Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 RJ 1488/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 988/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2012 wird als unzulässig verworfen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung.
Der im Januar 1959 geborene Kläger, der eine Ausbildung nicht absolviert hat und zuletzt bis September 1999 als Kraftfahrer beschäftigt war, beantragte im Dezember 2002 beim polnischen Versicherungsträger Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Beiziehung des Gutachtens des Arztes für Chirurgie und Orthopädie S vom 19. März 2003 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Mai 2003 die Gewährung einer Rente ab: Trotz Degenerationsveränderungen beider Knie und eines Klumpunterschenkels beidseits könnten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden.
Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, als Berufskraftfahrer nicht arbeiten zu können, und dazu den Bericht eines Krankenhauses in Bk vom 30. Januar 2004 vorlegte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2004 zurück: Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen könnten noch mindestens 6 Stunden täglich körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen auf dem zumutbaren allgemeinen Arbeitsmarkt, da der Kläger als Fahrer der Gruppe des ungelernten Arbeiters zuzuordnen sei, verrichtet werden.
Dagegen hat sich der Kläger mit Schreiben vom 18. Mai 2004, eingegangen am 24. Mai 2004 beim polnischen Versicherungsträger und am 11. Juni 2004 bei der Beklagten, die es an das Sozialgericht Berlin weitergeleitet hat, gewandt. Er hat sich auf das Urteil des Bezirksgerichts für Arbeit und Sozialversicherungen in B vom 03. September 2002 bezogen und auf eine weitere erfolgte Operation hingewiesen. Er hat den Entlassungsbericht des Bezirkskrankenhauses in B vom 25. November 2005, Auszüge der Gutachten des polnischen Versicherungsträgers vom 02. März 2004, vom 30. Dezember 2004 und vom 30. Dezember 2005, den Bericht des Kur-Sanatoriums in G vom 09. Februar 2007, das Gutachten zur Feststellung des Behinderungsgrades des Städtischen Ausschusses von B vom 07. November 2006 und das Gutachten der Ärztekommission des polnischen Versicherungsträgers vom 14. Mai 2007 vorgelegt. Das Sozialgericht hat über den polnischen Versicherungsträger das Gutachten der Ärztin L vom 27. Januar 2012 veranlasst.
Nach entsprechender Anhörung hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2012 die Klage abgewiesen: Nach dem Gutachten der Ärztin L könne der Kläger nach Umstellungsosteotomie beider Beine und mehrfachen operativen Eingriffen mit erheblichen Funktionsbehinderungen beider Kniegelenke zwar nicht mehr als Kraftfahrer arbeiten, aber er sei gleichwohl noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen sechs Stunden täglich auszuüben. Als allenfalls angelernter Arbeiter sei ihm insbesondere die Tätigkeit eines Pförtners zumutbar.
Gegen den ihm am 27. Juni 2012 durch Einschreiben gegen Rückschein zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich der an den polnischen Versicherungsträger gerichtete "Widerspruch" des Klägers vom 13. Juli 2012, der dort am 17. Juli 2012, bei der Beklagten am 30. Oktober 2012 und beim Landessozialgericht am 29. November 2012 eingegangen ist.
Er weist darauf hin, dass zum Zeitpunkt des Gutachtens des Dr. S das Urteil des Bezirksgerichtes vom 03. September 2002 bereits gegolten habe. Seither seien vier Operationen an den Knien erfolgt. Es falle schwer sich vorzustellen, wie er mit künstlichen Knien als Berufsfahrer arbeiten oder irgendeine andere berufliche Tätigkeit ausüben könne.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2012 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2004 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren und die höhere Rente zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie verweist darauf, dass das deutsche und polnische Rentensystem unterschiedliche Anforderungskriterien für die Feststellung der Erwerbsminderung/Invalidität hätten. Insoweit könne aus dem Vorliegen von Invalidität nach polnischem Recht nicht geschlossen werden, dass auch Erwerbsminderung im Sinne der deutschen Rentenversicherung vorliege.
Der Senat hat mit Verfügung vom 05. Februar 2013 darauf hingewiesen, dass die Berufungsfrist versäumt worden ist; er hat dem Kläger Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen.
Der Kläger trägt vor, seinen Einspruch an den polnischen Versicherungsträger gerichtet zu haben, da dies die kompetente Behörde zur Durchführung seiner Rentenangelegenheit sei. Außerdem sei seine Kenntnis der deutschen Sprache gering.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Berufung ist, da sie nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist, nach § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.
Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). In entsprechender Anwendung des § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG beträgt die Frist bei Zustellung außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes drei Monate.
Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tage nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tage nach der Eröffnung oder Verkündung (§ 64 Abs. 1 SGG). Eine nach Monaten bestimmte Frist endet mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat (§ 64 Abs. 2 SGG). Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs. 3 SGG).
Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG wird nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) zugestellt. Eine Zustellung im Ausland ist nach den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen vorzunehmen. Wenn Schriftstücke aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen, so soll durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden, anderenfalls die Zustellung auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts unmittelbar durch die Behörden des fremden Staates erfolgen (§ 183 ZPO). Nach Art. 76 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 können die Behörden und Träger der Mitgliedsstaaten, wobei "Träger" in jedem Mitgliedstaat die Einrichtung oder Behörde ist, der die Anwendung aller Rechtsvorschriften oder eines Teils hiervon obliegt (Art 1 Bst. p Verordnung (EG) Nr. 883/2004), für die Zwecke dieser Verordnung miteinander sowie mit den betroffenen Personen oder deren Vertretern unmittelbar in Verbindung treten, so dass eine Zustellung nach § 175 Satz 1 ZPO durch Einschreiben mit Rückschein zulässig ist.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2012 wurde dem Kläger nach dem vorliegenden Rückschein am 27. Juni 2012 zugestellt.
Der Lauf der Berufungsfrist begann somit am 28. Juni 2012 und endete am 27. September 2012, mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis, hier also die Zustellung, fällt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die erst am 29. November 2012 beim Landessozialgericht eingegangene Berufung, die durch Auslegung im "Widerspruch" des Klägers vom 13. Juli 2012 enthalten ist, wahrt diese Frist nicht.
Der Eingang der Berufung bei einer anderen Behörde oder einem anderen Gericht als dem Sozialgericht genügt insoweit abweichend von § 91 Abs. 1 SGG, wonach die Klagefrist auch durch Eingang der Klageschrift bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, bei einem deutschen Seemannsamt im Ausland als gewahrt gilt, nicht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 10. Auflage, § 151 Rdnr. 2 a).
Davon abweichend gilt jedoch etwas anderes, soweit über- oder zwischenstaatliches Recht dies vorsehen, wie vorliegend Art. 81 Verordnung (EG) Nr. 883/2004.
Diese Vorschrift bestimmt: Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe, die gemäß den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaats innerhalb einer bestimmten Frist bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht dieses Mitgliedsstaats einzureichen sind, können innerhalb der gleichen Frist bei einer entsprechenden Behörde, einem entsprechendem Träger oder einem entsprechenden Gericht eines anderen Mitgliedsstaats eingereicht werden. In diesem Fall übermitteln die in Anspruch genommenen Behörden, Träger oder Gerichte diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe entweder unmittelbar oder durch Einschaltung der zuständigen Behörden der beteiligten Mitgliedsstaaten unverzüglich der zuständigen Behörde, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht des ersten Mitgliedsstaats. Der Tag, an dem diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht des zweiten Mitgliedsstaats eingegangen sind, gilt als Tag des Eingangs bei der zuständigen Behörde, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind allerdings nicht erfüllt, denn der Kläger hat seine Berufungsschrift an den polnischen Versicherungsträger und nicht, wie nach dieser Regelung erforderlich, an das entsprechende polnische Gericht gerichtet.
Es ist auch keine Frist von einem Jahr wegen unrichtiger Rechtsmittelbelehrung zur Einlegung der Berufung eröffnet.
Nach § 66 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGG gilt: Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei.
In der Rechtmittelbelehrung des Sozialgerichts ist zwar nicht auf die in Art. 81 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gegebene Möglichkeit belehrt worden, dass die Berufung innerhalb der gleichen Frist bei einem entsprechenden Gericht eines anderen Mitgliedsstaates eingereicht werden kann. Einer solchen Belehrung hat es jedoch nicht bedurft, wie das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 10. Dezember 1975 - 8 RU 46/74 (abgedruckt in SozR 1500 § 66 Nr. 2) hinsichtlich Art. 86 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 entschieden hat.
Diese Vorschrift lautete: Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe, die gemäß den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaats innerhalb einer bestimmten Frist bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht dieses Staates einzureichen sind, können innerhalb der gleichen Frist bei einer entsprechenden Behörde, einem entsprechendem Träger oder einem entsprechenden Gericht eines anderen Mitgliedsstaats eingereicht werden. In diesem Fall übermitteln die in Anspruch genommenen Behörden, Träger oder Gerichte diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe entweder unmittelbar oder durch Einschaltung der zuständigen Behörden, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht des ersten Staates. Der Tag, an dem diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht des zweiten Staates eingegangen sind, gilt als Tag des Eingangs bei der zuständigen Behörde, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht.
