Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
24
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 1 KA 170/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KA 46/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Januar 2011 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen hat. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wendet sich gegen die sachlich-rechnerische Richtigstellung seiner Verordnungen als Sprechstundenbedarf für die Quartale II bis IV/2006 und die daraus resultierenden Erstattungsforderungen.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Innere Medizin mit Praxissitz in F (L) an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Mit Bescheid vom 11. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2008 stellte die Beklagte auf Antrag der Beigeladenen im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung fest, dass die von dem Kläger in dem Quartal II/2006 verordneten 5x5 St. Rocephin i.v. 1g Amp.-Fl. m. Lsg.-Mtl., 4x5 St. Doxycyclin ratiopharm SF Amp., 2x5 St. Doxycyclin ratiopharm SF Amp., 6x5 St. Ferrlecit 62,5 mg Amp., 1x10 St. Vitamin B6 Hevert Amp., 1x10 St. Vitamin B12 1 mg in Inject Jenapharm Amp., 1x5 St. Vitamin B12 1000 ug Inject Jenapharm Amp., 1x10 St. Vitamin B 12 1000 µg Lichtenstein Amp., 1x10 St. Vitamin E Sanum Amp. und 1x10 St. Folsäure Hevert 5 mg Amp. als Sprechstundenbedarf zulasten der Beigeladenen nicht verordnungsfähig seien. Der Kläger habe 862,42 Euro zu erstatten. Der Erstattungsbetrag werde mit seinen Honoraransprüchen für das Quartal III/2008 verrechnet.
Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass Antibiotika und Antianämika sowie sonstige Vitaminpräparate nach der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung mit Stand vom 1. Juli 2003 (SSB-V), abgeschlossen zwischen den zuständigen Krankenkassen und den Landesverbänden, nicht verordnungsfähig seien. Die Verordnung der genannten Mittel sei patientenbezogen vorzunehmen, da diese lediglich für die Behandlung einer bestimmten Krankheit bestimmt seien. Die SSB-V sehe die Verordnung von Vitaminpräparaten für Notfälle und akute Krankheitszustände nicht vor.
Mit Bescheid vom 11. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2008 verfügte die Beklagte wegen der Verordnung von Doxycyclin ratiopharm SF und Rocephin i.v. 1g in dem Quartal III/2006 im Rahmen sachlich-rechnerischen Richtigstellung die Erstattung von 600,35 Euro. Bei diesen Arzneien handele es sich nicht um Notfallarzneimittel im Sinne der SSB-V. Der zu erstattende Betrag werde mit seinen Honoraransprüchen für das Quartal I/2009 verrechnet.
Mit weiterem Bescheid vom 11. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2008 verfügte die Beklagte die Erstattung eines Betrages in Höhe von 2.123,78 Euro im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung wegen der Verordnungen des Sprechstundenbedarfs für das Quartal III/2006. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass es sich bei den verordneten Unacid 3g zur Infusion und Rocephin i.v. 1 g nicht um Notfallarzneimittel im Sinne der SSB-V handele. Die genannten Mittel seien vielmehr im Rahmen der Zulassung patientenbezogen zu verordnen. Bei den verordneten Vitamin B12 1000 µg Lichtenstein, Vitamin Komplex B Sanum N und Vitamin B12 1 mg Inject Jenapharm handele es sich ebenfalls nicht um Notfallarzneimittel im Sinne der SSB-V. Apothekenpflichtige nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel seien im Übrigen nur noch eingeschränkt zu Lasten der GKV verordnungsfähig.
