L 37 SF 106/13 EK R

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
ÜG
Abteilung
37
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 37 SF 106/13 EK R
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 2.400,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen unangemessener Dauer des beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) unter dem Aktenzeichen L 4 R 319/08 geführten und inzwischen abgeschlossenen Verfahrens.

Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Bescheid vom 11. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2003 lehnte die Landesversicherungsanstalt Berlin (LVA) den Antrag des Klägers vom 02. September 2002 auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung gemäß §§ 43 und 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ab.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner am 19. Mai 2003 bei dem Sozialgericht Berlin (SG) eingegangenen Klage, die unter dem Az. S 27 RJ 816/03 registriert wurde, und begehrte die Gewährung einer Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweiser teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Zusammen mit der Übersendung von Klageerwiderung und Rentenakten teilte der damalige Beklagte am 01. Juli 2003 (Eingang beim SG) mit, dass der Kläger derzeit an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme teilnehme, über deren Fortgang berichtet werde. Im Juli 2003 nahm der Klägerbevollmächtigte Einsicht in die Rentenakte. Mit Schreiben vom 17. September 2003 teilte der Kammervorsitzende mit, dass die Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens beabsichtigt sei und gab der Klägerseite noch Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag nach Akteneinsichtnahme. Unter dem 30. Oktober 2003 teilte dieser mit, dass weiterer Vortrag nicht beabsichtigt sei. Am 19. November 2003 ging der von der damaligen Beklagten übersandte Reha-Entlassungsbericht vom 04. Juli 2003 beim SG ein. Anschließend bat das Gericht die Beklagte mit Schreiben vom 20. November 2003 um Übersendung der berufskundlichen Unterlagen zu den im Widerspruchsbescheid in Bezug genommenen Verweisungstätigkeiten.

Parallel zum Klageverfahren leitete die Beklagte ein Verfahren zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe ein, weswegen eine Stellungnahme zu den Verweisungstätigkeiten im Ausgangsverfahren zunächst von Beklagtenseite nicht erfolgte. Unter dem 16. August 2004 übersandte die Beklagte schließlich ihren Bescheid vom 28. Juli 2004 über die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) dem Grunde nach und regte ein Abwarten neuer ärztlicher Untersuchungen vom 23. bzw. 30. August 2004 an. Deren Ergebnisse übersandte der Kläger unter dem 01. September 2004 und 10. September 2004, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 13. Oktober 2004 erklärte, dass nunmehr ihre ärztliche Abteilung der Auffassung sei, dass LTA derzeit nicht sinnvoll oder erfolgversprechend seien. Mit Schriftsatz vom 12. November 2004 teilte der Kläger mit, er sei am 19. Oktober 2004 am linken Schultergelenk operiert worden.

Mit Beweisanordnung vom 09. Februar 2005 veranlasste das Gericht ein orthopädisches Gutachten, welches dem Gericht am 11. August 2005 vorlag. Auf Aufforderung des Gerichts vom 31. August 2005 nahmen die Beteiligten unter dem 13. September 2005 bzw. 28. September 2005 (Kläger) und 21. September 2005 (Beklagte) Stellung zu dem Gutachten. Der Kläger begehrte die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens. Außerdem machte er mit Schreiben vom 09. Januar 2006 noch Ausführungen zu seiner bisherigen beruflichen Qualifikation.

Mit Beweisanordnung vom 30. Januar 2006 veranlasste das SG sodann die Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens, welches am 23. Mai 2006 dem SG vorlag.

Am 02. Juni 2006 beantragte der Kläger die Einholung eines Gutachtens nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter Bezeichnung eines bestimmten Arztes, woraufhin das SG, nachdem der benannte Sachverständige schriftlich mitgeteilt hatte, den Kläger bisher nicht untersucht zu haben, am 26. Juli 2006 vom Kläger gemäß § 109 SGG zunächst einen Kostenvorschuss i. H. v. 1.000,00 EUR anforderte. Nach dessen Eingang erging sodann am 23. August 2006 die Beweisanordnung. Unter dem 22. Januar 2007 erinnerte das SG den Sachverständigen an die Erstellung des Gutachtens, für dessen Erstellung eine Frist von drei Monaten vorgegeben worden war. Mit Schreiben vom 17. Januar 2007 teilte der Kläger mit, er sei noch nicht begutachtet worden und seine Anschrift sei in der Beweisanordnung nicht korrekt angegeben worden. Daraufhin wies das SG mit weiterem Schreiben vom 22. Januar 2007 den Sachverständigen auf die richtige Adresse hin und erinnerte ferner unter dem 02. März 2007 nochmals an die Fertigstellung des Gutachtens, welches schließlich am 27. März 2007 beim SG einging.

