Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 163 U 281/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 185/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 03. August 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) – Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische – sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen, insbesondere von Verletztenrente und Übergangsleistungen (BK 1317).
Der 1960 geborene Kläger, der bis Ende 2007 in G in Bayern lebte, war im Zeitraum von August 1987 bis Januar 2004 als Industriemaler/-lackierer beschäftigt. In der Zeit von 1992 bis 1997 und von 1999 bis 2002 verbrachte er 70 % der Arbeitszeit mit Bürotätigkeit und ca. 30 % mit Maler- und Beschichtungsarbeiten. Zum 01. April 2002 wurde der Kläger Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Firma, bei der er zuvor angestellt war, und war danach hauptsächlich als Beschichter tätig. Er verbrachte seine Arbeitszeit zu ca. 60 bis 80 % mit der Herstellung von Polyurethan- und Polyharnstoff-Beschichtungen im Heißspritzverfahren und zu ca. 10 bis 20 % im Kaltverfahren sowie zu ca. 10 bis 20 % mit der Herstellung von Polyurethan-Grundierungen. Dabei kam der Kläger über die Atemwege und die Haut mit Materialien, die u. a. Dichlormethan, Trichloräthylen, Toluol, Xylol und Styrol sowie Isocyanate enthielten, in Kontakt.
Am 09. Januar 2004 ging bei der Beklagten eine Unfallanzeige des Betriebes ein, wonach beim Kläger am 09. Dezember 2003 beim Spritzen von Polyharnstoff akute Atemnot und ein Fieberanfall aufgetreten seien. In der Folge berichtete der Chirurg/Unfallchirurg Prof. Dr. M über Vorstellungen des Klägers vom 31. Dezember 2003 und 20. Januar 2004 wegen des Auftritts von Atemnot, Reizhusten, Dyspnoe und Gliederschmerzen nach Einatmung von Isocyanaten beim Beschichten von Tanks (Durchgangsarztberichte [DAB] vom 31. Dezember 2003 und 20. Januar 2004). Unter dem 29. Januar 2004 äußerte der Facharzt für Allgemeinmedizin – Umweltmedizin – Dr. S vom Arbeitsmedizinischen Dienst (AMD) der Beklagten den Verdacht auf Vorliegen einer BK 2302 (exogen allergische Alveolitis) bzw. BK 4201 (obstruktive Atemwegserkrankung) bei Kontakt mit Epoxiden, Ethylacetat, Isocyanat und Methylenchlorid. Die behandelnden Ärzte für Innere Medizin, Pneumologie, Dr. P und Dr. H äußerten in ihrer Anzeige vom 09. Februar 2004 den Verdacht auf Vorliegen einer BK 1315 (beruflich erworbene Allergie gegen Isocyanate). Des Weiteren begehrte der Kläger, der zwischenzeitlich seine Tätigkeit aufgegeben hatte, mit Schreiben vom 03. Juni 2004 die Anerkennung einer BK 1317 wegen der Exposition gegenüber Lösemitteln (Benzol, Toluol). Er reichte ein Attest des Dermatologen, Venerologen und Umweltmediziners Dr. M vom 06. August 2004 zur Akte, wonach es bei ihm nach Exposition gegenüber Lösemitteln zu Atemnot, Gliederschmerzen, Mattigkeit und Benommenheit, innerer Unruhe, belegter Stimme, erheblichem Kräfteverlust, Entzündungsgefühl des Rachens und der Speiseröhre und einer obstruktiven Bronchitis, Blutdruckanstieg und nach Exposition gegenüber Polyurethan auch zu akuten Fieberschüben gekommen sei. Eine weiterführende immunologische Diagnostik habe ergeben, dass eine Exposition gegenüber Benzol, Toluol und Isocyanaten zu einer akuten Ausschüttung von Interleukin 10 (IL 10) führe.
Nach Einholung einer Stellungnahme der Abteilung Prävention vom 30. Juni 2004 sowie eines arbeitsmedizinischen Gutachtens des Facharztes für Arbeitsmedizin, Internist/Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin Prof. Dr. N vom 20. Juli 2005, bei dessen Untersuchung des Nervensystems des Klägers sich ein unauffälliger Befund ergeben hatte, erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 08. März 2006 das Bestehen einer BK 1315 der Anlage 1 zur BKV an.