Schließlich stellte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2008 für das Quartal IV/2006 im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Verordnungen zum Sprechstundenbedarf eine Erstattungsforderung in Höhe von 591,72 Euro fest, die mit den Honoraransprüchen des Klägers für das Quartal II//2009 verrechnet werde. Die Verordnung von 2x5 St. Doxycyclin ratiopharm SF Amp., 10x5 St. Doxycyclin ratiopharm SF Amp., 2x5x100 ml Ciprobay 200 und 2x 60 ml Klacid Saft Forte 250 mg/5 ml zulasten der Beigeladenen im Rahmen des Sprechstundenbedarfs sei unzulässig. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass eine Versorgung mit Antibiotika, wie Doxycyclin ratiopharm SF, Ciprobay 200 und Klacid Saft Forte 250mg/5 ml patientenbezogen vorzunehmen sei.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klagen vom 12. Oktober 2007 (S 1 KA 170/07) und vom 3. Dezember 2008 (S 1 KA 210/08), die das Sozialgericht Potsdam mit Beschluss vom 4. Juni 2009 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, dass das Vorhalten von Antibiotika und Antianämika als Sprechstundenbedarf für die Notfallbehandlung sowie für den hausärztlichen Bereich notwendig gewesen sei. Er sei in einem Flächenland tätig und müsse bei Hausbesuchen und während des Bereitschaftsdienstes Antibiotika zur Notfallbehandlung bereit halten. Ansonsten müssten die Versicherten wegen des entfallenden Bereitschaftsdienstes von Apotheken teilweise bis zu 40km fahren, um die entsprechenden Arzneimittel zu erhalten. Bis 2005 sei die Verordnung von Antibiotika im Rahmen des Sprechstundenbedarfs auch nicht beanstandet worden. Im Übrigen sei die Verordnung von Antibiotika für ambulant operierende Ärzte ab 2007 zulässig. Jedenfalls aber seien die Arzneimittel für Herzkreislaufstörungen und die Schockbehandlung im Rahmen der Sprechstundenbedarfs vorzuhalten. Dazu gehörten auch Antibiotika. Schließlich sei nicht die Beklagte für die sachlich-rechnerische Richtigstellung im Rahmen des Sprechstundenbedarfs zuständig, sondern die Prüfgremien nach § 106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Das Sozialgericht Potsdam hat die Klagen mit Urteil vom 12. Januar 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte für die sachlich-rechnerische Richtigstellung von Verordnungen des Sprechstundenbedarfs zuständig sei (§ 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V in Verbindung mit § 5 Abs. 1 der SSB-V). Eine Zuständigkeit der Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung bestehe nicht.
Die Bescheide seien auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Zum Sprechstundenbedarf gehörten nur solche Mittel, die ihrer Art nach bei mehr als einen Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewendet würden oder bei Notfällen zur Verfügung stehen müssten. Darüber hinaus seien bestimmte Arzneimittel in geringen Mengen im Rahmen einer Notfallbehandlung als Sprechstundenbedarf vorzuhalten. Hierzu gehörten die von dem Kläger in den streitbefangenen Quartalen verordneten Arzneimitteln Rocephin, Doxycyclin, Unacid, Klacid Forte, Ciprobay und Doxyratio (Antibiotika) nicht. Die Beschaffung dieser Arzneimittel liege in der Selbstverantwortung der Patienten, sofern keine lebensbedrohliche Erkrankung vorliege. Liege jedoch eine lebensbedrohliche Erkrankung vor, müsse zur Überzeugung der fachkundig besetzten Kammer der behandelnde Arzt eine stationäre Einweisung veranlassen. Antibiotika seien auch keine Arzneimittel zur Schockbehandlung. Die Gabe von Antibiotika im Rahmen einer Schockbehandlung sei im ambulanten Bereich nicht das Mittel der Wahl. Grundsätzlich habe in einem solchen Falle eine stationäre Einweisung zu erfolgen. Liege ein septischer Schock vor, müsse immer eine stationäre Krankenhauseinweisung erfolgen. Auch die Verordnung von Vitaminpräparaten für Notfälle und akute Krankheitszustände sei nach der SBB V nicht vorgesehen und unter medizinischen Aspekten auch nicht nachvollziehbar. Die festgesetzten Regresse der Beklagten seien daher nicht zu beanstanden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Potsdam verwiesen.