Am 02. April 2007 bat das SG den Kläger sodann um Stellungnahme zum Fortgang des Verfahrens, woraufhin dieser zunächst mitteilte, die Klage werde fortgeführt (Schriftsatz vom 12. April 2007) und ferner einen weiteren Antrag nach § 109 SGG, jedoch noch ohne Benennung eines konkreten Arztes, stellte (Schriftsatz vom 16. Mai 2007). Unter dem 22. Mai 2007 teilte das Gericht dem Kläger mit, von dem Recht nach § 109 SGG könne grundsätzlich nur einmal pro Instanz Gebrauch gemacht werden. Hierzu vertrat der Kläger in der Folge eine andere Rechtsauffassung und benannte unter dem 26. September 2007 einen konkreten Arzt. Außerdem verwies er auf neue augenärztliche Befunde (Schriftsätze vom 19. Juni 2007 und 26. September 2007).

Bereits unter dem 22. Mai 2007 hatte der Vorsitzende den Rechtsstreit in das so genannte "E-Fach" (Entscheidungs-Fach) verfügt. Am 12. Dezember 2007 wurden die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 21. Januar 2008 geladen.

Das SG verurteilte die damalige Beklagte durch Urteil vom 21. Januar 2008 unter Änderung des Bescheides vom 11. November 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2003 zur Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 01. Oktober 2002 auf Dauer und wies die Klage im Übrigen ab. Das Urteil wurde dem Kläger am 06. Februar 2008 zugestellt.

Gegen das Urteil legte der Kläger am 19. Februar 2008 Berufung beim LSG ein, zunächst ohne Begründung, welche unter dem Az. L 4 R 319/08 registriert wurde. Nachdem er mit gerichtlichem Schreiben vom 25. Februar 2008 um Begründung der Berufung binnen 4 Wochen gebeten worden war, ging nach antragsgemäßer Fristverlängerung am 06. Mai 2008 die ausführliche Berufungsbegründung verbunden mit einem Antrag gemäß § 109 SGG auf Einholung eines orthopädischen Fachgutachtens von einem bestimmten Arzt bei dem LSG ein.

Bereits zum 01. April 2008 hatte ein Berichterstatterwechsel stattgefunden.

Die Berufungsbegründung wurde der damaligen Beklagten am 15. Mai 2008 zur Stellungnahme binnen eines Monats übersandt. Diese ging nach zweimaliger Erinnerung (am 26. Juni 2008 und 29. Juli 2008) und Zwischennachricht vom 11. August 2008 schließlich am 27. August 2008 ohne Verwaltungsakten bei dem LSG ein. Nachdem am 25. September 2008 der Rentenbescheid vom 11. September 2008 (betreffend die erstinstanzlich zugesprochene Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit) vorlag, regte der Berichterstatter unter dem 07. Oktober 2008 die Berufungsrücknahme an und teilte mit, dass medizinische Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt seien. Da der Kläger seine Berufung mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2008 aufrechterhielt, wurde unter dem 24. Oktober 2008 zunächst der vom Kläger benannte Sachverständige zu seiner Bereitschaft, das Gutachten zu erstatten sowie zu den voraussichtlichen Kosten befragt. Der benannte Arzt beantwortete die Fragen erst nach mehrfachen gerichtlichen Erinnerungen vom 14. November 2008, 17. Dezember 2008 und 21. Januar 2009 mit Schreiben vom 26. Januar 2009. Daraufhin wurde am 10. Februar 2009 ein Kostenvorschuss i. H. v. 1.000,00 EUR vom Kläger angefordert, der am 27. Februar 2009 eingezahlt war.

Bereits zum 01. Januar 2009 hatte ein erneuter Berichterstatterwechsel stattgefunden.

Mit Beweisanordnung vom 02. März 2009 (abgesandt am 09. März 2009) wurde das beantragte orthopädische Gutachten veranlasst, welches am 02. Juli 2009 dem LSG vorlag. Die Stellungnahmen der Beteiligten hierzu gingen am 16. und 18. August 2009 bei Gericht ein. Die damalige Beklagte regte ferner mit Schriftsatz vom 30. September 2009 die Erhebung weiteren medizinischen Beweises an.

Zum 01. Oktober 2009 fand ein weiterer Berichterstatterwechsel statt.

Nachdem der Kläger auf gerichtliche Anfrage vom 30. September 2009 mit Schriftsatz vom 02. Dezember 2009 Name und Anschrift seiner behandelnden Internistin mitgeteilt hatte, forderte das LSG mit Schreiben vom 07. Januar 2010 einen aktuellen Befundbericht dieser Ärztin an, der nach gerichtlicher Erinnerung vom 16. Juni 2010 am 23. Juni 2010 bei dem LSG einging. In der Zwischenzeit hatten die Beteiligten sich insbesondere zu der Frage, ob sich der gesundheitliche Zustand des Klägers in psychiatrischer Hinsicht verändert habe und zu neuen Einschätzungen Anlass gebe, schriftsätzlich ausgetauscht.

Zum 01. Juli 2010 kam es erneut zu einem Berichterstatterwechsel.

