L 22 R 1157/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 10 R 2542/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 1157/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 04. November 2010 geändert. Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 04. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2009 verurteilt, der Klägerin nach einem am 07. Dezember 2010 eingetretenen Leistungsfall Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung vom 01. Juli 2011 bis 30. April 2014 zu gewähren und die Rente wegen voller Erwerbsminderung zu leisten. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu einem Zehntel zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung.

Die im November 1963 geborene Klägerin, die eine nicht abgeschlossene Ausbildung zur Bürogehilfin absolvierte, war seit September 1984 bis zum Eintritt von Arbeitsunfähigkeit 2008 als Verwaltungsangestellte in einer Postverteilerstelle/Archiv beschäftigt.

Im Mai 2008 beantragte sie wegen eines nephrotischen Syndroms, starker Migräne, starker Abnutzung der Wirbelsäule und der Hüftgelenke, Lähmung des linken Arms, eines Herzklappenfehlers, Depressionen, Angstzuständen, eines Schilddrüsenleidens und Adipositas Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) der Ärztin Z-V vom 08. Mai 2008 bei und holte die Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 30. Juni 2008 und des Facharztes für Innere Medizin Dr. B vom 04. Juli 2008 ein.

Mit Bescheid vom 04. August 2008 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab: Ohne wesentliche Leistungseinschränkung infolge einer Anpassungsstörung, infolge einer Migräne und infolge renaler Hypertonie bei massiver Adipositas bei angeborener Aortenstenose sei die Klägerin in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein.

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, das im Gutachten des Dr. B empfohlene psychiatrische Zusatzgutachten sei bislang nicht eingeholt worden. Das Gutachten des Dr. H setze sich mit den Angstzuständen und den Depressionen im Einzelnen nicht auseinander. Neben den psychischen Leiden bestünden Funktionsstörungen der Lenden- und Halswirbelsäule, des Herzens (Herzrasen), des Eiweißverlustes und der Wassereinlagerungen. Von den behandelnden Ärzten seien keine Gutachten zur Erwerbsfähigkeit eingeholt worden. Ein Leistungsvermögen von zumindest 6 Stunden täglich sei nicht gegeben. Durch die festgestellten Beschwerden bestünden schwere spezifische Leistungseinschränkungen bzw. in der Summe ungewöhnliche Leistungseinschränkungen, so dass eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen sei. Es seien auch betriebsunübliche Pausen erforderlich. Zudem liege eine eingeschränkte Wegefähigkeit vor. Wenn sie die U-Bahn benutzen müsse, leide sie unter Angstzuständen, die auch bei der Führung von Telefonaten oder bei Kundenkontakt vorhanden seien. Ein eigener Pkw stehe nicht zur Verfügung. Wegstrecken über 500 m könne sie nicht zu Fuß zurücklegen, da nach etwa 500 m wegen Herzrasens oder Atemnot eine Pause erforderlich sei.

Die Beklagte hat die Befundberichte der Fachärzte für Orthopädie F und andere vom 02. Dezember 2008, der Fachärztin für Nervenheilkunde Dr. H vom 02. Dezember 2008 und der Fachärztin für Innere Medizin D/der Fachärzte für Allgemeinmedizin A- u. a. vom 05. Dezember 2008 eingeholt sowie das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. Z vom 27. Januar 2009 veranlasst.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die zusätzlich eingeholten Befundberichte und die zusätzlich veranlasste Begutachtung keine weitere Einschränkung des festgestellten Leistungsvermögens ergeben habe.

Dagegen hat die Klägerin am 25. Mai 2009 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben.

Sie ist der Ansicht gewesen, einer Erwerbstätigkeit im Umfang von 6 oder wenigstens 3 Stunden täglich nicht nachgehen zu können. Darüber hinaus sei sie nicht in der Lage, den Weg zu einer Arbeitsstelle zurückzulegen. Ein psychiatrisches Zusatzgutachten sei wegen ihrer psychischen Leiden einzuholen. Wegen einer chronischen Migräne sei sie mehrfach monatlich arbeitsunfähig. Insbesondere wegen der Erb-Duchenne-Erkrankung im linken Arm lägen betriebsunübliche Arbeitsbedingungen vor. Für eine Wegstrecke von 500 m benötige sie etwa 30 Minuten. Zwischenzeitlich habe sie sich einer Operation an ihrem Herzen unterziehen müssen. Während der anschließenden Rehabilitationsmaßnahme habe sie eine Lungenembolie erlitten, so dass eine weitere stationäre Behandlung erforderlich gewesen sei. Die Klägerin hat ein Attest vorgelegt.

Das Sozialgericht hat die Befundberichte der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 08. Oktober 2009, des Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) C Zentrum B GmbH des Dr. H vom Eingang 13. Oktober 2009, der Fachärzte für Orthopädie F u. a. vom 14. Oktober 2009, der Fachärztin für Innere Medizin D/Fachärzte für Allgemeinmedizin A-A u. a. vom 16. Oktober 2009 und der Ärztin für Innere Medizin und Nephrologie Dr. F- vom 16. November 2009 eingeholt, aus der Schwerbehindertenakte des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin verschiedene Unterlagen, die Entlassungsberichte der V Rehabilitation GmbH vom 18. September 2009 und vom 16. Oktober 2009 beigezogen sowie Beweis erhoben durch das schriftliche Sachverständigengutachten des Facharztes für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. G vom 14. April 2010.

Nach entsprechender Anhörung hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 04. November 2010 die Klage abgewiesen: Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G könne die Klägerin noch mindestens 6 Stunden täglich körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen mit gelegentlichem Stehen und Gehen sowie mit weiteren Einschränkungen verrichten. Weitere Ermittlungen, insbesondere das Einholen eines psychiatrischen Gutachtens, seien nicht erforderlich. Der Befundbericht der behandelnden Nervenärztin begründe die vorgenommene quantitative Einschränkung mit den kardiologisch-internistischen Beschwerden. Von den von der Klägerin vorgetragenen agoraphobischen Beschwerden berichte diese Ärztin nicht.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 14. November 2010 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 10. Dezember 2010 eingelegte Berufung der Klägerin.

Sie ist der Ansicht, der Sachverständige habe sein Gutachten angesichts seiner Äußerungen zu ihrem Körpergewicht in befangenem Zustand erstellt. Es passe zudem zu keinem der übrigen vorliegenden Gutachten, Atteste oder Befundberichte. Im Haushalt könne sie nur einfache Tätigkeiten ausführen. Zu Fuß könne sie nur kurze Wegstrecken zurücklegen. Wegen Angstzuständen könne sie keine U-Bahn oder Straßenbahn benutzen und auch sonst nicht mehr am öffentlichen oder kulturellen Leben teilnehmen. Die angeborene Aortenklappenstenose führe zu Kurzatmigkeit und schneller Erschöpfung bei Belastung. Auch mit den Leiden des orthopädischen Fachgebiets könne sie keine Bürotätigkeit mehr ausüben. Der Sachverständige habe den Vitamin-B 12-Mangel übersehen, der Auslöser für eine Thrombose sein könne. Die behandelnde Neurologin Dr. H habe eine Verschlechterung und Chronifzierung ihres psychischen Leidens nach der Aneurysmaoperation (August 2009) angegeben. Es liege sehr wohl auch wegen eines Lymphödems eine Bewegungseinschränkung des linken Armes vor. Entgegen dem Sachverständigen sei sie depressiv und leide unter Phobien. Das vom Sachverständigen behauptete Rentenbegehren sei nicht objektiviert. Die Adipositas sei krankhaft bedingt. Ihre Atemnot werde nicht durch die Adipositas, sondern durch ihr Herzleiden verursacht. Eine übertriebene Darstellung von Schmerzen bezüglich der Erkrankung des Bewegungsapparates sei nicht erfolgt. Das Gutachten des Sachverständigen sei insgesamt inhaltlich falsch, weil Diagnosen nicht beachtet, fehlerhaft dargestellt und verharmlost worden seien. Nach den vorliegenden Gutachten, Berichten und Befundberichten bestünden internistische, orthopädische, kardiologische und nervenärztliche Leiden, die eine Erwerbsfähigkeit ausschlössen. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt existierten keine Tätigkeiten, die ihren Leistungseinschränkungen entsprächen. Die Klägerin hat verschiedene ärztliche Unterlagen vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 04. November 2010 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2009 zu verurteilen, der Klägerin ab 22. Mai 2008 Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren und die höhere Rente zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat aus der Schwerbehindertenakte des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin verschiedene Unterlagen beigezogen, die Befundberichte der Fachärztin für Nervenheilkunde Dr. H vom 06. Januar 2012, der Fachärztin für Innere Medizin D/Fachärzte für Allgemeinmedizin A- u. a. vom 30. Januar 2012 und des MVZ C Zentrum B GmbH des Dr. H vom 16. Februar 2013 eingeholt sowie nach Beiziehung von Auszügen aus den Berufsinformationskarten (BIK) zum Pförtner (BO 793), zum Versandfertigmacher (BO 522) und aus Berufenet zur Helferin-Büro, Verwaltung sowie von Kopien der berufskundlichen Stellungnahmen des M L vom 14. Februar 2000 und 13. Oktober 2008 zum Pförtner und vom 01./24 November 2002, 14. Januar 2005 und 13. Oktober 2008 zum Versandfertigmacher Beweis erhoben durch die schriftlichen Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie K vom 16. Mai 2012 nebst ergänzender Stellungnahme vom 16. Oktober 2012 und des Praktischen Arztes M vom 24. September 2012. Der Senat hat außerdem Beweis erhoben durch das schriftliche Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. v vom 24. April 2013 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nebst ergänzender Stellungnahmen vom 05. Juni 2013 und vom 19. März 2014.