Nachdem die Abteilung Prävention in einer weiteren Stellungnahme vom 30. Juni 2006 eine Exposition gegenüber neurotoxischen Stoffen in abnehmender Reihenfolge: Xylol ) Toluol ) Dichlormethan ) Trichloräthylen ) Styrol bejaht hatte, wobei der zeitliche Umfang in der Zeit von August 1987 bis März 2002 mit 20 bis 25 % und für die Zeit ab April 2002 bis zur Aufgabe der Tätigkeit am 20. Januar 2004 mit deutlich unter 10 % eingeschätzt worden war, erstellte der vom Kläger nochmals gewählte Gutachter Prof. Dr. N am 12. September 2007 ein weiteres arbeitsmedizinisches Gutachten. Die Begutachtung ergab, dass der Kläger nach seinen Angaben beim Umgang mit neurotoxisch wirkenden Lösemitteln zwar jeweils akute zentralnervöse Symptome bemerkt habe, eine dauerhafte Schädigung des peripheren oder zentralen Nervensystems i. S. einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie jedoch objektiv nicht belegbar sei.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Dezember 2007 die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da nach dem Ergebnis der durchgeführten Begutachtung eine BK 1317 nicht vorliege. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2008 aus den zuvor genannten Gründen zurück.
Mit der am 25. März 2008 durch seinen Prozessbevollmächtigten beim Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage hat der Kläger die Anerkennung einer BK 1317 sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen, insbesondere in Form von Verletztengeld, Verletztenrente und Übergangsleistungen begehrt. Als sich herausstellte, dass der Kläger bereits Ende 2007 mit unbekannter Anschrift nach Paraguay verzogen war, hat sich das SG Augsburg durch Beschluss vom 28. September 2009 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG München verwiesen. Das SG München hat durch Beschluss vom 06. April 2011 sich unter Hinweis auf den Wohnsitz des Klägers im Ausland und den Sitz der Beklagten in Berlin ebenfalls für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Berlin verwiesen.
Das SG Berlin hat den Kläger wiederholt erfolglos zur Benennung der ihn behandelnden Ärzte sowie zu deren Befreiung von Geheimhaltungspflichten und der ärztlichen Schweigepflicht aufgefordert. Nach ausführlichem Hinweis auf die Erfolgsaussichten der Klage und entsprechender Anhörung mit Schreiben vom 28. März 2012 hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 03. August 2012 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar sei der Kläger nach den Feststellungen der Beklagten bei seiner beruflichen Tätigkeit Gefahrstoffen ausgesetzt gewesen, welche Erkrankungen i. S. d. Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV auslösen könnten. Jedoch fehle es nach dem Ergebnis der Begutachtung im Verwaltungsverfahren am Nachweis des Vorliegens einer Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie. Die Nichterweislichkeit des Krankheitsbildes gehe nach den Regeln der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers als desjenigen, der einen für ihn vorteilhaften Anspruch geltend mache. Selbst wenn die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vertretene Auffassung zuträfe, dass auch akute Reizzustände gewissermaßen eine "temporäre" BK auslösen könnten, bleibe der Nachweis einzelner Krankheitszeiträume vollkommen unklar. Im Gutachten von Prof. Dr. N fänden sich hierfür keine hinreichenden Belege. Die ihn nach dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Prof. Dr. N behandelnden Ärzte habe der Kläger trotz wiederholter Aufforderung nicht benannt, so dass diesbezüglich auch keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen möglich gewesen seien.
Gegen den ihm am 10. August 2012 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich der Kläger mit seiner am 07. September 2012 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegten Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Er führt an, zumindest der Anspruch auf Übergangsleistungen benötige nicht als Voraussetzung die Anerkennung einer BK, weil es sich um prophylaktische Maßnahmen handele.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 03. August 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine BK Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen, und ihm Entschädigungsleistungen, insbesondere in Form von Verletztenrente und ggf. von Übergangsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat durch Beschluss vom 18. Dezember 2013 den Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Vorsitzenden als Einzelrichterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 hat die Vorsitzende dem Kläger rechtliche Hinweise zur Frage der Zulässigkeit der Leistungsklage sowie der Begründetheit der Anfechtungsklage erteilt.
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten betreffend die BK 1317, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Aufgrund des Beschlusses des Senats vom 18. Dezember 2013 konnte die Vorsitzende gemäß § 153 Abs. 5 SGG als Einzelrichter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden. Die Entscheidung konnte trotz Nichterscheinen des Klägers bzw. seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung des Senats am 20. Februar 2014 ergehen, da der Kläger auf diese Möglichkeit bereits in der ihm am 20. Dezember 2013 Ladung hingewiesen worden war (§§ 153 Abs. 1, 126 SGG).
