L 24 KA 97/13 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
24
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KA 97/13 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Es ist nicht offensichtlich rechtswidrig, nach § 87 a Abs. 2 Satz 3 und Abs. 4 SGB V vereinbarte Anpassungen der Gesamtvergütung auf die beteiligten Krankenkassen nach der Zahl der Versicherten umzulegen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Streitwert wird auf 100.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist die in dem Beschluss des Antragsgegners vom 2. Oktober 2013 vorgenommene Verteilung einzelner beschlossener Erhöhungen der Gesamtvergütung auf die einzelnen Krankenkassen.

Die Vereinbarung der Gesamtvergütung für das Jahr 2013 wurde auf Antrag der Beigeladenen zu 1) durch Beschluss des Antragstellers vom 2. Oktober 2013 festgesetzt. In § 2 Abs. 3 Satz 1 des Beschlusses ist bestimmt, dass die Krankenkassen mit Bezug auf die Beschlüsse des Bewertungsausschusses aus der 288. und 295. Sitzung einen Betrag von 20.740.000 EUR zur Verfügung stellen. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 des Beschlusses ist der auf den Beschluss des Bewertungsausschusses aus der 295. Sitzung entfallende Betrag von 7.914.956,32 EUR auf die Krankenkassen entsprechend der Versichertenzahl umzulegen. Entsprechend § 2 Abs. 3 Satz 3 erfolgt zur Förderung nach § 87a Abs. 2 Satz 3 SGB V im fachärztlichen Bereich eine Anhebung um 14.600.000 EUR und im hausärztlichen eine um 2.900.000 EUR. Die Aufteilung dieser Beträge auf die einzelnen Krankenkassen erfolgt – ebenso wie die des nach § 2 Abs. 3 Satz 1 nach Abzug von 7.914.956,32EUR verbleibenden Restbetrag - gemäß § 2 Abs. 3 Satz 7 des Beschlusses nach der Zahl der Mitglieder der beteiligten Krankenkassen.

Gegen den ihr am 31. Oktober 2013 zugestellten Beschluss des Antragsgegners richten sich die am 29. November 2013 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Klage und der am selben Tag eingegangene Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Die für 2013 festgesetzte Gesamtvergütung sei Basis für die Gesamtvergütungen der folgenden Jahre. Eine nachträgliche Korrektur des Beschlusses sei nur mit hohem Aufwand möglich. Im Einklang mit der Rechtsprechung des LSG Sachsen-Anhalt (Hinweis auf Beschluss v. 11. Juli 2013 – L 9 KA 5/13 ER KL) werde im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die (teilweise) Aufhebung und Änderung des Beschlusses des Antragsgegners wegen dessen offenbarer Widersprüche zu gesetzlichen Bestimmungen begehrt. Die durch die angegriffenen Teile des Schiedsspruchs ausgelöste Mehrbelastung für alle durch die Antragstellerin vertretenen Krankenkassen betrage ungefähr 200.000 EUR.

