denen eine Erwerbsminderungsrente mangels Besserung im Gesundheitszustand des Versicherten ohne Unterbrechung wiederholt zu bewilligen ist, weil sie gemäß § 102 Abs. 2 SGB VI grundsätzlich längstens für drei Jahre und nicht auf Dauer gewährt werden darf; ohne die genannten Vorschriften wäre der Zugangsfaktor für jede Folgerente als eigenständiger Leistungsfall neu zu ermitteln.
Die Fiktion des § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI durchbricht die beschriebene "Perpetuierung" des Zugangsfaktors bei Rentenbezug aufgrund mehrerer aufeinander folgender Rentenbewilligungen für diejenigen Fälle, in denen ein früherer Rentenbezug endet - wenn der Versicherte also beispielsweise lediglich zwischen dem 42. und 44. Lebensjahr Rente bezieht, dann aber bis zum 65. Lebensjahr (oder darüber hinaus) wieder erwerbstätig ist. Obwohl die vor dem 42. Lebensjahr erworbenen EP anlässlich der früheren Rentenbewilligung mittels abgesenktem Zugangsfaktor zu persönlichen EP umgerechnet und der Rente zugrunde gelegt worden waren, weil es sich um einen Rentenbezug vor dem 63. Lebensjahr gehandelt hatte, ist die Altersrente des Versicherten nach § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI so zu berechnen, als sei die frühere Rente nicht "vorzeitig" gewährt und infolgedessen auch nicht abgesenkt worden; infolgedessen bestimmt sich der Zugangsfaktor nach § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 Buchst b SGB VI und nicht nach Abs. 3. Schon nach dem Wortlaut des § 77 Abs. 2 Satz 3 SGB VI ("gilt") wird der Rentenabschlag nicht auf die Zeit nach dem 60. Lebensjahr verschoben; vielmehr wird der frühere Bezug einer abgesenkten Rente als ungeschehen fingiert, um den nur vorübergehend erwerbsgeminderten Versicherten vor einem "immerwährenden Abschlag" zu schützen.
Gestützt wird dieses Normverständnis durch die Regelung des § 77 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 SGB VI. Danach wird der Zugangsfaktor für EP, die Versicherte bei einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit einem Zugangsfaktor kleiner als 1,0 nach Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 60. Lebensjahres bis zum Ende des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres nicht in Anspruch genommen haben, um 0,003 je Kalendermonat erhöht. Die Normierung dieses "Zuschlags" nach Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 60. Lebensjahres bei einem Zugangsfaktor "kleiner als 1,0" wäre sinnlos, hätte die gesetzgeberische Absicht tatsächlich darin bestanden, die Minderung des Zugangsfaktors bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Rentenbezugszeiten ab dem 60. Lebensjahr zu beschränken.
Ein weiteres systematisches Argument hat der 13. Senat im Beschluss vom 26.6.2008 aufgezeigt. Gleichzeitig mit dem RRErwerbG hat der Gesetzgeber einen Rentenabschlag bei der Alterssicherung für Landwirte eingeführt, der demjenigen in der allgemeinen Rentenversicherung entsprechen sollte. Da die Renten nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) ohne Zugangsfaktor berechnet werden, musste die Neuregelung anders formuliert werden als im SGB VI. Infolgedessen ordnete § 23 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 ALG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung eine Minderung des (dortigen) allgemeinen Rentenwerts um 0,3 % für jeden Kalendermonat an, für den eine Rente wegen Erwerbsminderung vor Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 63. Lebensjahres in Anspruch genommen wird; § 23 Abs. 8 Satz 2 Halbsatz 1 ALG begrenzte den Abschlag (grundsätzlich) auf höchstens 10,8 %. Zwischen Rentenbezugszeiten vor und nach Vollendung des 60. Lebensjahres wurde dabei nicht unterschieden, sodass Erwerbsminderungsrenten nach dem ALG auch dann abzusenken sind, wenn sie vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten beginnen. Das muss infolgedessen auch im Rahmen von § 77 SGB VI gelten. Diese Vorschrift ist in diesem Punkt nicht anders zu verstehen als die Parallelregelung im ALG, nachdem die angeordnete Rentenkürzung in allen übrigen Punkten in beiden Bereichen gleich ist.
Sinn und Zweck der Vorschrift bestätigen die Auffassung, dass § 77 Abs. 2 SGB VI die Minderung des Zugangsfaktors auch für Zeiten des Bezugs einer Erwerbsminderungsrente vor der Vollendung des 60. Lebensjahres regelt.