Die zulässige Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 03. August 2012 ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Soweit der Kläger mit der Berufung, wie schon im erstinstanzlichen Verfahren, im Wege der Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) die Verurteilung der Beklagten "auf Entschädigung, insbesondere Gewährung von Verletztenrente und Übergangsleistungen" begehrt, ist die Klage bereits unzulässig. Vorliegend fehlt es an einem konkrete Entschädigungsleistungen ablehnenden anfechtbaren Verwaltungsakte der Beklagten i. S. von § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und damit an dem für die Leistungsklage zwingend erforderlichen Vorverfahren nach § 78 SGG. Zwar hat die Beklagte im Bescheid vom 19. Dezember 2007 formuliert: "Die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wird abgelehnt". Jedoch handelt es sich hierbei um eine Leerformel und nicht um eine konkrete Regelung zu einer konkreten Leistung (welcher?) im Sinne des § 31 SGB X (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. Urteile vom 16. November 2005, B 2 U 28/04 R, 21. September 2010, B 2 U 25/09 R,30. Januar 2007, B 2 U 6/06 R, 18. März 2008, B 2 U 2/07 R, 17. Februar 2009, B 2 U 26/07 R, sowie vom 02. April 2009, B 2 U 30/07 R, alle zitiert nach Juris). In dem hier angefochtenen Bescheid vom 19. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2008 hat sich die Beklagte ausschließlich mit der Frage befasst, ob beim Kläger eine BK 1317 vorliegt. Eine Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen von konkreten Leistungen, wie etwa Verletztengeld, Verletztenrente oder bestimmter Übergangsleistungen nach § 3 BKV, ist in keinem der Bescheide erfolgt.
Die im Berufungsverfahren fortgeführte zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) des Klägers, gerichtet auf die Aufhebung des Bescheides vom 19. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2008 und Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung einer BK 1317 ist, wie das SG im Gerichtsbescheid vom 03. August 2012 zutreffend dargelegt hat, unbegründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK 1317.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BKen (§ 7 Abs. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII)). BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und welche Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehören unter Nr. 1317 auch die Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische. Die Feststellung dieser BK setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen in Form einer adäquaten Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln oder deren Gemische gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser BK, das heißt eine Polyneuropathie oder eine Enzephalopathie vorliegt und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (haftungsbegründende Kausalität). Es müssen die versicherte Tätigkeit, die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit ausreicht (ständige Rspr. des BSG, Urteil vom 27. Juni 2006, B 2 U 20/04 R, zitiert nach Juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20).
Hiervon ausgehend ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen Maße davon überzeugt, dass beim Kläger tatsächlich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine durch den beruflichen Kontakt mit organischen Lösungsmitteln oder deren Gemische verursachte Polyneuropathie oder Enzephalopathie besteht. Zwar kann vorliegend nach den Ausführungen der Abteilung Prävention der Beklagten in der Stellungnahme vom 30. Juni 2006 davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Industriemaler/-lackierer bzw. Beschichter in den Jahren 1987 bis Januar 2004 gegenüber neurotoxischen Stoffen i. S. d. BK 1317 exponiert war. Die Abteilung Prävention hatte eine Exposition des Klägers mit (in abnehmender Reihenfolge) Xylol ) Toluol ) Dichlormethan ) Trichloräthylen ) Styrol bejaht und den zeitlichen Umfang in der Zeit von August 1987 bis März 2002 mit 20 bis 25 % und für die Zeit ab April 2002 bis zur Aufgabe der Tätigkeit am 20. Januar 2004 mit deutlich unter 10 % der Arbeitszeit eingeschätzt.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 SGG) fehlt es jedoch an einer im Vollbeweis gesicherten Erkrankung des Klägers i. S. d. BK 1317, d. h. am Vorliegen einer Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie. Der Nachweis (Diagnose) einer Polyneuropathie ist durch objektive klinische Befunde (Paresen, Muskelatrophien, erloschene Muskeleigenreflexe, Sensibilitätsstörung), ggf. durch weitere neurophysiologische Untersuchungen (EMG, Neurograhie, evozierte Potentiale) zu führen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 5.8.2 Seiten 240). Der Nachweis (Diagnose) einer Enezphalopathie in Form eines organischen Psychosyndroms und/oder einer zentral bedingten neurologischen Störung ist ebenfalls durch objektive klinische Befunde (z. B. Ataxie, Tremor, Dysdiadochkinesen) sowie durch neuropsychologische Befunde zu führen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 5.8.2 Seite 241, Anm. 5.8.4 Seite 243 f). Sowohl für das Vorliegen einer Polyneuropathie als auch für das Vorliegen einer Enzephalopathie beim Kläger während wie auch nach Beendigung seiner Tätigkeit als Industriemaler/-lackierer und Beschichter fehlt es an jeglichem Nachweis.
