Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AS 7242/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 2441/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2012 wird hinsichtlich der Klägerin zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung als unzulässig verworfen.
Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob den Klägern für die Zeit vom 2. November 2010 (der Klägerin für die Zeit ab 1. November 2010) bis 28. Januar 2011 (höhere) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zustehen.
Der 1984 geborene Kläger ist ägyptischer Staatsangehöriger. Im August 2009 heiratete er in Ägypten die 1964 geborene Klägerin deutscher Staatsangehörigkeit. Der Kläger reiste am 29. Oktober 2010 nach Deutschland ein und wohnte im streitgegenständlichen Zeitraum mit der Klägerin in einem gemeinsamen Haushalt. Am 18. November 2010 erteilte die Ausländerbehörde dem Kläger eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Die im Bezug von SGB II-Leistungen (Bescheide vom 14. Juli 2010, 19. August 2010 und 22. Oktober 2010) stehende Klägerin war ab 1. Oktober 2010 als Kinderfrau gegen ein monatliches Entgelt iHv 200,- EUR geringfügig beschäftigt.
Am 2. November 2010 beantragte auch der Kläger SGB II-Leistungen. Mit Bescheid vom 3. November 2010 änderte der Beklagte die Bewilligung von Leistungen an die Klägerin für Oktober und November 2010 (Oktober 2010 = Regelleistung iHv 279,- EUR zzgl Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung – KdU – iHv 759,79 EUR; November 2010 = Regelleistung iHv 243,- EUR zzgl KdU iHv 305,90 EUR) und bewilligte der Klägerin zudem mit Bescheid vom 4. November 2011 vorläufig Leistungen für Dezember 2010 und Januar 2011 iHv 662,89 EUR monatlich. Mit weiterem Bescheid vom 4. November 2010 stellte der Beklagte den Leistungsanspruch der Klägerin für Oktober und November 2010 endgültig fest und forderte die Erstattung eines Betrages iHv 501,92 EUR. Den Widerspruch der Kläger, mit dem diese geltend machten, dass auch der Kläger Anspruch auf SGB II-Leistungen habe, wies der Beklagte mit (zwei) Widerspruchsbescheiden vom 23. Februar 2011 zurück, nachdem sie den Anspruch der Klägerin für Dezember 2010 endgültig festgesetzt und eine Erstattung iHv 207,62 EUR gefordert (Bescheid vom 7. Februar 2011) und den Klägern ab 29. Januar 2011 SGB II-Leistungen bewilligt hatte (Bescheid vom 7. Februar 2011). Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II sei der Kläger für die ersten drei Monate seines Aufenthalts von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Der gegen die Bescheide vom 3. und 4. November 2010 in der Fassung der Bescheide vom 29. November 2010 und 7. Februar 2011 und in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. Februar 2011 erhobenen Klage, mit der die Kläger Leistungen für die Zeit vom 2. November 2010 (die Klägerin ab 1. November 2010) bis 31. Dezember 2010 iHv jeweils monatlich 663,- EUR "abzüglich jeweils 207,62 EUR für November 2010" und für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 28. Januar 2011 iHv jeweils 623,- EUR begehrten, gab das Sozialgericht (SG) Berlin statt (Urteil vom 15. August 2012). Der Kläger, der mit der Klägerin in einer Bedarfsgemeinschaft lebe, sei nach § 7 Abs. 2 SGB II leistungsberechtigt, so dass es auf die Prüfung von Leistungsausschlusstatbeständen gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht ankomme. Der Bedarf der Kläger belaufe sich im November und Dezember 2010 auf monatlich 702,90 EUR und im Januar und Februar 2011 auf monatlich 715,90 EUR (Regelleistung – 323,- EUR bzw 328,- EUR - KdU – 379,90 EUR - Mehrbedarf Warmwasser ab Januar 2011 – 8,- EUR). Im November sei zudem das im Oktober 2010 zugeflossene Betriebskostenguthaben iHv 415,24 EUR jeweils anteilig bei den KdU der Kläger bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
Mit der auf das am 12. September 2012 zugestellte Urteil am 27. September 2012 gegenüber der "Klägerin" eingelegten und mit Schriftsatz vom 30. April 2013 dahingehend konkretisierten Berufung, dass diese sich gegen beide Kläger richte, wendet sich der Beklagte gegen dieses Urteil. Auf seine Berufungsbegründung vom 21. Dezember 2011 wird Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten (6 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung des Beklagten, soweit diese sich gegen die Klägerin richtet, durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die (erst) mit Schriftsatz vom 30. April 2013 auch gegenüber dem Kläger eingelegte Berufung ist nicht innerhalb der Berufungsfrist von einem Monat (vgl § 151 SGG) erhoben worden und war daher insoweit nach Anhörung des Beklagten durch Beschluss zu verwerfen (vgl § 158 SGG). Die Berufung vom 27. September 2012 richtete sich ersichtlich nur gegen die Klägerin, die der Beklagte darin als (alleinige) Berufungsbeklagte bezeichnet hat. Die Angabe des Rechtsmittelbeklagten ist wesentlicher Bestandteil einer Berufungsschrift und muss grundsätzlich innerhalb der Berufungsfrist erfolgen (vgl BSG SozR 1500 § 151 Nr 11). Indes wäre auch eine fristgerechte Berufung hinsichtlich des Klägers jedenfalls unbegründet gewesen.