Das BSG hat dies damit begründet, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht dadurch unvollständig und unrichtig wird, wenn sie den Hinweis auf "Auch Möglichkeiten" nicht enthält. Die Rechtsbehelfsbelehrung dient nach dieser Rechtsprechung vor allem dem Zweck, rechtsunkundige Beteiligte darüber zu unterrichten, auf welchem Weg sie die ergangene Entscheidung anfechten können. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Belehrung so einfach und klar wie möglich gehalten sein. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn ein Gericht sich darauf beschränkt, die Beteiligten über das Nächstliegende, d. h. den in erster Linie in Betracht kommenden Rechtsbehelf bzw. über den "Regelweg", aufzuklären. Durch diese Rechtsauffassung hat das BSG auch keine Schlechterstellung eines ausländischen Versicherten, der sich im Ausland aufhält, gesehen, da beim Auslandsaufenthalt eine Rechtsbehelfsfrist von drei Monaten läuft.
Diese Rechtsprechung des BSG ist nicht deswegen obsolet geworden, weil zwischenzeitlich Art. 86 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 außer Kraft getreten und durch Art. 81 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ersetzt worden ist. Beide Regelungen sind fast wörtlich bis auf die Ersetzung des Wortes "Staat" durch das Wort "Mitgliedsstaat", aber jedenfalls vollständig inhaltlich identisch.
Die genannte Rechtsprechung des BSG ist auch nicht durch das weitere Urteil des BSG vom 10. September 1997 - 5 RJ 18/97 (abgedruckt in BSGE 81, 37 = SozR 3 1500 § 66 Nr. 7) berührt worden. Zum einen ist in diesem Urteil ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass das BSG sich mit dieser Entscheidung nicht im Widerspruch zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere im Urteil des BSG vom 10. Dezember 1975 - 8 RU 46/74 - befindet. Zum anderen ist dieses Urteil zu Art. 33 Abs. 1 Satz 1 des Deutsch-Jugoslawischen Abkommens über soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (DJSVA) ergangen und damit nicht zu Art. 86 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Mit Urteil vom 10. September 1997 - 5 RJ 18/97 hat das BSG allerdings entschieden, dass es sich bei den in Art. 33 Abs. 1 Satz 1 DJSVA genannten zuständigen Trägern der kroatischen Sozialversicherung nicht um "Auch Stellen", sondern um weitere Regel-Verwaltungsstellen zur Entgegennahme von u. a. Rechtsbehelfen handelt, so dass auch darüber in der Rechtsmittelbelehrung zu belehren ist.
Damit ist die Berufung wegen Fristversäumnis unzulässig.
Wegen der Versäumnis der Berufungsfrist ist dem Kläger auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Nach § 67 SGG ist Voraussetzung hierfür, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten (Abs. 1). Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Abs. 2).
Der Kläger ist nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, die Berufungsfrist einzuhalten. Ohne Verschulden handelt nur derjenige Beteiligte, der diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaft Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist, wenn auch bei Anwendung dieser Sorgfalt die Versäumnis der Verfahrensfrist nicht vermeidbar gewesen wäre (BSG - Großer Senat, Beschluss vom 10. Dezember 1974 – GS 2/73, abgedruckt in BSGE 38, 248 = SozR 1500 § 67 Nr. 1).