Gegen das ihm am 18. Februar 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 18. März 2011, mit der er die Zuständigkeit der Beklagten rügt. Zuständig seien die Gremien der Wirtschaftslichkeitsprüfung nach § 106 SGB V.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Januar 2011 und die Bescheide der Beklagten vom 11. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2008, vom 11. Januar 2008 jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 6. November 2008 und vom 25. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Prüfung der Verordnungen des Sprechstundenbedarfs Gegenstand der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagte Bezug genommen, die dem Senat vorlag und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Tatbestand:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 5 Abs. 1 Satz 1 SSB-V in Verbindung mit § 106a Abs. 2 Satz 1 1.HS SGB V.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SSB-V hat die Beklagte die Sprechstundenbedarfs-Verordnungen zu prüfen und für den Fall, dass andere als die nach der SSB-V zulässigen Mittel verordnet werden, die dafür entstandenen Kosten im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung festzusetzten. Die Kosten sind vom Vertragsarzt zu erstatten. Die Prüfung der sachlich und rechnerischen Richtigkeit sowie der Plausibilität der ärztlichen Abrechnungen ist Aufgabe der Beklagten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 1 Halbs.). Gegenstand dieser Prüfung ist grundsätzlich auch die Verordnung von Sprechstundenbedarf, da auch dieser zu den ärztlich verordneten Leistungen gehört. Sie unterscheidet sich von anderen Verordnungen lediglich dadurch, dass sie sich nicht auf den einzelnen Behandlungsfall eines Versicherten, sondern sich allgemein auf die Leistungsberechtigten einer Krankenkasse bezieht (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V (Std.: EL 9/13), K § 106 RdNr. 88 ff.).
Die Prüfstellen nach § 106 SGB V für die Wirtschaftlichkeitsprüfung sind nicht zuständig. Die Zuständigkeit der Beklagten für die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Verordnungen von Sprechstundenbedarfen kann den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung lediglich übertragen werden. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass dem Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sowohl die Kontrolle der Zulässigkeit von Sprechstundenbedarfs-Verordnungen im Sinne der Vereinbarkeit mit der jeweiligen Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung wie auch die ihrer Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne – im Sinne einer Einzelfallprüfung der medizinischen Notwendigkeit oder im Vergleich mit dem durchschnittlichen Kosten der Arztgruppe – übertragen werden kann (Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 6. Mai 2009 – B 6 KA 2/08 – und vom 18. August 2010 – B 6 KA 14/09 R). Eine Pflicht zur Übertragung dieser Aufgabe sieht das Gesetz insoweit jedoch nicht vor.
Die angefochtenen Bescheide sind auch in der Sache rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Sprechstundenbedarfs-Verordnungen sind gegeben. Die Beklagte hat zu Recht die Erstattung von insgesamt 4.178,27 Euro und die Verrechnung dieser Forderung mit den laufenden Honoraransprüchen des Klägers verfügt.
Nach § 5 Abs. 1 der SSB-V, auf die im Übrigen verwiesen wird, sind, sofern andere als die nach der SSB-V zulässigen Mittel verordnet werden, die dafür entstandenen Kosten von der Beklagten im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung festzusetzen und von dem Vertragsarzt zu erstatten. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ist ein entsprechender Antrag auf Erstattung innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Ausstellungsquartals der Verordnung zu stellen. Die Voraussetzungen liegen vor.
Die sachliche und rechnerische Richtigkeit betrifft die Frage, ob ärztliche Leistungen zu Recht, d. h. ordnungsgemäß und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben des Vertragsarztrechts erbracht werden. Im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellungen wird geprüft, ob die Abrechnungen mit den Abrechnungsvorgaben des Regelwerks, d. h. mit dem einheitlichen Bewertungsmaßstab, dem Honorarverteilungsmaßstäben sowie weiteren Abrechnungsbestimmungen übereinstimmen oder ob der Vertragsarzt als Folge eines Verstoßes gegen eines dieser Regelwerke zu Unrecht Honorare angefordert hat (Seifert in Eichenhofer/Wenner SGB V, § 106a RdNr. 7 und 9).