Am 16. Juli 2010 ging die angeforderte Stellungnahme der damaligen Beklagten zu dem Befundbericht ein. Der Kläger erneuerte daraufhin einen bereits zuvor mit Schriftsatz vom 02. Dezember 2009 gestellten vorsorglichen Antrag nach § 109 SGG auf Einholung eines internistisch-kardiologischen Fachgutachtens durch einen bestimmten Arzt (Schriftsatz vom 19. Juli 2010). Nachdem der benannte Arzt auf gerichtliche Anfrage vom 18. November 2010 am 12. Dezember 2010 seine Bereitschaft zur Erstattung des Gutachtens mitgeteilt hatte, wurde am 21. Dezember 2010 der Kostenvorschuss vom Kläger angefordert.

Nach dessen Eingang im Januar 2011 wurde mit Beweisanordnung vom 14. Februar 2011 (abgesandt am 18. Februar 2011) das beantragte Gutachten veranlasst, das nach gerichtlicher Erinnerung vom 28. Juni 2011 am 28. Juli 2011 bei dem LSG einging. Die Beteiligten nahmen mit Schriftsätzen vom 12. August 2011 (Beklagte) und 06. Oktober 2011 (Kläger) Stellung zu dem Gutachten.

Unter dem 16. Dezember 2011 wies der Berichterstatter darauf hin, dass von Amts wegen keine weiteren Ermittlungen beabsichtigt seien und verfügte den Rechtsstreit in das so genannte "VT-Fach" (Verhandlungstermins-Fach). Der Kläger beantragte daraufhin mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2011 die Einholung einer Stellungnahme des zuletzt befragten Sachverständigen sowie vorsorglich, den zuletzt befragten Sachverständigen zu einer persönlichen Anhörung zu laden. Dieses Schreiben wurde versehentlich einem anderen Rechtsstreit zugeordnet, was im April 2012 auffiel. Sodann fragte der Berichterstatter am 08. Mai 2012 bei dem Kläger an, ob hinsichtlich der Einholung einer Stellungnahme des letzten Sachverständigen ein Antrag nach § 109 SGG gestellt werde, was mit klägerischem Schriftsatz vom 14. Juni 2012 – Eingang beim LSG am 18. Juni 2012 - verneint wurde. Mit diesem Schriftsatz rügte der Kläger ferner die Verzögerung des Verfahrens gemäß § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).

Aufgrund Verfügung der Senatsvorsitzenden vom 07. August 2012 wurde mündliche Verhandlung auf den 13. September 2012 anberaumt (Ladungen vom selben Tag). In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13. September 2012 schlossen die Beteiligten einen verfahrensbeendenden Vergleich Am 11. März 2013 hat der Kläger Entschädigungsklage zunächst vor dem Brandenburgischen Oberlandesgericht (OLG) gegen das Land Brandenburg eingereicht und eine Entschädigung von zumindest 2.400,00 EUR wegen des beim LSG geführten Berufungsverfahrens L 4 R 319/08 begehrt. Die berufungsinstanzliche Verfahrensdauer von vier Jahren, sechs Monaten und 22 Tagen sehe er als unangemessen lang an. Laut Geschäftsbericht des LSG seien im Jahr 2008 Berufungsverfahren durchschnittlich nach 12,4 Monaten beendet, wobei Entscheidungen, die durch Urteil abgeschlossen worden seien, durchschnittlich 20,6 Monate gedauert hätten. Der Geschäftsbericht für das Jahr 2009 weise für 66% aller Verfahren eine Verfahrensdauer von maximal 24 Monaten aus. Nur 34% hätten länger als 24 Monate gedauert. Für das Jahr 2010 weise die Statistik des LSG gleiche Prozentsätze aus. Das Verfahren habe aus seiner Sicht allenfalls zwei, maximal zweieinhalb Jahre dauern dürfen.

Die Klage ist beim OLG zunächst unter dem Az. 11 EK 2/13 registriert und nach Anhörung vom 14. März 2013 am 27. März 2013 formlos an LSG abgegeben worden, wo sie am 28. März 2013 eingegangen und unter dem Az. L 37 SF 106/13 EK R registriert worden ist.

Mit Schriftsatz vom 27. Januar 2014 hat der Kläger auf gerichtlichen Hinweis vom 17. Januar 2014 seine Klage geändert und begehrt nunmehr die Verurteilung des Landes Berlin.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entschädigung, zumindest aber 2.400,00 EUR wegen der unangemessenen Dauer des von ihm unter dem Az. L 4 R 319/08 beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 19. Februar 2008 bis 13. September 2012 geführten Berufungsverfahrens zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klage sei bereits deshalb unbegründet, weil der Kläger nicht unverzüglich die Verzögerungsrüge erhoben habe (Art. 23 Satz 1 und 2 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 - BGBl. I, S. 2302 -). Die von dem Kläger mit Schriftsatz vom 14. Juni 2012 am 18. Juni 2012 – d. h. mehr als sechs Monate nach dem Inkrafttreten des GRüGV - erhobene Verfahrensrüge sei nicht mehr als unverzüglich, d. h. "ohne schuldhaftes Zögern", eingelegt anzusehen. Es liege auch kein Fall gemäß Art 23 Satz 4 GRüGV vor, in dem es keiner Verzögerungsrüge bedürfe. Damit seien die behaupteten Verzögerungen, die vor dem 18. Juni 2012 lägen, zur Begründung des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs nicht heranzuziehen (Art. 23 Satz 3 GRüGV). Für die Zeit vom 18. Juni 2012 bis zum Abschluss des Verfahrens am 13. September 2012 seien keinerlei Verzögerungen in der Bearbeitung zu erkennen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zwar zulässig, nicht jedoch begründet.