Ursächlich für die Fristversäumnis ist gewesen, dass sich der Kläger nicht entsprechend der dem Gerichtsbescheid beigefügt gewesenen Rechtsmittelbelehrung verhalten hat. Hätte er diese Rechtsmittelbelehrung beachtet, wäre es nicht zum Fristversäumnis gekommen. Es beruht daher zumindest auf leichter Fahrlässigkeit, dass der Kläger gemeint hat, der polnische Versicherungsträger sei die kompetente Behörde zur Durchführung seiner Rentenangelegenheit. Dieser Rechtsirrtum wäre vermeidbar gewesen, wenn er die Rechtsmittelbelehrung zur Kenntnis genommen hätte. Die von ihm vorgetragene nur geringe Kenntnis der deutschen Sprache ist vorliegend unbeachtlich. Sprachschwierigkeiten stellen allenfalls dann einen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn die Anfechtungsfrist – wie in Strafbefehls- und im Bußgeldverfahren mit einer einwöchigen Anfechtungsfrist – kurz ist. Dies trifft jedoch nicht auf die vorliegend maßgebende dreimonatige Rechtsbehelfsfrist der Berufung zu. Eine solche Frist eröffnet eine ausreichende Zeit, um insbesondere einen Übersetzer einzuschalten. Fahrlässig handelt auch derjenige, der nicht alles unternimmt, was ihm möglich und zumutbar ist, um seine Interessen zureichend zu verfolgen (BSG, Beschluss vom 21. September 1981 – 9 BV 218/81, zitiert nach juris, unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht - BVerfG - , Beschluss vom 07. Juni 1976 – 2 BvR 728/75, abgedruckt in BVerfGE 42, 120 = NJW 1976, 1021). Obwohl dem Kläger, wie seinem an den polnischen Versicherungsträger gerichteten Widerspruch vom 13. Juli 2012 zu entnehmen ist, bekannt gewesen ist, dass der Gerichtsbescheid eine ihn belastende Regelung enthält, hat er nichts unternommen, um den genauen Inhalt dieses Gerichtsbescheides nebst Rechtsbehelfsbelehrung in Erfahrung zu bringen. Damit begründet das Unterlassen des ihm möglichen und zumutbaren Heranziehens eines Übersetzers den Vorwurf der leichten Fahrlässigkeit.
Damit ist der Kläger jedoch nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, fristgerecht Berufung einzulegen.
Scheidet daher eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Angesichts der im Urteil des BSG vom 10. September 1997 - 5 RJ 18/97 - aufgezeigten beachtlichen Gründe für eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung ist dem BSG Gelegenheit gegeben zu prüfen, ob er für den Bereich des Rechts der Europäischen Union an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung.
Der im Januar 1959 geborene Kläger, der eine Ausbildung nicht absolviert hat und zuletzt bis September 1999 als Kraftfahrer beschäftigt war, beantragte im Dezember 2002 beim polnischen Versicherungsträger Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Beiziehung des Gutachtens des Arztes für Chirurgie und Orthopädie S vom 19. März 2003 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Mai 2003 die Gewährung einer Rente ab: Trotz Degenerationsveränderungen beider Knie und eines Klumpunterschenkels beidseits könnten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden.
Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem der Kläger geltend machte, als Berufskraftfahrer nicht arbeiten zu können, und dazu den Bericht eines Krankenhauses in Bk vom 30. Januar 2004 vorlegte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2004 zurück: Unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen könnten noch mindestens 6 Stunden täglich körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen auf dem zumutbaren allgemeinen Arbeitsmarkt, da der Kläger als Fahrer der Gruppe des ungelernten Arbeiters zuzuordnen sei, verrichtet werden.
Dagegen hat sich der Kläger mit Schreiben vom 18. Mai 2004, eingegangen am 24. Mai 2004 beim polnischen Versicherungsträger und am 11. Juni 2004 bei der Beklagten, die es an das Sozialgericht Berlin weitergeleitet hat, gewandt. Er hat sich auf das Urteil des Bezirksgerichts für Arbeit und Sozialversicherungen in B vom 03. September 2002 bezogen und auf eine weitere erfolgte Operation hingewiesen. Er hat den Entlassungsbericht des Bezirkskrankenhauses in B vom 25. November 2005, Auszüge der Gutachten des polnischen Versicherungsträgers vom 02. März 2004, vom 30. Dezember 2004 und vom 30. Dezember 2005, den Bericht des Kur-Sanatoriums in G vom 09. Februar 2007, das Gutachten zur Feststellung des Behinderungsgrades des Städtischen Ausschusses von B vom 07. November 2006 und das Gutachten der Ärztekommission des polnischen Versicherungsträgers vom 14. Mai 2007 vorgelegt. Das Sozialgericht hat über den polnischen Versicherungsträger das Gutachten der Ärztin L vom 27. Januar 2012 veranlasst.
Nach entsprechender Anhörung hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2012 die Klage abgewiesen: Nach dem Gutachten der Ärztin L könne der Kläger nach Umstellungsosteotomie beider Beine und mehrfachen operativen Eingriffen mit erheblichen Funktionsbehinderungen beider Kniegelenke zwar nicht mehr als Kraftfahrer arbeiten, aber er sei gleichwohl noch in der Lage, körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen sechs Stunden täglich auszuüben. Als allenfalls angelernter Arbeiter sei ihm insbesondere die Tätigkeit eines Pförtners zumutbar.