Die Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme von Renten wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 63. Lebensjahres durch die Neufassung des § 77 SGB VI in Art 1 Nr. 22 RRErwerbG vom 20.12.2000 ist Teil einer Gesamtstrategie, mit der in mehreren aufeinander aufbauenden Schritten auf die demografische Entwicklung reagiert und die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung gesichert werden soll. Sie enthielt zunächst die Anhebung des Renteneintrittsalters und die Minderung des Zugangsfaktors für vorzeitige Altersrenten durch das Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) und wurde mit einer nochmaligen Anhebung der regelmäßigen Altersgrenze durch das RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007 in jüngster Vergangenheit fortgeführt. Damit soll eine sozial angemessene und finanziell tragfähige Alterssicherungspolitik verwirklicht und ein wichtiger Beitrag zu mehr Wachstum und Beschäftigung geleistet werden.
In dieses Gesamtkonzept fügt sich die Absenkung des Zugangsfaktors für Erwerbsminderungs-, Erziehungs- und Hinterbliebenenrenten nur dann ohne gravierende Widersprüche ein, wenn sie auch in den Fällen angewandt wird, in denen der Leistungsfall vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten liegt. Die Höhe des Zugangsfaktors hängt seit 1992 bei den Altersrenten vom Zeitpunkt des Rentenbeginns ab, damit Vorteile und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer vermieden werden. Der Vorteil einer früheren Inanspruchnahme einer Rente liegt darin, dass die Summe der gezahlten Rentenleistungen (statistisch gesehen) höher ist als bei einem späteren Rentenbeginn, weil die Rentenlaufzeit (statistisch) insgesamt länger ist. Ein früher Renteneintritt bedeutet trotz der durch fehlende Beitragszeiten bedingten geringeren Rente eine Mehrbelastung der Versichertengemeinschaft, die durch einen abgesenkten Zugangsfaktor begrenzt werden soll; dieser ist so bestimmt, dass der jeweilige Gesamtwert der lebenslangen Rente unabhängig vom Rentenbeginn im statistischen Durchschnitt gleich hoch ist Denn die möglichst frühzeitige Inanspruchnahme einer Rente entspricht nicht dem eine Versicherung prägenden Prinzip der Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung. Eine wesentliche Durchbrechung dieses Äquivalenz- bzw. Versicherungsprinzips lag im früheren Recht darin, dass Versicherte die Altersrente ohne Abschlag bis zu fünf Jahre vor der regulären Altersgrenze erhalten konnten und durch den (statistisch) verlängerten Rentenbezug die insgesamt zu zahlende Rentensumme beträchtlich erhöhten.
Unter dem Gesichtspunkt des Versicherungsprinzips gilt für die übrigen Rentenarten nichts anderes, soweit der Berechtigte die Rente (oder weitere Renten) durchgehend bis zu seinem Tode in Anspruch nimmt. Nachdem das Missverhältnis zwischen Beitrag und Leistung bei einem vorzeitigen Altersrentner zur Absenkung des Zugangsfaktors führte, war es im Grunde nur schwer verständlich, dass ein gleichaltriger Erwerbsminderungsrentner von jeglicher Kürzung verschont bleiben sollte, zumal bei erheblich gesenkten Altersrenten in der betroffenen Altersgruppe mit einer massiven Zunahme der Anträge auf Erwerbsminderungsrente zu rechnen war. Deshalb forderte der Bundesrat bei den Beratungen über das RRG 1992 die Bundesregierung zu einer Änderung des Rechts der Erwerbsminderungsrenten auf, "die zu einer sachgerechten und sozial ausgewogenen Risikoabgrenzung zwischen Renten- und Arbeitslosenversicherung führt und gleichzeitig verhindert, dass die im RRG 1992 vorgesehene Heraufsetzung der Altersgrenzen unterlaufen wird". Sowohl der Äquivalenzgedanke als auch der Hinweis auf die Gefahr von Ausweichreaktionen finden sich in der Gesetzesbegründung zum RRErwerbG wieder. Die in allen Rentenarten vergleichbare Mehrbelastung durch einen frühen Renteneintritt würde allerdings eine völlige Angleichung des Zugangsfaktors der übrigen Rentenarten an denjenigen der Altersrente kaum rechtfertigen können. Denn die Altersrente darf erst ab einem bestimmten Mindestalter in Anspruch genommen werden, während die anderen Renten schon in sehr jungen Jahren beginnen können. Zudem können die Versicherten (außer in bestimmten Fällen der Arbeitslosigkeit) regelmäßig frei wählen, ab wann sie eine Altersrente beziehen wollen. Im Lichte dieser Unterschiede passen die im RRErwerbG getroffenen Regelungen in die Gesamtstrategie zur Anhebung der Altersgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung; gleichzeitig wurde vermieden, dass sich der Zugangsfaktor im Laufe der Rentenbezugszeit ändert, was das überkommene System der Rentenberechnung mit einer grundsätzlich einmalig zu ermittelnden konstanten Rechengröße und nur einem dynamischen Faktor durchbrochen hätte.