Die Rechtswidrigkeit der vorgesehenen Verteilung der in § 2 Abs. 3 Satz 1 des Beschlusses vorgesehenen nach Abzug von 7.914.956,32 EUR noch verbleibenden des 12.825.043,68 EUR ergebe sich aus § 87a Abs. 4 Satz 2 SGB V. Diese Vorschrift gebe vor, dass der Anteil jeder Krankenkasse an einem geänderten Behandlungsbedarf nach dem Anteil der Krankenkasse am Behandlungsbedarf des Vorjahres zu bestimmen sei. Veränderungen der Morbiditätsstruktur seien als prozentualer Auf- bzw. Abschlag auf den Behandlungsbedarf des Vorjahres zu berücksichtigen. Eine unterschiedliche Morbiditätslast werde auf der Einnahmenseite durch den morbiditätsbedingten Risikostrukturausgleich ausgeglichen. Dem müssten systembedingt bei höherer Morbidität auch höhere Ausgaben gegenüber stehen. Sie – die Antragstellerin – wende sich dagegen, dass die Beschlüsse des Bewertungsausschusses nur insoweit angewandt und beachtet würden, als sie Krankenkassen mit hoher Marktmacht begünstigten. Die Aufteilung des Betrages von 7.914.956,32 EUR nach der sich aus der ANZVER87a-Statistik ergebenden Versichertenzahl sei durch Beschluss des Bewertungsausschusses in dessen 295. Sitzung am 18. Dezember 2012 so festgelegt worden und werde deswegen auch von ihr – der Antragstellerin – nicht angegriffen. Im Übrigen habe der Bewertungsausschuss in seiner 288. Sitzung auch beschlossen, dass Zuschläge für besonders förderungsfähige Leistungen oder besonders förderungsfähige Leistungserbringer vereinbart werden könnten. Die Aufteilung der in Ausführung dieser Vorgaben in § 2 Abs. 3 Satz 3 des angegriffenen Beschlusses bestimmten 17.500.000,00 EUR habe über die Abrechnung von Punktwertzuschlägen erfolgen müssen. Bei angenommener Unpraktikabilität sei allenfalls der hilfsweise geforderte einheitliche prozentuale Zuschlag auf den Behandlungsbedarf bzw. die Morbiditätsorientierte Gesamtvergütung als sachgerecht anzusehen. Die stattdessen vorgenommene Aufteilung des Betrages auf alle Versicherten belaste auch die Krankenkassen, deren Versicherte nicht zum Arzt gehen würden. Zudem ergebe sich aus dem Beschluss des Antragsgegners, dass auch die in § 2 Abs. 3 Satz 3 genannten 17.500.000,00 Mio EUR die Morbiditätsstruktur abbilden und vergüten sollten, was nach § 87 Abs. 4 SGB V zwingend zu einem prozentualen Auf- oder Abschlag auf den Behandlungsbedarf führen müsse.

Seit Einführung des kassenartenübergreifenden Vertragsschlusses im Jahre 2009 seien die Krankenkassen als potenzielle Konkurrenten zu einem einheitlichen und gemeinsamen Handeln verpflichtet. Der Gesetzgeber müsse deswegen zwingend Regeln vorgeben, wie die Verteilung der gemeinsam und einheitlich festgesetzten Vergütung unter den Krankenkassen zu erfolgen habe. Die vorgegebenen Verteilungsparameter seien streng zu beachten, da sich anderenfalls Möglichkeiten für marktmächtige Krankenkassen ergeben würden, auf die Verteilung zu ihren Gunsten Einfluss zu nehmen. Aus einer mittlerweile vorliegenden Auswertung über die voraussichtliche Verwendung der Mittel für förderungswürdige Leistungen ergebe sich, dass der Förderungsbetrag von 17,5 Mio Euro ausschließlich für bestimmte ärztliche Leistungen an Versicherte verwandt wurden. Es sei bereits im Landesschiedsamt Konsens gewesen, die zusätzlichen Mittel im hausärztlichen Bereich überwiegend für die bessere Vergütung von Besuchen in Pflegeeinrichtungen und die im fachärztlichen Bereich für die bessere Vergütung der Grundpauschale zu verwenden. Seit dem 1. Januar 2014 gelte auch ein Honorarverteilungsmaßstab, der die identische Verwendung der Mittel für förderungswürdige Leistungen weiter vorgebe. Aber auch im Jahre 2013 seien alle förderungswürdigen Leistungen versichertenbezogen honoriert worden.

Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der Folgewirkung des Beschlusses für 2014. Schon nach § 87a Abs. 4 Satz 1 SGB V müsse die Gesamtvergütung 2014 auf der Basis der Gesamtvergütung 2013 vereinbart werden. Außerdem stehe auch im Jahre 2014 wegen der vom Erweiterten Bewertungsausschuss mittlerweile beschlossenen Erhöhung des Volumens für die haus- und fachärztliche Grundversorgung erneut ein identischer Sachverhalt zur Entscheidung an. Die in Frage stehende Verteilung zwischen den Krankenkassen, bei denen es sich um Konkurrenten handele, belaste sie – die Antragstellerin – viel stärker als Zahlungen zugunsten der Vertragsärzte. Ohne Klärung der strittigen Punkte werde sie keine Vergütungsvereinbarung für das Jahr 2014 unterzeichnen. Bei Weiterführung oder Ausweitung der rechtwidrigen Verteilung der Gesamtvergütung würden sich ihre finanziellen Belastungen zu Gunsten ihrer Konkurrenten erhöhen. Für sie – die Antragstellerin - als regionale Krankenkasse habe der angegriffene Beschluss größere Bedeutung als für ihre Konkurrenten. Wegen der zu erwartenden Änderung des Beitragsrechts müsse sie Klarheit über ihre aktuelle und zukünftige finanzielle Situation haben und deswegen vor dem Sommer 2014 Gewissheit über die Rechtswidrigkeit des Schiedsspruchs erhalten.

