Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 36 KR 145/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 129/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2010 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, von dem Beigeladenen zu 1) für die Tätigkeit des Klägers vom 01. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 15 % der von dem Beigeladenen zu 1) an den Kläger gezahlten Vergütung einzuziehen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das erstinstanzliche Verfahren tragen die Beklagte und der Beigeladene zu 1) jeweils zur Hälfte. Im Übrigen sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligen streiten im Wesentlichen über den Rentenversicherungsstatus des Klägers in seiner Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007.
Der im Jahre 1964 geborene Kläger ist Diplomjurist und war bzw. ist als Rechtsanwalt und Renten- bzw. Unternehmensberater freiberuflich tätig. Gegenwärtig bezieht er zudem von der Beigeladenen zu 2) eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Am 22. November 2006 schloss er mit dem Beigeladenen zu 1) einen "Vertrag über eine Freie Mitarbeit", der folgenden Wortlaut hat:
"Präambel
Der Auftraggeber ist vornehmlich auf dem Gebiet der rechtlichen Betreuung und der Gewinnung, Beratung Fortbildung ehrenamtlicher Betreuer (§§ 1896 bis 1908 k BGB) tätig. Der Auftrageber beabsichtigt, die Führung einiger Betreuungen Herrn L zu übertragen.
Mit seiner Qualifikation als Diplomjurist, seinem Spezialwissen im Sozial- und Arbeitsrecht und seiner Tätigkeit in der Weiterbildung auf diesen Gebieten ist Herr L in der Lage, die qualifizierte Erledigung der vorgenannten Aufgabenstellung des Auftraggebers zu übernehmen.
Auf der Basis der bisher geführten Gespräche sind die Parteien darin übereingekommen, den folgen Vertrag über eine freie Mitarbeit zu vereinbaren:
Art. 1, Vertragsgegenstand
1. Herr L übernimmt ab dem 01.01.2007 die Führung rechtlicher Betreuungen (nach §§ 1896 bis 1908 k BGB).
2. Die einzelnen Spezifikationen der Aufgabenstellung ergeben sich aus dem richterlichen Beschluss und aus den im Betreungsgesetz festgelegten Pflichten eines Betreuers.
Art. 2, Weisungsfreiheit
1. Herr L unterliegt bei der Durchführung der von ihm übernommenen Aufgaben gemäß Art. 1 keinen Weisungen des Auftraggebers. Er ist vielmehr hinsichtlich der Vertragsdurchführung frei.
2. Im Gegenzug ist Herr L nicht befugt, gegenüber Mitarbeitern des Auftraggebers Weisungen auszusprechen.
Art. 3, Allgemeine Vertragsdurchführung
1. Sollte im Rahmen der Vertragsdurchführung für Herrn L ein Informations- und/oder Abstimmungsbedarf bestehen, so ist für ihn Frau W Ansprechpartner.
2. Der Auftraggeber wird Herrn L soweit erforderlich rechtzeitig über die für seine Tätigkeit relevanten betrieblichen Gegebenheiten informieren, Hintergrundinformationen mitteilen und ggf. erforderliche Unterlagen übergeben.
Art. 4, Ort der Vertragserfüllung
1. Herr L ist in der Bestimmung seines Arbeitsortes frei, sofern sich nicht aus der Besonderheit der übernommenen Tätigkeit etwas anderes notwendigerweise ergibt.
2. Bei Bedarf stellt der Auftraggeber Herrn L einen Schreibplatz mit Kommunikationsmitteln in seiner Geschäftsstelle zur Verfügung. Die Kommunikationsmittel dürfen von Herrn L ausschließlich zur Erledigung der Tätigkeiten gemäß Art. 1 genutzt werden.
Art. 5, Arbeitszeit
1. Herr L unterliegt hinsichtlich seiner Arbeitszeit keinen Beschränkungen des Auftraggebers. Die Parteien werden sich jedoch soweit erforderlich am Ende einer Woche für die jeweils folgende Woche über notwendige Zeiten in der Geschäftsstelle des Auftraggebers abstimmen.
2. Generell wird Herr L dem Auftraggeber eine länger andauernde Verhinderung an der Ausübung seiner Tätigkeit jeweils schnellstmöglich anzeigen.
Art. 6, Vergütung
1. Als Entgelt wird ein monatliches Pauschalhonorar in Höhe von 400,00 Euro vereinbart.
2. Die Parteien werden bis zum 30. Juni 2007 Verhandlungen über eine eventuelle Anpassung der geltenden Vergütungshöhe aufnehmen.
Art. 7, Rechnungsstellung/Zahlung/Steuern/Abgaben
1. Herr L übermittelt dem Auftraggeber jeweils bis zum 30. eines Monats für den abgelaufenen Monat eine Rechnung unter offenem Ausweis der gesetzlichen Umsatzsteuer.
2. Der entsprechende Rechnungsbetrag ist vom Auftraggeber innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang auf das von Herrn L benannte Konto zu überweisen.
Die Abführung von Steuern und Abgaben aus seiner Tätigkeit, insbesondere von ertrags- und umsatzabhängigen Steuern sowie der Rentenversicherungsbeiträge ist die ausschließliche Angelegenheit von Herrn L.
Art. 8, Zeitrahmen/Vertragslaufzeit
1. Der Vertrag tritt mit Unterzeichnung durch beide Vertragspartner in Kraft.
2. Der Vertrag hat eine feste Laufzeit bis zum 30. Juni 2007 und endet zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es der Kündigung einer Vertragspartei bedarf.
3. Die Vertragpartner nehmen bis zum 31.05.2007 Verhandlungen auf, um die Erforderlichkeit der Weiterführung des Vertrages zu bestimmen.
4. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt unberührt. Diese Kündigung bedarf der Schriftform. Für den Fall einer nicht durch eine außerordentliche Kündigung bedingten Beendigung des Vertragsverhältnisses verpflichtet sich Herr L, zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung noch nicht beendete Aufgaben - wie Schlussbericht und Schlussrechnung gegenüber den Amtsgerichten zu erledigen.
Art. 9, Nebenabreden/Änderungen/Ergänzungen/Gerichtsstand
1. Außer den in diesem Vertrag vereinbarten Regelungen wurden Nebenabredungen nicht getroffen.
2. Änderungen und Ergänzungen des Vertrages bedürfen der Schriftform.
3. Gerichtsstand für die vertragsschließenden Parteien ist Berlin."
Die Tätigkeit des Klägers bestand bis zum 30. Juni 2007 in der Bearbeitung von vier langjährigen Heimbetreuungsfällen, die der Beigeladene zu 1) ausgewählt hatte und die ihm das zuständige Amtsgericht als Mitarbeiter des Beigeladenen zu 1) übertrug. Seine Arbeit verrichtete der Kläger jeden Montag in den Räumen des Beigeladenen zu 1), wo ihm ein Schreibtisch zur Verfügung stand. Er unterlag der einheitlichen beim Beigeladenen zu 1) praktizierten Aktenführung und wurde vom Beigeladenen zu 1) eingearbeitet und beraten. Fehler in der Akten- und Kontenführung wurden vom Beigeladenen zu 1) korrigiert. Für Schreiben an Dritte hatte der Kläger das einheitliche Briefpapier des Beigeladenen zu 1) zu nutzen. Es bestand eine vom Beigeladenen zu 1) für den Kläger angeschlossene Haftpflichtversicherung. Die Abrechnung der vom Kläger bearbeiteten Betreuungsfälle nahm der Beigeladene zu 1) gegenüber dem Amtsgericht vor. Der Kläger stellte dem Beigeladenen zu 1) für die Monate Januar bis Juni 2007 jeweils Honorare in Höhe von 400,00 Euro zzgl. 19 % Mehrwertsteuer in Rechnung.