So hat das im Auftrag der Beklagten von dem vom Kläger ausgewählten Gutachter Prof. Dr. N erstattete Gutachten vom 12. September 2007, welches der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwerten konnte (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 128 Rn. 7f), nicht den Nachweis einer Schädigung des peripheren oder zentralen Nervensystems erbracht. Prof. Dr. N stellte bei seiner Untersuchung des Klägers am 21. Dezember 2006 bis auf eine Abschwächung des rechten Achillessehnenreflexes, den er nachvollziehbar auf eine Nervenwurzelaffektion bei anamnestisch bekannten Lumboischialgien zurückführte, einen neurologisch regelrechten Befund fest. Insbesondere waren alle Qualitäten der Oberflächen- und Tiefensensibilität im Bereich der distalen Extremitäten intakt. Auch anamnestisch ließen sich von ihm keine Sensibilitätsstörungen erfragen, die auf eine distal-symmetrische sensible Polyneuropathie hindeuten könnten. Zudem zeigte der psychische Befund des Klägers keinerlei Anhaltspunkte für kognitive Beeinträchtigungen oder Affektstörungen im Sinne einer Enzephalopathie. Bereits das im Auftrag der Beklagten von dem vom Kläger ausgewählten Gutachter Prof. Dr. N erstattete Gutachten vom 20. Juli 2005, welches der Senat ebenfalls im Wege des Urkundenbeweises verwerten konnte (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O. Rn. 7f, 8b), erbrachte keine Anhaltspunkte für eine Schädigung des peripheren oder zentralen Nervensystems. So zeigte sich bei der vom Gutachter Prof. Dr. N am 18. April, 12. Mai und 13. Mai 2005 durchgeführten Untersuchungen des Klägers ein völlig unauffälliger Befund des Nervensystems und der Psyche. Die physiologischen Reflexe an Armen und Beinen waren seitengleich auslösbar, die Bauchhautreflexe in allen Etagen nachweisbar. Sensibilität, Tiefensensibilität und Bewegungskoordination waren normal. Weder ergaben sich bei den Untersuchungen pathologische Reflexe noch Hinweise auf eine Störung im Bereich der Hirnnerven des Klägers.
Auch aus den sonstigen in der Verwaltungsakte befindlichen medizinischen Unterlagen ist ein objektiver medizinischer Nachweis (Befund) für das Bestehen einer Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie nicht zu entnehmen. Die zeitnah den Kläger behandelnden Ärzte (Prof. Dr. M, Dr. S und Dres. P und H) befunden nur Atemwegsbeschwerden nach Reizgasinhalation (vgl. DAB vom 31. Dezember 2003 und 20. Januar 2004, ärztliche Anzeigen über eine BK vom 29. Januar und 09. Februar 2004). Dem Attest des Dermatologen, Venerologen und Umweltmediziners Dr. M vom 06. August 2004 sind zwar die Angaben des Klägers zu entnehmen, wonach es bei ihm nach Exposition gegenüber Lösemitteln u.a. auch zu Mattigkeit und Benommenheit, innerer Unruhe und erheblichem Kräfteverlust gekommen sei. Konkrete objektive Befunde, insbesondere bzgl. Störungen des peripheren oder zentralen Nervensystems, sind dem Attest von Dr. M nicht zu entnehmen. Von ihm wurde lediglich eine immunologische Diagnostik durchgeführt.
Sonstige Untersuchungsbefunde aus dem Zeitraum vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit im Januar 2004 wie auch für die Zeit nach der letzten gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. N am 21. Dezember 2006, die eine Störung des peripheren oder zentralen Nervensystems belegen könnten, sind vom Kläger weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren vorgelegt worden.
Der Senat sah bei dieser Sach- und Rechtslage aus den bereits vom SG im Gerichtsbescheid vom 03. August 2012 auf Seite 7 und 8 dargelegten Gründen ebenfalls keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreites.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) – Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische – sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen, insbesondere von Verletztenrente und Übergangsleistungen (BK 1317).
