L 1 KR 365/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 12 KR 135/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 365/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. November 2011 wird aufgehoben, soweit dort unter II. festgestellt wird, dass die Klägerin als Geschäftsführerin der S GmbH, S, seit dem 29. August 2007 in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig ist. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht der Sache nach die Frage, ob die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Beigeladene zu 4) (nachfolgend nur noch: "die Beigeladene") seit 29. August 2007 in abhängiger Beschäftigung sozialversicherungspflichtig ist.

Die 1978 geborene Klägerin ist gelernte Zahnarzthelferin. Die Beigeladene wurde im Jahr 2005 gegründet und betreibt (u. a.) ein Bewachungsgewerbe im Sinne von § 34 a Gewerbeordnung. Mit Wirkung vom 29. August 2007 wurde die Klägerin zur weiteren Geschäftsführerin der Beigeladenen bestellt. Deren Alleingesellschafter war bzw. ist der damaliger Lebensgefährte bzw. jetzige Ehemann der Klägerin. An diesem Tag änderte dieser den Gesellschaftsvertrag der Beigeladenen ab. Er beschloss, dass die Klägerin satzungsgemäß vertretungsbefugt sei. Befreiung von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) werde ihr nicht erteilt. Im Innenverhältnis sei sie für den Bereich Personalleasing zuständig. Weiteres wurde nicht beschlossen. Am 30. August 2007 schlossen die Klägerin und die Beigeladene einen "Anstellungsvertrag" zu ihrer Bestellung als Geschäftsführer der Gesellschaft mit Wirkung zum 01. September 2007 ab. Nach dessen § 2 hat der Geschäftsführer die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe des Gesetzes und des Gesellschaftsvertrags zu führen und hierbei die ihm von der Gesellschafterversammlung erteilten Weisungen zu befolgen. Der Geschäftsführer ist von § 181 BGB befreit. Ein Weisungsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Arbeitsausführung besteht nicht. Der Geschäftsführer hat seine ganze Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Es wurde eine feste Vergütung von 3.300 EUR Monatsgehalt, die Zahlung eines Weihnachtsgelds in Höhe eines Monatsgehalts sowie eine Tantieme in Höhe von 10 % des Steuerbilanzgewinnes vor Abzug der Gewerbesteuer und Körperschaftssteuer, der Hälfte der vom Geschäftsführer tatsächlich gezahlten Krankenversicherungsbeiträge und die Hälfte der tatsächlich gezahlten Beiträge zu einer beliebigen Altersversorgung, höchstens die Hälfte der Höchstbeiträge zur Rentenversicherung vereinbart. Der zur Verfügung gestellte PKW sollte auch für private Fahrten benutzt werden dürfen. Die geldwerten Vorteile hieraus seien Bestandteile der Bezüge. Vereinbart wurden ferner eine Bezügefortzahlung für die ersten sechs Wochen der Erkrankung sowie einen jährlichen Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen. Am 28. September 2007 beschloss der Ehemann der Klägerin für die Beigeladene seine Abberufung als Geschäftsführer.

Die Beigeladene beantragte am 18. Dezember 2008 auf dem entsprechenden Feststellungsbogen die versicherungsrechtliche Beurteilung der Geschäftsführertätigkeit.

Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 28. Januar 2009 der Klägerin gegenüber fest, dass diese nach dem Gesamtbild ihrer Tätigkeit und unter Abwägung aller Indizien abhängig beschäftigt tätig sei. Da sie angegeben habe, zwischen 2002 bis September 2008 eine selbstständige (weitere) Tätigkeit ausgeübt zu haben, sei hierzu eine gesonderte Prüfung vorzunehmen. Sie übersandte der Klägerin dazu einen weiteren Fragebogen zur Frage der Feststellung der hauptberuflich bzw. nebenberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit. Sie beschied die Klägerin mit weiterem Bescheid vom 2. Juni 2009 aufgrund der unselbstständigen Tätigkeit als Geschäftsführerin für die Beigeladene auch in der Kranken- und Pflegeversicherung pflichtversichert zu sein. Da sie den Fragebogen nicht ausgefüllt habe, sei davon auszugehen, dass die daneben ausgeübte selbstständige Tätigkeit nicht hauptberuflich ausgeübt worden sei.

Die Klägerin erhob mit Schreiben vom 1. Juli 2009 (eingegangen am 3. Juli 2009) "Einspruch".

Sie beantragte ferner am 28. August 2009 durch nochmalige Einreichung eines teilweise ausgefüllten Fragebogens erneut die Prüfung der Versicherungspflicht.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 2. Dezember 2009 eine Abänderung des Bescheides vom 28. Januar 2009 ab.

Hiergegen erhob die Beigeladene am 14. Dezember 2009 Widerspruch.