Hier hat der Kläger unter Verstoß gegen die § 2 der SSB-V die vorgenannten Mittel als Sprechstundenbedarf verordnet. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SSB-V gelten als Sprechstundenbedarf nur solche Mittel, die ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewandt werden oder bei Notfällen zur Verfügung stehen müssen. Verordnungsfähig als Sprechstundenbedarf sind nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SSB-V die nach der Anlage 1 zu dieser Verordnung aufgeführten Mittel. Hierzu gehören die von dem Kläger als Sprechstundenbedarf verordneten Mittel nicht. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung ab und nimmt zur weiteren Darstellung zur Entscheidungsgründe auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Soweit der Kläger rügt, dass seine Sprechstundenbedarfs-Verordnungsweise bis 2005 nicht beanstandet worden sei, beruft es sich insoweit auf Vertrauensschutz. Hiermit kann der Kläger indes nicht durchdringen. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass fehlerhafte Sprechstundenbedarfs-Verordnungen eine verschuldungsunabhängige Ersatzpflicht auslösen. Im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen und gleichgelagerten Verfahren ist Vertrauensschutz nur dann anzuerkennen, wenn ein anderer Beteiligter insoweit einen besonderen Vertrauenstatbestand gesetzt hat; dies setzt eine auf eine verbindliche Festlegungszielende behördliche Äußerung der Entscheidungs- bzw. Kostenträger voraus (Beschluss des BSG vom 14. Dezember 2011 – B 6 KA 57/11 B, zitiert nach juris, m. w. Nachw.). Für eine derartige entsprechende Äußerung ist nicht nur nichts ersichtlich, sondern eine derartige Äußerung seitens der Beklagten ist von dem Kläger auch nicht behauptet worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 162 Abs. 3 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wendet sich gegen die sachlich-rechnerische Richtigstellung seiner Verordnungen als Sprechstundenbedarf für die Quartale II bis IV/2006 und die daraus resultierenden Erstattungsforderungen.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Innere Medizin mit Praxissitz in F (L) an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Mit Bescheid vom 11. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2008 stellte die Beklagte auf Antrag der Beigeladenen im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung fest, dass die von dem Kläger in dem Quartal II/2006 verordneten 5x5 St. Rocephin i.v. 1g Amp.-Fl. m. Lsg.-Mtl., 4x5 St. Doxycyclin ratiopharm SF Amp., 2x5 St. Doxycyclin ratiopharm SF Amp., 6x5 St. Ferrlecit 62,5 mg Amp., 1x10 St. Vitamin B6 Hevert Amp., 1x10 St. Vitamin B12 1 mg in Inject Jenapharm Amp., 1x5 St. Vitamin B12 1000 ug Inject Jenapharm Amp., 1x10 St. Vitamin B 12 1000 µg Lichtenstein Amp., 1x10 St. Vitamin E Sanum Amp. und 1x10 St. Folsäure Hevert 5 mg Amp. als Sprechstundenbedarf zulasten der Beigeladenen nicht verordnungsfähig seien. Der Kläger habe 862,42 Euro zu erstatten. Der Erstattungsbetrag werde mit seinen Honoraransprüchen für das Quartal III/2008 verrechnet.
Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass Antibiotika und Antianämika sowie sonstige Vitaminpräparate nach der Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung mit Stand vom 1. Juli 2003 (SSB-V), abgeschlossen zwischen den zuständigen Krankenkassen und den Landesverbänden, nicht verordnungsfähig seien. Die Verordnung der genannten Mittel sei patientenbezogen vorzunehmen, da diese lediglich für die Behandlung einer bestimmten Krankheit bestimmt seien. Die SSB-V sehe die Verordnung von Vitaminpräparaten für Notfälle und akute Krankheitszustände nicht vor.