Der 1960 geborene Kläger, der bis Ende 2007 in G in Bayern lebte, war im Zeitraum von August 1987 bis Januar 2004 als Industriemaler/-lackierer beschäftigt. In der Zeit von 1992 bis 1997 und von 1999 bis 2002 verbrachte er 70 % der Arbeitszeit mit Bürotätigkeit und ca. 30 % mit Maler- und Beschichtungsarbeiten. Zum 01. April 2002 wurde der Kläger Mitgesellschafter und Geschäftsführer der Firma, bei der er zuvor angestellt war, und war danach hauptsächlich als Beschichter tätig. Er verbrachte seine Arbeitszeit zu ca. 60 bis 80 % mit der Herstellung von Polyurethan- und Polyharnstoff-Beschichtungen im Heißspritzverfahren und zu ca. 10 bis 20 % im Kaltverfahren sowie zu ca. 10 bis 20 % mit der Herstellung von Polyurethan-Grundierungen. Dabei kam der Kläger über die Atemwege und die Haut mit Materialien, die u. a. Dichlormethan, Trichloräthylen, Toluol, Xylol und Styrol sowie Isocyanate enthielten, in Kontakt.
Am 09. Januar 2004 ging bei der Beklagten eine Unfallanzeige des Betriebes ein, wonach beim Kläger am 09. Dezember 2003 beim Spritzen von Polyharnstoff akute Atemnot und ein Fieberanfall aufgetreten seien. In der Folge berichtete der Chirurg/Unfallchirurg Prof. Dr. M über Vorstellungen des Klägers vom 31. Dezember 2003 und 20. Januar 2004 wegen des Auftritts von Atemnot, Reizhusten, Dyspnoe und Gliederschmerzen nach Einatmung von Isocyanaten beim Beschichten von Tanks (Durchgangsarztberichte [DAB] vom 31. Dezember 2003 und 20. Januar 2004). Unter dem 29. Januar 2004 äußerte der Facharzt für Allgemeinmedizin – Umweltmedizin – Dr. S vom Arbeitsmedizinischen Dienst (AMD) der Beklagten den Verdacht auf Vorliegen einer BK 2302 (exogen allergische Alveolitis) bzw. BK 4201 (obstruktive Atemwegserkrankung) bei Kontakt mit Epoxiden, Ethylacetat, Isocyanat und Methylenchlorid. Die behandelnden Ärzte für Innere Medizin, Pneumologie, Dr. P und Dr. H äußerten in ihrer Anzeige vom 09. Februar 2004 den Verdacht auf Vorliegen einer BK 1315 (beruflich erworbene Allergie gegen Isocyanate). Des Weiteren begehrte der Kläger, der zwischenzeitlich seine Tätigkeit aufgegeben hatte, mit Schreiben vom 03. Juni 2004 die Anerkennung einer BK 1317 wegen der Exposition gegenüber Lösemitteln (Benzol, Toluol). Er reichte ein Attest des Dermatologen, Venerologen und Umweltmediziners Dr. M vom 06. August 2004 zur Akte, wonach es bei ihm nach Exposition gegenüber Lösemitteln zu Atemnot, Gliederschmerzen, Mattigkeit und Benommenheit, innerer Unruhe, belegter Stimme, erheblichem Kräfteverlust, Entzündungsgefühl des Rachens und der Speiseröhre und einer obstruktiven Bronchitis, Blutdruckanstieg und nach Exposition gegenüber Polyurethan auch zu akuten Fieberschüben gekommen sei. Eine weiterführende immunologische Diagnostik habe ergeben, dass eine Exposition gegenüber Benzol, Toluol und Isocyanaten zu einer akuten Ausschüttung von Interleukin 10 (IL 10) führe.
Nach Einholung einer Stellungnahme der Abteilung Prävention vom 30. Juni 2004 sowie eines arbeitsmedizinischen Gutachtens des Facharztes für Arbeitsmedizin, Internist/Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin Prof. Dr. N vom 20. Juli 2005, bei dessen Untersuchung des Nervensystems des Klägers sich ein unauffälliger Befund ergeben hatte, erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 08. März 2006 das Bestehen einer BK 1315 der Anlage 1 zur BKV an.