Die Klägerin verweist darauf, dass sie nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. v nicht in der Lage sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, so dass der Arbeitsmarkt verschlossen sei. Ein Pkw habe ihr in der Vergangenheit nicht zur Verfügung gestanden und stehe ihr auch weiterhin nicht zur Verfügung. Sie werde jetzt eine Verhaltenstherapie beginnen, so dass ihr eine befristete Rente zu gewähren sei.

Die Beklagte meint, bei der Agoraphobie, die die Wegeeinschränkung begründe, handele es sich um eine gut innerhalb eines halben Jahres zu behandelnde Erkrankung, sofern eine entsprechende Motivation gegeben sei. Der genannte Zeitraum begründe eine Zeit der Arbeitsunfähigkeit, nicht jedoch eine Rentengewährung. Es könne der Beklagte nicht angelastet werden, dass nicht bereits in der Vergangenheit eine Behandlung erfolgt sei. Es sei nicht sachgerecht, deswegen rückwirkend eine Rente zu gewähren.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird u. a. auf Blatt 179 bis 211, 410 bis 451, 509 bis 512, 456 bis 485, 594 bis 620, 633 bis 636 und 674 der Gerichtsakten verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Bescheid vom 04. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2009 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Der Klägerin steht Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung nach einem am 07. Dezember 2010 eingetretenen Leistungsfall vom 01. Juli 2011 bis 30. April 2014 zu.

Nach § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin ist hiernach voll und teilweise erwerbsgemindert, denn sie kann auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht tätig sein. Allerdings ist das Leistungsvermögen weder durch die körperlichen noch durch die seelischen Gesundheitsstörungen auf unter 6 Stunden täglich herabgesunken. Vielmehr ist die Klägerin ausschließlich wegen einer vorhandenen Agoraphobie gehindert, deswegen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, weil sie keine entsprechenden Arbeitsplätze aufsuchen kann.

Nach dem Sachverständigen M bestehen neben dem seelischen Leiden ein Bluthochdruck, eine Gefäßprothese der großen Schlagader, ein Herzklappenfehler, Herzrhythmusstörungen, ein Zustand nach Lungenembolie, eine Adipositas per magna, eine Teillähmung des linken Armes, eine Funktionsminderung der Wirbelsäule, eine Arthrose des linken Kniegelenkes, eine Fußfehlform mit leichtem Hallux valgus beidseits, eine Schwellneigung der Beine mit Lip- und Lymphödem beidseits, eine Schilddrüsenerkrankung, eine Nierenerkrankung, ein Diabetes mellitus, eine leichte Fettstoffwechselstörung bei Fettleber, ein grenzwertiger Vitamin-B 12-Mangel und eine asymptomatische Erhöhung der Harnsäure.

Eine relevante chronisch-obstruktive Lungenerkrankung ist nach dem Sachverständigen auszuschließen. Diese Gesundheitsstörung wird zwar im Attest der Fachärztin für Innere Medizin D/Fachärzte für Allgemeinmedizin A- u. a. vom 11. November 2008 sowie in deren Befundbericht vom 05. Dezember 2008, deren Attest vom 07. September 2009 und deren Befundberichte vom 16. Oktober 2009 und 30. Januar 2012, in letztgenanntem allerdings im gesamten Behandlungszeitraum nur für den 29. August 2008, ohne dass dazu dies belegende Befunde bezeichnet sind. Die vom Sachverständigen durchgeführte Spirometrie hat eine normale Lungenfunktion gezeigt. Die sich andeutende Restriktion ist dabei auf das massive Übergewicht zu beziehen gewesen. Keinen pathologischen Befund weisen auch andere Spirometrien aus (so nach dem Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. B vom 04. Juli 2008, vom 03. Februar 2010, beigefügt gewesen dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G, und vom 17. November 2010, beigefügt gewesen dem Befundbericht der Fachärztin für Innere Medizin D/Fachärzte für Allgemeinmedizin A- u. a. vom 30. Januar 2012).

Wenn der Sachverständige M infolge der vorhandenen Gesundheitsstörungen die Schlussfolgerung gezogen hat, die Klägerin könne noch körperlich leichte Arbeiten mit gelegentlichem Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg, überwiegend im Sitzen mit gelegentlichem Wechsel zum Gehen und Stehen, in geschlossenen Räumen, im Freien unter Witterungsschutz ohne mehr als nur gelegentlichem Einfluss von Hitze, Kälte, Nässe, Zugluft, Staub und starken Temperaturschwankungen, jedoch ohne Arbeiten in Zwangs- oder überwiegend einseitiger Körperhaltung, im Knien, in der Hocke, mit mehr als gelegentlichem Bücken, auf Leitern und Gerüsten, mehr als nur gelegentlich überkopf, mit höheren Anforderungen an den linken Arm, unter Zeitdruck, im Akkord, am Fließband und in Nachtschicht verrichten, ist dies einleuchtend.

Wesentlich für die Beurteilung des Leistungsvermögens sind hierbei vornehmlich der Zustand des linken Armes, der Bluthochdruck und neben der Wirbelsäule die neu festgestellte Arthrose des linken Kniegelenks.

Bei seiner Untersuchung hat der Sachverständige ein 132 kg schwere und 165 cm große (BMI 48 kg/m²) Klägerin vorgefunden, die Oberschenkelkompressionsstrümpfe beidseits und Plastik-Gartenclogs ohne Fersenriemen getragen hat. Der Blutdruck hat bei Untersuchungsbeginn 150/90 mmHg, vor der Ergometrie 125/85 mmHg betragen. Neben einem deutlichen Schwitzen sind leichte Lederhautzeichen (leichtes Palmarerythem) und eine deutliche vegetative Überlagerung der körperlichen Beschwerden zu befunden gewesen. Es hat ein geringgradiger, hochfrequenter Ruhetremor der linken Hand bestanden.

Die Wirbelsäule hat eine leichte S-Skoliose mit Beckentiefstand rechts von 1 cm und Schultertiefstand recht von 2 cm mit Hohlkreuz aufgewiesen. Diese Fehlstellung der Wirbelsäule ist durch das massive Übergewicht mitbedingt gewesen. Neben mäßigen Verspannungen der Schulter-Nacken-Muskulatur mit Schmerzauslösung sind ein Druck- und Klopfschmerz der Dornfortsätze im Lendenwirbelsäulenbereich und ein diffuser Druckschmerz beider Gluteralregionen zu befunden gewesen. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule ist in der Drehung nach links um ein Viertel eingeschränkt gewesen (Drehung rechts/links: 80/0/60). Bei einem Fingerbodenabstand von 19 cm ist die Beugefähigkeit der Lendenwirbelsäule um ein Viertel eingeschränkt gewesen. Es ist ein positiver Pseudolaségue beidseits bei 80 Grad zu erheben gewesen, wobei jedoch später beim Aufsetzen in den Langsitz eine Hüftbeugung von 95 Grad ohne Beschwerdeäußerung möglich gewesen ist.

Beide Oberarme haben erhebliche Fetteinlagerungen (Lipödeme) aufgewiesen. Es haben leichte Umfangsdifferenzen ohne Krankheitswert vorgelegen. Der linke Arm ist im Schulter- und Ellenbogengelenk leicht bewegungseingeschränkt gewesen, wobei der Nackengriff um ein Viertel reduziert gewesen ist. Die Schultergelenksbeweglichkeit hat sich wie folgt dargestellt: Arm seitwärts/körperwärts rechts 160/0/40, links 150/0/20 (Norm 160 bis 80/0/20 bis 40), Arm vorwärts/rückwärts rechts 150/0/40, links 160/020 (Norm 150 bis 170/0/40), Innen/Außendrehung rechts 90/0/80, links 90/0/20 (Norm 90/0/40 bis 60). Im linken Ellenbogengelenk ist ein geringes Streckdefizit bei einem Bewegungsmaß Beugung/Streckung rechts 120/0/0, links 120/20/0 (Norm 150/0/0) zu erheben gewesen. Die angegebene herabgesetzte Berührungsempfindung des gesamten linken Armes ist durch die obere Plexuslähmung nicht zu erklären gewesen; der Sachverständige hat sie als am ehesten psychogen bedingt eingeordnet. Die Reflexe (BSR, TSR) sind links nicht auslösbar gewesen. Die Klägerin, die Linkshänderin ist, ist an die seit Geburt bestehende Plexuslähmung links gut adaptiert gewesen.

