L 10 AS 817/14 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 197 AS 23266/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 817/14 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Februar 2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Zwar ist die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 145 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) zulässig, insbesondere ist sie statthaft. Denn weder hat Sozialgericht (SG) die Berufung zugelassen, woran das Landessozialgericht gebunden wäre (§ 144 Abs 3 SGG), noch liegt ein Fall zulassungsfreier Berufung (§ 143 SGG) vor. Vielmehr ist das Rechtsmittel der Berufung ausgeschlossen, weil weder der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG) noch die Voraussetzungen der (Rück-)Ausnahme in § 144 Abs 1 Satz 2 SGG – wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr – erfüllt sind.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist aber nicht begründet, weil keine der in § 144 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG normierten Zulassungsvoraussetzungen gegeben ist. Ob das SG den Rechtsstreit in der Sache richtig entschieden hat, ist dagegen im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen. Die sachliche Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung stellt nach § 144 Abs 2 SGG keinen Grund dar, eine kraft Gesetzes ausgeschlossene Berufung zu zulassen, weil sie nicht zu den genannten Zulassungsgründen zählt.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung iS des § 144 Abs 2 Nr 1 SGG. Grundsätzliche Bedeutung kommt einem Rechtsstreit nur zu, wenn von der Entscheidung der Rechtssache erwartet werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Dies ist wiederum nur dann der Fall, wenn es in einem Rechtsstreit um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage geht, deren Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (Bundessozialgericht (BSG) Beschluss vom 25. September 2002 - B 7 AL 142/02 B, juris RdNr 6ff). Klärungsfähigkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn es auf die als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage im konkreten Rechtsfall ankommt, wenn sie also für den zu entscheidenden Streitfall rechtserheblich ist. Nicht klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht (BSG, Beschluss vom 30. März 2005 – B 4 RA 257/04 B, juris), weil sie sich beispielsweise unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder die Frage bereits höchstrichterlich geklärt ist. Die Voraussetzungen dieses Zulassungsgrundes sind nicht erfüllt.

Denn klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich im vorliegenden Rechtsstreit nicht. Insbesondere ist die im Mittelpunkt des Rechtsstreits stehende Frage, welche rechtlichen Maßstäbe bei der Bestimmung der (abstrakten bzw konkreten) Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 bzw 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch in der hier noch anwendbaren, bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung allgemein zu berücksichtigen sind, mit den vom SG in den Gründen seiner Entscheidung in Bezug genommenen Urteilen des BSG hinreichend geklärt.

Es liegt auch keine Divergenzentscheidung iS des § 144 Abs 2 Nr 2 SGG vor, weil das SG nicht von einer Entscheidung eines der in der Norm genannten Gerichte abgewichen ist.