Infolgedessen ging es dem Gesetzgeber des RRErwerbG nur um eine "Anpassung" und nicht um eine "Gleichstellung" von Erwerbsminderungsrenten und Altersrenten. Dabei werden der Versicherte und seine Hinterbliebenen - wie bereits dargelegt - vor einer allzu empfindlichen Minderung geschützt, indem der Zugangsfaktor bei jüngeren Versicherten so festgesetzt wird, als habe der Versicherte das Mindestalter für eine Altersrente (in der hier anwendbaren Fassung 60 Jahre) bereits erreicht, und indem die Absenkung auf einen Renteneintritt vor dem 63. Lebensjahr beschränkt wird, während der Anspruch auf Altersrente erst ab dem 65. Lebensjahr in voller Höhe besteht; dadurch beträgt die Absenkung maximal 10,8 % im Vergleich zu 18 % bei der Altersrente. Darüber hinaus wird der Versicherte mit Hilfe zusätzlicher Zurechnungszeiten jetzt so gestellt, als ob er bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres weitergearbeitet hätte ; vorher wurde die Zeit ab dem 55. Lebensjahr lediglich zu einem Drittel berücksichtigt. Die weitergehende Anrechnung von Zurechnungszeiten soll die Anpassung der Höhe der Erwerbsminderungsrenten an die Höhe der vorzeitig in Anspruch genommenen Altersrenten zusätzlich begrenzen. Bei Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung im Alter von 56 Jahren und acht Monaten reduziert sich die Rentenminderung bei einem "Eckrentner" dadurch auf 3,3 % - je nach Versicherungsbiografie kann sie geringer oder höher ausfallen. Jedenfalls kommt der effektive Abschlag dem Maximalwert von 10,8 % umso näher, je mehr sich der Rentenbeginn dem 60. Lebensjahr des Versicherten nähert; bei späterem Renteneintritt sinkt der prozentuale Rentenabschlag allmählich wieder, bis er bei 63 Jahren ganz entfällt. Die Fokussierung der Rentenminderung auf den Renteneintritt mit 60 stellt insofern ein schlüssiges Konzept dar, als sich gerade die Versicherten dieser Altersgruppe unter der Geltung des bisherigen Rechts zB insbesondere bei Arbeitslosigkeit vor die Frage gestellt sehen konnten, ob sie statt der vorzeitigen Altersrente mit einem Abschlag von 18 % eine wegen Verschlossenheit des Arbeitsmarkts mögliche Erwerbsminderungsrente ohne Abschlag anstreben sollten.
Ein ganz wesentliches Element dieses Konzepts ist die Abschwächung des Rentenabschlags durch die zusätzliche Zurechnungszeit bei einem Renteneintritt vor dem 60. Lebensjahr. Wäre der nach § 77 Abs. 2 SGB VI abgesenkte Zugangsfaktor nur bei Renteneintritt bzw. Rentenbezug ab dem 60. Lebensjahr anwendbar, würde der Rentenabschlag gerade nicht abgeschwächt, sondern das RRErwerbG hätte bei früherem Renteneintritt im Vergleich zum bisherigen Recht zu einer Rentenerhöhung geführt und entgegen den dargestellten Bemühungen des Gesetzgebers um eine Anhebung des Renteneintrittsalters einen Anreiz geschaffen, mittels frühen Rentenantrags zu versuchen, zumindest vorübergehend den Abschlag zu vermeiden. Infolgedessen bestätigt die Neuregelung der Zurechnungszeit die mit den Absichten des Gesetzgebers im Einklang stehende Auslegung, nach der die Rentenminderung auch Renten erfasst, die vor dem 60. Lebensjahr des Versicherten gewährt werden. Die § 59 Abs. 2 Satz 2, § 63 Abs. 5, §§ 77, 253a, 264c SGB VI bilden ein aufeinander abgestimmtes "Gesamtpaket". Dies wird besonders deutlich in der Anlage 23 zum SGB VI, die übergangsweise je nach Zeitpunkt des Rentenbeginns festlegt, in welchem Umfang der Zugangsfaktor zu senken bzw. - in darauf abgestimmten Stufen - die Zurechnungszeit zu verlängern ist.
Schließlich bestätigt die Einfügung von Abs. 4 in § 77 SGB VI durch Art 1 Nr 23 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.4.2007 ab dem 1.1.2008 das dargestellte Gesamtkonzept und führt es fort, indem für langjährig Versicherte die Weitergeltung der bisherigen Altersgrenzen angeordnet wird. Folgte man der Auffassung, wonach der Rentenabschlag erst ab Vollendung des 60. Lebensjahres greifen soll, so würde diese zu Zwecken des Vertrauensschutzes geschaffene Regelung in ihr Gegenteil verkehrt: Versicherte mit mindestens 40 Pflichtbeitragsjahren würden durch die Herabsetzung des 62. auf das 60. Lebensjahr nicht begünstigt, sondern benachteiligt.
Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt die Regelung des § 77 Abs. 2 SGB VI nicht gegen das GG ...