An den unteren Extremitäten haben neben einem kleinfleckigen Ekzem prätibial beidseits ein erhebliches Lip- und Lymphödem beidseits vorgelegen. Orientierend, eine exakte Beinlängenmessung ist aufgrund des Übergewichts nicht möglich gewesen, hat sich eine geringe Beinverkürzung rechts um 1 cm dargestellt. Es hat eine Valgus-Fehlstellung bestanden. Die schmerzfreie Einschränkung der Innenrotation des Hüftgelenks links (Innen-/Außendrehung links 20/0/40 – Norm 30 bis 45/0/40 bis 50) ist ohne funktionelle Auswirkungen. Das Kniebeugen ist beidseits bis 70 Grad durchführbar gewesen, wobei dann Schmerzen im linken Knie angegeben worden sind. Am linken Knie haben ein Druckschmerz am linken Kniegelenkspalt, positive Innenmeniskuszeichen, ein feinkörniges Reiben, ein Anpress- und Verschiebeschmerz der Kniescheibe und ein positives Zohlenzeichen bestanden. Die Reizzustände im linken Kniegelenk basieren auf einer Innenmeniskusschädigung und einem Knorpelschaden im medialen Kniegelenksanteil, wie sich als Ergebnis einer Magnetresonanztomografie (MRT) des linken Kniegelenkes offenbarte (vgl. den dem Gutachten des Sachverständigen beigefügten Bericht des Radiologen Dr. Kvom 06. August 2012). Die Reflexe (PSR und ASR) sind bei muskulärer Anspannung beidseits nicht sicher auslösbar gewesen. Es ist beidseits ein Senk-Spreiz-Fuß ohne statische Auswirkungen nebst leichtem Hallux valgus beidseits zu erheben gewesen.

Sowohl das Ruhe-EKG als auch die Ergometrie haben keinen pathologischen Befund gezeigt. In der Ergometrie ist die Klägerin bis 75 Watt belastet worden, wobei der Abbruch wegen muskulärer Erschöpfung (Trainingsmangel) erfolgt ist. Die Laboruntersuchung hat zwar einen geringfügig erhöhten NT-proBNP-Wert von 151,1 pg/ml (Referenzbereich ( 125,0) ergeben. Dies spricht jedoch nach dem Sachverständigen gegen eine relevante Herzleistungsschwäche.

Die Oberbauchsonografie hat eine Fettleber, die Schilddrüsensonografie einen Normalbefund offenbart. Die Laborwerte haben ebenfalls eine ausgeglichene Schilddrüsenfunktion belegt, so dass – so der Sachverständige - aus der Schilddrüsenerkrankung keine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit folgt.

Angesichts normaler Laborwerte ist der medikamentös nicht behandelte Diabetes mellitus gut eingestellt. Die leichte Fettstoffwechselstörung bei Fettleber ist für das Leistungsvermögen ohne Relevanz. Dies gilt nach dem Sachverständigen auch für den grenzwertigen, medikamentös nicht behandelten Vitamin-B 12-Mangel und die bisher asymptomatische Erhöhung der Harnsäure. Die Laborwerte haben eine zweitgradige Einschränkung der Nierenfunktion dokumentiert; klinisch relevant ist allerdings erst eine mindestens drittgradige Einschränkung der Nierenfunktion, so dass daraus - so der Sachverständige - gleichfalls keine weiteren Leistungseinschränkungen resultieren. Die Glomerulonephritis mit nephrotischem Syndrom ist ausgeheilt; die Nierenerkrankung ist im Behandlungszeitraum bis März 2008 in kompletter Remission (vgl. Befundbericht der Ärztin für Innere Medizin und Nephrologie Dr. F-vom 16. November 2009).

In psychischer Hinsicht sind eine Beschwerdeschilderung mit leichten Verdeutlichungstendenzen, etwas abgekoppelte Affekte und ein gering reduzierter Antrieb auffällig gewesen.

Ansonsten hat der Sachverständige festgestellt, dass der Serumspiegel des angeblich eingenommenen Schmerzmittels weit unterhalb des therapeutischen Bereiches liegt. Der Serumspiegel beider Psychopharmaka ist mit leichter Unterdosierung des Mirtazapins positiv gewesen.

Die vom Sachverständigen M erhobenen Befunde machen deutlich, dass besondere Belastungen des linken Armes ausscheiden müssen. Der Zustand des Halte- und Bewegungsapparates erfordert im Übrigen den Ausschluss stärkerer und dauerhaft einseitiger Einwirkungen. Wegen des Bluthochdruckes sind Arbeiten mit Stressbelastung zu meiden. Die vom Sachverständigen M genannten Leistungseinschränkungen tragen mithin dem Gesundheitszustand der Klägerin Rechnung.

Im Wesentlichen nichts anderes folgt aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. G, soweit auch insoweit das psychische Leiden außer Betracht gelassen wird.

Nach diesem Sachverständigen bestehen eine Adipositas, ein Zustand nach Aorta ascendens-Reduktionsplastik wegen Aneurysma, ein Zustand nach Lungenembolie, eine essentielle Hypertonie, eine Hypothyreose, eine Skoliose der Wirbelsäule mit Verdacht auf degenerative Veränderungen, ein Verdacht auf leichte Coxarthrose beiderseits, ein leichter Hallux valgus beiderseits und eine Teillähmung des linken Armes.

Die aus diesen Gesundheitsstörungen resultierenden Leistungseinschränkungen (körperlich leichte Arbeit, überwiegend im Sitzen mit gelegentlichem Gehen und Stehen, in geschlossenen Räumen, jedoch ohne Arbeiten mit extremen Umwelteinflüssen wie Hitze, Kälte, Zugluft, Staub und Feuchtigkeit, mit einseitigen körperlichen Belastungen und mit festgelegtem Arbeitsrhythmus, mit Heben und Tragen von Lasten, mehr als nur kurzzeitig oder gelegentlich auf Leitern und Gerüsten, mit Zeitdruck wie Akkord und am Fließband, mit Wechsel von Früh- und Spätschicht oder Nachtschicht) sind gleichfalls schlüssig.

Soweit der Sachverständige weitere Leistungseinschränkungen (geistig mittelschwere Arbeiten, Arbeiten mit Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, Arbeiten mit Publikumsverkehr) bezeichnet hat, folgt der Senat nicht. Zum einen hat der Sachverständige selbst darauf hingewiesen, dass die Untersuchung und Beurteilung auf dem Fachgebiet der Neurologie/Psychiatrie nur orientierenden Charakter hat und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, was darin zum Ausdruck kommt, dass er ausgeführt hat, für die letztgenannten Arbeiten scheine die Klägerin wenig bzw. nicht geeignet zu sein. Zum anderen liegen auf dem Gebiet insbesondere der Psychiatrie zwei Gutachten vor, die das seelische Leiden fachspezifisch befundet und bewertet haben, so dass ihnen der Vorzug zu geben ist. So hat der Sachverständige K sowohl Arbeiten, die eine Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit erfordern, als auch Arbeiten mit Publikumsverkehr für zumutbar gehalten, da weder die geistigen Funktionen noch die Kontaktfähigkeit beeinträchtigt gewesen sind.

Bei seiner Untersuchung hat Dr. G eine deutlich sichtbare Adipositas per magna mit einem Gewicht von 120 kg und einer Körpergröße von 162 cm (BMI von 45,8), leicht erhöhte Blutdruckmesswerte von 145/85 mmHg rechts und 145/100 mmHg links, leicht gerötete Konjunktiven, eine leichte Rachenrötung und atrophische Tonsillen vorgefunden. Es haben eine diskrete Varikosis beider Unterschenkel und Besenreiservenen bestanden.

Die Wirbelsäule hat eine Skoliose und eine Hyperlordose sowie eine Klopfschmerzempfindlichkeit der Wirbelkörper der Lendenwirbelsäule aufgewiesen. Die Wirbelsäule ist leicht bewegungseingeschränkt gewesen. Die Beweglichkeit der Halswirbelsäule ist wie folgt zu messen gewesen: Rückbeugen/Vorbeugen 20/0/30 (Norm 40/0/40), Kopfseitneigung rechts/links 30/0/30 (Norm 45/0/45), Kopfdrehung rechts/links 70/0/60 (Norm 80/0/80). Die Brust- und Lendenwirbelsäule hat folgendes Bewegungsmaß gezeigt: Rückbeugen/Vorbeugen 10/0/25 cm (Norm 30/0/Fingerbodenabstand), Seitneigung rechts/links 20/0/20 (Norm 30/0/30).