Die Beklagte wies "auf den Widerspruch ( ...) vom 1. Juli 2009" der Klägerin gegenüber mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2010 den Widerspruch zurück. Die mit Bescheid vom 2. Dezember 2009 erfolgte Ablehnung einer Rücknahme des Bescheides vom 2. Juni 2009 sei rechtmäßig.

Am 2. August 2010 hat die Klägerin hiergegen Klage vor dem Sozialgericht Cottbus (SG) erhoben. Sie sei alleinige Geschäftsführerin der Beigeladenen und verfüge auch alleine über die ordnungsbehördlich vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Führung eines Unternehmens ihrer Branche. Sie alleine habe die Genehmigung zum Besitz von Waffen (Waffenschein und Waffenbesitzkarte). Sie müsse sich ihren Urlaub nicht genehmigen lassen. Sie dürfe ihre Tätigkeit in der Gesellschaft frei bestimmen und gestalten. Sie könne "schalten und walten" wie sie es für richtig halte. Alleiniger Gesellschaftsinhaber sei ihr Lebenspartner bzw. Ehemann. Ihre gesamte berufliche und wirtschaftliche Existenz sei mit der Beigeladenen und deren Erfolg bzw. Misserfolg am Markt verbunden. Bei dieser handele es sich um eine Familien-GmbH.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt, den Bescheid vom 2. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 28. Januar 2009 zurückzunehmen, ferner den Bescheid vom 2. Juni 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2010 aufzuheben, sowie festzustellen, dass die Tätigkeit der Klägerin als Geschäftsführerin der Beigeladenen seit 29. August 2007 der Versicherungspflicht in allen gesetzlichen Sozialversicherungszweigen nicht unterliegt.

Das SG hat diese Klage mit Urteil vom 25. November 2011 abgewiesen und festgestellt, dass die Klägerin als Geschäftsführerin der Beigeladenen seit 29. August 2007 in allen Zweigen der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig ist. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, im Ergebnis überwögen hier die Gründe, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprächen. Die Klägerin sei als gelernte Zahnarzthelferin und Selbständige im Bereich Nageldesign und Nail-Art fachfremd im Verhältnis zum Bewachungsgewerbe. Im Außenauftritt –Internetpräsenz- werde nach wie vor der Ehemann der Klägerin als Geschäftsführer genannt. Auch dem Umstand, dass die Klägerin möglicherweise im Unterschied zu diesem über Erlaubnisse nach dem Waffengesetz verfüge bzw. verfügen könne, führe nicht dazu, diese als Selbstständige einzustufen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin. Fälschlicherweise sei das SG von einer gleichbleibenden Vergütung ausgegangen. Unberücksichtigt sei geblieben, dass sie auch eine gewinnabhängige Erfolgsbeteiligung erhalte. Hintergrund der Vergütungsfortzahlungsvereinbarung seien nur die ungünstigen Krankentagegeld- Versicherungstarife im Rahmen der privaten Krankenversicherung für die erste Zeit nach der Krankschreibung gewesen. Insoweit habe sich die Klägerin bei den Vertragsverhandlungen durchgesetzt gehabt, was ihre starke Position unterstreiche. Ihre starke Position werde auch durch die Mindestvertragslaufzeit des Anstellungsvertrages unterstrichen. Die Beigeladene engagiere sich verstärkt im Bereich Personalleasing und Arbeitnehmerüberlassung, dem eigenständigen Bereich der Klägerin. Die Notwendigkeit, für sie als Betriebsleiterin über die waffenrechtlichen Voraussetzungen zu verfügen, ergäbe sich zwar nicht aus dem Gesetz, jedoch aus den Anforderungen, die der Markt stelle.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 25. November 2011 und die Bescheide der Beklagten vom 2. Juni 2009 und vom 2. Dezember 2009 jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 28. Januar 2009 aufzuheben sowie festzustellen, dass die Tätigkeit der Klägerin als Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 4) seit dem 29. August 2007 nicht versicherungspflichtig in der gesetzlichen Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung ist.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 3) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 1) – 2) und 4) haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgetragen haben und die Gegenstand der Beratung gewesen sind.

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Entscheidungsgründe:

Es konnte in Abwesenheit der Beklagten und der Beigeladenen verhandelt und entschieden werden. Diese sind auf ein solches Vorgehen hingewiesen worden, §§ 153 Abs. 1 i. V. m. 110 Abs. 1 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)

Die Berufung kann in der Sache keinen Erfolg haben. Die Klage ist zwar zulässig. Insbesondere ist es unschädlich, dass die Klägerin nicht selbst Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 2. Dezember 2009 erhoben hat. Klagegegenstand ist nach § 95 SGG der Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids. Der Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2010 ist an die Klägerin selbst gerichtet und hat nicht nur ihren Widerspruch vom 1. Juli 2009 gegen den Bescheid vom 28. Januar 2009 abschlägig beschieden, sondern auch den Widerspruch der Beigeladenen gegen den Ablehnungsbescheid vom 2. Dezember 2009.