Nachdem die Abteilung Prävention in einer weiteren Stellungnahme vom 30. Juni 2006 eine Exposition gegenüber neurotoxischen Stoffen in abnehmender Reihenfolge: Xylol ) Toluol ) Dichlormethan ) Trichloräthylen ) Styrol bejaht hatte, wobei der zeitliche Umfang in der Zeit von August 1987 bis März 2002 mit 20 bis 25 % und für die Zeit ab April 2002 bis zur Aufgabe der Tätigkeit am 20. Januar 2004 mit deutlich unter 10 % eingeschätzt worden war, erstellte der vom Kläger nochmals gewählte Gutachter Prof. Dr. N am 12. September 2007 ein weiteres arbeitsmedizinisches Gutachten. Die Begutachtung ergab, dass der Kläger nach seinen Angaben beim Umgang mit neurotoxisch wirkenden Lösemitteln zwar jeweils akute zentralnervöse Symptome bemerkt habe, eine dauerhafte Schädigung des peripheren oder zentralen Nervensystems i. S. einer Polyneuropathie oder Enzephalopathie jedoch objektiv nicht belegbar sei.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. Dezember 2007 die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, da nach dem Ergebnis der durchgeführten Begutachtung eine BK 1317 nicht vorliege. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2008 aus den zuvor genannten Gründen zurück.
Mit der am 25. März 2008 durch seinen Prozessbevollmächtigten beim Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage hat der Kläger die Anerkennung einer BK 1317 sowie die Gewährung von Entschädigungsleistungen, insbesondere in Form von Verletztengeld, Verletztenrente und Übergangsleistungen begehrt. Als sich herausstellte, dass der Kläger bereits Ende 2007 mit unbekannter Anschrift nach Paraguay verzogen war, hat sich das SG Augsburg durch Beschluss vom 28. September 2009 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG München verwiesen. Das SG München hat durch Beschluss vom 06. April 2011 sich unter Hinweis auf den Wohnsitz des Klägers im Ausland und den Sitz der Beklagten in Berlin ebenfalls für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das SG Berlin verwiesen.
Das SG Berlin hat den Kläger wiederholt erfolglos zur Benennung der ihn behandelnden Ärzte sowie zu deren Befreiung von Geheimhaltungspflichten und der ärztlichen Schweigepflicht aufgefordert. Nach ausführlichem Hinweis auf die Erfolgsaussichten der Klage und entsprechender Anhörung mit Schreiben vom 28. März 2012 hat das SG durch Gerichtsbescheid vom 03. August 2012 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar sei der Kläger nach den Feststellungen der Beklagten bei seiner beruflichen Tätigkeit Gefahrstoffen ausgesetzt gewesen, welche Erkrankungen i. S. d. Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV auslösen könnten. Jedoch fehle es nach dem Ergebnis der Begutachtung im Verwaltungsverfahren am Nachweis des Vorliegens einer Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie. Die Nichterweislichkeit des Krankheitsbildes gehe nach den Regeln der objektiven Beweislast zu Lasten des Klägers als desjenigen, der einen für ihn vorteilhaften Anspruch geltend mache. Selbst wenn die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vertretene Auffassung zuträfe, dass auch akute Reizzustände gewissermaßen eine "temporäre" BK auslösen könnten, bleibe der Nachweis einzelner Krankheitszeiträume vollkommen unklar. Im Gutachten von Prof. Dr. N fänden sich hierfür keine hinreichenden Belege. Die ihn nach dem Zeitpunkt der Untersuchung durch Prof. Dr. N behandelnden Ärzte habe der Kläger trotz wiederholter Aufforderung nicht benannt, so dass diesbezüglich auch keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen möglich gewesen seien.
Gegen den ihm am 10. August 2012 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich der Kläger mit seiner am 07. September 2012 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegten Berufung, mit der er sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Er führt an, zumindest der Anspruch auf Übergangsleistungen benötige nicht als Voraussetzung die Anerkennung einer BK, weil es sich um prophylaktische Maßnahmen handele.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 03. August 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm eine BK Nr. 1317 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen, und ihm Entschädigungsleistungen, insbesondere in Form von Verletztenrente und ggf. von Übergangsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Der Senat hat durch Beschluss vom 18. Dezember 2013 den Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Vorsitzenden als Einzelrichterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2013 hat die Vorsitzende dem Kläger rechtliche Hinweise zur Frage der Zulässigkeit der Leistungsklage sowie der Begründetheit der Anfechtungsklage erteilt.
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten betreffend die BK 1317, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Aufgrund des Beschlusses des Senats vom 18. Dezember 2013 konnte die Vorsitzende gemäß § 153 Abs. 5 SGG als Einzelrichter zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden. Die Entscheidung konnte trotz Nichterscheinen des Klägers bzw. seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung des Senats am 20. Februar 2014 ergehen, da der Kläger auf diese Möglichkeit bereits in der ihm am 20. Dezember 2013 Ladung hingewiesen worden war (§§ 153 Abs. 1, 126 SGG).