Vom 1. Juli 2007 an setzte der Kläger seine Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) im Rahmen eines am 27. Juni 2007 abgeschlossenen "Arbeitsvertrages" fort. Der Kläger wurde danach vom Beigeladenen zu 1) als "Vereinsbetreuer" gemäß § 1897 Abs. 2 Nr. 1 BGB angestellt; seine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit wurde auf 16 Stunden, sein Bruttoaufgehalt wurde auf 1.300,00 Euro monatlich festgelegt. Dieses Vertragsverhältnis endete im Laufe des Jahres 2008. Die Tätigkeit des Klägers nach dem 1. Juli 2007 unterschied sich inhaltlich und von den Abläufen her nicht von derjenigen in der Zeit davor.
Am 5. Januar 2009 beantragte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Clearingstelle die Feststellung seines Sozialversicherungsstatus in seiner Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) im Zeitraum 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2007. Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund leitete diesen Antrag an die Krankenkasse des Klägers weiter, die ihn wiederum an die Beklagte als nach § 28 i Satz 5 SGB IV bei geringfügigen Beschäftigungen zuständige Einzugsstelle abgab. In seinem Antrag brachte der Kläger vor, seine Tätigkeit im fraglichen Zeitraum habe sich als "eine geringfügige versicherungsfreie Tätigkeit im Rahmen (seiner) sonst selbständigen Tätigkeit" dargestellt. Allerdings seien Rentenversicherungsbeiträge an die Beklagte abzuführen gewesen. Entgegen dem Wortlaut des "freien Mitarbeitervertrages" habe er in einem direkten Weisungsverhältnis zu der mit der Geschäftsführung beauftragten Mitarbeiterin des Beigeladenen zu 1) gestanden. Diese habe auch seine Tätigkeit überwacht. Faktisch sei er in eine weisungsgebundene Hierarchie eingebunden gewesen. Er habe eine klare Arbeitszeit regelmäßig montags von 8.00 bis 16.00 Uhr gehabt und sei in die Betriebsabläufe eingebunden gewesen. Seine Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung habe sich aus der auch nach dem 1. Juli 2007 immer noch überwiegenden selbständigen Tätigkeit ergeben. Er beantrage die Feststellung einer geringfügigen Beschäftigung für den Zeitraum 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2007.
Der Beigeladene zu 1) hat im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten erklärt, dem Kläger sei zum 1. Januar 2007 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Form eines Minijobs angeboten worden, was von diesem jedoch ausdrücklich abgelehnt worden sei. Er habe darauf bestanden, aufgrund seiner Selbständigkeit auch für den Beigeladenen zu 1) als freier Mitarbeiter tätig zu sein. Hierfür seien von ihm Honorarabrechnungen einschließlich der anteiligen Mehrwertsteuer erstellt worden. Dem Kläger sei im fraglichen Zeitraum lediglich an einem Tag in der Woche die Möglichkeit gegeben worden, in den Räumen des Vereins seine Sprechstunde abzuhalten. Dass dies regelmäßig der Montag gewesen sei, habe auf der freien Entscheidung des Klägers beruht und den Bedürfnissen der betroffenen Betreuten Rechnung getragen. Auch in den von ihm selbst festgelegten Zeiten habe der Kläger seine Arbeit häufig nicht ausgeübt und damit kundgetan, dass er frei über seine Zeit verfügen könne. Weisungen seien ihm nicht erteilt worden. Er sei lediglich darauf hingewiesen worden, dass er die gesetzlichen Bestimmungen und die Vorgaben der jeweiligen Betreuungsbeschlüsse einzuhalten habe.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er seine Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2007 nicht als Beschäftigter im Sinne der Sozialversicherung ausgeübt habe. Seiner Tätigkeit habe ein Vertrag als freier Mitarbeiter zugrunde gelegen. Weisungen seien ihm vom Beigeladenen zu 1) nicht erteilt worden. Für seine Tätigkeit habe er Honorarrechnungen erstellt. Gleichzeitig sei er für weitere Auftraggeber tätig gewesen.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 19. Januar 2010 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Schon die Vertragsgestaltung im fraglichen Zeitraum spreche gegen die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses. Soweit der Kläger eine Weisungsabhängigkeit behaupte, habe dem der Beigeladene zu 1) ausdrücklich widersprochen. Allein die Tatsache, dass dem Kläger ein fester Arbeitsplatz mit einem Computer zur Verfügung gestellt worden sei, rechtfertige nicht die Einstufung der Tätigkeit als abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Gleiches gelte dafür, dass er sich mit seinem Vertragspartner auf einen festen und von ihm frei gewählten Arbeitstag geeinigt habe. Schon im Interesse der von ihm betreuen Personen sei seine Erreichbarkeit zu bestimmten Zeiten sicherzustellen gewesen. Gegen die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses spreche auch, dass er in jedem Einzelfall persönlich als Betreuer gemäß § 1900 Abs. 2 BGB bestellt worden sei. Die Rechte und Pflichten eines Betreuers seien gesetzlich geregelt und nicht abdingbar.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren vertieft. Die für den Zeitraum Januar bis Juni 2007 vereinbarte Freiberuflichkeit habe dazu gedient, die Kosten des Beigeladenen zu 1) aufgrund der niedrigen vom Kläger betreuten Fallzahlen gering zu halten. Außerdem habe die Zeit als Probezeit fungiert. Er sei in klare Weisungsstrukturen eingebettet gewesen. An seiner Tätigkeit habe sich nach dem 1. Juli 2007 inhaltlich nichts geändert. Ab diesem Zeitpunkt sei jedoch die Zahl der Betreuungen so groß gewesen, dass er sie nicht mehr habe an einem Tag bewältigen können, so dass er mit dem Beigeladenen zu 1) einen Teilzeitvertrag geschlossen habe. Weil er anfänglich nur an einem Tag in der Woche tätig gewesen sei, sei vereinbart worden, die Tätigkeit im Rahmen einer freien Mitarbeit zu führen. Später habe er auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages gedrungen. Bei der Arbeit habe es sich um klassische Sachbearbeitung gehandelt, die er am Schreibtisch ausführte.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 17. März 2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe in seiner Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) nicht der Rentenversicherungspflicht unterlegen und dieser habe für ihn auch keine Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung abzuführen, weil der Kläger in der Zeit von Januar bis Juni 2007 nicht abhängig beschäftigt gewesen sei. Die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Umstände überwögen. So sprächen schon die zwischen Kläger und Beigeladenem zu 1. getroffenen vertraglichen Regelungen deutlich gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Dem eindeutig im Vertrag dokumentierten Willen der Vertragsparteien, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, komme jedenfalls dann indizielle Bedeutung zu, wenn dieser dem festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnis nicht offensichtlich widerspreche und er durch weitere Aspekte gestützt werde. Den Kläger am geschlossenen Vertrag festzuhalten, sei insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil er selbst, zudem Rechtsanwalt und mit den einschlägigen sozialrechtlichen Vorschriften