A. Die auf Gewährung einer Entschädigung gerichtete Klage ist zulässig.

I. Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. GVG sowie die §§ 183, 197a und 202 SGG, jeweils in der Fassung des GRüGV vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer handelt es sich nicht um einen Amtshaftungsanspruch im Sinne des Art. 34 des Grundgesetzes (GG). Es ist daher nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern vorliegend der zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das SGG tritt. Für die Entscheidung über die Klage ist daher das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zuständig.

II. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i. V. m. § 202 Satz 2 SGG sind die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Der Kläger macht angesichts der Regelung des § 198 GVG nachvollziehbar geltend, auf die begehrte Entschädigungszahlung, die eine Leistung i. S. d. § 54 Abs. 5 SGG darstellt, einen Rechtsanspruch zu haben. Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl. § 198 Abs. 5 GVG). Vielmehr lässt die amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 17/3802, S. 22 zu Abs. 5 Satz 1), nach der der Anspruch nach allgemeinen Grundsätzen auch vor einer Klageerhebung gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger geltend gemacht und außergerichtlich befriedigt werden kann, erkennen, dass es sich hierbei um eine Möglichkeit, nicht jedoch eine Verpflichtung handelt.

III. Auch ist die Klage form- und fristgerecht erhoben. Die gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebene Schriftform ist eingehalten. Gleiches gilt für die Einlegungsfrist. Insbesondere sind die Maßgaben des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG, der vorsieht, dass eine Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens erhoben werden darf, gewahrt. Denn die Erhebung der Klage, d. h. der Eingang der Klageschrift (im SGG ausreichend nach § 90), beim OLG am 11. März 2013 – etwas weniger als 6 Monate nach Beendigung des Ausgangsverfahrens am 13. September 2012 – wahrt gemäß § 91 SGG die Klagefrist. Auch die Wartefrist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG ist eingehalten worden.

B. Allerdings ist die Klage zur Überzeugung des Senats nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens.

I. Richtiger Beklagter ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats das Land Berlin, obwohl der Kläger auch die Dauer des in der Berufungsinstanz seit dem 15. Juni 2007 vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg geführten Verfahrens rügt und dieses Gericht seinen Sitz im Land Brandenburg hat (vgl. die Senatsentscheidungen vom 06. Dezember 2013 – L 37 SF 69/12 EK KA – und L 37 SF 2/13 EK U -, beide in juris).

Auch die Übertragung der Vertretung des beklagten Bundeslandes Berlin auf die Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (§ 29 Abs. 1 Satz 1 der Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz vom 22. Oktober 2012, Amtsblatt Berlin 2012, 1979) ist nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte diese Übertragung durch eine Verwaltungsanweisung vorgenommen werden; ein Gesetz war nicht erforderlich (so Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 17. April 2013 - X K 3/12 - juris, Rn. 30 ff. für die vorher geltende Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz vom 20.09.2007, Amtsblatt Berlin 2007, 2641; ebenso die ständige Rechtsprechung des Senats: Urteile vom 06. Dezember 2013 – L 37 SF 69/12 EK KA – und L 37 SF 2/13 EK U -, a. a. O.).

II. Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch liegen jedoch nicht vor.

a) Der Kläger macht allein eine unangemessene Dauer des am 19. Februar 2008 beim LSG Berlin-Brandenburg eingeleiteten und letztlich durch Vergleich am 13. September 2012 beendeten und damit insgesamt gut vier Jahre und knapp sieben Monate bei Gericht anhängigen Berufungsverfahrens geltend. Insoweit rügt er eine Verzögerung von mindestens zwei Jahren und einen Monat. Für diesen Zeitraum begehrt er ausweislich der Klageschrift eine Entschädigung allein für den ihm entstandenen immateriellen Nachteil.

Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG). Dies gilt nach Art. 23 Satz 2 bis 5 GRüGV für anhängige Verfahren, die bei Inkrafttreten des GRüGV schon verzögert sind, mit der Maßgabe, dass die Verzögerungsrüge unverzüglich nach Inkrafttreten des GRüGV erhoben werden muss. Nur in diesem Fall wahrt die Verzögerungsrüge einen Anspruch nach § 198 GVG auch für den vorausgehenden Zeitraum.