Die Antragstellerin beantragt,

im Wege der einstweiligen Anordnung § 2 Abs. 3 Satz 7 des Beschlusses des Antragsgegners vom 2. Oktober 2013 dahingehend zu ändern, dass entsprechend der Beschlüsse des Bewertungsausschusses in der 288. Sitzung 1.) der Betrag aus § 2 Abs. 3 Satz 1 ohne Satz 2 des Beschlusses in Höhe von 12.825.043,86 EUR als einheitliche prozentuale Erhöhung auf den nach § 2 Abs. 2 des Beschlusses je Krankenkasse bestimmten versichertenbezogenen Behandlungsbedarf aufgeschlagen wird und 2.) der Betrag aus § 2 Abs. 3 Satz 3 des Beschlusses in Höhe von 17.500.000.00 EUR als Zuschlag auf den Orientierungswert der betroffenen Leistungen auf die Krankenkassen entsprechend der tatsächlichen Leistungserbringung aufgeteilt, hilfsweise, dieser Betrag als einheitliche prozentuale Erhöhung auf den nach § 2 Abs. 2 des Beschlusses je Krankenkasse bestimmten versichertenbezogenen Behandlungsbedarf aufgeschlagen wird.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin mutmaße nur über die Bedeutung der Festlegung der Gesamtvergütung für das Jahr 2013 für die folgenden Jahre, da entscheidend das Verhandlungsergebnis im Jahre 2014 sei. Auch sei nach den eigenen Angaben der Antragstellerin nur ein Umschichtungsvolumen zwischen den Krankenkassen in Höhe von 200.000 EUR streitig. Selbst wenn die zu fördernden Leistungen nur versichertenbezogen seien und deswegen auch nur nach ihrer Inanspruchnahme mit den Krankenkassen abgerechnet werden dürfte, bleibe ein Verstoß gegen diese Grundsatz doch unterhalb der Relevanzschwelle und damit noch innerhalb des Gestaltungsermessens. Im Übrigen sei schon die Grundlage der Antragstellerin zweifelhaft. In seinen - des Antraggegners – Verhandlungen habe die Sicherstellung der Versorgung die entscheidende Rolle gespielt. Insoweit sei das Kongruenzargument aber nicht erheblich.

Die Beigeladene zu 1) hält die Entscheidung des Antragsgegners für rechtmäßig. Wenngleich die Empfehlung des Bewertungsausschusses dahin tendiere, die Veränderungen der Morbiditätsstruktur proportional zum Leistungsbedarf der Versicherten im Vorjahr aufzuteilen, sei der Antragsgegner davon ausgegangen, dass sich die Morbidität im Abrechnungsverhalten nur bedingt ausdrücke. Auch das SGB V beziehe sich für Veränderungen auf die Gesamtheit aller Versicherten und biete so einen Rahmen für die Entscheidung des Antragsgegners. Zudem sei ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich, da mögliche Veränderungen noch im Nachhinein berücksichtigt werden könnten und der Wettbewerbsnachteil der Antragstellerin nicht ausschlaggebend sei.

Auch die Beigeladene zu 2) hält die Entscheidung des Antragsgegners für nicht zu beanstanden. Der Umfang der gerichtlichen Kontrolle sei durch die Beurteilungsspielräume und das Gestaltungsermessen des Antragsgegners erheblich eingeschränkt. Unter Beachtung der Intention, durch die nach Zahl der Versicherten aufgeteilten Zuschläge die Aufrechterhaltung und den Ausbau einer flächendeckenden Versorgung zu sichern, seien die vorgenommenen Festsetzungen nicht zu beanstanden. Ein Eilbedürfnis sei zudem nicht erkennbar, da die Antragstellerin in den Jahren 2011 und 2012 Überschüsse in Höhe von 20,9 und 21,6 Mio Euro erwirtschaftet habe. Der vom LSG Sachsen-Anhalt entschiedene Fall sei weder rechtlich noch tatsächlich vergleichbar. Vorgreiflichen Rechtswirkungen für 2014 könne durch Anpassungs- oder Vorbehaltsklauseln begegnet werden. Die Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Antragsgegners ergebe sich auch nicht daraus, dass die Beigeladene zu 1) die zusätzlichen Mittel nur zur Finanzierung bestimmter Leistungen verwende. Denn die Verwendung der Mittel sei durch den Antragsgegner nicht vorgegeben, sondern erst im Nachhinein von der Beigeladenen zu 1) festgelegt worden.