Die zulässige Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Berlin vom 03. August 2012 ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Soweit der Kläger mit der Berufung, wie schon im erstinstanzlichen Verfahren, im Wege der Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) die Verurteilung der Beklagten "auf Entschädigung, insbesondere Gewährung von Verletztenrente und Übergangsleistungen" begehrt, ist die Klage bereits unzulässig. Vorliegend fehlt es an einem konkrete Entschädigungsleistungen ablehnenden anfechtbaren Verwaltungsakte der Beklagten i. S. von § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) und damit an dem für die Leistungsklage zwingend erforderlichen Vorverfahren nach § 78 SGG. Zwar hat die Beklagte im Bescheid vom 19. Dezember 2007 formuliert: "Die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wird abgelehnt". Jedoch handelt es sich hierbei um eine Leerformel und nicht um eine konkrete Regelung zu einer konkreten Leistung (welcher?) im Sinne des § 31 SGB X (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. Urteile vom 16. November 2005, B 2 U 28/04 R, 21. September 2010, B 2 U 25/09 R,30. Januar 2007, B 2 U 6/06 R, 18. März 2008, B 2 U 2/07 R, 17. Februar 2009, B 2 U 26/07 R, sowie vom 02. April 2009, B 2 U 30/07 R, alle zitiert nach Juris). In dem hier angefochtenen Bescheid vom 19. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2008 hat sich die Beklagte ausschließlich mit der Frage befasst, ob beim Kläger eine BK 1317 vorliegt. Eine Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen von konkreten Leistungen, wie etwa Verletztengeld, Verletztenrente oder bestimmter Übergangsleistungen nach § 3 BKV, ist in keinem der Bescheide erfolgt.
Die im Berufungsverfahren fortgeführte zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) des Klägers, gerichtet auf die Aufhebung des Bescheides vom 19. Dezember 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2008 und Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung einer BK 1317 ist, wie das SG im Gerichtsbescheid vom 03. August 2012 zutreffend dargelegt hat, unbegründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Anerkennung einer BK 1317.
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BKen (§ 7 Abs. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII)). BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als solche bezeichnet und welche Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten BKen gehören unter Nr. 1317 auch die Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische. Die Feststellung dieser BK setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Voraussetzungen in Form einer adäquaten Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln oder deren Gemische gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser BK, das heißt eine Polyneuropathie oder eine Enzephalopathie vorliegt und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (haftungsbegründende Kausalität). Es müssen die versicherte Tätigkeit, die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit ausreicht (ständige Rspr. des BSG, Urteil vom 27. Juni 2006, B 2 U 20/04 R, zitiert nach Juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20).
Hiervon ausgehend ist der Senat nicht im nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen Maße davon überzeugt, dass beim Kläger tatsächlich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine durch den beruflichen Kontakt mit organischen Lösungsmitteln oder deren Gemische verursachte Polyneuropathie oder Enzephalopathie besteht. Zwar kann vorliegend nach den Ausführungen der Abteilung Prävention der Beklagten in der Stellungnahme vom 30. Juni 2006 davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Industriemaler/-lackierer bzw. Beschichter in den Jahren 1987 bis Januar 2004 gegenüber neurotoxischen Stoffen i. S. d. BK 1317 exponiert war. Die Abteilung Prävention hatte eine Exposition des Klägers mit (in abnehmender Reihenfolge) Xylol ) Toluol ) Dichlormethan ) Trichloräthylen ) Styrol bejaht und den zeitlichen Umfang in der Zeit von August 1987 bis März 2002 mit 20 bis 25 % und für die Zeit ab April 2002 bis zur Aufgabe der Tätigkeit am 20. Januar 2004 mit deutlich unter 10 % der Arbeitszeit eingeschätzt.
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 SGG) fehlt es jedoch an einer im Vollbeweis gesicherten Erkrankung des Klägers i. S. d. BK 1317, d. h. am Vorliegen einer Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie. Der Nachweis (Diagnose) einer Polyneuropathie ist durch objektive klinische Befunde (Paresen, Muskelatrophien, erloschene Muskeleigenreflexe, Sensibilitätsstörung), ggf. durch weitere neurophysiologische Untersuchungen (EMG, Neurograhie, evozierte Potentiale) zu führen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 5.8.2 Seiten 240). Der Nachweis (Diagnose) einer Enezphalopathie in Form eines organischen Psychosyndroms und/oder einer zentral bedingten neurologischen Störung ist ebenfalls durch objektive klinische Befunde (z. B. Ataxie, Tremor, Dysdiadochkinesen) sowie durch neuropsychologische Befunde zu führen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Anm. 5.8.2 Seite 241, Anm. 5.8.4 Seite 243 f). Sowohl für das Vorliegen einer Polyneuropathie als auch für das Vorliegen einer Enzephalopathie beim Kläger während wie auch nach Beendigung seiner Tätigkeit als Industriemaler/-lackierer und Beschichter fehlt es an jeglichem Nachweis.