Den Klägern stehen für die Zeit vom 2. November 2010 (der Klägerin ab 1. November 2010) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in der vom SG in dem angefochtenen Urteil verlautbarten Höhe zu. Der Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II kommt bei dem Kläger nicht zum Tragen. Auch andere Leistungsausschlüsse sind nicht erkennbar. Der Kläger erfüllte – wie die Klägerin - im streitigen Zeitraum sämtliche An-spruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II (idF des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20. April 2007 - BGBl I 554). Beide hatten das 15. Lebensjahr vollendet und noch nicht die Altersgrenze gemäß § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr 1 SGBII). Die Kläger waren zudem hilfebedürftig iSv § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Erwerbsfähigkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II iVm § 8 Abs. 2 SGB II lag ebenso vor, denn der Kläger war im Besitz eines Aufenthaltstitels zwecks Familienzusammenführung. Ein solcher berechtigt gemäß § 28 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Einem derartigen Aufenthaltstitel kommt im Rahmen der Prüfung der Erwerbsfähigkeit Tatbestandswirkung zu, sodass eine Prüfung der Voraussetzungen des Titels unterbleibt. Schließlich hatte der Kläger – wie auch zuvor schon die Klägerin - nach der Einreise seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Das Gesetz knüpft insoweit an die Bestimmung des § 30 Abs. 3 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) an, wonach jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort hat, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Der Kläger erfüllt im streitgegenständlichen Zeitraum diese Voraussetzungen, da er nach den objektiv erkennbaren Umständen aus Ägypten zu seiner Ehefrau nach Berlin gezogen ist und sich dort angemeldet hat, um dort in ehelicher Gemeinschaft zu leben und sich eine Arbeit zu suchen.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum auch nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II (idF des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 - BGBl I 1970) von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Ein Leistungsausschluss folgt nicht aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II. Danach sind vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts. Die genannte Ausschlussnorm ist indes vorliegend nicht anwendbar.
Die Nichtanwendbarkeit des Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II folgt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, unmittelbar aus der Auslegung innerstaatlichen Rechts (vgl BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 37/12 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 33).
Das BSG hat in der zitierten Entscheidung u.a. ausgeführt:
"Zwar ist der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II insoweit nicht eindeutig. Als "Familienangehöriger" ist der Kläger jedenfalls nicht vom Ausschlusstatbestand erfasst. Zwar ist als Familienangehöriger im Sinne dieser Vorschrift - zur Auslegung ist § 3 FreizügG/EU heranzuziehen - auch ein Ehegatte anzusehen. Der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr 1 SGB II bezieht sich indes lediglich auf Familienangehörige der in diesem Ausschlusstatbestand zuvor genannten Personengruppe der Ausländerinnen und Ausländer, die sich nicht als Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer, Selbstständige oder nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU im Bundesgebiet aufhalten, worauf das Possessivpronomen "ihre" hinweist (so im Ergebnis zB auch Thie/Schoch in Münder, SGB II, 4. Aufl 2012, § 7 RdNr 24; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II, § 7 RdNr 40b (Stand: 10/07)). Dies trifft auf den Kläger nicht zu, da er Familienangehöriger einer deutschen Staats-angehörigen ist.