Die übrigen Beigeladenen haben sich zum Verfahren nicht geäußert.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

In der vorliegenden Fassung ist der gestellte Antrag bereits unzulässig. Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn andernfalls die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Recht des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (Sicherungsanordnung). Gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Voraussetzung sind jeweils das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf das geltend gemachte materielle Recht, für dessen Bewahrung oder Durchsetzung der Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt wird. Der Anordnungsgrund betrifft die besondere Dringlichkeit, die das Eingreifen des Gerichts gerade im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erst rechtfertigt. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). In der Sache darf der Erlass einer einstweiligen Anordnung sowohl auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache als auch auf eine Folgenabwägung gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Beschluss v. 28. Februar 2014 -L 1 KR 47/14 B ER- und v. 22. Mai 2014 – L 1 KR 108/14 KL ER; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -).

Die Unzulässigkeit des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in der vorliegenden Form ergibt sich daraus, dass der Antragstellerin der von ihr geltend gemachte Anordnungsanspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zustehen kann. Sie hat keinen Anspruch darauf, dass der Antragsgegner eine bestimmte, von ihr für richtig gehaltene Festlegung trifft. Zwar stellt der Schiedsspruch des Antragsgegners, mit dem die Vereinbarung der Gesamtvergütung für das Jahr 2013 festgesetzt wurde, einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X dar. Die Festsetzung eines Vertragsinhaltes ist aber Schlichtung, nicht Rechtsanwendung (BSG, Urt. v. 31. Oktober 1963 – 6 RKa 4/62 – juris Rn 48). Ein im Verfahren nach § 89 SGB V ergangener Schiedsspruch ersetzt eine vertragliche Vereinbarung, deren Inhalt über eine bloße Rechtsanwendung hinausgeht. Deswegen beschränkt sich der gegen eine Schiedsentscheidung mögliche Rechtsschutz auf die Fragen, ob das Schiedsamt die verfahrensrechtlichen Anforderungen eingehalten hat und sein Schiedsspruch inhaltlich nicht gegen Rechtsvorschriften verstößt, die für die Regelung der Angelegenheit maßgeblich sind (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V § 85 Rn 44d). Entsprechend kann gerichtlicher Rechtsschutz gegen eine Entscheidung des Schiedsamtes grundsätzlich nur im Rahmen einer Anfechtungsklage, nicht aber im Wege einer Verpflichtungsklage gesucht werden. (BSG, Urt. v. 31. Oktober 1963 – 6 RKa 4/62 – juris Rn 53). Das Schiedsamt ist gegebenenfalls bei festgestellter Rechtswidrigkeit seiner mit der Klage angegriffenen Entscheidung zur Neubescheidung zu verurteilen (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V § 85 Rn 44b).