Der Nackengriff des linken Armes ist nicht, die Außenrotation des linken Armes ist nur teilweise möglich gewesen. Die Außen-/Innenrotation der Hüftgelenke ist beiderseits mit 30/0/45 geringfügig eingeschränkt gewesen. Es hat ein leichter Hallux valgus beiderseits bestanden.

Die leichte Erhöhung der alkalischen Phosphatase mit 109 u/l (Norm 41,4-97,8), die grenzwertige Erhöhung des Gesamt-Cholesterins mit 219 mg/dl (Norm ( 200) und die leichte Gamma-Globulinämie mit 21,7 % (Norm 11,1-18,8) sind bezogen auf die körperliche Leistungsfähigkeit nach dem Sachverständigen nicht relevant gewesen.

Im Übrigen ist eine übertriebene Schmerzdarstellung seitens des Bewegungsapparates aufgefallen. Die Angabe einer Schmerzintensität auf der Schmerzskala von 79 (aus 100) ist nicht nachvollziehbar gewesen, da die Klägerin anlässlich der klinischen Untersuchung keinerlei Bewegungsschmerz angegeben hat.

Nach dem Sachverständigen K bestehen eine Migräne mit Aura, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, eine Dysthymie oder neurotische Depression, eine Panikstörung mit Agoraphobie, eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung und eine Erbsche Lähmung des linken Arms.

Eine Neurasthenie im Sinne eines Erschöpfungssyndroms (vgl. dazu die bereits oben genannten Atteste und Befundberichte der Fachärztin für Innere Medizin D/Fachärzte für Allgemeinmedizin A-u. a. sowie die Befundberichte der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 08. Oktober 2009 und vom 07. April 2010, während in ihrem letzten Befundbericht vom 06. Januar 2012 diese Diagnose nicht mehr aufgeführt ist) hat der Sachverständige dem Krankheitsbild der Dysthymie oder neurotischen Depression zugeordnet. Die Klaustrophobie (vgl. die Epikrise der Klinik u. a. für Gefäßchirurgie der C vom 27. Juni 2008, die Epikrise der Herzchirurgie der Asklepiosklinik St. G vom 24. August 2009, Befundberichte der Fachärztin für Innere Medizin D/Fachärzte für Allgemeinmedizin AA vom 16. Oktober 2009 und 30. Januar 2012, in letztgenannten Befundberichten als Platzangst für Dezember 2008 benannt, ohne dass in einem dieser ärztlichen Berichte entsprechende belegende Befunde angeführt sind) hat der Sachverständige als Teil der Agoraphobie-Symptomatik behandelt.

Eine Anpassungsstörung (vgl. dazu das MDK-Gutachten der Ärztin Z-V vom 08. Mai 2008 und das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 30. Juni 2008) kann als depressive Störung angesichts der Zeitdauer von mehreren Jahren nach dem Sachverständigen als Diagnose jetzt nicht mehr gestellt werden.

Die Diagnose einer gemischten Störung aus Angst und depressiver Störung (vgl. dazu Bericht bzw. Befundberichte der Fachärztin für Nervenheilkunde bzw. für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 02. Dezember 2008, 08. Oktober 2009, 07. April 2010 und 06. Januar 2012) hat der Sachverständige nicht bestätigen können, weil zwischenzeitlich das Ausmaß einer neurotischen Depression oder Dysthymie und einer Panikstörung mit Agoraphobie erreicht ist.

Nach dem Sachverständigen Dr. v liegen eine Migräne, eine Erbsche Lähmung des linken Armes, ein Lumbago, eine reine Agoraphobie und eine Dysthymie vor.

Eine Anpassungsstörung hat auch dieser Sachverständige nicht feststellen können. Eine reine Neurasthenie kann nur dann diagnostiziert werden, wenn nicht die spezifischeren Kriterien für eine depressive Störung nicht erfüllt sind, so dass die Diagnose einer Dysthymie eine Neurasthenie ausschließt. Ebenfalls hat dieser Sachverständige Angst und depressive Störung gemischt als Restkategorie verneint, da die spezifischere Diagnose einer Erkrankung aus dem affektiven Formenkreis, nämlich die genannte Dysthymie, besteht. Insoweit sind zwischen den Sachverständigen K und Dr. v H keine Unterschiede vorhanden.

Eine Klaustrophobie liegt nach dem Sachverständigen Dr. v H nicht vor. Wie bereits oben dargelegt, geben die ärztlichen Berichte dafür keinen Beleg. Der Sachverständige K hat dazu ebenfalls nichts erhoben; er hat vielmehr die Klaustrophobie als Teil der Agoraphobie angesprochen. Angesichts dessen weichen die Sachverständigen insoweit ebenfalls nicht wesentlich voneinander ab.

Eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung, die ausschließlich vom Sachverständigen K diagnostiziert worden ist, hat der Sachverständige Dr. v H ausgeschlossen. Er hat dies damit begründet, dass die beschriebenen Persönlichkeitseigenschaften nicht schwer genug sind, um diese Diagnose festmachen zu können. Sie sind als Spielarten des normalen aufzufassen. Der Sachverständige K hat diese Diagnose aus der Beschwerdeschilderung der Klägerin, die von einem sozialen Rückzug, einer Überempfindlichkeit gegenüber Kritik, Gefühlen von Unsicherheit und Minderwertigkeit berichtet hat, abgeleitet. Zur Schwere dieser, von ihm bezeichnet als, Charakterzüge der Klägerin, hat er nichts Besonderes festgestellt. Er hat jedoch darauf hingewiesen, dass diese zum normalen Repertoire der Verhaltensweisen der Klägerin gehören, so dass sie für sich genommen keinen wesentlichen Leidensdruck bedingen. Somit kann jedoch selbst nach dem Sachverständigen K bei Bestehen einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung eine daraus resultierende Auswirkung insbesondere hinsichtlich des Leistungsvermögens ausgeschlossen werden, so dass ein solches Leiden vorliegend nicht wesentlich ist.

Eine Panikstörung hat der Sachverständige Dr. v H nicht feststellen können. Diese Diagnose findet sich in keinem ärztlichen Bericht. Konkrete Befunde dazu werden auch nicht vom Sachverständigen K mitgeteilt. Dieser Sachverständige hat sich diesbezüglich ausschließlich auf die Schilderung der Klägerin gestützt, wonach sie unter einer Panik leide, die unter vielen Menschen aufträte. Die dazu angegebenen Symptome werden vom Sachverständigen jedoch bereits der Agoraphobie zugeordnet, so dass das Gutachten dieses Sachverständigen keinen Anhalt für das Vorhandensein einer daneben bestehenden Panikstörung gibt. Angesichts dessen folgt der Senat dem Sachverständigen Dr. v H. Wie dieser Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05. Juni 2013 ausgeführt hat, ist die Diagnose einer zusätzlichen Panikstörung lediglich dann begründet, wenn auch unabhängig von phobisch besetzten Situationen, wie beim U-Bahn- und Busfahren Panikattacken auftreten, die jedoch nicht erurierbar gewesen sind.

Der Sachverständige Dr. v H hat allerdings auch eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung nicht diagnostizieren können, da die organischen Veränderungen der Klägerin ausreichen, um die Schmerzsymptomatik zu erklären. Demgegenüber hat der Sachverständige K diese Diagnose aus der Beschwerdeschilderung der Klägerin, die von ständigen und anhaltenden Schmerzen "überall" gleichbleibend und gleichzeitig, wobei spezielle Lokalisationen wie Lendenwirbelsäule, Knie und Hüften erwähnt worden sind, berichtet hat, gestellt. Er hat außerdem darauf hingewiesen, dass das Ausmaß und die Dauerhaftigkeit dieser Schmerzsymptomatik sich nicht allein aus den bekannten apparativen Befunden erklären lassen, so dass von einer seelisch bedingten verstärkten Schmerzwahrnehmung auszugehen ist. Es kann letztlich dahinstehen, ob diese Diagnose zutrifft oder nicht, denn die von beiden Sachverständigen erhobenen Befunde weichen insgesamt nicht wesentlich voneinander ab. Wenn jedoch beide Sachverständigen die bei der Klägerin vorhandenen Befunde erkannt und die daraus resultierenden Funktionseinschränkungen ebenfalls weitgehend übereinstimmend vorgefunden haben, kommt es auf deren zutreffende diagnostische Einordnung nicht entscheidend an, denn das Leistungsvermögen wird nicht durch Diagnosen, sondern durch feststellbare Beeinträchtigungen bestimmt.