vertraut, aufgrund seiner anderweitigen selbständigen Tätigkeit ausdrücklich nicht im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung, sondern im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) habe tätig sein wollen. Hieran müsse er sich festhalten lassen. Zudem habe sich der Inhalt der Tätigkeit des Klägers nicht aus den Vorgaben des Beigeladenen zu 1) ergeben, sondern aus dem jeweiligen richterlichen Beschluss und den im Betreuungsgesetz festgelegten Pflichten eines Betreuers. Erheblich sei auch, dass in den vom Kläger betreuten Fällen nicht der Beigeladene zu 1) gemäß § 1900 Abs. 1 BGB zum Betreuer bestellt worden sei und die Betreuung dem Kläger nach § 1900 Abs. 2 BGB übertragen habe, sondern dass der Kläger selbst gemäß § 1897 Abs. 2 Satz 1 BGB zum (Vereins )Betreuer bestellt worden sei. Die Tatsache, dass der Kläger selbst zum Betreuer bestellt worden sei, führe dazu, dass nur er persönlich gegenüber dem Betreuten und gegenüber dem Gericht für seine Tätigkeit verantwortlich gewesen sei und bei Spannungen zwischen den Pflichten gegenüber den Betreuten und den Anforderungen des Vereins Erstere den Vorrang gehabt hätten. Auch grundsätzlich sei bei einem Vereinsbetreuer nach § 1897 Abs. 2 BGB anders als bei dem lediglich nach § 1900 Abs. 2 BGB mit der Betreuung betrauten Bediensteten das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit nicht ausgeschlossen. Das Vertragsverhältnis sei auch insofern tatsächlich vollzogen worden, als der Kläger sein vereinbartes Honorar monatlich unter gesonderter Ausweisung der Umsatzsteuer dem Beigeladenen zu 1) in Rechnung gestellt habe. Soweit tatsächliche Verhältnisse auch teilweise gegen eine Selbständigkeit sprächen, überwögen diese jedenfalls nicht. So sei der Kläger durchaus recht umfassend in die betriebliche Organisation des Beigeladenen zu 1) eingegliedert gewesen, indem er ausschließlich an dessen Betriebssitz tätig gewesen sei und die dort zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel genutzt habe und Schreiben im Rahmen der Betreuungen jeweils auf dem Briefkopf des Beigeladenen zu 1) verfasst habe. Zudem seien ihm auch gewisse Vorgaben bezüglich der Tätigkeit, insbesondere im Hinblick auf die Aktenführung, gemacht worden und er habe wegen des vereinbarten Pauschalhonorars kein relevantes unternehmerisches Risiko tragen müssen. Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung seien diese Umstände jedoch nicht geeignet, eine offensichtliche und rechtlich erhebliche Abweichung von den vom Kläger ausdrücklich gewollten rechtlichen Verhältnissen zu begründen. Im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Kammer habe der Kläger selbst betont, dass er die Betreuertätigkeit im Rahmen seiner Selbständigkeit mit habe übernehmen wollen. Weil er nach seinen eigenen Angaben bereits und ausschließlich mehrere selbständige Tätigkeiten u. a. als Dozent, Unternehmensberater und Ausbilder ausgeübt habe, handele es sich damit letztlich um eine bewusste unternehmerische Entscheidung. An dieser müsse er sich nun festhalten lassen.
Gegen das ihm am 25. März 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. April 2011 (Osterdienstag) Berufung eingelegt. Er vertritt weiter den Standpunkt, von Januar bis Juni 2007 im Rahmen eines geringfügigen abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für den Beigeladenen zu 1) tätig gewesen zu sein. Das erstinstanzliche Urteil lasse Ausführungen dazu vermissen, dass sämtliche Tätigkeitsmerkmale vor dem 30. Juni 2007 auch in der Zeit danach unverändert vorgelegen hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2010 aufzuheben und festzustellen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag sowie
die Beklagte zu verurteilen, von dem Beigeladenen zu 1) für seine Tätigkeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 15 % der von dem Beigeladenen zu 1) an ihn gezahlten Vergütung einzuziehen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Es erschließe sich nicht, welche positiven Rechtsfolgen sich der Kläger im Falle eines Obsiegens ausrechne. Die Möglichkeit, rückwirkend einen Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit bei geringfügiger Beschäftigung zu erklären, bestehe nicht. Offensichtlich sei der Kläger ursprünglich bestrebt gewesen, seine ab dem 1. Januar 2007 ausgeübte Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) im Rahmen seiner Selbständigkeit auszuführen. Dass er nach Eintritt einer Erkrankung sein sozialversicherungsrechtliches Interesse nun anders beurteile, rechtfertige sein Begehren nicht.
Der Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt. Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und betont weiter, dass in der Zeit bis zum 30. Juni 2007 auf Wunsch des Klägers lediglich ein Vertrag über eine freie Mitarbeit abgeschlossen und praktiziert worden sei.
Auch die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt. Gegenüber dem Sozialgericht hat sie erklärt, dass sich bei Berücksichtigung einer geringfügig verrichteten Beschäftigung ohne Zuzahlung durch den Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 nach derzeitigem Stand des Versicherungskontos für die Erfüllung der Wartezeit ein zusätzlicher Monat ergebe. Für die Berechnung der Entgeltpunkte ergebe sich ein Zuschlag abhängig von der Höhe des Entgeltes. Bei Zugrundelegung eines monatlichen Entgelts von 400,00 Euro ergäbe sich ein Zuschlag an Entgeltpunkten aus geringfügig versicherter Beschäftigung in Höhe von 0,0101 Entgeltpunkten.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie des Verwaltungsvorgangs der Beigeladenen zu 2) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zwar übte er zur Überzeugung des Senats seine Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) im allein streitigen Zeitraum 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2007 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus (hierzu unten b). Weil das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung aber regelmäßig 400,- Euro nicht überstieg, war es geringfügig im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV), so dass der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei war (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch/ Sechstes Buch [SGB VI]). Eine rechtzeitige, mit Wirkung für die Zukunft geltende Erklärung des Verzichts auf die Versicherungspflicht im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB VI hatte der Kläger nicht abgegeben.
b) Im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts überwiegen im streitigen Zeitraum 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2007 die Anhaltspunkte für eine (geringfügige abhängige) Beschäftigung des Klägers.
aa) Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind gemäß Satz 2 dieser Vorschrift die Tätigkeit nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassendem Weisungsrecht des Arbeitsgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand anhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (Bundessozialgericht, ständige Rechtsprechung seit dem Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 30/04 R, zitiert nach juris).