Gegen den ihm am 27. Juni 2012 durch Einschreiben gegen Rückschein zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich der an den polnischen Versicherungsträger gerichtete "Widerspruch" des Klägers vom 13. Juli 2012, der dort am 17. Juli 2012, bei der Beklagten am 30. Oktober 2012 und beim Landessozialgericht am 29. November 2012 eingegangen ist.
Er weist darauf hin, dass zum Zeitpunkt des Gutachtens des Dr. S das Urteil des Bezirksgerichtes vom 03. September 2002 bereits gegolten habe. Seither seien vier Operationen an den Knien erfolgt. Es falle schwer sich vorzustellen, wie er mit künstlichen Knien als Berufsfahrer arbeiten oder irgendeine andere berufliche Tätigkeit ausüben könne.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2012 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2004 zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren und die höhere Rente zu leisten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie verweist darauf, dass das deutsche und polnische Rentensystem unterschiedliche Anforderungskriterien für die Feststellung der Erwerbsminderung/Invalidität hätten. Insoweit könne aus dem Vorliegen von Invalidität nach polnischem Recht nicht geschlossen werden, dass auch Erwerbsminderung im Sinne der deutschen Rentenversicherung vorliege.
Der Senat hat mit Verfügung vom 05. Februar 2013 darauf hingewiesen, dass die Berufungsfrist versäumt worden ist; er hat dem Kläger Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen.
Der Kläger trägt vor, seinen Einspruch an den polnischen Versicherungsträger gerichtet zu haben, da dies die kompetente Behörde zur Durchführung seiner Rentenangelegenheit sei. Außerdem sei seine Kenntnis der deutschen Sprache gering.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Berufung ist, da sie nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt worden ist, nach § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu gewähren.
Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird (§ 151 Abs. 2 Satz 1 SGG). In entsprechender Anwendung des § 87 Abs. 1 Satz 2 SGG beträgt die Frist bei Zustellung außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes drei Monate.
Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tage nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tage nach der Eröffnung oder Verkündung (§ 64 Abs. 1 SGG). Eine nach Monaten bestimmte Frist endet mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt. Fehlt dem letzten Monat der entsprechende Tag, so endet die Frist mit dem Monat (§ 64 Abs. 2 SGG). Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages (§ 64 Abs. 3 SGG).
Nach § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG wird nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) zugestellt. Eine Zustellung im Ausland ist nach den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen vorzunehmen. Wenn Schriftstücke aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen unmittelbar durch die Post übersandt werden dürfen, so soll durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden, anderenfalls die Zustellung auf Ersuchen des Vorsitzenden des Prozessgerichts unmittelbar durch die Behörden des fremden Staates erfolgen (§ 183 ZPO). Nach Art. 76 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 können die Behörden und Träger der Mitgliedsstaaten, wobei "Träger" in jedem Mitgliedstaat die Einrichtung oder Behörde ist, der die Anwendung aller Rechtsvorschriften oder eines Teils hiervon obliegt (Art 1 Bst. p Verordnung (EG) Nr. 883/2004), für die Zwecke dieser Verordnung miteinander sowie mit den betroffenen Personen oder deren Vertretern unmittelbar in Verbindung treten, so dass eine Zustellung nach § 175 Satz 1 ZPO durch Einschreiben mit Rückschein zulässig ist.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juni 2012 wurde dem Kläger nach dem vorliegenden Rückschein am 27. Juni 2012 zugestellt.
Der Lauf der Berufungsfrist begann somit am 28. Juni 2012 und endete am 27. September 2012, mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, in den das Ereignis, hier also die Zustellung, fällt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Die erst am 29. November 2012 beim Landessozialgericht eingegangene Berufung, die durch Auslegung im "Widerspruch" des Klägers vom 13. Juli 2012 enthalten ist, wahrt diese Frist nicht.
Der Eingang der Berufung bei einer anderen Behörde oder einem anderen Gericht als dem Sozialgericht genügt insoweit abweichend von § 91 Abs. 1 SGG, wonach die Klagefrist auch durch Eingang der Klageschrift bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, bei einem deutschen Seemannsamt im Ausland als gewahrt gilt, nicht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 10. Auflage, § 151 Rdnr. 2 a).
Davon abweichend gilt jedoch etwas anderes, soweit über- oder zwischenstaatliches Recht dies vorsehen, wie vorliegend Art. 81 Verordnung (EG) Nr. 883/2004.