Unter Berücksichtigung der von diesen beiden Sachverständigen erhobenen Befunden ist das von ihnen angenommene Leistungsvermögen nachvollziehbar. Nach dem Sachverständigen K kann die Klägerin körperlich leichte bis zeitweise mittelschwere Arbeiten, keine Arbeiten überwiegend im Gehen, im Stehen oder im Wechsel der Körperhaltungen, aber auch keine Arbeiten in Zwangshaltungen oder überwiegend einseitiger Körperhaltung, mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, mit Bücken, im Hocken, im Knien, auf Leitern und Gerüsten sowie überkopf verrichten. Dies resultiert aus den körperlichen Einschränkungen. Dem entspricht es, dass der Sachverständige Dr. v H aus demselben Grund nur körperlich leichte Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg, überwiegend im Sitzen bei gelegentlichem Wechsel zum Stehen und Gehen, jedoch keine Arbeiten in Zwangs- oder überwiegend einseitiger Körperhaltung, im Knien, in der Hocke, mit mehr als gelegentlichem Bücken und überkopf für zumutbar erachtet hat. Soweit die Sachverständigen M und Dr. G aus den körperlichen Leiden weitergehende Leistungseinschränkungen als die Sachverständigen Kund Dr. v H gesehen haben, legt der Senat diese zugunsten der Klägerin zugrunde. Wegen des seelischen Leidens hat der Sachverständige K geistig leichte bis zeitweise mittelschwierige Arbeiten ohne Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Reaktionsvermögen für zumutbar gehalten. Der Sachverständige Dr. v H hat deswegen Arbeiten unter Zeitdruck, im Akkord, am Fließband und mit Wechselschicht sowie Arbeiten mit mehr als nur geringen Anforderungen an das Verantwortungsbewusstsein und die Zuverlässigkeit ausgeschlossen. Der Senat geht ebenfalls zugunsten der Klägerin davon aus, dass die von beiden Sachverständigen insgesamt genannten Leistungseinschränkungen zu beachten sind.

Der Sachverständige K hat bei seiner Untersuchung eine 132 kg schwere und 1,63 m große (BMI 49,68) Klägerin vorgefunden. Die Muskeleigenreflexe RPR, TSR, PSR und ASR sind seitengleich nicht, der Muskelreflex BSR ist links nicht auslösbar gewesen. Es hat eine Schwäche der Beugung und Streckung im linken Ellenbogengelenk bestanden.

Durch die Benutzung extremer Ausdrucksweisen ist eine Tendenz zur Betonung und Verdeutlichung der Beschwerden, vor allem im körperlichen Bereich, aber auch psychisch erkennbar geworden. Es ist insoweit eine leichte Merkschwäche demonstriert worden, als in einem Test mit drei einfachen Worten nach ca. 30 Minuten nur zwei Worte haben wiederholt werden können. Ansonsten hat sich kein Anzeichen einer Merkschwäche über die Altersnorm hinaus gezeigt. Wesentliche emotionale Schwankungen sind auch bei Ansprache belastender Themen nicht aufgefallen, so dass eine Affektisolierung deutlich geworden ist. Die Introspektionsfähigkeit in innere Konflikte ist eher gering gewesen. Es ist eine Einschränkung der Fähigkeit zur Selbstkritik erkennbar geworden. So hat sich die Klägerin für abhängig von Schmerzmitteln gehalten und auch eine teilweise Verursachung ihrer Schmerzsymptomatik durch ihr Übergewicht für wahrscheinlich erachtet, jedoch aus beidem bisher keine wesentlichen Konsequenzen gezogen. Die Klägerin hat außerdem einen Kopfschmerzkalender vorgelegt und angegeben, seit dem 22. Lebensjahr unter (dieser) Migräne zu leiden.

Der geschilderte Tagesablauf, der strukturiert ist, ist durch geringe Aktivitäten im Haushalt und einen Mittagsschlaf von anderthalb Stunden gekennzeichnet.

Der Befund der Hamilton-Depressionsskala, einer Fremdbeurteilungsskala über das Ausmaß einer depressiven Störung, hat einen Summenscore von 22 ergeben, was auf eine geringe bis mäßige Depressivität neurotischen oder reaktiven Ursprungs schließen lässt, wobei stark erhöhte Werte bei den Fragen nach Ängsten festzustellen gewesen sind.

Im Übrigen hat die Klägerin angegeben, unter vielen Menschen, z. B. wenn die U-Bahn voll ist, sich in die Enge gedrückt zu fühlen und Schweißausbrüche, Herzrasen und Luftnot zu bekommen.

Der Sachverständige hat schließlich darauf hingewiesen, dass die Behandlungsmöglichkeiten (ambulante Schmerztherapie, physikalische Therapie mit aktivierenden Übungen, Gewichtsabnahme unter Zuhilfenahme von Selbsthilfegruppen, ambulante Psycho- oder Verhaltenstherapie, psychiatrische Behandlung unter Einsatz verschiedener Antidepressiva und erhöhter Dosen) nicht ausgeschöpft sind. Insgesamt ist ein psychischer Leidensdruck nicht zu spüren gewesen.

Der Sachverständige Dr. v H hat eine leichte Abduktions- und Bizepsparese links sowie einen abgeschwächten Bizepssehnenreflex links erhoben. Die Klägerin hat einen Kopfschmerzkalender vorgelegt. Sie hat angegeben, bei Auftreten von Kopfschmerzen Sumatriptan einzunehmen, welches lindere. Auf die Frage, warum sie bei dem angegebenen langen Vorlauf der Migräneattacken dieses Medikament nicht früher einnehmen würde, hat die Klägerin eine Antwort nicht geben können. Die Schmerzen im Wesentlichen in Rücken, Knie und Hüfte hat sie in der Untersuchungssituation hinsichtlich der Stärke mit 3 von 10 angegeben. Der Untersuchungsverlauf ist ohne wesentliche Schmerzäußerungen erfolgt. Von der Persönlichkeit her ist ein gewisser Hang zur Passivität und zur Neigung, sich versorgen zu lassen, deutlich geworden. Die Klägerin hat angegeben, sie sei selber eher passiv und würde sich versorgen lassen.

Im Bereich der Affektivität hat die Klägerin leichtgradig deprimiert gewirkt. Es ist eine Störung der Vitalgefühle festzustellen gewesen. Der Antrieb ist leicht vermindert erschienen. Die Klägerin hat klagsam gewirkt. Es sind ein Insuffizienzgefühl und ein deutliches Krankheitsgefühl erkennbar gewesen. Die Klägerin hat nicht ängstlich gewirkt. Es sind jedoch phobische Ängste mit einem Vermeidungsverhalten erurierbar gewesen. Die Klägerin hat angegeben, keine U-Bahn und keinen Bus fahren zu können, ansonsten bekomme sie Herzrasen, Schweißausbrüche, Zittern und Luftnot, Angst und Panik und sei beherrscht von dem Gedanken, raus zu müssen. Ihren typischen Tagesablauf hat sie gegenüber dem Sachverständigen Dr. v H in ähnlicher Weise wie gegenüber dem Sachverständigen K geschildert. Es bestehen soziale Kontakte zu einer Freundin, zur Schwägerin und zum Schwager sowie zu Nachbarn. Die unzureichend behandelte Migräne führt nach dem Sachverständigen zu keinen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Die organischen Veränderungen, die degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule und die erhebliche Adipositas, sind nach dem Sachverständigen ausreichend, um den Rückenschmerz zu erklären. Der Rückenschmerz ist angesichts des leicht bis mäßig einzustufenden Schmerzmittelgebrauchs und des unauffälligen Untersuchungsverlaufs, als mäßiggradig einzuordnen. Der psychopathologische Befund verweist auf ein leichtgradiges depressives Syndrom. Die von der Klägerin geschilderten körperlichen und seelischen Symptome sind typische Symptome einer Agoraphobie, die, eine entsprechende Willensbildung vorausgesetzt, verhaltenstherapeutisch gut innerhalb eines halben Jahres zu beeinflussen ist. Wie der Sachverständige Dr. v H in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05. Juni 2013 ausgeführt hat, ist die agoraphobe Störung auch im Fall der Klägerin mit Willensanstrengung überwindbar. Bei ihr liegt kein pathologischer Befund vor, der sie daran hindern würde, den dazu erforderlichen Willen zu einer verhaltenstherapeutischen Behandlung aufzubringen.

Die von den Sachverständigen Kund Dr. v H erhobenen Befunde zeigen, dass aufgrund des psychischen Leidens Stressbelastungen zu vermeiden sind. Die von diesen Sachverständigen genannten Leistungseinschränkungen berücksichtigen dies.

Wenn eine Tätigkeit den dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen gerecht wird, ist, ohne dass zusätzliche Befunde oder Gesichtspunkte hinzutreten, zugleich ein Leistungsvermögen von mindestens 6 Stunden täglich folgerichtig, wie dies alle Sachverständigen in Übereinstimmung mit dem Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 30. Juni 2008, dem Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. B vom 04. Juli 2008, dem Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. Z vom 27. Januar 2009 und den Entlassungsberichten der V Rehabilitations GmbH vom 18. September 2009 und 16. Oktober 2009 angenommen haben.