bb) Hieran gemessen erweist sich die Tätigkeit des Klägers für den Beigeladenen zu 1) als abhängige Beschäftigung. Zwar mag von Kläger und Beigeladenem zu 1) bei Abschluss des "Vertrages über eine Freie Mitarbeit" am 22. November 2006 etwas anderes intendiert gewesen sein, denn Teile dieses Vertrages deuten ihrem Wortlaut nach in die Richtung einer (gewollten) selbständigen Tätigkeit des Klägers; insbesondere die vorgesehene Weisungsfreiheit (Art. 2 Nr. 1) könnte nahe legen, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht bestand. Allerdings zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass schon der am 22. November 2006 geschlossene Vertrag auch Elemente der Weisungsgebundenheit enthält. Die vorgesehene Weisungsfreiheit wird vor diesem Hintergrund stark entkräftet und erscheint wie eine Fehlwertung. So ergibt sich aus Art. 3 Nr. 1., dass der Kläger seine Tätigkeit im Bedarfsfall mit einer namentlich benannten Mitarbeitern des Beigeladenen zu 2) abzustimmen hatte. Die freie Bestimmung des Arbeitsortes galt nicht unumschränkt (Art. 4 Nr. 1.). Erforderlichenfalls hatte der Kläger auch seine Arbeitszeit mit dem Beigeladenen zu 1) abzustimmen (Art. 5 Nr. 1.). Eine länger andauernde Verhinderung an der Ausübung seiner Tätigkeit hatte der Kläger schnellstmöglich anzuzeigen (Art. 5 Nr. 2). Schon diese vertraglichen Bestimmungen belegen, dass eine gänzlich freie Mitarbeit des Klägers nicht beabsichtigt war und dass er sich in betriebliche Abläufe des Beigeladenen zu 1) einzugliedern hatte.
In einer sämtliches Beteiligtenvorbringen würdigenden Gesamtschau stellt sich die Tätigkeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 für den Senat wie eine Probezeit für das ab 1. Juli 2007 praktizierte Arbeitsverhältnis dar. Dass ab dem 1. Juli 2007 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gegeben war, ist zwischen sämtlichen Beteiligten unstreitig. Gleichzeitig gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Tätigkeit des Klägers für den Beigeladenen zu 1) in den sechs Monaten vor Abschluss des Arbeitsvertrages in irgendeiner Weise grundlegend anders gestaltete bzw. anders zu bewerten wäre als in der Zeit ab 1. Juli 2007.
Ausschlaggebend für diese Bewertung sind die folgenden tatsächlichen Umstände: Schon vor Abschluss des "Vertrages über eine Freie Mitarbeit" hatte der Beigeladene zu 1) dem Kläger angeboten, die Tätigkeit im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV aufzunehmen, was dieser in der Absicht ablehnte, seine auch sonst praktizierte Selbständigkeit in jeder Hinsicht beizubehalten. Damit hatte der Beigeladene zu 1) allerdings gezeigt, dass die dem Kläger angebotene Tätigkeit grundsätzlich den Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses haben könne; hierauf kamen die Beteiligten dann auch für die Zeit ab 1. Juli 2007 zurück. Das erste Halbjahr 2007 gestaltete sich indessen nicht anders als ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, in dem der Kläger in wesentlichen Bereichen weisungsunterworfen war. So mag er einige Freiheiten genossen haben, etwa bei Gestaltung seiner Arbeitszeit. Gleichzeitig unterlag er aber engmaschiger Kontrolle durch den Beigeladenen zu 1), und zwar umso mehr, als es sich um die Einarbeitungs- bzw. Anlernzeit handelte, in der der Kläger Abläufe und Gepflogenheiten beim Beigeladenen zu 1) kennenzulernen hatte. Der Beigeladene zu 1) wählte für den Kläger die Heimbetreuungsfälle aus (und vermittelte sie nicht etwa nur), für die er dann vom Amtsgericht zum Betreuer bestellt wurde. In vielerlei Hinsicht hatte der Kläger sich an die beim Beigeladenen zu 1) üblichen Abläufe zu halten, etwa in Bezug auf die Aktenführung und die Nutzung von Arbeitsmitteln des Beigeladenen zu 1). Der Inhalt seiner Arbeitsergebnisse wurde kontrolliert und, so der Beigeladene zu 1) ausdrücklich, auch wiederholt korrigiert. Während der Kläger nur ein festes Entgelt bezog, stellte der Beigeladene zu 1) dem Amtsgericht die jeweiligen Honorare bzw. Aufwandsentschädigungen in Rechnung, was die Unselbständigkeit des Klägers in besonderem Maße belegt. Denn er trug bei seiner Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) keinerlei wirtschaftliches Risiko. Unterstrichen wird dies dadurch, dass der Beigeladene zu 1) für den Kläger eine Haftpflichtversicherung abschloss, um ihn vor Haftungsrisiken zu schützen. Dass der Kläger im Verlauf des ersten Halbjahres 2007 bezahlten Erholungsurlaub in Anspruch nahm, spricht schließlich ebenfalls gegen die Selbständigkeit seiner Tätigkeit.
Im Übrigen sprechen gute Gründe dafür, dass nach § 1897 Abs. 2 Satz 1 BGB persönlich bestellter Vereinsbetreuer nur sein kann, wer in einem Arbeitsverhältnis (und damit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis) zum Betreuungsverein steht. Denn zwar nimmt auch der Vereinsbetreuer nach außen hin sein Betreueramt eigenverantwortlich wahr. Andererseits soll nach dem gesetzlichen Leitbild (vgl. BT-Drs. 11/5428, S. 126) der Vereinsbetreuer in den Betrieb des Vereins integriert sein, sein Amt als arbeitsvertragliche Aufgabe wahrnehmen und der Personalhoheit des Vereins unterliegen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23. Mai 2000, 15 W 86/00, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14 ff.).
2. Der Beigeladene zu 1) ist verpflichtet, für den Kläger an die Beklagte Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 15 Prozent der an den Kläger gezahlten Vergütung zu entrichten; die Beklagte ist insoweit verpflichtet, die Beiträge einzuziehen (§ 28 i Satz 5 SGB IV, § 173 SGB VI). Insofern hat die Berufung mit dem wirtschaftlichen Hauptbegehren des Klägers Erfolg, der sich – nach den Darlegungen der Beigeladenen zu 2) im Schreiben vom 15. November 2010 zu Recht, wenn auch nur in sehr geringem Umfange – durch die Beitragszahlung rentenrechtliche Vorteile verspricht.
Die Verpflichtung des Beigeladenen zu 1) zur Zahlung der Beiträge ergibt sich aus § 172 Abs. 3 Satz 1 SGB VI. Für – wie hier – nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV geringfügig Beschäftigte, die in dieser Beschäftigung versicherungsfrei sind (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), trägt danach der Arbeitgeber einen Beitragsanteil in Höhe von 15 vom Hundert des Arbeitsentgelts, das beitragspflichtig wäre, wenn der Beschäftigte versicherungspflichtig wäre.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligen streiten im Wesentlichen über den Rentenversicherungsstatus des Klägers in seiner Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007.