Rentenansprüche und -anwartschaften werden vom verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz nach Art 14 Abs. 1 GG erfasst. Der Schutzbereich des Art 14 Abs. 1 GG ist vorliegend dadurch tangiert, dass im Vergleich zur früheren Rechtslage mit der Rechtsänderung durch das RRErwerbG eine Verschlechterung für den Kläger insoweit eingetreten ist, als nunmehr bei einer Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres der Zugangsfaktor gemindert wird.
Der Kläger wird jedoch nicht in seinem Grundrecht aus Art 14 GG verletzt. Bei der in Streit stehenden Vorschrift handelt es sich um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung durch den Gesetzgeber. Der Eingriff in die Rechtsposition des Klägers erweist sich gemessen an der gesetzgeberischen Zielsetzung als geeignet und erforderlich und ist andererseits gemessen an der vom Kläger erworbenen Rechtsposition sowie Art und Umfang seiner Beitragsleistung verhältnismäßig und zumutbar.
Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften sind zulässig, wenn sie einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sind. Dabei verengt sich die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers in dem Maße, in dem Rentenanwartschaften durch den personalen Anteil eigener Leistungen der Versicherten geprägt sind. Die eigene Leistung findet vor allem in einkommensbezogenen Beitragszahlungen ihren Ausdruck. Sie rechtfertigt es, dass der durch sie begründeten rentenrechtlichen Rechtsposition ein höherer Schutz gegen staatliche Eingriffe zuerkannt wird als einer Anwartschaft, soweit sie nicht auf Beitragsleistungen beruht. Knüpft der Gesetzgeber an ein bereits bestehendes Versicherungsverhältnis an und verändert er die in dessen Rahmen begründete Anwartschaft zum Nachteil des Versicherten, so ist darüber hinaus ein solcher Eingriff am rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes zu messen, der für die vermögenswerten Güter und damit auch für die rentenrechtliche Anwartschaft in Art 14 GG eine eigene Ausprägung erfahren hat.
Wie bereits näher dargelegt, wollte der Gesetzgeber mit den in Rede stehenden Regelungen des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 und 3 SGB VI idF des RRErwerbG zum einen der Gefahr begegnen, dass im Hinblick auf die gesetzlich normierten Abschläge bei vorzeitiger Inanspruchnahme von Altersrenten unverhältnismäßig viele Anträge auf Erwerbsminderungsrenten gestellt würden; zum anderen hat er das Ziel verfolgt, das Versicherungsrisiko der unterschiedlich langen Rentenbezugsdauer mit Hilfe versicherungsmathematischer Abschläge zu neutralisieren.
Die mit dem RRErwerbG normierte Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres stellt allein schon deshalb eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung dar, weil sie ersichtlich dazu dient, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten und den – u. a. durch die demografische Entwicklung - veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen. Wie der Hochrechnung der finanziellen Auswirkungen der im RRG 1992 und im RRErwerbG beschlossenen Maßnahmen zu entnehmen ist, geht es dabei in erster Linie um eine Verlangsamung der nach früherem Recht zu erwarten gewesenen Erhöhungen des Beitragssatzes in der Rentenversicherung und der entsprechenden Mehrausgaben des Bundes. Sind allein die finanziellen Erwägungen ein legitimer Grund für den Eingriff, so kann offen bleiben, ob auch andere mit der Regelung vom Gesetzgeber verfolgte Ziele für sich oder zusätzlich die in Frage stehende Regelung rechtfertigen könnten.
Die im öffentlichen Interesse liegende Minderung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen Erwerbsminderung vor Vollendung des 63. Lebensjahres war auch verhältnismäßig im weiteren Sinne (d.h. geeignet, erforderlich und zumutbar).
Die Regelung war geeignet, die vom Gesetzgeber angestrebten Ziele zu erreichen. Ihm steht - wie dies das BVerfG erneut in seinem Beschluss vom 27.2.2007 zum Ausdruck gebracht hat - im Sozialversicherungsrecht wie in allen komplexen, von künftigen Entwicklungen abhängigen Regelungsbereichen ein weiter Einschätzungsspielraum zu. Bei der Ausgestaltung der Versicherungsverhältnisse benötigt der Rentengesetzgeber Flexibilität, die ihm nach der Rechtsprechung des BVerfG verfassungsrechtlich nicht verwehrt werden kann. Mit Rücksicht auf das unterschiedliche Versicherungsrisiko von in niedrigerem oder höherem Alter beginnenden Renten und auf die dadurch gebotene Annäherung von Erwerbsminderungs- und Altersrenten bewegt sich die Vorschrift über die Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 63. Lebensjahres innerhalb dieses verfassungsrechtlichen Einschätzungsspielraums.