Der anderslautenden Beurteilung in den Attesten und Befundberichten der Fachärztin für Innere Medizin D/Fachärzte für Allgemeinmedizin AA u. a. vom 11. November 2008, vom 07. September 2009, vom 16. Oktober 2009, vom 14. Januar 2010, vom 16. April 2010 und vom 31. August 2010, wonach die Klägerin nicht arbeitsfähig bzw. dauerhaft arbeitsunfähig sei, vermag der Senat ebenso wenig zu folgen wie der Bewertung im Befundbericht der Fachärztin für Nervenheilkunde Dr. H vom 08. Oktober 2009, wonach ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden bestehe.

Unabhängig davon, dass der Begriff der Arbeitsunfähigkeit ein Begriff der Krankenversicherung ist und anders als der Begriff der Erwerbsfähigkeit definiert wird (vgl. dazu Urteile des BSG vom 07. Dezember 2004 – B 1 KR 5/03 R, vom 22. März 2005 – B 1 KR 22/04 R und vom 04. April 2006 – B 1 KR 21/05 R), fehlt es in den Berichten der erstgenannten Ärzte an belegenden Befunden und ebenfalls an jeglicher Begründung. Die Fachärztin für Nervenheilkunde Dr. H begründet ihre Ansicht (fachfremd) mit einem Zustand nach Aneurysmaoperation und Lungenembolie und des Vorliegens einer Dyspnoe. Ein solcher Sachverhalt liegt jedoch nach den Sachverständigen Dr. G und M gerade nicht vor.

Damit kommt die Klägerin für alle Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Betracht. Der Benennung einer konkreten Tätigkeit bedarf es nicht. Soweit hier gleichwohl die Tätigkeiten einer Helferin-Büro, Verwaltung, einer Pförtnerin und einer Versandfertigmacherin als zumutbare Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes angeführt werden, erfolgt dies lediglich zur weiteren Verdeutlichung der für die Klägerin noch bestehenden Möglichkeiten, ihr Leistungsvermögen in Erwerbsarbeit umzusetzen. Den genannten Tätigkeiten ist die Klägerin gesundheitlich gewachsen. Nach dem Auszug aus Berufenet arbeiten Helferinnen im Bereich Büro/Verwaltung überwiegend im Bürobereich und erledigen einen Großteil ihrer Aufgaben im Sitzen. Sie wechseln jedoch auch zwischen den verschiedenen Abteilungen bzw. Büros hin und her, um Schriftstücke zu kopieren, Unterlagen zu verteilen oder Akten abzulegen. Außerdem findet Kundenkontakt statt.

Die Arbeitsbedingungen eines Pförtners sind in BIK BO 793 beschrieben unter anderem als leichte körperliche Arbeit, überwiegend in geschlossenen Räumen (Pförtnerloge), überwiegend sitzend, für körperlich Behinderte geeignet, zum Teil Zugluft, in der Regel Schicht- und Nachtdienst, zum Teil Flexibilität, zum Teil Kontaktfähigkeit, gute Umgangsformen. Aus der beigezogenen berufskundlichen Aussage des M L vom 14. Februar 2000 geht darüber hinaus hervor, dass an einen Pförtner sehr unterschiedliche Anforderungen gestellt werden und sehr unterschiedliche Belastungen bestehen. Nur so erklärt sich, dass die Tätigkeit als Pförtner in BIK BO 793 auch für viele Behinderte als geeignete Beschäftigung angegeben ist.

Vergleicht man das Leistungsvermögen jenes Klägers, das der berufskundlichen Aussage des M L zugrunde gelegen hatte, mit demjenigen der hiesigen Klägerin, so bestehen keine Bedenken, dass als Pförtner, wie auch in jener berufskundlichen Aussage bejaht, gearbeitet werden kann. Das ermittelte Leistungsvermögen jenes Klägers wird wie folgt beschrieben: Zumutbar sind leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung mit überwiegendem Sitzen (Es sollte die Möglichkeit nach 10 bis 15 Minuten Sitzen gegeben sein, die Körperposition zum Gehen oder Stehen zu ändern; nach Gehen oder Stehen von maximal 20 Minuten sollte die Möglichkeit zum Sitzen gegeben sein, der Zeitanteil im Gehen und Stehen sollte nicht mehr als 50 v. H. der Arbeitszeit betragen.), ohne Heben und Tragen von Lasten von mehr als 5 kg, ohne Arbeiten mit Rumpfvorbeuge oder Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Einwirkung von Vibrationen, Stauchungen und Rüttelungen, ohne Überkopfarbeiten, ohne Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, ohne Arbeiten in Kälte ohne Witterungsschutz sowie in feuchten Räumen, ohne Lärmeinfluss, ohne Gefährdung durch Hautreizstoffe, ohne Wechsel- oder Nachtschicht, ohne Arbeiten mit besonderem Zeitdruck, nur geistig einfache Arbeit mit geringen Anforderungen an die Reaktionsfähigkeit. Dieser Katalog der Leistungseinschränkungen zeigt, dass jener Kläger im weit stärkeren Umfang als die hiesige Klägerin in seinen Möglichkeiten eingeschränkt war. Wie dieser berufskundlichen Aussage außerdem zu entnehmen ist, kann ein Pförtner den Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen weitestgehend selbst bestimmen. Es gibt zudem eine nennenswerte Anzahl von Arbeitsplätzen, bei denen nicht im Schichtdienst gearbeitet werden muss und bei denen der Arbeitnehmer Zugluft nicht ausgesetzt ist.

Die Arbeitsbedingungen eines Versandfertigmachers sind in der BIK BO 522 beschrieben unter anderem als körperlich leichte bis mittelschwere Arbeit (zeitweise schweres Heben und Tragen) überwiegend in geschlossenen Räumen und Hallen, zum Teil im Freien, Arbeit in wechselnder Körperhaltung von Gehen, Stehen und Sitzen, zum Teil Zwangshaltungen wie Bücken, Hocken, Knien und vornüber geneigte Haltung, zum Teil Arbeit auf Leitern und Gerüsten. Allerdings bedeutet diese Beschreibung nicht notwendigerweise, dass dieses Anforderungsprofil für alle Arbeitsplätze eines Versandfertigmachers einschlägig ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass diese Tätigkeit in verschiedenen Branchen und mit unterschiedlichen Produkten ausgeführt wird. Wenn demzufolge in den berufskundlichen Stellungnahmen des M L vom 01. November 2002 und 24. November 2002 dargestellt ist, dass es insoweit auch eine nennenswerte Zahl von, also nicht weniger als 300, Arbeitsplätzen gibt, die körperlich leicht sind und in geschlossenen Räumen im Wechsel von Sitzen und Stehen ausgeübt werden, bei denen wirbelsäulen- oder gelenkbelastende Körperhaltungen nicht eingenommen werden müssen, monotone oder repetitive Arbeitshaltungen sich nicht ergeben, die Aufgaben nicht durch fremdbestimmtes Arbeitstempo geprägt sind, nicht unter akkordähnlichen Bedingungen verrichtet werden, keine besonderen Anforderungen an die Kraft oder die Ausdauer der Hände gestellt werden, insbesondere keine Fein- oder Präzisionsarbeiten erfordern, Reiben, Schieben, Drehen, Ziehen oder Drücken nicht verlangt werden, weder Anforderungen an das Hörvermögen noch an die Stimme gestellt werden, eine durchschnittliche Sehfähigkeit genügt und bei denen geistig einfache Routinearbeiten weder besondere Anforderungen an die Umstellungsfähigkeit, das Reaktionsvermögen, die Aufmerksamkeit, die Übersicht, die Verantwortung oder die Zuverlässigkeit stellen, ist dies nachvollziehbar.

Betrachtet man das Leistungsvermögen jener Klägerin, das der berufskundlichen Aussage des M L vom 01. November 2002 und 24. November 2002 zugrunde gelegen hatte, mit demjenigen der hiesigen Klägerin, wird deutlich, dass als Versandfertigmacher, wie auch in jener berufskundlichen Aussage angenommen wurde, gearbeitet werden kann. Das ermittelte Leistungsvermögen jener Klägerin war wie folgt beschränkt auf körperlich leichte Arbeiten, geistig einfache Arbeiten, im Wechsel der Haltungsarten, kein ausschließliches Stehen oder Sitzen, unter Witterungsschutz, ohne monotone oder repetitive Arbeitshaltungen, ohne Heben und Tragen von Lasten, ohne anhaltende Rumpfbeugehaltung, ohne anhaltendes Knien, Hocken und Bücken, ohne dauerhafte Überkopfarbeiten, ohne Leiter- und Gerüstarbeit und ohne besonderen Zeitdruck wie etwa Akkord- oder Fließbandarbeit. Dies zeigt, dass die Klägerin in ihrem Leistungsvermögen nicht stärker eingeschränkt ist als jene Klägerin, die in den berufskundlichen Aussagen vom 01. November 2002 und 24. November 2002 zu beurteilen war.