Der im Jahre 1964 geborene Kläger ist Diplomjurist und war bzw. ist als Rechtsanwalt und Renten- bzw. Unternehmensberater freiberuflich tätig. Gegenwärtig bezieht er zudem von der Beigeladenen zu 2) eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.
Am 22. November 2006 schloss er mit dem Beigeladenen zu 1) einen "Vertrag über eine Freie Mitarbeit", der folgenden Wortlaut hat:
"Präambel
Der Auftraggeber ist vornehmlich auf dem Gebiet der rechtlichen Betreuung und der Gewinnung, Beratung Fortbildung ehrenamtlicher Betreuer (§§ 1896 bis 1908 k BGB) tätig. Der Auftrageber beabsichtigt, die Führung einiger Betreuungen Herrn L zu übertragen.
Mit seiner Qualifikation als Diplomjurist, seinem Spezialwissen im Sozial- und Arbeitsrecht und seiner Tätigkeit in der Weiterbildung auf diesen Gebieten ist Herr L in der Lage, die qualifizierte Erledigung der vorgenannten Aufgabenstellung des Auftraggebers zu übernehmen.
Auf der Basis der bisher geführten Gespräche sind die Parteien darin übereingekommen, den folgen Vertrag über eine freie Mitarbeit zu vereinbaren:
Art. 1, Vertragsgegenstand
1. Herr L übernimmt ab dem 01.01.2007 die Führung rechtlicher Betreuungen (nach §§ 1896 bis 1908 k BGB).
2. Die einzelnen Spezifikationen der Aufgabenstellung ergeben sich aus dem richterlichen Beschluss und aus den im Betreungsgesetz festgelegten Pflichten eines Betreuers.
Art. 2, Weisungsfreiheit
1. Herr L unterliegt bei der Durchführung der von ihm übernommenen Aufgaben gemäß Art. 1 keinen Weisungen des Auftraggebers. Er ist vielmehr hinsichtlich der Vertragsdurchführung frei.
2. Im Gegenzug ist Herr L nicht befugt, gegenüber Mitarbeitern des Auftraggebers Weisungen auszusprechen.
Art. 3, Allgemeine Vertragsdurchführung
1. Sollte im Rahmen der Vertragsdurchführung für Herrn L ein Informations- und/oder Abstimmungsbedarf bestehen, so ist für ihn Frau W Ansprechpartner.
2. Der Auftraggeber wird Herrn L soweit erforderlich rechtzeitig über die für seine Tätigkeit relevanten betrieblichen Gegebenheiten informieren, Hintergrundinformationen mitteilen und ggf. erforderliche Unterlagen übergeben.
Art. 4, Ort der Vertragserfüllung
1. Herr L ist in der Bestimmung seines Arbeitsortes frei, sofern sich nicht aus der Besonderheit der übernommenen Tätigkeit etwas anderes notwendigerweise ergibt.
2. Bei Bedarf stellt der Auftraggeber Herrn L einen Schreibplatz mit Kommunikationsmitteln in seiner Geschäftsstelle zur Verfügung. Die Kommunikationsmittel dürfen von Herrn L ausschließlich zur Erledigung der Tätigkeiten gemäß Art. 1 genutzt werden.
Art. 5, Arbeitszeit
1. Herr L unterliegt hinsichtlich seiner Arbeitszeit keinen Beschränkungen des Auftraggebers. Die Parteien werden sich jedoch soweit erforderlich am Ende einer Woche für die jeweils folgende Woche über notwendige Zeiten in der Geschäftsstelle des Auftraggebers abstimmen.
2. Generell wird Herr L dem Auftraggeber eine länger andauernde Verhinderung an der Ausübung seiner Tätigkeit jeweils schnellstmöglich anzeigen.
Art. 6, Vergütung
1. Als Entgelt wird ein monatliches Pauschalhonorar in Höhe von 400,00 Euro vereinbart.
2. Die Parteien werden bis zum 30. Juni 2007 Verhandlungen über eine eventuelle Anpassung der geltenden Vergütungshöhe aufnehmen.
Art. 7, Rechnungsstellung/Zahlung/Steuern/Abgaben
1. Herr L übermittelt dem Auftraggeber jeweils bis zum 30. eines Monats für den abgelaufenen Monat eine Rechnung unter offenem Ausweis der gesetzlichen Umsatzsteuer.
2. Der entsprechende Rechnungsbetrag ist vom Auftraggeber innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang auf das von Herrn L benannte Konto zu überweisen.
Die Abführung von Steuern und Abgaben aus seiner Tätigkeit, insbesondere von ertrags- und umsatzabhängigen Steuern sowie der Rentenversicherungsbeiträge ist die ausschließliche Angelegenheit von Herrn L.
Art. 8, Zeitrahmen/Vertragslaufzeit
1. Der Vertrag tritt mit Unterzeichnung durch beide Vertragspartner in Kraft.
2. Der Vertrag hat eine feste Laufzeit bis zum 30. Juni 2007 und endet zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es der Kündigung einer Vertragspartei bedarf.
3. Die Vertragpartner nehmen bis zum 31.05.2007 Verhandlungen auf, um die Erforderlichkeit der Weiterführung des Vertrages zu bestimmen.
4. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt unberührt. Diese Kündigung bedarf der Schriftform. Für den Fall einer nicht durch eine außerordentliche Kündigung bedingten Beendigung des Vertragsverhältnisses verpflichtet sich Herr L, zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung noch nicht beendete Aufgaben - wie Schlussbericht und Schlussrechnung gegenüber den Amtsgerichten zu erledigen.
Art. 9, Nebenabreden/Änderungen/Ergänzungen/Gerichtsstand
1. Außer den in diesem Vertrag vereinbarten Regelungen wurden Nebenabredungen nicht getroffen.
2. Änderungen und Ergänzungen des Vertrages bedürfen der Schriftform.
3. Gerichtsstand für die vertragsschließenden Parteien ist Berlin."
Die Tätigkeit des Klägers bestand bis zum 30. Juni 2007 in der Bearbeitung von vier langjährigen Heimbetreuungsfällen, die der Beigeladene zu 1) ausgewählt hatte und die ihm das zuständige Amtsgericht als Mitarbeiter des Beigeladenen zu 1) übertrug. Seine Arbeit verrichtete der Kläger jeden Montag in den Räumen des Beigeladenen zu 1), wo ihm ein Schreibtisch zur Verfügung stand. Er unterlag der einheitlichen beim Beigeladenen zu 1) praktizierten Aktenführung und wurde vom Beigeladenen zu 1) eingearbeitet und beraten. Fehler in der Akten- und Kontenführung wurden vom Beigeladenen zu 1) korrigiert. Für Schreiben an Dritte hatte der Kläger das einheitliche Briefpapier des Beigeladenen zu 1) zu nutzen. Es bestand eine vom Beigeladenen zu 1) für den Kläger angeschlossene Haftpflichtversicherung. Die Abrechnung der vom Kläger bearbeiteten Betreuungsfälle nahm der Beigeladene zu 1) gegenüber dem Amtsgericht vor. Der Kläger stellte dem Beigeladenen zu 1) für die Monate Januar bis Juni 2007 jeweils Honorare in Höhe von 400,00 Euro zzgl. 19 % Mehrwertsteuer in Rechnung.