Die Kläger haben auch keinen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel iS von § 144 Abs 2 Nr 3 SGG – eine Nichtbeachtung oder fehlerhafte Anwendung einer verfahrensrechtlichen Bestimmung auf dem Weg zur Entscheidung - geltend gemacht, auf dem die Entscheidung des SG beruhen kann. Ihren Darlegungen in der Beschwerde ist insoweit allein die Rüge zu entnehmen, das SG habe über die erhobenen Ansprüche statt im schriftlichen Verfahren durch Gerichtsbescheid durch ein aufgrund mündlicher Verhandlung zu erlassendes Urteil befinden müssen. Soweit die Kläger mit ihrer Rüge eine Verletzung ihres - einfachgesetzlich in §§ 62, 124 Abs 1 SGG ausgestalteten – Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 Grundgesetz) geltend machen wollen, greift diese Rüge schon deshalb nicht durch, weil sie es versäumt haben, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen. Ein Beteiligter muss alle verfahrensrechtlich eröffneten Möglichkeiten ausgenutzt haben, sich schon in der Vorinstanz rechtliches Gehör zu verschaffen, soweit ihm diese Möglichkeiten im Einzelfall zumutbar waren. Sich äußern kann auch, wer lediglich die Möglichkeit hat, sich Gehör zu verschaffen. Hatte ein Beteiligter eine solche ihm zumutbare Möglichkeit, hat er sie aber nicht genutzt, ist er nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (ständige Rechtsprechung, vgl nur BSG, Beschluss vom 25. November 2008 – B 5 R 308/08 B, RdNr 7 am Ende mwN). Die Kläger hatten hier nach § 105 Abs 2 Satz 2 SGG die Möglichkeit, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, denn das Rechtsmittel der Berufung gegen den Gerichtsbescheid war für sie nicht gegeben, weil sie durch diesen nicht in dem dafür erforderlichen Maß beschwert waren (vgl § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und Satz 2 SGG). Hätten die Kläger innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt (die Frist ist nicht ausdrücklich geregelt, besteht aber nach allgemeiner Meinung; vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, RdNr 20 zu § 105), hätte der Gerichtsbescheid als nicht ergangen gegolten, wie sich aus § 105 Abs 3 Halbsatz 2 SGG ergibt, und in der mündlichen Verhandlung vor dem SG hätten sie sich zu den bisher aus ihrer Sicht übergangenen Gesichtspunkten umfassend äußern können. Dies wäre eine anderweitige verfahrensrechtliche Möglichkeit gewesen, sich schon in der Vorinstanz rechtliches Gehör zu verschaffen. Zwar hatten die Kläger – worüber sie in der Rechtsmittelbelehrung des Gerichtsbescheides auch zutreffend belehrt worden sind – ein Wahlrecht zwischen Durchführung der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz (als Rechtsbehelf) und (als Rechtsmittel) der Einlegung einer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung (BSG, Beschluss vom 12. Juli 2012 – B 14 AS 31/12 B, juris RdNr 6). Das hat sie aber nicht bei einer geltend gemachten Verletzung rechtlichen Gehörs der auch sonst bestehenden Obliegenheit enthoben, alle Möglichkeiten zu nutzen, sich schon in der Vorinstanz rechtliches Gehör zu verschaffen. Mit einer Nichtzulassungsbeschwerde zum Landessozialgericht können Gehörsrügen deshalb nicht erfolgreich vorgebracht werden (so im Ergebnis schon BSG, aaO, RdNr 8; vgl auch Leitherer, aaO, RdNr 3c zu § 145 mwN). Die scheinbare Einschränkung der Wahlmöglichkeit folgt aus den Voraussetzungen einer begründeten Gehörsrüge. Soweit die Kläger mit der von ihnen erhobenen Rüge geltend machen wollen, das SG habe verfahrensfehlerhaft die Voraussetzungen des § 105 Abs 1 Satz 1 SGG angenommen, wonach es nur dann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden kann, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, vermögen sie ebenfalls nicht durchzudringen. Denn sie hatten es – wie bereits ausgeführt – selbst in der Hand, das SG durch einen entsprechenden rechtzeitigen Antrag auf mündliche Verhandlung dazu zu zwingen, in der Sache mündlich zu verhandeln (mit ehrenamtlichen Richtern, § 12 Abs 1 Satz 1 iVm 125 SGG) und ein Urteil zu erlassen (vgl im Übrigen auch Beschluss des Senats vom 18. Juni 2010 – L 10 AS 779/10, juris RdNr 14 zu der Möglichkeit, die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen, wenn der Beteiligte, der Berufung eingelegt hat, von der für ihn bestehenden Möglichkeit, mündliche Verhandlung gegen den Gerichtsbescheid zu beantragen, keinen Gebrauch gemacht hat). Es kann dahinstehen, ob deswegen für eine solche Verfahrensrüge nicht schon das Rechtsschutzbedürfnis fehlt; denn jedenfalls fehlt es an der Erheblichkeit des Mangels für die angefochtene Entscheidung (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21. Oktober 1999 - 8 B 307/99, juris RdNr 2). Davon unabhängig und ohne dass es für die vorliegende Entscheidung tragend ist, teilt der Senat die Einschätzung des SG, die vorliegende Streitigkeit weise im Verständnis des § 105 Abs 1 Satz 1 SGG keine – wie zu betonen ist – besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf und der Sachverhalt sei geklärt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).

Da der Beschwerde der Erfolg versagt geblieben ist, ist der Gerichtsbescheid des SG damit rechtskräftig (§ 145 Abs 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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