Allenfalls als "Ausländer" könnte er bei Betrachtung allein seiner Person von der Norm erfasst sein. Der Wortlaut der Bestimmung schließt unterschiedslos alle Ausländerinnen und Ausländer von Leistungen nach dem SGB II aus, die nicht Arbeitnehmer, Selbstständige oder nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU Freizügigkeitsberechtigte sind, unabhängig davon, ob es sich um Unionsbürger oder um Drittstaatsangehörige handelt. Andererseits lässt der Wortlaut der Norm eine abweichende Auslegung zu, weil lediglich "Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen" von der Norm erfasst werden, sodass offenbleibt, ob die Familienangehörigen von Deutschen in den Regelungsgehalt der Norm einbezogen werden. Dass dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren sind, ergibt sich jedoch aus dem der Entstehungsgeschichte herzuleitenden Zweck und systematischen Erwägungen.
Mit Inkrafttreten des § 2 Abs. 5 FreizügG/EU zum 28.8.2007 ist Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen das Recht eingeräumt worden, sich drei Monate ohne besonderes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten. Diese Unionsbürger waren von der vormaligen vom 1.4.2006 bis zum 27.8.2007 geltenden Fassung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht erfasst. Um diese Personengruppe ebenfalls zu erfassen, ist die Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl I 1970) neu gefasst worden. Ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 16/5065 S 234) soll der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II "vor allem Unionsbürger" betreffen. Dem Beklagten ist zuzugeben, dass dieser Hinweis in den Gesetzesmaterialien den Schluss zu tragen scheint, dass Drittstaatsangehörige, die einem deutschen Staatsangehörigen zwecks Familienzusammenführung nachziehen, vom Leistungsausschluss erfasst sein könnten. Die Gesetzesänderung war indes dem Umstand geschuldet, dass mit der Änderung im SGB II die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog"Unionsbürger-Richtlinie", ABl EU Nr L 158, berichtigt ABl EU Nr L 229, 35) umgesetzt und von der Option des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG Gebrauch gemacht werden sollte. In den Gesetzesmaterialien wird explizit ausgeführt, dass der Leistungsausschluss dann nicht Platz greifen soll, falls Unionsbürger einem deutschen Familienangehörigen nachziehen (BT-Drucks 16/688 S 13). Auf die Personengruppe der Drittstaatsangehörigen und insbesondere die Situation des Familiennachzugs eines Drittstaatsangehörigen zu einem deutschen Staatsangehörigen gehen die Gesetzesmaterialien nicht ein. Zweck der Gesetzesänderung war es vielmehr, einen denkbaren Leistungsanspruch von Unionsbürgern auszuschließen, die sich drei Monate lang voraussetzungslos im Bundesgebiet aufhalten dürfen (vgl BT-Drucks 16/5065 S234). Hieran zeigt sich, dass der Gesetzgeber lediglich auf die Neuordnung des Auf-enthaltsrechts der Unionsbürger reagieren wollte und nicht zugleich die Leistungsberechtigung anderer Ausländer über die bisherige Regelung hinaus einschränken wollte.
Im Unterschied zu den Unionsbürgern können Drittstaatsangehörige regelmäßig nicht voraussetzungslos in das Bundesgebiet einreisen. Die Einreise ist vielmehr davon abhängig, dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Im Falle eines Familiennachzugs ist gemäß §§ 6, 28 AufenthG Voraussetzung das Bestehen einer Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen, dessen gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet besteht. Während Unionsbürgern die Einreise ohne eine vorherige Prüfung der Fähigkeit, den eigenen Lebensunterhalt sichern zu können, ermöglicht ist, bedarf es bei der Erteilung eines Visums für Drittstaatsangehörige - gemäß Art 1 iVm Anhang I VO (EG) Nr 539/2001 vom 15.3.2001 (ABl EG Nr L 81, 1) auch für Algerier - der Prüfung, ob die nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen. Zwar gehört nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, dass der Lebensunterhalt des Einreisenden gesichert ist. Das zwecks Familienzusammenführung erteilte Visum soll jedoch bei Einreise eines Ehegatten eines Deutschen gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG abweichend hiervon erteilt werden. Dies hat zur Folge, dass es auf ausreichenden Wohnraum und Unterhaltssicherung bei den Angehörigen Deutscher grundsätzlich nicht ankommt (vgl Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 28 AufenthG RdNr 5). Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks16/5065 S 171) soll die Sicherung des Lebensunterhalts bei Ehegattennachzug zu deutschen Staatsangehörigen nur bei Vorliegen besonderer Umstände zur Voraussetzung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemacht werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland zumutbar ist, was insbesondere bei Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit in Bezug auf das Land in Betracht kommt, dessen Staatsangehörigkeit neben der deutschen besessen wird oder falls der deutsche Ehegatte geraume Zeit im Herkunftsland des Ehegatten gelebt und gearbeitet hat und die Sprache dieses Landes spricht ...