Vom 1. Juli 2007 an setzte der Kläger seine Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) im Rahmen eines am 27. Juni 2007 abgeschlossenen "Arbeitsvertrages" fort. Der Kläger wurde danach vom Beigeladenen zu 1) als "Vereinsbetreuer" gemäß § 1897 Abs. 2 Nr. 1 BGB angestellt; seine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit wurde auf 16 Stunden, sein Bruttoaufgehalt wurde auf 1.300,00 Euro monatlich festgelegt. Dieses Vertragsverhältnis endete im Laufe des Jahres 2008. Die Tätigkeit des Klägers nach dem 1. Juli 2007 unterschied sich inhaltlich und von den Abläufen her nicht von derjenigen in der Zeit davor.
Am 5. Januar 2009 beantragte der Kläger bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Clearingstelle die Feststellung seines Sozialversicherungsstatus in seiner Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) im Zeitraum 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2007. Die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund leitete diesen Antrag an die Krankenkasse des Klägers weiter, die ihn wiederum an die Beklagte als nach § 28 i Satz 5 SGB IV bei geringfügigen Beschäftigungen zuständige Einzugsstelle abgab. In seinem Antrag brachte der Kläger vor, seine Tätigkeit im fraglichen Zeitraum habe sich als "eine geringfügige versicherungsfreie Tätigkeit im Rahmen (seiner) sonst selbständigen Tätigkeit" dargestellt. Allerdings seien Rentenversicherungsbeiträge an die Beklagte abzuführen gewesen. Entgegen dem Wortlaut des "freien Mitarbeitervertrages" habe er in einem direkten Weisungsverhältnis zu der mit der Geschäftsführung beauftragten Mitarbeiterin des Beigeladenen zu 1) gestanden. Diese habe auch seine Tätigkeit überwacht. Faktisch sei er in eine weisungsgebundene Hierarchie eingebunden gewesen. Er habe eine klare Arbeitszeit regelmäßig montags von 8.00 bis 16.00 Uhr gehabt und sei in die Betriebsabläufe eingebunden gewesen. Seine Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung habe sich aus der auch nach dem 1. Juli 2007 immer noch überwiegenden selbständigen Tätigkeit ergeben. Er beantrage die Feststellung einer geringfügigen Beschäftigung für den Zeitraum 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2007.
Der Beigeladene zu 1) hat im Verwaltungsverfahren gegenüber der Beklagten erklärt, dem Kläger sei zum 1. Januar 2007 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Form eines Minijobs angeboten worden, was von diesem jedoch ausdrücklich abgelehnt worden sei. Er habe darauf bestanden, aufgrund seiner Selbständigkeit auch für den Beigeladenen zu 1) als freier Mitarbeiter tätig zu sein. Hierfür seien von ihm Honorarabrechnungen einschließlich der anteiligen Mehrwertsteuer erstellt worden. Dem Kläger sei im fraglichen Zeitraum lediglich an einem Tag in der Woche die Möglichkeit gegeben worden, in den Räumen des Vereins seine Sprechstunde abzuhalten. Dass dies regelmäßig der Montag gewesen sei, habe auf der freien Entscheidung des Klägers beruht und den Bedürfnissen der betroffenen Betreuten Rechnung getragen. Auch in den von ihm selbst festgelegten Zeiten habe der Kläger seine Arbeit häufig nicht ausgeübt und damit kundgetan, dass er frei über seine Zeit verfügen könne. Weisungen seien ihm nicht erteilt worden. Er sei lediglich darauf hingewiesen worden, dass er die gesetzlichen Bestimmungen und die Vorgaben der jeweiligen Betreuungsbeschlüsse einzuhalten habe.
Mit Bescheid vom 22. Juni 2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er seine Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2007 nicht als Beschäftigter im Sinne der Sozialversicherung ausgeübt habe. Seiner Tätigkeit habe ein Vertrag als freier Mitarbeiter zugrunde gelegen. Weisungen seien ihm vom Beigeladenen zu 1) nicht erteilt worden. Für seine Tätigkeit habe er Honorarrechnungen erstellt. Gleichzeitig sei er für weitere Auftraggeber tätig gewesen.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 19. Januar 2010 zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Schon die Vertragsgestaltung im fraglichen Zeitraum spreche gegen die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses. Soweit der Kläger eine Weisungsabhängigkeit behaupte, habe dem der Beigeladene zu 1) ausdrücklich widersprochen. Allein die Tatsache, dass dem Kläger ein fester Arbeitsplatz mit einem Computer zur Verfügung gestellt worden sei, rechtfertige nicht die Einstufung der Tätigkeit als abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Gleiches gelte dafür, dass er sich mit seinem Vertragspartner auf einen festen und von ihm frei gewählten Arbeitstag geeinigt habe. Schon im Interesse der von ihm betreuen Personen sei seine Erreichbarkeit zu bestimmten Zeiten sicherzustellen gewesen. Gegen die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses spreche auch, dass er in jedem Einzelfall persönlich als Betreuer gemäß § 1900 Abs. 2 BGB bestellt worden sei. Die Rechte und Pflichten eines Betreuers seien gesetzlich geregelt und nicht abdingbar.
Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren vertieft. Die für den Zeitraum Januar bis Juni 2007 vereinbarte Freiberuflichkeit habe dazu gedient, die Kosten des Beigeladenen zu 1) aufgrund der niedrigen vom Kläger betreuten Fallzahlen gering zu halten. Außerdem habe die Zeit als Probezeit fungiert. Er sei in klare Weisungsstrukturen eingebettet gewesen. An seiner Tätigkeit habe sich nach dem 1. Juli 2007 inhaltlich nichts geändert. Ab diesem Zeitpunkt sei jedoch die Zahl der Betreuungen so groß gewesen, dass er sie nicht mehr habe an einem Tag bewältigen können, so dass er mit dem Beigeladenen zu 1) einen Teilzeitvertrag geschlossen habe. Weil er anfänglich nur an einem Tag in der Woche tätig gewesen sei, sei vereinbart worden, die Tätigkeit im Rahmen einer freien Mitarbeit zu führen. Später habe er auf den Abschluss eines Arbeitsvertrages gedrungen. Bei der Arbeit habe es sich um klassische Sachbearbeitung gehandelt, die er am Schreibtisch ausführte.
Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 17. März 2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe in seiner Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) nicht der Rentenversicherungspflicht unterlegen und dieser habe für ihn auch keine Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung abzuführen, weil der Kläger in der Zeit von Januar bis Juni 2007 nicht abhängig beschäftigt gewesen sei. Die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Umstände überwögen. So sprächen schon die zwischen Kläger und Beigeladenem zu 1. getroffenen vertraglichen Regelungen deutlich gegen das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Dem eindeutig im Vertrag dokumentierten Willen der Vertragsparteien, kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu wollen, komme jedenfalls dann indizielle Bedeutung zu, wenn dieser dem festgestellten sonstigen tatsächlichen Verhältnis nicht offensichtlich widerspreche und er durch weitere Aspekte gestützt werde. Den Kläger am geschlossenen Vertrag festzuhalten, sei insbesondere deshalb gerechtfertigt, weil er selbst, zudem Rechtsanwalt und mit den einschlägigen sozialrechtlichen Vorschriften vertraut, aufgrund seiner anderweitigen selbständigen Tätigkeit ausdrücklich nicht im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung, sondern im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) habe tätig sein wollen. Hieran müsse er sich festhalten lassen. Zudem habe sich der Inhalt der Tätigkeit des Klägers nicht aus den Vorgaben des Beigeladenen zu 1) ergeben, sondern aus dem jeweiligen richterlichen Beschluss und den im Betreuungsgesetz festgelegten Pflichten eines Betreuers. Erheblich sei auch, dass in den vom Kläger betreuten Fällen nicht der Beigeladene zu 1) gemäß § 1900 Abs. 1 BGB zum Betreuer bestellt worden sei und die Betreuung dem Kläger nach § 1900 Abs. 2 BGB übertragen habe, sondern dass der Kläger selbst gemäß § 1897 Abs. 2 Satz 1 BGB zum (Vereins )Betreuer bestellt worden sei. Die Tatsache, dass der Kläger selbst zum Betreuer bestellt worden sei, führe dazu, dass nur er persönlich gegenüber dem Betreuten und gegenüber dem Gericht für seine Tätigkeit verantwortlich gewesen sei und bei Spannungen zwischen den Pflichten gegenüber den Betreuten und den Anforderungen des Vereins Erstere den Vorrang gehabt hätten. Auch grundsätzlich sei bei einem Vereinsbetreuer nach § 1897 Abs. 2 BGB anders als bei dem lediglich nach § 1900 Abs. 2 BGB mit der Betreuung betrauten Bediensteten das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit nicht ausgeschlossen. Das Vertragsverhältnis sei auch insofern tatsächlich vollzogen worden, als der Kläger sein vereinbartes Honorar monatlich unter gesonderter Ausweisung der Umsatzsteuer dem Beigeladenen zu 1) in Rechnung gestellt habe. Soweit tatsächliche Verhältnisse auch teilweise gegen eine Selbständigkeit sprächen, überwögen diese jedenfalls nicht. So sei der Kläger durchaus recht umfassend in die betriebliche Organisation des Beigeladenen zu 1) eingegliedert gewesen, indem er ausschließlich an dessen Betriebssitz tätig gewesen sei und die dort zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel genutzt habe und Schreiben im Rahmen der Betreuungen jeweils auf dem Briefkopf des Beigeladenen zu 1) verfasst habe. Zudem seien ihm auch gewisse Vorgaben bezüglich der Tätigkeit, insbesondere im Hinblick auf die Aktenführung, gemacht worden und er habe wegen des vereinbarten Pauschalhonorars kein relevantes unternehmerisches Risiko tragen müssen. Im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung seien diese Umstände jedoch nicht geeignet, eine offensichtliche und rechtlich erhebliche Abweichung von den vom Kläger ausdrücklich gewollten rechtlichen Verhältnissen zu begründen. Im Laufe der mündlichen Verhandlung vor der Kammer habe der Kläger selbst betont, dass er die Betreuertätigkeit im Rahmen seiner Selbständigkeit mit habe übernehmen wollen. Weil er nach seinen eigenen Angaben bereits und ausschließlich mehrere selbständige Tätigkeiten u. a. als Dozent, Unternehmensberater und Ausbilder ausgeübt habe, handele es sich damit letztlich um eine bewusste unternehmerische Entscheidung. An dieser müsse er sich nun festhalten lassen.
Gegen das ihm am 25. März 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26. April 2011 (Osterdienstag) Berufung eingelegt. Er vertritt weiter den Standpunkt, von Januar bis Juni 2007 im Rahmen eines geringfügigen abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für den Beigeladenen zu 1) tätig gewesen zu sein. Das erstinstanzliche Urteil lasse Ausführungen dazu vermissen, dass sämtliche Tätigkeitsmerkmale vor dem 30. Juni 2007 auch in der Zeit danach unverändert vorgelegen hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. März 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2010 aufzuheben und festzustellen, dass er im Rahmen seiner Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag sowie
die Beklagte zu verurteilen, von dem Beigeladenen zu 1) für seine Tätigkeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 15 % der von dem Beigeladenen zu 1) an ihn gezahlten Vergütung einzuziehen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Es erschließe sich nicht, welche positiven Rechtsfolgen sich der Kläger im Falle eines Obsiegens ausrechne. Die Möglichkeit, rückwirkend einen Verzicht auf die Rentenversicherungsfreiheit bei geringfügiger Beschäftigung zu erklären, bestehe nicht. Offensichtlich sei der Kläger ursprünglich bestrebt gewesen, seine ab dem 1. Januar 2007 ausgeübte Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) im Rahmen seiner Selbständigkeit auszuführen. Dass er nach Eintritt einer Erkrankung sein sozialversicherungsrechtliches Interesse nun anders beurteile, rechtfertige sein Begehren nicht.
Der Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt. Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und betont weiter, dass in der Zeit bis zum 30. Juni 2007 auf Wunsch des Klägers lediglich ein Vertrag über eine freie Mitarbeit abgeschlossen und praktiziert worden sei.
Auch die Beigeladene zu 2) hat keinen Antrag gestellt. Gegenüber dem Sozialgericht hat sie erklärt, dass sich bei Berücksichtigung einer geringfügig verrichteten Beschäftigung ohne Zuzahlung durch den Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 nach derzeitigem Stand des Versicherungskontos für die Erfüllung der Wartezeit ein zusätzlicher Monat ergebe. Für die Berechnung der Entgeltpunkte ergebe sich ein Zuschlag abhängig von der Höhe des Entgeltes. Bei Zugrundelegung eines monatlichen Entgelts von 400,00 Euro ergäbe sich ein Zuschlag an Entgeltpunkten aus geringfügig versicherter Beschäftigung in Höhe von 0,0101 Entgeltpunkten.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie des Verwaltungsvorgangs der Beigeladenen zu 2) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig und hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1. a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Zwar übte er zur Überzeugung des Senats seine Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) im allein streitigen Zeitraum 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2007 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus (hierzu unten b). Weil das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung aber regelmäßig 400,- Euro nicht überstieg, war es geringfügig im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch (SGB IV), so dass der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei war (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch/ Sechstes Buch [SGB VI]). Eine rechtzeitige, mit Wirkung für die Zukunft geltende Erklärung des Verzichts auf die Versicherungspflicht im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 2 SGB VI hatte der Kläger nicht abgegeben.
b) Im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts überwiegen im streitigen Zeitraum 1. Januar 2007 bis 30. Juni 2007 die Anhaltspunkte für eine (geringfügige abhängige) Beschäftigung des Klägers.
aa) Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind gemäß Satz 2 dieser Vorschrift die Tätigkeit nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassendem Weisungsrecht des Arbeitsgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand anhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist (Bundessozialgericht, ständige Rechtsprechung seit dem Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 30/04 R, zitiert nach juris).