Ausgehend von der Ansicht des Klägers, dass das Berufungsverfahren längstens zweieinhalb Jahre (also bis zum August 2010) habe andauern dürfen und damit zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des GRüGV am 03. Dezember 2011 bereits verzögert gewesen sei, ist die am 18. Juni 2012 beim LSG eingegangene Verzögerungsrüge nicht unverzüglich i. S. d. Gesetzes. Dabei kann dahinstehen, ob hinsichtlich der Unverzüglichkeit zumindest im Falle anwaltlicher Vertretung von einer Frist von einem Monat ab Inkrafttreten des GRüGV am 03. Dezember 2011 (so die Senatsurteile vom 02. August 2013 – L 37 SF 252/12 EK AL – und – L 37 SF 274/12 EK AS – beide juris) auszugehen ist oder ob der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 07. November 2013 – X K 13/12 – in juris Rn 31, 39) sowie des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 10. April 2014 – III ZR 335/13 – in juris Rn. 25) folgend eine Frist von drei Monaten ab Inkrafttreten des GRüGV anzusetzen ist, denn die rund sechseinhalb Monate nach Inkrafttreten des GRüGV beim LSG eingegangene Verzögerungsrüge ist in jedem Falle nicht mehr als unverzüglich anzusehen.

Die Gewährung einer Entschädigung für die Dauer des Verfahrens bis zum 17. Juni 2012 kommt bei einer – wie hier – nicht unverzüglich erhobenen Verzögerungsrüge damit von vornherein nicht in Betracht (vgl. u. a. das Senatsurteil vom 02. August 2013 – L 37 SF 252/12 EK AL – a. a. O.; Urteil des BGH vom 10. April 2014 – III ZR 335/13 – a. a. O. Rn. 29ff.).

b) Im Hinblick auf die damit allein noch möglicherweise entschädigungsrelevante weitere Dauer des Verfahrens bis zu dessen Beendigung am 13. September 2012 steht dem Kläger – auch im Hinblick auf eine bei zunehmender Verfahrensdauer bestehenden Förderungspflicht – eine Entschädigung nicht zu, da dieser dann nur noch zu beurteilende Verfahrensabschnitt nicht unangemessen lange gedauert hat. Mit Blick auf den Verfahrensverlauf ist festzustellen, dass in der Zeit ab dem 18. Juni 2012 keine Verzögerungen eingetreten sind. Vielmehr ist der Rechtsstreit bereits am 07. August 2012 zum 13. September 2012 terminiert und sodann beendet worden.

c) Im Übrigen scheitert eine Entschädigung für die Restdauer des Verfahrens von der Erhebung der Verzögerungsrüge bis zum Abschluss des Verfahrens am 13. September 2012 auch schon daran, dass der Rechtsstreit insgesamt nicht unangemessen lang gedauert hat.

Beurteilungsmaßstab für die Verfahrensdauer ist zur Überzeugung des Senats mit Blick auf die - auf den Zeitraum von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens abstellende - Legaldefinition in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG grundsätzlich das gesamte Verfahren bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss, auch wenn der Kläger lediglich die unangemessene Dauer des Berufungsverfahrens und nur hierfür eine Entschädigung geltend macht. Denn Gegenstand des jeweiligen Ausgangsverfahrens ist ein vom Kläger bzw. der Klägerin geltend gemachter prozessualer Anspruch, über den – so von der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, Gebrauch gemacht wird – nicht in nur einer Instanz geurteilt wird. Weiter ist es gerade in der Sozialgerichtsbarkeit mit zwei vollständigen Tatsacheninstanzen typisch, dass der Umfang der erstinstanzlich getätigten Ermittlungen das Ausmaß der in der zweiten Instanz noch anzustrengenden bedingt, sodass eine isolierte Betrachtung jedenfalls dieser beiden Instanzenzüge zu zufälligen Ergebnissen führen würde. Ist entschädigungsrelevantes Gerichtsverfahren im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG jedoch das Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss insgesamt, kann eine Entscheidung darüber, ob gegen Art. 6 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), Art. 19 Abs. 4 GG verstoßen worden ist, typischerweise erst dann getroffen werden, wenn das Verfahren abgeschlossen ist. Insofern ist es durchaus denkbar, dass die etwas verzögerte Bearbeitung in der einen Instanz durch eine besonders zügige Bearbeitung in einer anderen (teilweise) kompensiert wird. Allerdings wird eine noch so schnelle Bearbeitung in einer Instanz kaum geeignet sein, eine eklatant überlange Dauer in einer anderen noch auszugleichen (so schon ausführlich und unter Wiedergabe diverser Nachweise: Urteil des Senats vom 04.09.2013 – L 37 SF 66/12 EK VG -, juris, Rn. 49 ff.; vgl. auch BGH, Urteil vom 23.01.2014 – III ZR 37/13 – zitiert nach juris, Rn. 37, der auf die Gesamtverfahrensdauer abstellt).