Die Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG entstammt - wie bereits ausgeführt - demselben Gesetz wie die Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Hieraus wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber das fiskalische Interesse der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Erteilung eines Aufenthaltstitels berücksichtigen wollte und nicht durch die anlässlich der Umsetzung der EU-Richtlinien erfolgte Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II die Rechtsposition von Drittstaatsangehörigen, die im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland einreisen, ändern wollte. Eine abweichende Regelungsabsicht hätte der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zu erkennen gegeben. Tatsächlich ist dies aber nicht geschehen. Nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sich zu dieser aufenthaltsrechtlichen Entscheidung in Widerspruch setzen wollte." Diesen Ausführungen des BSG ist nichts hinzuzufügen.
Ein Leistungsausschluss ergibt sich für den Kläger auch nicht aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Gemäß dieser Vorschrift sind vom Leistungsbezug ausgenommen Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Dies ist hier jedoch bereits deswegen nicht der Fall gewesen, weil sich das Aufenthaltsrecht des Klägers aus dem Familiennachzug ergab und damit nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche (vgl BSG aaO mwN).
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind schließlich nicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II ausgeschlossen, denn Anspruch auf Asylbewerberleistungen hatte der Kläger im streitigen Zeitraum nicht.
Hinsichtlich der Höhe der den Klägern im streitigen Zeitraum zustehenden Leistungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (Nr. 2.2) gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug und sieht von einer weiteren Begründung ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Kläger im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob den Klägern für die Zeit vom 2. November 2010 (der Klägerin für die Zeit ab 1. November 2010) bis 28. Januar 2011 (höhere) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zustehen.
Der 1984 geborene Kläger ist ägyptischer Staatsangehöriger. Im August 2009 heiratete er in Ägypten die 1964 geborene Klägerin deutscher Staatsangehörigkeit. Der Kläger reiste am 29. Oktober 2010 nach Deutschland ein und wohnte im streitgegenständlichen Zeitraum mit der Klägerin in einem gemeinsamen Haushalt. Am 18. November 2010 erteilte die Ausländerbehörde dem Kläger eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis. Die im Bezug von SGB II-Leistungen (Bescheide vom 14. Juli 2010, 19. August 2010 und 22. Oktober 2010) stehende Klägerin war ab 1. Oktober 2010 als Kinderfrau gegen ein monatliches Entgelt iHv 200,- EUR geringfügig beschäftigt.
Am 2. November 2010 beantragte auch der Kläger SGB II-Leistungen. Mit Bescheid vom 3. November 2010 änderte der Beklagte die Bewilligung von Leistungen an die Klägerin für Oktober und November 2010 (Oktober 2010 = Regelleistung iHv 279,- EUR zzgl Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung – KdU – iHv 759,79 EUR; November 2010 = Regelleistung iHv 243,- EUR zzgl KdU iHv 305,90 EUR) und bewilligte der Klägerin zudem mit Bescheid vom 4. November 2011 vorläufig Leistungen für Dezember 2010 und Januar 2011 iHv 662,89 EUR monatlich. Mit weiterem Bescheid vom 4. November 2010 stellte der Beklagte den Leistungsanspruch der Klägerin für Oktober und November 2010 endgültig fest und forderte die Erstattung eines Betrages iHv 501,92 EUR. Den Widerspruch der Kläger, mit dem diese geltend machten, dass auch der Kläger Anspruch auf SGB II-Leistungen habe, wies der Beklagte mit (zwei) Widerspruchsbescheiden vom 23. Februar 2011 zurück, nachdem sie den Anspruch der Klägerin für Dezember 2010 endgültig festgesetzt und eine Erstattung iHv 207,62 EUR gefordert (Bescheid vom 7. Februar 2011) und den Klägern ab 29. Januar 2011 SGB II-Leistungen bewilligt hatte (Bescheid vom 7. Februar 2011). Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II sei der Kläger für die ersten drei Monate seines Aufenthalts von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Der gegen die Bescheide vom 3. und 4. November 2010 in der Fassung der Bescheide vom 29. November 2010 und 7. Februar 2011 und in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 23. Februar 2011 erhobenen Klage, mit der die Kläger Leistungen für die Zeit vom 2. November 2010 (die Klägerin ab 1. November 2010) bis 31. Dezember 2010 iHv jeweils monatlich 663,- EUR "abzüglich jeweils 207,62 EUR für November 2010" und für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis 28. Januar 2011 iHv jeweils 623,- EUR begehrten, gab das Sozialgericht (SG) Berlin statt (Urteil vom 15. August 2012). Der Kläger, der mit der Klägerin in einer Bedarfsgemeinschaft lebe, sei nach § 7 Abs. 2 SGB II leistungsberechtigt, so dass es auf die Prüfung von Leistungsausschlusstatbeständen gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht ankomme. Der Bedarf der Kläger belaufe sich im November und Dezember 2010 auf monatlich 702,90 EUR und im Januar und Februar 2011 auf monatlich 715,90 EUR (Regelleistung – 323,- EUR bzw 328,- EUR - KdU – 379,90 EUR - Mehrbedarf Warmwasser ab Januar 2011 – 8,- EUR). Im November sei zudem das im Oktober 2010 zugeflossene Betriebskostenguthaben iHv 415,24 EUR jeweils anteilig bei den KdU der Kläger bedarfsmindernd zu berücksichtigen.
Mit der auf das am 12. September 2012 zugestellte Urteil am 27. September 2012 gegenüber der "Klägerin" eingelegten und mit Schriftsatz vom 30. April 2013 dahingehend konkretisierten Berufung, dass diese sich gegen beide Kläger richte, wendet sich der Beklagte gegen dieses Urteil. Auf seine Berufungsbegründung vom 21. Dezember 2011 wird Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. August 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten (6 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung des Beklagten, soweit diese sich gegen die Klägerin richtet, durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).
Die (erst) mit Schriftsatz vom 30. April 2013 auch gegenüber dem Kläger eingelegte Berufung ist nicht innerhalb der Berufungsfrist von einem Monat (vgl § 151 SGG) erhoben worden und war daher insoweit nach Anhörung des Beklagten durch Beschluss zu verwerfen (vgl § 158 SGG). Die Berufung vom 27. September 2012 richtete sich ersichtlich nur gegen die Klägerin, die der Beklagte darin als (alleinige) Berufungsbeklagte bezeichnet hat. Die Angabe des Rechtsmittelbeklagten ist wesentlicher Bestandteil einer Berufungsschrift und muss grundsätzlich innerhalb der Berufungsfrist erfolgen (vgl BSG SozR 1500 § 151 Nr 11). Indes wäre auch eine fristgerechte Berufung hinsichtlich des Klägers jedenfalls unbegründet gewesen.
Den Klägern stehen für die Zeit vom 2. November 2010 (der Klägerin ab 1. November 2010) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in der vom SG in dem angefochtenen Urteil verlautbarten Höhe zu. Der Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II kommt bei dem Kläger nicht zum Tragen. Auch andere Leistungsausschlüsse sind nicht erkennbar. Der Kläger erfüllte – wie die Klägerin - im streitigen Zeitraum sämtliche An-spruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II (idF des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20. April 2007 - BGBl I 554). Beide hatten das 15. Lebensjahr vollendet und noch nicht die Altersgrenze gemäß § 7a SGB II erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr 1 SGBII). Die Kläger waren zudem hilfebedürftig iSv § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Erwerbsfähigkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II iVm § 8 Abs. 2 SGB II lag ebenso vor, denn der Kläger war im Besitz eines Aufenthaltstitels zwecks Familienzusammenführung. Ein solcher berechtigt gemäß § 28 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Einem derartigen Aufenthaltstitel kommt im Rahmen der Prüfung der Erwerbsfähigkeit Tatbestandswirkung zu, sodass eine Prüfung der Voraussetzungen des Titels unterbleibt. Schließlich hatte der Kläger – wie auch zuvor schon die Klägerin - nach der Einreise seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Das Gesetz knüpft insoweit an die Bestimmung des § 30 Abs. 3 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) an, wonach jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort hat, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Der Kläger erfüllt im streitgegenständlichen Zeitraum diese Voraussetzungen, da er nach den objektiv erkennbaren Umständen aus Ägypten zu seiner Ehefrau nach Berlin gezogen ist und sich dort angemeldet hat, um dort in ehelicher Gemeinschaft zu leben und sich eine Arbeit zu suchen.