Die Regelung genügt auch dem Gebot der Erforderlichkeit. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht des Klägers nicht oder doch weniger einschränkendes Mittel hätte wählen können. Der Gesetzgeber kann insbesondere nicht darauf verwiesen werden, eine Einsparung in anderen, von dem betroffenen Gesetz nicht erfassten Bereichen zu erzielen. Unter dem Gesichtspunkt des Erforderlichkeitsgrundsatzes war er nicht verpflichtet, auf andere Maßnahmen auszuweichen, insbesondere - im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen - die Beitragssätze zu erhöhen, die Bestandsrenten abzusenken oder auf eine Anpassung der Renten an die Lohn- und Gehaltsentwicklung zu verzichten. Um dem Erforderlichkeitsgebot Rechnung zu tragen, war er ebenso wenig gehalten, einen höheren Bundeszuschuss vorzusehen und ggf. für diesen Zweck Steuern einzuführen oder zu erhöhen.
Die Absenkung des Zugangsfaktors bei Inanspruchnahme einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres ist für den Kläger auch zumutbar. Hierbei ist zu beachten, dass das Gesetz nicht in einen schon bestehenden Rentenanspruch des Klägers, sondern in seine Rentenanwartschaft eingegriffen hat. Anwartschaften sind aber wegen des großen Zeitraums zwischen ihrem Erwerb und der Aktivierung des Rentenanspruchs naturgemäß stärker einer Veränderung der für die Rentenberechnung maßgeblichen Verhältnisse unterworfen und genießen nicht denselben eigentumsrechtlichen Schutz wie die Rente. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Übergangsregelung des § 264c SGB VI und die Kompensation über die verlängerte Zurechnungszeit nach §§ 59, 253a SGB VI die Wirkung der Absenkung des Zugangsfaktors abgemildert hat ...
Die Neuregelung durch das RRErwerbG genügt auch dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Die hier für den Eingriff - Absenkung des Zugangsfaktors - maßgebliche Regelung des § 77 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI idF des RRErwerbG greift nicht im Sinne einer (echten) Rückwirkung zu Ungunsten des Klägers in eine Rechtsposition ein, die dieser bereits vor deren Inkrafttreten am 1.1.2001 inne hatte. Im Übrigen war die Änderung der Rechtslage für die Versicherten nicht völlig überraschend, nachdem der Bundesrat bereits im April 1989 die Bundesregierung zu einer Reform der Erwerbsminderungsrenten in diesem Sinne aufgefordert hatte.
Die Regelungen des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 und 3 SGB VI verstoßen auch nicht gegen Art 3 Abs. 1 GG.
Der darin enthaltene allgemeine Gleichheitssatz gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem gemäß ist dieses Grundrecht vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten ; Entsprechendes gilt für eine Gleichbehandlung trotz Bestehens gewichtiger Unterschiede. Nachdem die getroffenen Maßnahmen durch das Ziel gerechtfertigt sind, die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten, ist es unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes nicht zu beanstanden, dass die Versichertengruppe, zu welcher der Kläger gehört, gegenüber derjenigen anders behandelt wird, die wegen eines Rentenbeginns vor dem 1.1.2001 noch nicht von der Absenkung des Zugangsfaktors betroffen war. Mit jeglicher Anpassung des Rechts an geänderte Verhältnisse ist zwangsläufig eine ungleiche Behandlung von Betroffenen vor und nach dem Inkrafttreten einer Rechtsänderung verbunden und kann daher für sich allein nicht zur Verfassungswidrigkeit führen.
Der Gesetzgeber war durch das im Gleichheitssatz enthaltene Differenzierungsgebot nicht gehalten, Erwerbsminderungsrenten wegen gewichtiger Unterschiede zu den Altersrenten von den dort eingeführten Rentenabschlägen ganz auszunehmen. Dem Kläger ist zuzustimmen, dass ein Versicherter es letztlich nicht in der Hand hat, den Zeitpunkt einer rentenberechtigenden Erwerbsminderung selbst zu bestimmen. Jedoch kann es bei länger währender Arbeitslosigkeit im rentennahen Alter ebenfalls kaum noch praktische Alternativen zu einem Antrag auf vorgezogene Altersrente mit Rentenabschlägen geben; bei Entlassungen gegen Abfindung kann sogar eine arbeitsrechtliche Verpflichtung zu einem solchen Antrag bestehen. Insofern haben die Unterschiede nicht das ihnen vom Kläger beigemessene Gewicht. Sie sind durch den geringeren Abschlag in Höhe von maximal 10,8 statt 18 % und die erhöhte Zurechnungszeit bei jüngeren Erwerbsminderungsrentnern angemessen berücksichtigt. Aus Sicht des Senats war es im Hinblick auf den Gleichheitssatz nicht nur gerechtfertigt, sondern möglicherweise sogar geboten, die Finanzierungsschwierigkeiten der Rentenversicherung durch längere Rentenlaufzeiten nicht allein zu Lasten der Altersrentner zu lösen, nachdem der Bundesrat im Jahre 1989 auf diese Problematik hingewiesen hatte.