Mit Bescheid vom 11. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2008 verfügte die Beklagte wegen der Verordnung von Doxycyclin ratiopharm SF und Rocephin i.v. 1g in dem Quartal III/2006 im Rahmen sachlich-rechnerischen Richtigstellung die Erstattung von 600,35 Euro. Bei diesen Arzneien handele es sich nicht um Notfallarzneimittel im Sinne der SSB-V. Der zu erstattende Betrag werde mit seinen Honoraransprüchen für das Quartal I/2009 verrechnet.
Mit weiterem Bescheid vom 11. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2008 verfügte die Beklagte die Erstattung eines Betrages in Höhe von 2.123,78 Euro im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung wegen der Verordnungen des Sprechstundenbedarfs für das Quartal III/2006. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass es sich bei den verordneten Unacid 3g zur Infusion und Rocephin i.v. 1 g nicht um Notfallarzneimittel im Sinne der SSB-V handele. Die genannten Mittel seien vielmehr im Rahmen der Zulassung patientenbezogen zu verordnen. Bei den verordneten Vitamin B12 1000 µg Lichtenstein, Vitamin Komplex B Sanum N und Vitamin B12 1 mg Inject Jenapharm handele es sich ebenfalls nicht um Notfallarzneimittel im Sinne der SSB-V. Apothekenpflichtige nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel seien im Übrigen nur noch eingeschränkt zu Lasten der GKV verordnungsfähig.
Schließlich stellte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2008 für das Quartal IV/2006 im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Verordnungen zum Sprechstundenbedarf eine Erstattungsforderung in Höhe von 591,72 Euro fest, die mit den Honoraransprüchen des Klägers für das Quartal II//2009 verrechnet werde. Die Verordnung von 2x5 St. Doxycyclin ratiopharm SF Amp., 10x5 St. Doxycyclin ratiopharm SF Amp., 2x5x100 ml Ciprobay 200 und 2x 60 ml Klacid Saft Forte 250 mg/5 ml zulasten der Beigeladenen im Rahmen des Sprechstundenbedarfs sei unzulässig. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass eine Versorgung mit Antibiotika, wie Doxycyclin ratiopharm SF, Ciprobay 200 und Klacid Saft Forte 250mg/5 ml patientenbezogen vorzunehmen sei.
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klagen vom 12. Oktober 2007 (S 1 KA 170/07) und vom 3. Dezember 2008 (S 1 KA 210/08), die das Sozialgericht Potsdam mit Beschluss vom 4. Juni 2009 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, dass das Vorhalten von Antibiotika und Antianämika als Sprechstundenbedarf für die Notfallbehandlung sowie für den hausärztlichen Bereich notwendig gewesen sei. Er sei in einem Flächenland tätig und müsse bei Hausbesuchen und während des Bereitschaftsdienstes Antibiotika zur Notfallbehandlung bereit halten. Ansonsten müssten die Versicherten wegen des entfallenden Bereitschaftsdienstes von Apotheken teilweise bis zu 40km fahren, um die entsprechenden Arzneimittel zu erhalten. Bis 2005 sei die Verordnung von Antibiotika im Rahmen des Sprechstundenbedarfs auch nicht beanstandet worden. Im Übrigen sei die Verordnung von Antibiotika für ambulant operierende Ärzte ab 2007 zulässig. Jedenfalls aber seien die Arzneimittel für Herzkreislaufstörungen und die Schockbehandlung im Rahmen der Sprechstundenbedarfs vorzuhalten. Dazu gehörten auch Antibiotika. Schließlich sei nicht die Beklagte für die sachlich-rechnerische Richtigstellung im Rahmen des Sprechstundenbedarfs zuständig, sondern die Prüfgremien nach § 106 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Das Sozialgericht Potsdam hat die Klagen mit Urteil vom 12. Januar 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte für die sachlich-rechnerische Richtigstellung von Verordnungen des Sprechstundenbedarfs zuständig sei (§ 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V in Verbindung mit § 5 Abs. 1 der SSB-V). Eine Zuständigkeit der Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung bestehe nicht.