Das Sozialgericht hat aber die Klage in der Sache zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beklagte musste den Bescheid vom 28. Januar 2009 deshalb auch nicht aufheben. Sie ist in ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin der Beigeladenen versicherungspflichtig beschäftigt. Damit bleibt auch der Feststellungsantrag ohne Erfolg:

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch; § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Unter anderem Angestellte sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig. Dieser folgt die Pflichtversicherung in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob ein Arbeitnehmer abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung: Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 – 1 BvR 21/96 – SozR 3 2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinn sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechtes unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abgedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinn gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteile vom 8. August 1990 – 11 RAr 77/89 – SozR 3 2400 § 7 Nr. 4 Seite 14, und vom 8. Dezember 1994 – 11 RAr 49/94 – SozR 3 4100 § 168 Nr. 18 Seite 45; so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 – B 12 KR 30/04 R – juris).

Auf dieser Grundlage ist beispielsweise zu beurteilen, ob ein Vertreter einer juristischen Person zu dieser gleichzeitig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht (so für GmbH Geschäftsführer BSG, a. a. O.).

Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 – 12 RK 72/92NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 – 12 BK 98/94 –).

Auch die Grenze zwischen einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis mit Entgeltzahlung und einer nicht versicherungspflichtigen Mitarbeit aufgrund einer familienhaften Zusammengehörigkeit ist unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles zu ziehen. Es ist eine Würdigung der Gesamtumstände erforderlich, ob ein Beschäftigungsverhältnis zwischen den Angehörigen ernsthaft und eindeutig gewollt, entsprechend vereinbart und in der Wirklichkeit auch vollzogen wurde (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2002 – B 7 AL 34/02 R – USK 2002 – 42).

Auch hier gilt, dass nicht die Vereinbarungen der Beteiligten, sondern die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben (BSG SozR 2200 § 1227 Nrn. 4 und 8). Ganz allgemein müssen und können sich Eheleute, Geschwister oder andere (Geschäfts-)Partner an die von ihnen gewählte Vertragsgestaltung auch in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht festhalten lassen. Es unterliegt nicht ihrer Disposition, die Wirkungen des Vertragsverhältnisses nach Maßgabe ihrer Individualnützlichkeit auf bestimmte Rechtsgebiete zu beschränken (BSG – Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R –).

Bei Familiengesellschaften ist entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers oder des Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme solange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde. Eine solche "Schönwetterselbstständigkeit" ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar (BSG, Urteil vom 29. August 2012 - B 12 KR 25/10 R -, juris-Rdnr. 32).

Die Klägerin ist Fremdgeschäftsführerin und unterliegt bereits aufgrund § 2 des Anstellungsvertrages dem Weisungsrecht der Beigeladenen, die im Anstellungsvertrag als Arbeitgeber bezeichnet ist. Das Weisungsrecht soll lediglich hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Arbeitsausführung nicht bestehen. Gewinnabhängige Erfolgsbeteiligungen, Einschränkungen des gesetzlichen Kündigungsschutzes und Erfüllen öffentlich-rechtlicher Anforderungen (wie z. B. in Handwerksbetrieben die Meistereigenschaft) sind alles nicht typische Ausprägungen selbständiger Tätigkeit, sondern auch in Arbeitsverhältnissen üblich. Die Klägerin kann sich deshalb nicht mit Erfolg auf ihre Alleinqualifikationen hinsichtlich waffenrechtlicher Voraussetzungen berufen.

Dass auch Indizien für Selbstständigkeit streiten, hat beim Überwiegen der Merkmale für eine abhängige Beschäftigung im Ergebnis zur Gänze außer Betracht zu bleiben.

Die Berufung hat Erfolg, soweit das SG nicht nur die Klage abgewiesen hat, sondern darüber hinaus das Gegenteil der klägerisch beantragten Feststellung ausgesprochen hat.

Nach ständiger Rechtsprechung des Senates kommt dem Feststellungsantrag eigenständige Bedeutung zu. Es handelt sich bei der Tenorierung auch nicht um eine bloße Begründung des Urteils zu den streitbefangenen Bescheiden der Einzugsstelle. Da hier weder die Beklagte noch die Beigeladene einen entsprechenden Widerklageantrag gestellt haben, ist das SG über das Begehrte hinausgegangen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Erfolg in der Sache. Der Teilerfolg der Berufung ist ein rein formaler, der Sache nach unbedeutender. Er war auch nicht dem Verhalten der Beklagten geschuldet.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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