Schließlich greift der Einwand nicht, der Gesetzgeber habe auch für Erwerbsminderungsrentner eine dem § 187a SGB VI entsprechende Möglichkeit schaffen müssen, die bei Anwendung von § 77 Abs. 2 SGB VI entstehende Rentenminderung durch Beitragszahlungen auszugleichen. Ein diesbezügliches Verfassungsgebot ist schon deshalb zu verneinen, weil die Erwerbsminderungsrente in deutlich geringerem Ausmaß abgesenkt wird als die Altersrente, sodass die unterschiedlich hohen Versorgungslücken eine unterschiedliche Behandlung sachlich rechtfertigen. Im Übrigen sind keine Gründe ersichtlich, die den Erwerbsminderungsrentner an der Entrichtung freiwilliger Beiträge hindern würden, um seine künftig zu erwartende Altersrente aufzubessern ; da § 7 Abs. 3 SGB VI das Recht zur freiwilligen Versicherung ausschließt, wenn eine Vollrente wegen Alters bindend bewilligt ist, bedarf es lediglich für vorzeitig in Anspruch genommene Altersrenten der Sonderregelung des § 187a SGB VI.
Ein Verstoß gegen Art 3 Abs. 3 Satz 2 GG liegt ebenfalls nicht vor.
Art 3 Abs. 3 Satz 2 GG bezweckt die Stärkung der Stellung behinderter Menschen in Recht und Gesellschaft. Sie enthält ein Gleichheitsrecht zu Gunsten Behinderter sowie einen Auftrag an den Staat, auf die gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen hinzuwirken. Es ist bereits fraglich, ob der Schutzbereich des Grundrechts, der zunächst eine Ungleichbehandlung voraussetzt, tangiert ist. Jedenfalls liegt eine Benachteiligung wegen Behinderung nicht vor. Die Absenkung des Zugangsfaktors nach § 77 Abs. 2 SGB VI betrifft seit dem RRErwerbG alle Rentenarten, wenn die jeweilige Rente vor der im Gesetz normierten Altersgrenze in Anspruch genommen wird. Damit sollen Vor- und Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer bei allen Rentenarten ausgeglichen werden. Eine Benachteiligung des Klägers wegen einer Behinderung liegt somit nicht vor."
Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.
Die Rechtsfrage, wie § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI auszulegen ist, ist zwischenzeitlich mit dem oben genannten Urteil des BSG abschließend geklärt, nachdem auch der 13. Senat des BSG in dem im Urteil vom 14. August 2008 – B 5 R 32/07 R erwähnten Beschluss vom 26. Juni 2008 – B 13 R 9/08 S sich der Rechtsprechung des 4. Senats im Urteil vom 16. Mai 2006 – B 4 RA 22/05 R nicht angeschlossen hat. Der für die Alterssicherung der Landwirte zuständige 10. Senat des BSG hat im Urteil vom 25. Februar 2010 – B 10 LW 3/09 R unter Hinweis auf die jetzt maßgebliche Auslegung des § 77 Abs. 2 SGB VI durch die zuständigen Rentensenate des BSG die vergleichbare Vorschrift des § 23 Abs. 8 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) im gleichen Sinne wie diese Rentensenate ausgelegt.
Diese Auslegung des § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI ist verfassungskonform. Sie verletzt insbesondere nicht das Grundrecht auf Eigentum aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, den Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG), den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG oder das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (BVerfG, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3588/08 und 1 BvR 555/09, abgedruckt in BVerfGE 128, 138 = SozR 4-2600 § 77 Nr. 9). Das BVerfG hat dazu u. a. ausgeführt:
"Da sich die Inhalts- und Schrankenbestimmung nach alledem als sachgerecht erweist, liegt auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor. Dem Umstand, dass der Zugang zur Erwerbsminderungsrente - anders als die vorzeitige Inanspruchnahme von Altersrente - eine schicksalhafte Entwicklung des Gesundheitszustandes voraussetzt, ist dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten bei weitem nicht die bei Altersrenten mögliche Höhe erreichen und zudem noch durch die Zurechnungszeiten nach § 59 SGB VI teilweise kompensiert werden. Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ist nicht verletzt. Zwar erschöpft sich das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht in der Anordnung, Behinderte und Nichtbehinderte rechtlich gleich zu behandeln. Vielmehr kann eine Benachteiligung auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt gegeben sein, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Fördermaßnahme kompensiert wird (vgl. BVerfGE 96, 288 (303); 99, 341 (357); BVerfGK 7, 269 (273); vgl. auch Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BGBl 2008 II, S. 1419, für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft seit 26. März 2009, BGBl 2009 II, S. 812)). Daher scheidet eine Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht bereits deshalb aus, weil die Beschwerdeführer lediglich rügen, gegenüber nichtbehinderten Altersrentnern hinsichtlich der Abschläge beim Zugangsfaktor rechtlich gleich behandelt zu werden. Allerdings knüpft der Anspruch auf Erwerbsminderungsrente nicht an eine Behinderung im verfassungsrechtlichen Sinne an. Der Behindertenbegriff des § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI der allein auf die Fähigkeiten des Versicherten auf dem Arbeitsmarkt abstellt, ist nicht identisch mit dem allgemein auf die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben abstellenden Behindertenbegriff des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, an dessen Vorgängernorm (§ 3 Abs. 1 Schwerbehindertengesetz) sich der verfassungsändernde Gesetzgeber bei der Schaffung des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 orientiert hat (vgl. BVerfGE 96, 288 (301)). Zudem knüpft § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI nicht ausschließlich an eine Behinderung an, sondern lässt auch eine vorübergehende Krankheit ausreichen. Dies entspricht der gesetzlichen Regel, nach der eine Erwerbsminderungsrente grundsätzlich nur auf Zeit gewährt wird, weil davon auszugehen ist, dass die Erwerbsminderung wieder entfallen kann (§ 102 Abs. 2 SGB VI). Aber auch soweit die Vorschrift Behinderte im Sinne des Art 3 Abs. 3 Satz 2 GG trifft, ist sie wegen der oben dargestellten Berücksichtigung der gesundheitsbedingten Unfähigkeit, zu arbeiten, im Vergleich zu sonstigen Erwerbslosigkeiten noch gerechtfertigt."