Der Kläger war im streitigen Zeitraum auch nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II (idF des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 - BGBl I 1970) von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen. Ein Leistungsausschluss folgt nicht aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II. Danach sind vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbstständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts. Die genannte Ausschlussnorm ist indes vorliegend nicht anwendbar.
Die Nichtanwendbarkeit des Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II folgt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die der Senat seiner Entscheidung zugrunde legt, unmittelbar aus der Auslegung innerstaatlichen Rechts (vgl BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 37/12 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 33).
Das BSG hat in der zitierten Entscheidung u.a. ausgeführt:
"Zwar ist der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II insoweit nicht eindeutig. Als "Familienangehöriger" ist der Kläger jedenfalls nicht vom Ausschlusstatbestand erfasst. Zwar ist als Familienangehöriger im Sinne dieser Vorschrift - zur Auslegung ist § 3 FreizügG/EU heranzuziehen - auch ein Ehegatte anzusehen. Der Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr 1 SGB II bezieht sich indes lediglich auf Familienangehörige der in diesem Ausschlusstatbestand zuvor genannten Personengruppe der Ausländerinnen und Ausländer, die sich nicht als Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer, Selbstständige oder nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU im Bundesgebiet aufhalten, worauf das Possessivpronomen "ihre" hinweist (so im Ergebnis zB auch Thie/Schoch in Münder, SGB II, 4. Aufl 2012, § 7 RdNr 24; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II, § 7 RdNr 40b (Stand: 10/07)). Dies trifft auf den Kläger nicht zu, da er Familienangehöriger einer deutschen Staats-angehörigen ist.
Allenfalls als "Ausländer" könnte er bei Betrachtung allein seiner Person von der Norm erfasst sein. Der Wortlaut der Bestimmung schließt unterschiedslos alle Ausländerinnen und Ausländer von Leistungen nach dem SGB II aus, die nicht Arbeitnehmer, Selbstständige oder nach § 2 Abs. 3 FreizügG/EU Freizügigkeitsberechtigte sind, unabhängig davon, ob es sich um Unionsbürger oder um Drittstaatsangehörige handelt. Andererseits lässt der Wortlaut der Norm eine abweichende Auslegung zu, weil lediglich "Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen" von der Norm erfasst werden, sodass offenbleibt, ob die Familienangehörigen von Deutschen in den Regelungsgehalt der Norm einbezogen werden. Dass dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren sind, ergibt sich jedoch aus dem der Entstehungsgeschichte herzuleitenden Zweck und systematischen Erwägungen.
Mit Inkrafttreten des § 2 Abs. 5 FreizügG/EU zum 28.8.2007 ist Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen das Recht eingeräumt worden, sich drei Monate ohne besonderes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik Deutschland aufzuhalten. Diese Unionsbürger waren von der vormaligen vom 1.4.2006 bis zum 27.8.2007 geltenden Fassung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nicht erfasst. Um diese Personengruppe ebenfalls zu erfassen, ist die Vorschrift durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.8.2007 (BGBl I 1970) neu gefasst worden. Ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 16/5065 S 234) soll der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II "vor allem Unionsbürger" betreffen. Dem Beklagten ist zuzugeben, dass dieser Hinweis in den Gesetzesmaterialien den Schluss zu tragen scheint, dass Drittstaatsangehörige, die einem deutschen Staatsangehörigen zwecks Familienzusammenführung nachziehen, vom Leistungsausschluss erfasst sein könnten. Die Gesetzesänderung war indes dem Umstand geschuldet, dass mit der Änderung im SGB II die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog"Unionsbürger-Richtlinie", ABl EU Nr L 158, berichtigt ABl EU Nr L 229, 35) umgesetzt und von der Option des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG Gebrauch gemacht werden sollte. In den Gesetzesmaterialien wird explizit ausgeführt, dass der Leistungsausschluss dann nicht Platz greifen soll, falls Unionsbürger einem deutschen Familienangehörigen nachziehen (BT-Drucks 16/688 S 13). Auf die Personengruppe der Drittstaatsangehörigen und insbesondere die Situation des Familiennachzugs eines Drittstaatsangehörigen zu einem deutschen Staatsangehörigen gehen die Gesetzesmaterialien nicht ein. Zweck der Gesetzesänderung war es vielmehr, einen denkbaren Leistungsanspruch von Unionsbürgern auszuschließen, die sich drei Monate lang voraussetzungslos im Bundesgebiet aufhalten dürfen (vgl BT-Drucks 16/5065 S234). Hieran zeigt sich, dass der Gesetzgeber lediglich auf die Neuordnung des Auf-enthaltsrechts der Unionsbürger reagieren wollte und nicht zugleich die Leistungsberechtigung anderer Ausländer über die bisherige Regelung hinaus einschränken wollte.