Diese Grundsätze gelten auch für das vorliegende Verfahren. Streitig ist die Umsetzung der nach § 87a Abs. 4 Satz 3 SGB V eröffneten Möglichkeit, jahresbezogene Veränderungen der Morbiditätsstruktur im Bezirk der kassenärztlichen Vereinigung und Zuschläge nach § 87a Abs. 2 Satz 3 SGB V zu vereinbaren. Selbst wenn – wie die Antragstellerin vorträgt – die Verteilung der Erhöhung auf die beteiligten Krankenkassen (jedenfalls teilweise) abschließend durch das Gesetz und die Beschlüsse des Bewertungsausschusses vorgezeichnet wäre, bliebe es nach § 87a Abs. 4 Satz 3 SGB V und § 87a Abs. 2 Satz 3 SGB V Aufgabe der Vertragspartner, sich unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bewertungsausschusses darauf zu einigen, ob überhaupt und in welcher Höhe Anpassungen und Erhöhungen vorzunehmen sind. Das Gesetz sieht dazu keine zwingenden Rechtsfolgen vor (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, § 87a SGB V Rn 30, 101). Zumindest insoweit liegt also eine Regelungsfrage vor, die eine schlichte Rechtsanwendung übersteigt und deren Beantwortung im Schlichtungsverfahren Sache des Antragsgegners ist. Der Senat kann in die vom Antragsgegner insgesamt getroffene Entscheidung nicht dadurch eingreifen, dass er die Erhöhungen an sich unangetastet lässt und nur über ihre Verteilung auf die Krankenkassen entscheidet. Denn dadurch würde er eine vom Antragsgegner möglicherweise als Einheit gewollte Entscheidung inhaltlich verändern. Die Antragstellerin hat selbst vorgetragen, dass die Art und Weise der Finanzierung der in § 2 Abs. 3 des Beschlusses genannten Erhöhungsbeträge wesentliche Bedingung dafür war, dass innerhalb des Schiedsamtes eine Mehrheit für die beschlossene Erhöhung zustande kam. Rechtsschutz gegen den Schiedsspruch des Antragsgegners kann die Antragstellerin daher nur im Rahmen einer Anfechtungs- und Neubescheidungsklage erhalten. Entsprechend kann vorläufiger Rechtsschutz nur gemäß § 86b Abs. 1 SGG im Wege der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gewährt werden (vgl. insoweit auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 11. Juli 2013 – L 9 KA 5/13 ER KL – juris).

Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage wäre zwar statthaft, aber nicht begründet. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Klage der Antragstellerin gegen den Beschluss des Antragstellers vom 2. Oktober 2013 hat nach § 89 Abs. 1 Satz 6 SGB V keine aufschiebende Wirkung. Anzuordnen ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs in den Fällen des § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG jedenfalls dann, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides bestehen (Vgl. etwa Beschluss des LSG Schleswig-Holstein v. 25. Juni 2012 – L 5 KR 81/12 B ER – juris Rn 14). Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit der Vorschrift des § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG. Im Übrigen gibt der Gesetzgeber in § 86b Abs. 1 SGG nicht ausdrücklich vor, nach welchen Maßstäben über die Aussetzung einer sofortigen Vollziehung zu entscheiden ist. Hat der Gesetzgeber aber – wie es § 86b Abs. 1 Satz Nr. 1 SGG voraussetzt – an anderer Stelle bereits grundsätzlich die sofortige Vollziehbarkeit einer Verwaltungsentscheidung angeordnet, nimmt er damit in Kauf, dass eine angefochtene Entscheidung wirksam bleibt, obwohl über ihre Rechtmäßigkeit noch nicht abschließend entschieden worden ist. Von diesem Grundsatz ermöglicht § 86b Abs. 1 Nr. 1 SGG eine Ausnahme. Zumindest in den Fällen einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit ist die Vollziehbarkeit auszusetzen, weil dann kein öffentliches Interesse an einer Vollziehung erkennbar ist. Unterbleiben muss die Aussetzung dagegen, wenn der eingelegte Rechtsbehelf offensichtlich aussichtslos ist. Hier gibt es keine Veranlassung, von dem vom Gesetzgeber für richtig gehaltenen Grundsatz abzuweichen. In den übrigen Fällen, in denen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung nicht klar erkennbar ist, kommt es auf eine Interessenabwägung an (BT-Drs 11/3480, S. 54). Je geringer die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs sind, desto mehr muss für den Betroffenen auf dem Spiel stehen, damit trotz bloßer Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer angefochtenen Maßnahme entgegen der grundsätzlichen Entscheidung des Gesetzgebers die aufschiebende Wirkung angeordnet werden kann (vgl. zum ganzen Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 10. Aufl., § 86b Rn 12f mit weit. Nachw.).

Bei Beachtung dieser Maßstäbe kann ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Beschluss des Antragsgegners vom 2. Oktober 2013 erhobenen Klage keinen Erfolg haben. Der Senat kann nicht feststellen, dass der Beschluss des Antragsgegners im Hinblick auf die von der Antragstellerin gerügten Inhalte offensichtlich rechtswidrig ist.

Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass der Beschluss in der vorliegenden Fassung durch ein unfaires Verfahren entstanden sei, kann der Senat daraus nichts ableiten. Denn der diesbezügliche Vorwurf ist vom Antragsgegner trotz Nachfrage des Senats nicht bestätigt worden. Die Antragstellerin hat auch nicht weiter ausgeführt geschweige denn glaubhaft gemacht, worin sie im Einzelnen eine Verletzung der Grundsätze eines fairen Verfahrens sieht. Dass sich das Abstimmungsverhalten von in den Schlichtungsausschuss entsandten Vertreter anderer Krankenkassen an deren Eigeninteresse orientiert haben mag, ist zwangsläufige Nebenfolge davon, dass der Schlichtungsausschuss nicht nur mit neutralen Mitgliedern besetzt ist und vermag daher den Vorwurf eines unfairen Verfahrens noch nicht zu begründen.

Entgegen der Rechtsauffassung der Antragstellerin hält es der Senat nicht für offensichtlichen Inhalt des § 87a Abs. 4 SGB V, dass durch die Vertragspartner beschlossene Anpassungen wegen einer Veränderung der nach § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB V maßgeblichen Kriterien nur als einheitliche prozentuale Erhöhung des Behandlungsbedarfs auf die Krankenkassen umgelegt werden dürften. Die Vorschrift enthält keine Regelung, welche sich ausdrücklich mit der Aufteilung der Finanzierung der Gesamtvergütung auf die Krankenkassen beschäftigt. Zwar bestimmt § 87a Abs. 4 Satz 2 SGB V, dass bei der Ermittlung des Aufsatzwertes für den Behandlungsbedarf einer Krankenkasse ihr jeweiliger Anteil auf Basis des insgesamt für das Vorjahr vereinbarten und bereinigten Behandlungsbedarf anzupassen ist. Dies legt nahe, dass auch für die Finanzierung der Vergütung eine entsprechende Korrektur erfolgt, die sich nicht an der Zahl der Versicherten, sondern an der der Behandlungen orientiert, so dass jährliche Umverteilungen zwischen den Krankenkassen die Folge sind (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, § 87a Rn 97, 98). Die Vorschrift bezieht sich aber ihrem Wortlaut nur auf den Aufsatzwert, nicht auch auf die nach § 87a Abs. 4 SGB V vorzunehmenden Anpassungen des Behandlungsbedarfs. Insoweit gibt es keine Grundlage für die Annahme, dass nach dem Gesetz Anpassungen des Behandlungsbedarfs nur behandlungsbezogen, nicht aber versichertenbezogen an die Krankenkassen weitergegeben werden dürften. Dagegen sprechen insbesondere auch die Beschlüsse des Bewertungsausschusses aus seiner 288. Sitzung am 22. Oktober 2012, Teil A 2.2.4 und aus der 295. Sitzung am 18. Dezember 2012, welche Vorgaben für die Anpassung der kassenspezifischen Aufsatzwerte des bereinigten Behandlungsbedarfs enthielten und welche für die einzelnen KV-Bezirke eine bestimmte durch die Zahl der Versicherten der jeweiligen Krankenkassen zu teilende Summe vorsahen. Diese Beschlüsse sind ein Hinweis dafür, dass nach der Auffassung des Bewertungsausschusses auch eine nur auf die Zahl der Versicherten bezogene Umlage einer gemäß § 87a Abs. 4 SGB V erfolgenden Anpassung grundsätzlich möglich ist. Die Antragstellerin stellt die Rechtmäßigkeit des in der 295. Sitzung vom 18. Dezember 2012 ergangenen Beschlusses nicht in Frage. Klärende höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Problematik liegt – soweit ersichtlich – noch nicht vor. Der Gesetzgeber wollte durch die Neufassung des § 87a SGB V ausdrücklich die Eigenverantwortung auf regionaler Ebene stärken (BSG, Urt. v. 13. August 2014- B 6 KA 6/14 R [Pressemitteilung]; Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, § 87a Rn 84). Auch das spricht dafür, die Grenzen der den Vertragspartnern zur Verfügung stehenden Gestaltungsmöglichkeiten eher weit zu ziehen.

Wenn das Gesetz aber grundsätzlich auch eine auf die Zahl der Versicherten bezogene Anpassung zulässt, kann sich die Rechtswidrigkeit des Beschlusses des Antragsgegners nicht daraus ergeben, dass der Bewertungsausschuss in seinem Beschluss aus der 288. Sitzung vom 22 Oktober 2012 im Übrigen nur eine prozentuale Veränderungsrate vorgesehen hat. Denn die Beschlüsse des Bewertungsausschusses sind Empfehlungen, welche die Vertragspartner nicht binden (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, § 87a Rn 106).