In der berufskundlichen Stellungnahme des M L vom 14. Januar 2005 wird an der Darstellung vom 01./24. November 2002, die im Einzelnen wiederholt wird, festgehalten und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich seither bezüglich des Berufes eines Versandfertigmachers keine nachhaltigen Veränderungen ergeben hätten. Wird das Leistungsvermögen jenes Klägers, das Grundlage der berufskundlichen Stellungnahme vom 14. Januar 2005 war, mit dem vorliegenden Leistungsvermögen verglichen, ist zwar festzustellen, dass jener Kläger teilweise in seinem Leistungsvermögen nicht so deutlich eingeschränkt war. Jener Kläger konnte körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten und geistig einfache Arbeiten (ohne hohe Anforderungen an das Intelligenzniveau) mit nur geringen Anforderungen an Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit und Verantwortungsbewusstsein in freien und in geschlossenen Räumen, jedoch ohne Arbeit unter besonderem Zeitdruck, wie z. B. Akkordarbeit, ohne Kontakt mit hautreizenden Stoffen und mit grober Verschmutzung und ohne Feuchtarbeit verrichten. Dieses Leistungsvermögen steht ebenfalls einer Tätigkeit eines Versandfertigmachers nach der berufskundlichen Stellungnahme des M L vom 14. Januar 2005 nicht entgegen. Im Übrigen folgt daraus jedoch nichts Neues, denn dass sich das Belastungsprofil eines Versandfertigmachers in körperlicher oder geistiger Hinsicht zwischenzeitlich verändert haben könnte, insbesondere stärkere oder höhere Anforderungen gestellt werden, wird in dieser neuen berufskundlichen Stellungnahme gerade verneint.

Der weiteren berufskundlichen Stellungnahme des M L vom 13. Oktober 2008 ist ebenfalls nichts Abweichendes gegenüber seinen früheren berufskundlichen Stellungnahmen zu entnehmen, so dass diese weiterhin Bestand haben.

Die bei der Klägerin bestehenden Leistungseinschränkungen lassen sich mit dem Belastungsprofil einer Helferin - Büro, Verwaltung, einer Pförtnerin und einer Versandfertigmacherin in Einklang bringen. Wenn die Sachverständigen M, K und Dr. v somit zu der Einschätzung gelangt sind, die Klägerin könne diese Berufe mindestens 6 Stunden täglich ausüben, ist dies, weil sie das berufskundliche Anforderungsprofil nicht verkannt haben, schlüssig und bewegt sich im Rahmen des einem Arzt einzuräumenden Beurteilungsspielraumes, so dass sich der Senat deren Bewertung zu Eigen macht.

Die Klägerin ist allerdings gehindert, entsprechende Arbeitsplätze aufzusuchen.

Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 56; BSG SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10) gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen, denn eine Tätigkeit zum Zwecke des Gelderwerbs ist regelmäßig nur außerhalb der Wohnung möglich. Hinsichtlich der Bestimmung der erforderlichen Fußwegstrecke wird hierbei ein generalisierender Maßstab angesetzt und danach generell die Fähigkeit des Versicherten für erforderlich gehalten, Entfernungen, gegebenenfalls unter Verwendung von Hilfsmitteln (zum Beispiel Gehstützen, orthopädischen Schuhen, Einlagen, Abrollhilfen), von über 500 m zu Fuß viermal arbeitstäglich zurückzulegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeit zu benutzen. Zudem wird gefordert, dass die Strecke von mehr als 500 m in wenigstens 20 Minuten zurückgelegt werden kann.

Nach dem Sachverständigen Dr. v H kann die Klägerin wegen der agoraphoben Störung, die der psychiatrischen Befundung nicht zugänglich ist, so dass diese Diagnose lediglich aufgrund der typischen anamnestischen Daten gestellt werden kann, öffentliche Verkehrsmittel nicht benutzen. Der Sachverständige Khat zwar demgegenüber eine Einschränkung der Wegefähigkeit nicht für ausreichend gesundheitlich begründet erachtet. Dabei ist allerdings auch er davon ausgegangen, dass eine Agoraphobie mit den von der Klägerin geschilderten typischen Symptomen, wie das Gefühl, in die Enge gedrückt zu werden, Schweißausbrüche, Herzrasen, Luftnot und Unruhe in öffentlichen Verkehrsmitteln und in Menschenmengen, besteht und die Klägerin wegen dieser typischen Symptome ein phobisches Vermeidungsverhalten gegenüber solchen angstauslösenden Situationen entwickelt hat. Die Begründung des Sachverständigen K, weswegen gleichwohl keine Einschränkungen der Wegefähigkeit gegeben ist, dass nämlich die Klägerin bisher keine Verhaltenstherapie durch Aufsuchen angstauslösender Situationen zur Besserung der agoraphobischen Symptomatik und des Vermeidungsverhaltens durchgeführt hat und insoweit bestehende Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft sind, ist jedoch, worauf der Sachverständige Dr. v in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05. Juni 2013 zutreffend hingewiesen hat, dazu ungeeignet. Wenn eine Störung besteht und zu bestimmten Einschränkungen führt, sind diese Einschränkungen ungeachtet der Therapierbarkeit der Störung zu beachten, denn erst dann, wenn die mögliche Therapie durchgeführt und die Störung behoben ist, entfallen die durch diese Störung hervorgerufenen Einschränkungen. Etwas anderes gilt nur, wenn diese Einschränkungen noch nicht so lange bestehen, um rentenrechtlich Bedeutung zu erlangen. Das zeitweise Bestehen einer Gesundheitsstörung, auch wenn dadurch die Erwerbsfähigkeit vorübergehend beeinflusst wird, begründet noch keine Minderung des Leistungsvermögens im Sinne des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Erwerbsfähigkeit muss vielmehr nicht nur vorübergehend worunter ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten verstanden wird herabgesunken sein (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 670 f. VI; Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch SGB VI, gesetzliche Rentenversicherung, Kommentar, 60. Ergänzungslieferung, K § 43 Rdnr. 22, K § 44 Rdnr. 15; BSG SozR 2200 § 1247 Nr. 16), so dass kurzzeitige Erkrankungen außer Betracht zu bleiben habe.

Die Untersuchung durch den Sachverständigen Ki st am 16. Mai 2012 und die Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. v H ist am 24. April 2013 erfolgt, so dass der Zeitraum von 6 Monaten bei weitem überschritten ist.

Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass erst ab dem 07. Dezember 2010 die nach den Sachverständigen K und Dr. v H aus der Agorophobie resultierende Unfähigkeit, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, besteht. Der Sachverständige Dr. v hat zwar ausgeführt, dass die von ihm genannten qualitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit seit Rentenantragstellung vorhanden sind, und in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05. Juni 2013 gemeint, dass die Klägerin infolge der agoraphoben Störung seit 2008 keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzt. Allerdings hat er in Würdigung des Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 30. Juni 2008 auch geäußert, dass zum damaligen Zeitpunkt das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn auch unter Schwierigkeiten, noch möglich war. Angesichts der Tatsache, dass die agoraphobe Störung einer psychiatrischen Befundung nicht zugänglich ist, also diese Diagnose lediglich aufgrund geschilderter typischer Symptome gestellt werden kann, genügt die Angabe der Klägerin, auf die sich der Sachverständige Dr. v H bezogen hat, dass sie seit 2008 keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzt, nicht, um darauf gestützt die sichere Überzeugung zu gewinnen, dass seit Rentenantrag der von den Sachverständigen Kund Dr. v H vorgefundene Zustand der Unfähigkeit zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel tatsächlich besteht. Es gibt vielfältige Gründe, öffentliche Verkehrsmittel nicht zu nutzen. So kann es insbesondere bequemer sein, sich mit einem Pkw fahren zu lassen. Dementsprechend ist maßgebend darauf abzustellen, ob und inwieweit und seit wann die typischen Symptome einer Agoraphobie gegenüber insbesondere den behandelnden Ärzten dargetan wurden. Dies ist anhand der vorliegenden ärztlichen Unterlagen vor dem 07. Dezember 2010 nicht sicher festzustellen. Dies hat der Sachverständige Dr. v H in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19. März 2014 ausgeführt.

Im Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 30. Juni 2008 ist unter jetzige Beschwerden niedergelegt: Öffentliche Verkehrsmittel können benutzt werden. Allerdings habe sie manchmal leichte Beklemmungsgefühle in der U-Bahn und im Bus. Deswegen lege sie die Wege lieber mit dem Auto zurück. Dazu sind als psychiatrischer Befund leichtgradige phobische Ängste in Verkehrsmitteln mitgeteilt. Im Entlassungsbericht der Klinik für u. a. Gefäßchirurgie der C vom 27. Juni 2008 wird als Nebendiagnose eine Agoraphobie angegeben, ohne dass aus dieser Epikrise dazu näheres hervorgeht. Im Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. Z vom 21. Januar 2009 findet sich die Aussage: Allein würde die Versicherte nicht mehr mit der U-Bahn fahren. Neben einer wesentlichen Beeinträchtigung der Stimmung seien Ängste vorhanden, Panikgefühle sowie wesentliche vegetative Gefühle wie Herzrasen und Luftnot, wobei die genannten Beschwerden von der Klägerin jedoch nicht in Bezug zu öffentlichen Verkehrsmitteln gebracht wurden. Im Gutachten des Dr. Z wird die Diagnose einer Agoraphobie nicht gestellt. In der Epikrise der Herzchirurgie der A-Klinik St. G vom 24. August 2009 findet sich die Diagnose einer Agoraphobie; weiteres ist dazu nicht ersichtlich.