bb) Hieran gemessen erweist sich die Tätigkeit des Klägers für den Beigeladenen zu 1) als abhängige Beschäftigung. Zwar mag von Kläger und Beigeladenem zu 1) bei Abschluss des "Vertrages über eine Freie Mitarbeit" am 22. November 2006 etwas anderes intendiert gewesen sein, denn Teile dieses Vertrages deuten ihrem Wortlaut nach in die Richtung einer (gewollten) selbständigen Tätigkeit des Klägers; insbesondere die vorgesehene Weisungsfreiheit (Art. 2 Nr. 1) könnte nahe legen, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht bestand. Allerdings zeigt sich bei näherem Hinsehen, dass schon der am 22. November 2006 geschlossene Vertrag auch Elemente der Weisungsgebundenheit enthält. Die vorgesehene Weisungsfreiheit wird vor diesem Hintergrund stark entkräftet und erscheint wie eine Fehlwertung. So ergibt sich aus Art. 3 Nr. 1., dass der Kläger seine Tätigkeit im Bedarfsfall mit einer namentlich benannten Mitarbeitern des Beigeladenen zu 2) abzustimmen hatte. Die freie Bestimmung des Arbeitsortes galt nicht unumschränkt (Art. 4 Nr. 1.). Erforderlichenfalls hatte der Kläger auch seine Arbeitszeit mit dem Beigeladenen zu 1) abzustimmen (Art. 5 Nr. 1.). Eine länger andauernde Verhinderung an der Ausübung seiner Tätigkeit hatte der Kläger schnellstmöglich anzuzeigen (Art. 5 Nr. 2). Schon diese vertraglichen Bestimmungen belegen, dass eine gänzlich freie Mitarbeit des Klägers nicht beabsichtigt war und dass er sich in betriebliche Abläufe des Beigeladenen zu 1) einzugliedern hatte.
In einer sämtliches Beteiligtenvorbringen würdigenden Gesamtschau stellt sich die Tätigkeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. Juni 2007 für den Senat wie eine Probezeit für das ab 1. Juli 2007 praktizierte Arbeitsverhältnis dar. Dass ab dem 1. Juli 2007 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis gegeben war, ist zwischen sämtlichen Beteiligten unstreitig. Gleichzeitig gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Tätigkeit des Klägers für den Beigeladenen zu 1) in den sechs Monaten vor Abschluss des Arbeitsvertrages in irgendeiner Weise grundlegend anders gestaltete bzw. anders zu bewerten wäre als in der Zeit ab 1. Juli 2007.
Ausschlaggebend für diese Bewertung sind die folgenden tatsächlichen Umstände: Schon vor Abschluss des "Vertrages über eine Freie Mitarbeit" hatte der Beigeladene zu 1) dem Kläger angeboten, die Tätigkeit im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV aufzunehmen, was dieser in der Absicht ablehnte, seine auch sonst praktizierte Selbständigkeit in jeder Hinsicht beizubehalten. Damit hatte der Beigeladene zu 1) allerdings gezeigt, dass die dem Kläger angebotene Tätigkeit grundsätzlich den Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses haben könne; hierauf kamen die Beteiligten dann auch für die Zeit ab 1. Juli 2007 zurück. Das erste Halbjahr 2007 gestaltete sich indessen nicht anders als ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, in dem der Kläger in wesentlichen Bereichen weisungsunterworfen war. So mag er einige Freiheiten genossen haben, etwa bei Gestaltung seiner Arbeitszeit. Gleichzeitig unterlag er aber engmaschiger Kontrolle durch den Beigeladenen zu 1), und zwar umso mehr, als es sich um die Einarbeitungs- bzw. Anlernzeit handelte, in der der Kläger Abläufe und Gepflogenheiten beim Beigeladenen zu 1) kennenzulernen hatte. Der Beigeladene zu 1) wählte für den Kläger die Heimbetreuungsfälle aus (und vermittelte sie nicht etwa nur), für die er dann vom Amtsgericht zum Betreuer bestellt wurde. In vielerlei Hinsicht hatte der Kläger sich an die beim Beigeladenen zu 1) üblichen Abläufe zu halten, etwa in Bezug auf die Aktenführung und die Nutzung von Arbeitsmitteln des Beigeladenen zu 1). Der Inhalt seiner Arbeitsergebnisse wurde kontrolliert und, so der Beigeladene zu 1) ausdrücklich, auch wiederholt korrigiert. Während der Kläger nur ein festes Entgelt bezog, stellte der Beigeladene zu 1) dem Amtsgericht die jeweiligen Honorare bzw. Aufwandsentschädigungen in Rechnung, was die Unselbständigkeit des Klägers in besonderem Maße belegt. Denn er trug bei seiner Tätigkeit für den Beigeladenen zu 1) keinerlei wirtschaftliches Risiko. Unterstrichen wird dies dadurch, dass der Beigeladene zu 1) für den Kläger eine Haftpflichtversicherung abschloss, um ihn vor Haftungsrisiken zu schützen. Dass der Kläger im Verlauf des ersten Halbjahres 2007 bezahlten Erholungsurlaub in Anspruch nahm, spricht schließlich ebenfalls gegen die Selbständigkeit seiner Tätigkeit.
Im Übrigen sprechen gute Gründe dafür, dass nach § 1897 Abs. 2 Satz 1 BGB persönlich bestellter Vereinsbetreuer nur sein kann, wer in einem Arbeitsverhältnis (und damit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis) zum Betreuungsverein steht. Denn zwar nimmt auch der Vereinsbetreuer nach außen hin sein Betreueramt eigenverantwortlich wahr. Andererseits soll nach dem gesetzlichen Leitbild (vgl. BT-Drs. 11/5428, S. 126) der Vereinsbetreuer in den Betrieb des Vereins integriert sein, sein Amt als arbeitsvertragliche Aufgabe wahrnehmen und der Personalhoheit des Vereins unterliegen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23. Mai 2000, 15 W 86/00, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14 ff.).
2. Der Beigeladene zu 1) ist verpflichtet, für den Kläger an die Beklagte Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 15 Prozent der an den Kläger gezahlten Vergütung zu entrichten; die Beklagte ist insoweit verpflichtet, die Beiträge einzuziehen (§ 28 i Satz 5 SGB IV, § 173 SGB VI). Insofern hat die Berufung mit dem wirtschaftlichen Hauptbegehren des Klägers Erfolg, der sich – nach den Darlegungen der Beigeladenen zu 2) im Schreiben vom 15. November 2010 zu Recht, wenn auch nur in sehr geringem Umfange – durch die Beitragszahlung rentenrechtliche Vorteile verspricht.
Die Verpflichtung des Beigeladenen zu 1) zur Zahlung der Beiträge ergibt sich aus § 172 Abs. 3 Satz 1 SGB VI. Für – wie hier – nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV geringfügig Beschäftigte, die in dieser Beschäftigung versicherungsfrei sind (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), trägt danach der Arbeitgeber einen Beitragsanteil in Höhe von 15 vom Hundert des Arbeitsentgelts, das beitragspflichtig wäre, wenn der Beschäftigte versicherungspflichtig wäre.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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