Ob die Verfahrensdauer angemessen ist, richtet sich nicht nach starren Fristen. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber bewusst (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks. 17/3802, S. 18 zu § 198 Abs. 1) von der Einführung bestimmter Grenzwerte für die Dauer unterschiedlicher Verfahrenstypen abgesehen, weil eine abstrakt-generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, nicht möglich ist (vgl. Ott in Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 Rn. 68 m. w. N.).

Ebenso wenig aber kommt es - entgegen der Ansicht des Klägers – für die Entscheidung, ob ein Verfahren als überlang anzusehen ist, entscheidend darauf an, ob bis zu seiner Erledigung die durchschnittliche Verfahrenslaufzeit überschritten wurde. Das – so wohl vom Kläger für möglich erachtete - alleinige Abstellen auf die durchschnittliche Verfahrensdauer des konkreten Gerichts verbietet sich schon vor dem Hintergrund, dass andernfalls ein und dasselbe z.B. zwei Jahre dauernde Verfahren in einem personell schlecht ausgestatteten Gericht, in dem die durchschnittliche Verfahrensdauer entsprechend lang ist, noch lange nicht als unangemessen anzusehen wäre, wohl aber in einem sehr gut ausgestatteten mit kurzen durchschnittlichen Verfahrenszeiten. Im Übrigen sind die in der Sozialgerichtsbarkeit zu bearbeitenden Verfahren in ihrem Umfang und Schwierigkeitsgrad so unterschiedlich, dass die Bildung eines einheitlichen Durchschnittswerts nicht zu sachgerechten Ergebnissen führte, während die Feststellung einer durchschnittlichen Verfahrensdauer für miteinander vergleichbare Rechtsstreitigkeiten tatsächlich unmöglich sein dürfte (so schon das Senatsurteil vom 06. Dezember 2013 – L 37 SF 2/13 EK U – in juris).

Vielmehr regelt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich, dass es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten ankommt. Lediglich beispielhaft und ohne abschließenden Charakter werden hier - in Anknüpfung an die vom Bundesverfassungsgericht sowie vom EGMR im Zusammenhang mit der Frage überlanger gerichtlicher Verfahren entwickelten Maßstäbe - Umstände benannt, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind. Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer ist danach - so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks. 17/3802, S. 18 f. zu § 198 Abs. 1) - unter dem Aspekt einer möglichen Mitverursachung zunächst die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat. Außerdem sind insbesondere zu berücksichtigen die Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falles sowie die Bedeutung des Rechtsstreits. Hier ist nicht nur die Bedeutung für den auf Entschädigung klagenden Verfahrensbeteiligten aus der Sicht eines verständigen Betroffenen von Belang, sondern auch die Bedeutung für die Allgemeinheit. Relevant ist ferner das Verhalten sonstiger Verfahrensbeteiligter sowie das Verhalten Dritter. Hingegen kann sich der Staat zur Rechtfertigung der überlangen Dauer eines Verfahrens nicht auf Umstände innerhalb des staatlichen Verantwortungsbereichs berufen; vielmehr muss er alle notwendigen Maßnahmen treffen, damit Gerichtsverfahren innerhalb einer angemessenen Frist beendet werden können. Deshalb kann bei der Frage der angemessenen Verfahrensdauer nicht auf die chronische Überlastung eines Gerichts, länger bestehende Rückstände oder eine allgemein angespannte Personalsituation abgestellt werden.

Allerdings reichen die in § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benannten Umstände nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteile vom 21.02.2013 - B 10 ÜG 1/12 und 2/12 KL -, zitiert nach juris, jeweils Rn. 25 ff. und m. w. N.), der der Senat sich anschließt, zur Ausfüllung des Begriffs der unangemessenen Verfahrensdauer in § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG nicht aus. Vielmehr sind diese Umstände in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen. So verdeutlicht bereits die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit, dass es auf eine Beeinträchtigung eines Grund- und Menschenrechts durch die Länge des Gerichtsverfahrens ankommt. Es wird damit von vornherein eine gewisse Schwere der Belastung vorausgesetzt, sodass nicht jede Abweichung vom Optimum ausreicht, vielmehr eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen muss. Weiter verbietet sich das Ziehen einer engen zeitlichen Grenze bei der Bestimmung der Angemessenheit einer Verfahrensdauer zum einen im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG), zum anderen unter Berücksichtigung des Ziels einer inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidungen. Schließlich muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat, sodass ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten ist (so auch z. B. BFH, Urteil vom 07. November 2013 – X K 13/12 – in juris Rn. 54 f.).

Gemessen daran liegt hier trotz der objektiv langen Verfahrensdauer (insgesamt: 19. Mai 2003 bis zum 13. September 2012, mithin rund neun Jahre und vier Monate) keine entschädigungsrelevante Überlänge vor. Die Verfahrensdauer ist weder auf eine schlechte personelle Ausstattung der Gerichte noch auf Untätigkeit der mit der Bearbeitung betrauten Richterinnen und Richter zurückzuführen. Im Gegenteil weist das Verfahren Besonderheiten auf, die es diesen unmöglich gemacht haben, das Verfahren wesentlich zügiger zum Abschluss zu bringen.