Die die Klägerin behandelnde Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H hat nach ihrem Befundbericht vom 08. Oktober 2009 die Diagnose einer Agoraphobie nicht gestellt. Den diesem Befundbericht beigefügt gewesenen Behandlungsunterlagen ist für den 13. März 2008 zu entnehmen: Vater hat sie hierher gefahren. Für den 25. November 2008 ist dort vermerkt: Sie kann kaum laufen, Luftnot, Herzrasen, Beklemmungen in engen Räumen, Rückenschmerzen, Lustlosigkeit. Der Bericht dieser Ärztin vom 07. April 2010 weist ebenfalls nicht die Diagnose einer Agoraphobie aus. Zum weiteren Verlauf ist u. a. dort vermerkt: 03. November 2009: Sie waren eine Woche in den Herbstferien auf M; 18. März 2010: Sie kann nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren, wenn sie voll sind. Die Diagnose einer Agoraphobie wird schließlich auch nicht im weiteren Befundbericht dieser Ärztin vom 06. Januar 2012 angegeben. Jedoch ergibt sich für den 07. Dezember 2010: Sie kann große Menschenmengen nicht aushalten, bekommt Herzrasen und Luftnot.

Damit sind für den 07. Dezember 2010 Symptome in Zusammenhang mit großen Menschenmengen, wie diese auch bei öffentlichen Verkehrsmitteln zu den Hauptverkehrszeiten auftreten, geschildert, die nachvollziehbar werden lassen, dass öffentliche Verkehrsmittel deswegen nicht genutzt werden, weil die Klägerin dazu infolge einer sonst auftretenden Angst nicht fähig ist. Dazu passt ihre Beschwerdeschilderung gegenüber dem Sachverständigen K, wonach sich das phobische Vermeidungsverhalten entwickelt habe, und ihre Angabe gegenüber dem Sachverständigen Dr. v, wonach sich dieses eben so eingeschlichen habe. Der Befundbericht der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H vom 06. Januar 2012 enthält zwar für den weiteren Behandlungszeitraum bis Oktober 2011 keine vergleichbare weitere Eintragung. Dies erachtet der Senat für eine sichere Überzeugungsbildung nicht für erforderlich, denn nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. v bedarf die Klägerin einer verhaltenstherapeutischen Behandlung, um die agoraphobe Störung und die daraus resultierenden Auswirkungen überwinden zu können. Es erscheint daher nahezu ausgeschlossen, dass im Zeitraum nach dem 07. Dezember 2010 bis zur Untersuchung durch den Sachverständigen K am 16. Mai 2012 die Auswirkungen der agoraphoben Störung ohne eine solche Therapie weggefallen gewesen sein könnten.

Das infolge der Unfähigkeit zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel gegebene Unvermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen, kann und konnte auch nicht auf anderem Wege, insbesondere durch Nutzung eines Pkw, überwunden werden. Wie die Klägerin ausdrücklich erklärt hat, steht bzw. stand ihr ein Pkw nicht zur Verfügung. Anlass an der Richtigkeit dieser Aussage zu zweifeln, besteht nicht, denn ihre früheren Angaben stehen damit in Übereinstimmung. Soweit sie Ärzte wegen einer Begutachtung aufsuchen musste, erfolgte dies als Beifahrerin in einem Pkw, der weder ihr noch ihrem berenteten Ehemann gehörte.

Ist die Klägerin somit seit dem 07. Dezember 2010 wegeunfähig, liegt volle und teilweise Erwerbsminderung vor, denn dies schließt eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes aus.

Für die Gewährung einer Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung sind bei einem am 07. Dezember 2010 eingetretenen Leistungsfall auch die weiteren Voraussetzungen erfüllt. Wie aus dem Versicherungsverlauf vom 10. Juni 2009 hervorgeht, hat die Klägerin vor Eintritt dieses Leistungsfalls wenigstens 5 Jahre Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt, womit die allgemeine Wartezeit erfüllt ist (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 51 Abs. 1 SGB VI). Danach sind im maßgebenden Fünfjahreszeitraum von Dezember 2005 bis Dezember 2010 ebenfalls wenigstens drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 55 Abs. 2 Nr. 2, § 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI).

Bei einem am 07. Dezember 2010 eingetretenen Leistungsfall steht der Klägerin eine entsprechende Rente nicht vor dem 01. Juli 2011 zu.

Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung zwar von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden jedoch nach § 101 Abs. 1 SGB VI nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.

Bei einem am 07. Dezember 2010 eingetretenen Leistungsfall kann danach eine Rente nicht vor dem 01. Juli 2011 beginnen, denn die Rente ist zu befristen.

Nach § 102 Abs. 2 Sätze 1, 2 und 5 SGB VI gilt: Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von 9 Jahren auszugehen.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Wegeunfähigkeit behoben werden kann.

Wie der Sachverständige Dr. v H übereinstimmend mit dem Sachverständigen K ausgeführt hat, kann durch eine verhaltenstherapeutische Behandlung innerhalb eines halben Jahres eine Behebung der agoraphoben Störung erreicht werden. Nach Mitteilung der Klägerin von Oktober 2013 wird die Klägerin eine entsprechende therapeutische Behandlung beginnen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass voraussichtlich zum Ablauf des 30. April 2014 die volle und teilweise Erwerbsminderung beseitigt sein wird, so dass auf diesen Zeitpunkt die Rente zu befristen ist.

Liegen somit alle Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente vor, ist deren Gewährung durch die Beklagte sachgerecht. Soweit die Beklagte meint, das Unterlassen der gebotenen Behandlung seitens der Klägerin könne ihr nicht angelastet werden, benennt sie keine Vorschrift, die ihr deswegen ein Leistungsverweigerungsrecht einräumen würde. Jedenfalls hat sie von der Möglichkeit des § 66 Abs. 2 i. V. m. § 63 SGB I keinen Gebrauch gemacht. Im Übrigen ist es Ausdruck des allgemeinen Prozessrisikos, dass erst im Verlauf eines Rechtsstreits der wahre Sachverhalt offenbar wird, den das Gericht zugunsten bzw. zu Lasten des einen oder des anderen Beteiligten seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat.

Die zu gewährende Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ist allerdings neben der Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zu leisten. Bestehen für denselben Zeitraum Ansprüche auf mehrere Renten aus eigener Versicherung, wird nach § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB VI nur die höchste Rente geleistet. Nach § 64 SGB VI ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, wenn 1. die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, 2. der Rentenartfaktor und 3. der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Der Rentenartfaktor beträgt für persönliche Entgeltpunkte bzw. für persönliche Entgeltpunkte (Ost) (vgl. § 254 b und § 254 d SGB VI) bei Renten wegen voller Erwerbsminderung 1,0 und bei Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung 0,5 (§ 67 Nrn. 3 und 2 SGB VI), woraus ersichtlich ist, dass die Rente wegen voller Erwerbsminderung die höhere Rente ist.

Die Berufung hat daher teilweise Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits. Die wesentliche Minderung des Leistungsvermögens ist erst nach Erlass des Gerichtsbescheides eingetreten, so dass die Beklagte weder Veranlassung zur Klage noch zur Berufung gegeben hat. Insofern hätte die Beklagte nach dem Prinzip der Veranlassung zwar auch keine außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, denn die Inanspruchnahme des Gerichts ist nicht nur zum Zeitpunkt der Klageerhebung, sondern auch zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung grundlos erfolgt. Dieses Prinzip erfährt jedoch dann eine Durchbrechung, wenn sich im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens, also im Nachhinein, die in Inanspruchnahme des Gerichts als erforderlich erweist, weil trotz einer maßgeblichen Änderung die Beklagte nicht oder nicht in vollem Umfang bereit ist, dieser Änderung Rechnung zu tragen. Ab diesem Zeitpunkt hat sie jedenfalls die Fortführung des Rechtsstreits zu vertreten, denn es ist eine gerichtliche Entscheidung zum klägerischen Anspruch nötig. Es ist daher in diesem Fall sachgerecht, die Kosten dementsprechend aufzuteilen. Bei den erhobenen Ansprüchen auf Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung für die Zeiträume vom 22. Mai 2008 bis zur Vollendung des 66. Lebensjahres und 10 Monaten (§ 43 Abs. 1 und 2, § 235 Abs. 2 SGB VI), also bis September 2030, entspricht der Anteil des Obsiegens gegenüber dem Anteil des Unterliegens ca. 10 v. H.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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