Im Unterschied zu den Unionsbürgern können Drittstaatsangehörige regelmäßig nicht voraussetzungslos in das Bundesgebiet einreisen. Die Einreise ist vielmehr davon abhängig, dass eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Im Falle eines Familiennachzugs ist gemäß §§ 6, 28 AufenthG Voraussetzung das Bestehen einer Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen, dessen gewöhnlicher Aufenthalt im Bundesgebiet besteht. Während Unionsbürgern die Einreise ohne eine vorherige Prüfung der Fähigkeit, den eigenen Lebensunterhalt sichern zu können, ermöglicht ist, bedarf es bei der Erteilung eines Visums für Drittstaatsangehörige - gemäß Art 1 iVm Anhang I VO (EG) Nr 539/2001 vom 15.3.2001 (ABl EG Nr L 81, 1) auch für Algerier - der Prüfung, ob die nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen. Zwar gehört nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu den allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, dass der Lebensunterhalt des Einreisenden gesichert ist. Das zwecks Familienzusammenführung erteilte Visum soll jedoch bei Einreise eines Ehegatten eines Deutschen gemäß § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG abweichend hiervon erteilt werden. Dies hat zur Folge, dass es auf ausreichenden Wohnraum und Unterhaltssicherung bei den Angehörigen Deutscher grundsätzlich nicht ankommt (vgl Dienelt in Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl 2011, § 28 AufenthG RdNr 5). Nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks16/5065 S 171) soll die Sicherung des Lebensunterhalts bei Ehegattennachzug zu deutschen Staatsangehörigen nur bei Vorliegen besonderer Umstände zur Voraussetzung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemacht werden. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Begründung der ehelichen Lebensgemeinschaft im Ausland zumutbar ist, was insbesondere bei Personen mit doppelter Staatsangehörigkeit in Bezug auf das Land in Betracht kommt, dessen Staatsangehörigkeit neben der deutschen besessen wird oder falls der deutsche Ehegatte geraume Zeit im Herkunftsland des Ehegatten gelebt und gearbeitet hat und die Sprache dieses Landes spricht ...
Die Regelung des § 28 Abs. 1 Satz 3 AufenthG entstammt - wie bereits ausgeführt - demselben Gesetz wie die Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Hieraus wird ersichtlich, dass der Gesetzgeber das fiskalische Interesse der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Erteilung eines Aufenthaltstitels berücksichtigen wollte und nicht durch die anlässlich der Umsetzung der EU-Richtlinien erfolgte Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II die Rechtsposition von Drittstaatsangehörigen, die im Rahmen des Familiennachzugs nach Deutschland einreisen, ändern wollte. Eine abweichende Regelungsabsicht hätte der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien zu erkennen gegeben. Tatsächlich ist dies aber nicht geschehen. Nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende sich zu dieser aufenthaltsrechtlichen Entscheidung in Widerspruch setzen wollte." Diesen Ausführungen des BSG ist nichts hinzuzufügen.
Ein Leistungsausschluss ergibt sich für den Kläger auch nicht aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Gemäß dieser Vorschrift sind vom Leistungsbezug ausgenommen Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Dies ist hier jedoch bereits deswegen nicht der Fall gewesen, weil sich das Aufenthaltsrecht des Klägers aus dem Familiennachzug ergab und damit nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche (vgl BSG aaO mwN).
Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind schließlich nicht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II ausgeschlossen, denn Anspruch auf Asylbewerberleistungen hatte der Kläger im streitigen Zeitraum nicht.
Hinsichtlich der Höhe der den Klägern im streitigen Zeitraum zustehenden Leistungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils (Nr. 2.2) gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug und sieht von einer weiteren Begründung ab.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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