Die Bescheide seien auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Zum Sprechstundenbedarf gehörten nur solche Mittel, die ihrer Art nach bei mehr als einen Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewendet würden oder bei Notfällen zur Verfügung stehen müssten. Darüber hinaus seien bestimmte Arzneimittel in geringen Mengen im Rahmen einer Notfallbehandlung als Sprechstundenbedarf vorzuhalten. Hierzu gehörten die von dem Kläger in den streitbefangenen Quartalen verordneten Arzneimitteln Rocephin, Doxycyclin, Unacid, Klacid Forte, Ciprobay und Doxyratio (Antibiotika) nicht. Die Beschaffung dieser Arzneimittel liege in der Selbstverantwortung der Patienten, sofern keine lebensbedrohliche Erkrankung vorliege. Liege jedoch eine lebensbedrohliche Erkrankung vor, müsse zur Überzeugung der fachkundig besetzten Kammer der behandelnde Arzt eine stationäre Einweisung veranlassen. Antibiotika seien auch keine Arzneimittel zur Schockbehandlung. Die Gabe von Antibiotika im Rahmen einer Schockbehandlung sei im ambulanten Bereich nicht das Mittel der Wahl. Grundsätzlich habe in einem solchen Falle eine stationäre Einweisung zu erfolgen. Liege ein septischer Schock vor, müsse immer eine stationäre Krankenhauseinweisung erfolgen. Auch die Verordnung von Vitaminpräparaten für Notfälle und akute Krankheitszustände sei nach der SBB V nicht vorgesehen und unter medizinischen Aspekten auch nicht nachvollziehbar. Die festgesetzten Regresse der Beklagten seien daher nicht zu beanstanden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Potsdam verwiesen.
Gegen das ihm am 18. Februar 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 18. März 2011, mit der er die Zuständigkeit der Beklagten rügt. Zuständig seien die Gremien der Wirtschaftslichkeitsprüfung nach § 106 SGB V.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. Januar 2011 und die Bescheide der Beklagten vom 11. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2008, vom 11. Januar 2008 jeweils in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 6. November 2008 und vom 25. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. November 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass die Prüfung der Verordnungen des Sprechstundenbedarfs Gegenstand der sachlich-rechnerischen Richtigstellung ist.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagte Bezug genommen, die dem Senat vorlag und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Tatbestand:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 5 Abs. 1 Satz 1 SSB-V in Verbindung mit § 106a Abs. 2 Satz 1 1.HS SGB V.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 SSB-V hat die Beklagte die Sprechstundenbedarfs-Verordnungen zu prüfen und für den Fall, dass andere als die nach der SSB-V zulässigen Mittel verordnet werden, die dafür entstandenen Kosten im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung festzusetzten. Die Kosten sind vom Vertragsarzt zu erstatten. Die Prüfung der sachlich und rechnerischen Richtigkeit sowie der Plausibilität der ärztlichen Abrechnungen ist Aufgabe der Beklagten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 1 Halbs.). Gegenstand dieser Prüfung ist grundsätzlich auch die Verordnung von Sprechstundenbedarf, da auch dieser zu den ärztlich verordneten Leistungen gehört. Sie unterscheidet sich von anderen Verordnungen lediglich dadurch, dass sie sich nicht auf den einzelnen Behandlungsfall eines Versicherten, sondern sich allgemein auf die Leistungsberechtigten einer Krankenkasse bezieht (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V (Std.: EL 9/13), K § 106 RdNr. 88 ff.).
Die Prüfstellen nach § 106 SGB V für die Wirtschaftlichkeitsprüfung sind nicht zuständig. Die Zuständigkeit der Beklagten für die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Verordnungen von Sprechstundenbedarfen kann den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung lediglich übertragen werden. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass dem Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung sowohl die Kontrolle der Zulässigkeit von Sprechstundenbedarfs-Verordnungen im Sinne der Vereinbarkeit mit der jeweiligen Sprechstundenbedarfs-Vereinbarung wie auch die ihrer Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne – im Sinne einer Einzelfallprüfung der medizinischen Notwendigkeit oder im Vergleich mit dem durchschnittlichen Kosten der Arztgruppe – übertragen werden kann (Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 6. Mai 2009 – B 6 KA 2/08 – und vom 18. August 2010 – B 6 KA 14/09 R). Eine Pflicht zur Übertragung dieser Aufgabe sieht das Gesetz insoweit jedoch nicht vor.