Damit liegt zugleich eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes nicht vor. Entgegen der Ansicht des Klägers wird auch bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme von Altersrente - die von ihm angenommene schicksalhafte Entwicklung des Gesundheitszustandes vorausgesetzt – diese um einen Abschlag beim Zugangsfaktor gemindert. Derjenige, der den Grad seiner Gebrechlichkeit durch alterungsbedingte Symptome erreicht hat, kann somit entgegen seiner Auffassung die volle Rente nicht erhalten. Im Übrigen erfährt derjenige, der eine Erwerbsminderungsrente erhält, gegenüber demjenigen, der eine vorzeitige Altersrente bezieht, den vom BVerfG bezeichneten sachlich gerechtfertigten Vorteil. Das vom Kläger genannte Urteil des EuGH vom 06. Dezember 2012 C-152/11 besagt dazu nichts, denn es betrifft sowohl einen anderen Sachverhalt als auch eine andere Regelungsmaterie. Der EuGH hat ausgeführt: "Wie sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, müssen die Sozialpartner, wenn sie Maßnahmen treffen, die in den Geltungsbereich der das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters für Beschäftigung und Beruf konkretisierenden Richtlinie 2000/78 EG des Rates vom 27. November 2000 (ABl. L 303, 16) fallen, unter Beachtung dieser Richtlinie vorgehen." Der Kläger wird bereits nicht vom Geltungsbereich dieser Richtlinie erfasst.
Nach Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie gilt: Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf a) die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position, einschließlich des beruflichen Aufstiegs; b) den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung, einschließlich der praktischen Berufserfahrung; c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts; d) die Mitgliedschaft und Mitwirkung in einer Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberorganisation oder einer Organisation, deren Mitglieder einer bestimmten Berufsgruppe angehören, einschließlich der Inanspruchnahme der Leistungen solcher Organisationen.
Nach Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie gilt sie hingegen nicht für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes.
Die vom Sozialgericht getroffene Entscheidung über die Auferlegung von 150 Euro ist ebenfalls nicht zu beanstanden, denn sie ist sachgerecht.
Die Entscheidung über die Missbrauchskosten (vom Sozialgericht als Verschuldenskosten bezeichnet) ergibt sich aus den §§ 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Sätze 2 und 3, 184 Abs. 2 SGG. Danach kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder –verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Den Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter. Als verursachter Kostenbeitrag gilt dabei (mindestens) der Betrag von 150 Euro für das Verfahren vor den Sozialgerichten.
Missbrauch ist anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Dabei ist von einem Rechtsanwalt zu verlangen, dass er sich mit der Materie auseinandersetzt, die Rechtsprechung zu den aufgeworfenen Fragen prüft und die Erfolgsaussichten eingehend abwägt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03. Juli 1995 – 2 BvR 1379/95, abgedruckt in NJW 1996, 1273 ff.).
Der Kläger und seine Prozessbevollmächtigten sind mit Verfügung des Vorsitzenden vom 07. September 2011 auf die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung und die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits im Umfang von mindestens 150 Euro hingewiesen worden. Dabei ist Bezug genommen worden auf das gerichtliche Schreiben vom 04. August 2011, in dem der Leitsatz des Beschlusses des BVerfG vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3588/08 und 1 BvR 555/09 mitgeteilt worden ist. Bereits zuvor hatte das Sozialgericht im Schreiben vom 02. September 2008 auf die oben genannte Rechtsprechung des 5. Senats des BSG vom 14. August 2008 aufmerksam gemacht. Gleichwohl ist der Rechtsstreit fortgeführt worden.