Vorliegend ist zu beachten, dass das Ausgangsverfahren zur Überzeugung des Senats aufgrund der notwendigen aufwändigen medizinischen Ermittlungen – hier sind allein fünf medizinische Gutachten eingeholt worden, drei davon im erstinstanzlichen Verfahren, zwei im Berufungsverfahren - von überdurchschnittlicher Schwierigkeit bzw. Komplexität gewesen ist. Die wirtschaftliche Bedeutung der Sache für den Kläger als mindestens durchschnittlich einzustufen, da es um monatliche Rentenleistungen ging.

Mit Blick auf den Verfahrensablauf ist festzustellen, dass das Verfahren ab Eingang der Klage beim SG am 19. Mai 2003 von diesem konsequent gefördert worden ist. Soweit es trotz der gerichtlichen Ankündigung vom 17. September 2003, ein orthopädisches Gutachten einholen zu wollen, erst am 09. Februar 2005 zur entsprechenden Beweisanordnung gekommen ist, beruht dies nicht auf einer Untätigkeit des Gerichts, sondern auf den äußeren – von den Beteiligten bestimmten – Umständen und üblicherweise im sozialgerichtlichen Rentenstreitverfahren maßgebenden, sich aus den Besonderheiten des Erwerbsminderungsrentenrechts ergebenden, nicht sachfremden Erwägungen. Zunächst war dem Kläger im Rahmen des rechtlichen Gehörs Gelegenheit zur Stellungnahme nach erfolgter Akteneinsicht einzuräumen. Sodann war, nachdem die damalige Beklagte im Gefolge des Reha-Entlassungsberichtes vom 04. Juli 2003 ein Verfahren zur Prüfung der Gewährung notwendiger Leistungen zur Teilhabe eingeleitet hatte, bei welchem der Kläger auch mitwirkte, nach dem Grundsatz "Reha vor Rente" dessen Verlauf zunächst abzuwarten. Schließlich hatte der Kläger unter dem 12. November 2004 mitgeteilt, dass er am 19. Oktober 2004 am Schultergelenk operiert worden war, was eine Gutachteneinholung vor Ablauf einer Heilungsphase nicht sinnvoll machte. In der Folgezeit (09. Februar 2005 bis 27. März 2007) sind drei medizinische Gutachten jeweils unter Setzung der in der Sozialgerichtsbarkeit allgemein üblichen Frist von drei Monaten eingeholt worden und beim SG eingegangen. Soweit die Sachverständigen säumig waren, ist seitens des SG jeweils erinnert und auf eine baldige Erledigung gedrängt worden, sodass das Gericht in diesem Zusammenhang alles ihm mögliche zur Verfahrensbeschleunigung getan hat. Das letzte Gutachten ist zudem auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG und nicht von Amts wegen eingeholt worden. Nach Eingang des letzten Gutachtens konnte der Rechtsstreit durch das SG erstinstanzlich keiner Entscheidung zugeführt werden, da der Kläger zunächst ein weiteres Gutachten nach § 109 SGG beantragte. Der Kläger trug bis zum September 2007 noch zur Sache vor, u. a. mit neuen medizinischen Befunden. Knapp drei Monate danach erfolgte die Ladung zur mündlichen Verhandlung.