Entsprechendes gilt für die vom Antragsgegner beschlossene Anpassung gem. § 87a Abs. 2 Satz 3 SGB V. Auch insoweit vermag der Senat nicht die offensichtliche Rechtswidrigkeit der vom Antragsgegner gewählten Regelung zu erkennen. Das Gesetz gibt keine bestimmte Art und Weise der Umlage von nach § 87a Abs. 2 Satz 3 SGB V vereinbarten Zuschlägen auf die einzelnen Krankenkassen vor. Zwar hat der erweiterte Bewertungsausschuss in seinem Beschluss aus der 37. Sitzung vom 25. September 2013 formuliert, dass der für die Förderung der hausärztlichen und fachärztlichen Grundversorgung zur Verfügung zu stellende Betrag von insgesamt 140 Mio EUR durch eine bundeseinheitliche prozentuale Steigerung der Gesamtvergütung zu finanzieren sei. Das bezog sich aber auf die Anpassung des Orientierungswertes im einheitlichen Bewertungsmaßstab auf Bundesebene, nicht auf die Umsetzung des vom Bewertungsausschuss am 22 Oktober 2012 in seiner 288. Sitzung gefassten Beschluss, welche den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Landesverbänden der Krankenkassen auf Landesebene ermöglicht, Zuschläge für besonders förderungsfähige Leistungen oder Leistungserbringer zu vereinbaren. Ob sich aus dem Leistungsbezug dieser Zuschläge ergibt, dass sie nicht versichertenbezogen auf die einzelnen Krankenkassen umgelegt werden dürfen, bleibt einer Prüfung im Hauptsachverfahren vorbehalten.

Die Antragstellerin hat kein anzuerkennendes erhebliches Interesse an der Aussetzung der Vollziehung geltend gemacht, das es rechtfertigen könnte, auch bei noch ungeklärter Rechtslage jedenfalls teilweise schon die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage anzuordnen. Die Antragstellerin schätzt die wirtschaftliche Belastung der von ihr vertretenen Krankenkassen, die durch die von ihr angegriffenen Bestandteile des Beschlusses des Antragstellers vom 2. Oktober 2013 ausgelöst wird, in Höhe von 200.000 EUR ein. Dass die betroffenen Krankenkassen durch diesen Betrag in ihrem Bestand bedroht werden, trägt sie selbst nicht vor. Sie beruft sich vielmehr auf die Folgewirkung der für 2013 geltenden Vereinbarung für weitere Zeiträume und verweist auf das Interesse an einer möglichst zeitnah bestehenden sicheren Kalkulationsgrundlage für die Zukunft. Insoweit verkennt die Antragstellerin aber die Funktion eines Verfahrens des einstweiligen Rechtschutzes. Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes ist nicht die endgültige und verbindliche Klärung streitiger Rechtsfragen, sondern die Sicherung eines vorläufigen Zustandes. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage würde die Antragstellerin nicht davor bewahren können, dass sich der angegriffene Beschluss im Hauptsacheverfahren als rechtmäßig herausstellt. Selbst wenn als Ergebnis des Hauptsacheverfahrens der Beschluss (teilweise) aufgehoben werden würde, könnte der Antragsgegner – gegebenenfalls auch auf Antrag anderer Verfahrensbeteiligter - zur Neubescheidung verurteilt werden. Deren Ergebnis läge ohnehin nicht in der Hand des Senats. Die von der Antragstellerin begehrte Sicherheit, wie die vorgenommene Erhöhung der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung auf die einzelnen Krankenkassen zu verteilen ist, vermag ihr das betriebene Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes danach nicht zu bieten.

Nach alledem konnte der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Festsetzung des Streitwertes nach § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz orientiert sich an der Berechnung der Antragstellerin, dass der Beschluss des Antragsgegners, soweit er von ihr angegriffen wird, eine Mehrbelastung von 200.000 EUR bewirke, und trägt dem Umstand Rechnung, dass vorliegend nicht die Hauptsache, sondern eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren streitbefangen ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist in Fällen des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 1 SGG, bei welchen die Erfolgschancen im Hauptsacheverfahren zu prüfen sind, grundsätzlich nur die Hälfte des Hauptsachenstreitwerts anzusetzen.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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