Dazu ist klägerischerseits vorgetragen worden, dass 1. nicht feststehe, dass in dieser (anhängigen) Sache zuletzt nicht der 4. Senat entscheide, und 2. sei die Auffassung des 5. Senats unzutreffend (Schriftsatz vom 08. September 2008). Verschuldenskosten wegen Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung könnten dem Kläger nicht auferlegt werden, da zum Zeitpunkt der Klageerhebung die mit der Klage vertretene Rechtsauffassung auch der Rechtsauffassung eines Senats des BSG entsprochen habe und der Kläger auch weiterhin diese Rechtsauffassung vertrete. Er beabsichtige daher, den Rechtsstreit auch in den Folgeinstanzen fortzuführen, was nicht rechtsmissbräuchlich sein könne (Schriftsatz vom 13. September 2011).
Es ist angemessen und sachgerecht, dass das Sozialgericht bei dem vorliegenden Ergebnis des Rechtsstreits die Kosten von 150 Euro auferlegt hat.
Der Vortrag des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten hat sich im Wesentlichen darauf beschränkt, an der zwischenzeitlich überholten Rechtsprechung des 4. Senats des BSG festzuhalten, obwohl diese Rechtsprechung durch die oben dargelegte Rechtsprechung der allein zuständigen anderen Senate des BSG nicht fortgeführt worden ist und diese neue maßgebende Rechtsprechung des BSG vom BVerfG nicht als verfassungswidrig beurteilt worden ist, ohne auch nur andeutungsweise sich mit der neu entstandenen rechtlichen Situation auseinanderzusetzen. Damit leuchtet jedem Einsichtigen, insbesondere einem Rechtsanwalt, ein, dass der Rechtsstreit für den Kläger nicht erfolgreich sein kann. Auf einer nicht mehr maßgeblichen Rechtsprechung zu beharren, weist auf ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit hin.
Dem steht nicht entgegen, dass die Rechtsverfolgung zum Zeitpunkt der Klageerhebung auch der Rechtsprechung eines Senats des BSG entsprach, denn nicht die Klageerhebung, sondern die Fortführung des Rechtsstreits ohne Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsprechungsänderung begründet das missbräuchliche Verhalten.
Unwesentlich ist die Absicht des Klägers gewesen, den Rechtsstreit auch in den Folgeinstanzen fortzuführen, denn die Missbräuchlichkeit entfällt nicht dadurch, dass höhere Instanzen mit aussichtslosen Begehren überzogen werden.
Das Vorbringen im Berufungsverfahren führt bezogen auf die Entscheidung des Sozialgerichts zu keinem anderen Ergebnis.
§ 192 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGG ist nicht verfassungswidrig. Diese Vorschrift dient wie § 34 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG), der sie nachgebildet ist (Bundestag-Drucksache 14/5943 S. 11 und 28), dazu, die Funktionsfähigkeit der Sozialgerichtsbarkeit zu gewährleisten und die Arbeitskapazität deren Gerichte nicht durch aussichtslose Verfahren zu belasten. Die Auferlegung von Missbrauchskosten ist daher keine Bestrafung für die Inanspruchnahme der Judikative. Die Möglichkeit zur bzw. die Verhängung von Missbrauchskosten ist auch grundsätzlich angesichts der Höhe auch nicht grundsätzlich geeignet, Personen von der gerichtlichen Wahrnehmung ihrer Rechte abzuhalten, wie das vorliegende Verfahren belegt. Insoweit tragen verhängte Missbrauchskosten jedenfalls dazu bei, den Beteiligten an den Kosten des regelmäßig gerichtskostenfreien Verfahrens vor den Sozialgerichten zu beteiligen.
Die vom Kläger gesehene Gefahr, dass durch die Verhängung von Missbrauchskosten jede Möglichkeit der Rechtsfortbildung verhindert wird, ist nicht gegeben, wenn - wie hier - dieses Instrument dem Gesetz gemäß angewendet wird. Gerade im vorliegenden Fall wird dies besonders deutlich, denn die Rechtsfindung und Rechtsfortbildung ist mit den oben genannten Entscheidungen des BSG abgeschlossen.
Es ist auch nicht ersichtlich, wie vom Kläger vorgetragen, aber durch keine einzige Fundstelle belegt, dass trotz der oben genannten Rechtsprechung des BSG die vom ehemaligen 4. Senat des BSG vertretene Rechtsansicht teilweise von Literatur und Rechtsprechung unterstützt wird. Schließlich hat der Kläger auch kein beim EuGH anhängiges Verfahren benennen können, in dem eine Verletzung des Diskriminierungsverbots wegen der Minderung des Zugangsfaktors streitgegenständlich wäre. Unabhängig davon erweist sich die vorgetragene Verletzung des Diskriminierungsverbots als schlichte Behauptung, denn dazu fehlt jegliche substanzielle Begründung.
Die Entscheidung des Sozialgerichts erweist sich mithin als sachgerecht, denn auch aus heutiger Sicht stellt sich die Fortführung des Rechtsstreits als missbräuchlich dar.
Die Berufung muss somit erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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