Auch zweitinstanzlich ist das Verfahren ab Eingang der Berufung am 19. Februar 2008 von gerichtlicher Seite durchgehend konsequent gefördert worden. Die mehrfachen Berichterstatterwechsel haben ausweislich der in den Gerichtsakten enthaltenen Verfügungen keinen Niederschlag in etwaigen Liegezeiten gefunden. Im Berufungsverfahren ist es dann auf Antrag des Klägers zur Einholung von zwei weiteren Gutachten nach § 109 SGG gekommen, deren Einholung und Auswertung durch die Beteiligten - einschließlich der Notwendigkeit, die benannten Sachverständigen vorher zu befragen, ob sie den Kläger schon behandelt haben sowie welche Kosten anfallen werden sowie zahlreicher Erinnerungen – allein insgesamt rund 20 Monate (24. Oktober 2008 bis Mitte August 2009; 18. November 2010 bis Anfang Oktober 2011) in Anspruch genommen hat. Soweit es gleich anfangs des Berufungsverfahrens zu einer gewissen Verzögerung dadurch gekommen ist, dass die damalige Beklagte trotz mehrfacher Erinnerungen erst am 25. August 2008 auf die Berufung erwiderte und am 17. September 2008 die Verwaltungsakten versandte (Eingang beim LSG am 25. September 2008) ist dies nicht dem Gericht bzw. dem jetzigen Beklagten anzulasten. Soweit darüber hinaus in der ersten Jahreshälfte 2010 zunächst vom Gericht versäumt worden ist, die behandelnde Internistin an die Erstellung des am 07. Januar 2010 angeforderten Befundberichts zu erinnern, und dieser daher (nach gerichtlicher Erinnerung vom 16. Juni 2010) erst am 23. Juni 2010 beim LSG eingegangen ist, hat sich dies nicht entscheidend auf den Verfahrensablauf ausgewirkt, da die Beteiligten zwischenzeitlich unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme bzw. eines Attestes ihre Standpunkte zur Frage einer Erwerbsminderung aufgrund neurologisch-psychiatrischer Aspekte austauschten. Am 16. Dezember 2011 hat der Berichterstatter das Verfahren als entscheidungsreif beurteilt und in das so gen. "VT-Fach" verfügt. Soweit es danach nicht unmittelbar zu einer gerichtlichen Entscheidung bzw. Beendigung des Verfahrens gekommen ist, ist dies nicht dem Verantwortungsbereich des Beklagten zuzuordnen bzw. vom Kläger hinzunehmen. Hinsichtlich der Frage der Terminierung ist jedem Vorsitzenden ein Gestaltungsspielraum zuzubilligen (vgl. das Senatsurteil vom 06. Dezember 2013 – L 37 SF 2/13 EK U – a. a. O.). Hier besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass dieser Gestaltungsspielraum eventuell überschritten worden sein könnte. Zumal sich das Interesse des Klägers zunächst offenbar nicht auf eine zügige Beendigung des Verfahrens richtete, vielmehr beantragte er eine weitere Stellungnahme des zuletzt befragten Sachverständigen (Schriftsatz vom 21. Dezember 2011). Zwar ist dieser versehentlich einer falschen Gerichtsakte zugeordnet worden, so dass erst im Mai 2012 vom Gericht darauf reagiert wurde, was dann zur Klarstellung der begehrten Verfahrensweise durch den Kläger (kein Antrag nach § 109 SGG) sowie zur Verzögerungsrüge und zur Ladung am 07. August 2012 zur mündlichen Verhandlung am 13. September 2012, in welcher das Verfahren beendet wurde, führte. Nicht jedes menschliche Versagen (hier mit der Folge einer Verzögerung von maximal vier Monaten) bedingt jedoch eine entschädigungsrelevante Verzögerung.

Durch die Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG an die Verletzung konventions- und verfassungsrechtlicher Normen (Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 19 Abs. 4 GG) wird deutlich gemacht, dass die durch die lange Verfahrensdauer verursachte Belastung einen gewissen Schweregrad erreichen muss. Es reicht nicht jede Abweichung von einer optimalen Verfahrensführung aus (Urteil des BGH vom 05. Dezember 2013 - III ZR 73/13, NJW 2014, 789 Rn. 42, 55). Allzu "kleinteilige" Überlegungen sind bei der Bemessung der (noch) akzeptablen Verfahrensdauer verfehlt. Für die Anwendung eines eher größeren Zeitrahmens spricht auch, dass § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG die Entschädigungspauschale von 1.200 EUR für immaterielle Nachteile lediglich als Jahresbetrag ausweist und die Verzögerungsrüge gemäß § 198 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 GVG frühestens nach einem halben Jahr wiederholt werden kann (Schlick, Festschrift für Klaus Tolksdorf, S. 549, 555). Bei geringfügigen Verzögerungen in einzelnen Verfahrensabschnitten, die gegenüber der Gesamtverfahrensdauer nicht entscheidend ins Gewicht fallen, werden eine Geldentschädigung oder sonstige Wiedergutmachung daher regelmäßig nicht in Betracht kommen (so auch Urteile des BGH vom 13. Februar 2014 - III ZR 311/13, in BeckRS 2014, 04692 Rn. 28 sowie vom 10. April 2014 – III ZR 335/13 – a. a. O. Rn. 37; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10, juris Rn. 16; Steinbeiß-Winkelmann/Sporrer, NJW 2014, 177, 182 zur Frage einer "Geringfügigkeitsschwelle"). So liegt der Fall hier. Bei einem mehrjährigen, sich über zwei Instanzen erstreckten Rentenverfahren, das durch eine umfangreiche Beweisaufnahme mit Einholung mehrerer Gutachten gekennzeichnet ist, wahrt eine Verfahrensverzögerung von vier Monaten noch den entschädigungslos hinzunehmenden Toleranzrahmen (hierzu: BGH, Urteil vom 10. April 2014 – III ZR 335/13 – a. a. O. Rn. 37).

Nach alledem rechtfertigt eine Gesamtbetrachtung auch unter Beachtung der aufgetretenen Verzögerungen daher nicht die Annahme, dass die Gesamtdauer des Verfahrens unangemessen gewesen wäre. Daher scheidet auch eine unangemessene Dauer des Berufungsverfahrens und eine diesbezügliche Entschädigung aus. Letztlich kommt somit auch eine nach § 198 Absatz 4 GVG mögliche Feststellung der überlangen Verfahrensdauer nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Die Streitwertentscheidung folgt aus § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.
Rechtskraft
Aus
Saved