So hat das im Auftrag der Beklagten von dem vom Kläger ausgewählten Gutachter Prof. Dr. N erstattete Gutachten vom 12. September 2007, welches der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwerten konnte (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 128 Rn. 7f), nicht den Nachweis einer Schädigung des peripheren oder zentralen Nervensystems erbracht. Prof. Dr. N stellte bei seiner Untersuchung des Klägers am 21. Dezember 2006 bis auf eine Abschwächung des rechten Achillessehnenreflexes, den er nachvollziehbar auf eine Nervenwurzelaffektion bei anamnestisch bekannten Lumboischialgien zurückführte, einen neurologisch regelrechten Befund fest. Insbesondere waren alle Qualitäten der Oberflächen- und Tiefensensibilität im Bereich der distalen Extremitäten intakt. Auch anamnestisch ließen sich von ihm keine Sensibilitätsstörungen erfragen, die auf eine distal-symmetrische sensible Polyneuropathie hindeuten könnten. Zudem zeigte der psychische Befund des Klägers keinerlei Anhaltspunkte für kognitive Beeinträchtigungen oder Affektstörungen im Sinne einer Enzephalopathie. Bereits das im Auftrag der Beklagten von dem vom Kläger ausgewählten Gutachter Prof. Dr. N erstattete Gutachten vom 20. Juli 2005, welches der Senat ebenfalls im Wege des Urkundenbeweises verwerten konnte (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O. Rn. 7f, 8b), erbrachte keine Anhaltspunkte für eine Schädigung des peripheren oder zentralen Nervensystems. So zeigte sich bei der vom Gutachter Prof. Dr. N am 18. April, 12. Mai und 13. Mai 2005 durchgeführten Untersuchungen des Klägers ein völlig unauffälliger Befund des Nervensystems und der Psyche. Die physiologischen Reflexe an Armen und Beinen waren seitengleich auslösbar, die Bauchhautreflexe in allen Etagen nachweisbar. Sensibilität, Tiefensensibilität und Bewegungskoordination waren normal. Weder ergaben sich bei den Untersuchungen pathologische Reflexe noch Hinweise auf eine Störung im Bereich der Hirnnerven des Klägers.
Auch aus den sonstigen in der Verwaltungsakte befindlichen medizinischen Unterlagen ist ein objektiver medizinischer Nachweis (Befund) für das Bestehen einer Polyneuropathie oder einer Enzephalopathie nicht zu entnehmen. Die zeitnah den Kläger behandelnden Ärzte (Prof. Dr. M, Dr. S und Dres. P und H) befunden nur Atemwegsbeschwerden nach Reizgasinhalation (vgl. DAB vom 31. Dezember 2003 und 20. Januar 2004, ärztliche Anzeigen über eine BK vom 29. Januar und 09. Februar 2004). Dem Attest des Dermatologen, Venerologen und Umweltmediziners Dr. M vom 06. August 2004 sind zwar die Angaben des Klägers zu entnehmen, wonach es bei ihm nach Exposition gegenüber Lösemitteln u.a. auch zu Mattigkeit und Benommenheit, innerer Unruhe und erheblichem Kräfteverlust gekommen sei. Konkrete objektive Befunde, insbesondere bzgl. Störungen des peripheren oder zentralen Nervensystems, sind dem Attest von Dr. M nicht zu entnehmen. Von ihm wurde lediglich eine immunologische Diagnostik durchgeführt.
Sonstige Untersuchungsbefunde aus dem Zeitraum vor Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit im Januar 2004 wie auch für die Zeit nach der letzten gutachterlichen Untersuchung durch Prof. Dr. N am 21. Dezember 2006, die eine Störung des peripheren oder zentralen Nervensystems belegen könnten, sind vom Kläger weder im Verwaltungs- noch im Gerichtsverfahren vorgelegt worden.
Der Senat sah bei dieser Sach- und Rechtslage aus den bereits vom SG im Gerichtsbescheid vom 03. August 2012 auf Seite 7 und 8 dargelegten Gründen ebenfalls keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Rechtsstreites.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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