Die angefochtenen Bescheide sind auch in der Sache rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Sprechstundenbedarfs-Verordnungen sind gegeben. Die Beklagte hat zu Recht die Erstattung von insgesamt 4.178,27 Euro und die Verrechnung dieser Forderung mit den laufenden Honoraransprüchen des Klägers verfügt.
Nach § 5 Abs. 1 der SSB-V, auf die im Übrigen verwiesen wird, sind, sofern andere als die nach der SSB-V zulässigen Mittel verordnet werden, die dafür entstandenen Kosten von der Beklagten im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung festzusetzen und von dem Vertragsarzt zu erstatten. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ist ein entsprechender Antrag auf Erstattung innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Ausstellungsquartals der Verordnung zu stellen. Die Voraussetzungen liegen vor.
Die sachliche und rechnerische Richtigkeit betrifft die Frage, ob ärztliche Leistungen zu Recht, d. h. ordnungsgemäß und in Übereinstimmung mit den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben des Vertragsarztrechts erbracht werden. Im Rahmen der sachlich-rechnerischen Richtigstellungen wird geprüft, ob die Abrechnungen mit den Abrechnungsvorgaben des Regelwerks, d. h. mit dem einheitlichen Bewertungsmaßstab, dem Honorarverteilungsmaßstäben sowie weiteren Abrechnungsbestimmungen übereinstimmen oder ob der Vertragsarzt als Folge eines Verstoßes gegen eines dieser Regelwerke zu Unrecht Honorare angefordert hat (Seifert in Eichenhofer/Wenner SGB V, § 106a RdNr. 7 und 9).
Hier hat der Kläger unter Verstoß gegen die § 2 der SSB-V die vorgenannten Mittel als Sprechstundenbedarf verordnet. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SSB-V gelten als Sprechstundenbedarf nur solche Mittel, die ihrer Art nach bei mehr als einem Berechtigten im Rahmen der vertragsärztlichen Behandlung angewandt werden oder bei Notfällen zur Verfügung stehen müssen. Verordnungsfähig als Sprechstundenbedarf sind nach § 2 Abs. 1 Satz 2 SSB-V die nach der Anlage 1 zu dieser Verordnung aufgeführten Mittel. Hierzu gehören die von dem Kläger als Sprechstundenbedarf verordneten Mittel nicht. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung ab und nimmt zur weiteren Darstellung zur Entscheidungsgründe auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Soweit der Kläger rügt, dass seine Sprechstundenbedarfs-Verordnungsweise bis 2005 nicht beanstandet worden sei, beruft es sich insoweit auf Vertrauensschutz. Hiermit kann der Kläger indes nicht durchdringen. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass fehlerhafte Sprechstundenbedarfs-Verordnungen eine verschuldungsunabhängige Ersatzpflicht auslösen. Im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsprüfungen und gleichgelagerten Verfahren ist Vertrauensschutz nur dann anzuerkennen, wenn ein anderer Beteiligter insoweit einen besonderen Vertrauenstatbestand gesetzt hat; dies setzt eine auf eine verbindliche Festlegungszielende behördliche Äußerung der Entscheidungs- bzw. Kostenträger voraus (Beschluss des BSG vom 14. Dezember 2011 – B 6 KA 57/11 B, zitiert nach juris, m. w. Nachw.). Für eine derartige entsprechende Äußerung ist nicht nur nichts ersichtlich, sondern eine derartige Äußerung seitens der Beklagten ist von dem Kläger auch nicht behauptet worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 162 Abs. 3 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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