Diese Vorschrift bestimmt: Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe, die gemäß den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaats innerhalb einer bestimmten Frist bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht dieses Mitgliedsstaats einzureichen sind, können innerhalb der gleichen Frist bei einer entsprechenden Behörde, einem entsprechendem Träger oder einem entsprechenden Gericht eines anderen Mitgliedsstaats eingereicht werden. In diesem Fall übermitteln die in Anspruch genommenen Behörden, Träger oder Gerichte diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe entweder unmittelbar oder durch Einschaltung der zuständigen Behörden der beteiligten Mitgliedsstaaten unverzüglich der zuständigen Behörde, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht des ersten Mitgliedsstaats. Der Tag, an dem diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht des zweiten Mitgliedsstaats eingegangen sind, gilt als Tag des Eingangs bei der zuständigen Behörde, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind allerdings nicht erfüllt, denn der Kläger hat seine Berufungsschrift an den polnischen Versicherungsträger und nicht, wie nach dieser Regelung erforderlich, an das entsprechende polnische Gericht gerichtet.
Es ist auch keine Frist von einem Jahr wegen unrichtiger Rechtsmittelbelehrung zur Einlegung der Berufung eröffnet.
Nach § 66 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGG gilt: Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei.
In der Rechtmittelbelehrung des Sozialgerichts ist zwar nicht auf die in Art. 81 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 gegebene Möglichkeit belehrt worden, dass die Berufung innerhalb der gleichen Frist bei einem entsprechenden Gericht eines anderen Mitgliedsstaates eingereicht werden kann. Einer solchen Belehrung hat es jedoch nicht bedurft, wie das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 10. Dezember 1975 - 8 RU 46/74 (abgedruckt in SozR 1500 § 66 Nr. 2) hinsichtlich Art. 86 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 entschieden hat.
Diese Vorschrift lautete: Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe, die gemäß den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaats innerhalb einer bestimmten Frist bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht dieses Staates einzureichen sind, können innerhalb der gleichen Frist bei einer entsprechenden Behörde, einem entsprechendem Träger oder einem entsprechenden Gericht eines anderen Mitgliedsstaats eingereicht werden. In diesem Fall übermitteln die in Anspruch genommenen Behörden, Träger oder Gerichte diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe entweder unmittelbar oder durch Einschaltung der zuständigen Behörden, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht des ersten Staates. Der Tag, an dem diese Anträge, Erklärungen oder Rechtsbehelfe bei einer Behörde, einem Träger oder einem Gericht des zweiten Staates eingegangen sind, gilt als Tag des Eingangs bei der zuständigen Behörde, dem zuständigen Träger oder dem zuständigen Gericht.
Das BSG hat dies damit begründet, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht dadurch unvollständig und unrichtig wird, wenn sie den Hinweis auf "Auch Möglichkeiten" nicht enthält. Die Rechtsbehelfsbelehrung dient nach dieser Rechtsprechung vor allem dem Zweck, rechtsunkundige Beteiligte darüber zu unterrichten, auf welchem Weg sie die ergangene Entscheidung anfechten können. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Belehrung so einfach und klar wie möglich gehalten sein. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn ein Gericht sich darauf beschränkt, die Beteiligten über das Nächstliegende, d. h. den in erster Linie in Betracht kommenden Rechtsbehelf bzw. über den "Regelweg", aufzuklären. Durch diese Rechtsauffassung hat das BSG auch keine Schlechterstellung eines ausländischen Versicherten, der sich im Ausland aufhält, gesehen, da beim Auslandsaufenthalt eine Rechtsbehelfsfrist von drei Monaten läuft.
Diese Rechtsprechung des BSG ist nicht deswegen obsolet geworden, weil zwischenzeitlich Art. 86 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 außer Kraft getreten und durch Art. 81 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ersetzt worden ist. Beide Regelungen sind fast wörtlich bis auf die Ersetzung des Wortes "Staat" durch das Wort "Mitgliedsstaat", aber jedenfalls vollständig inhaltlich identisch.
Die genannte Rechtsprechung des BSG ist auch nicht durch das weitere Urteil des BSG vom 10. September 1997 - 5 RJ 18/97 (abgedruckt in BSGE 81, 37 = SozR 3 1500 § 66 Nr. 7) berührt worden. Zum einen ist in diesem Urteil ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass das BSG sich mit dieser Entscheidung nicht im Widerspruch zur bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere im Urteil des BSG vom 10. Dezember 1975 - 8 RU 46/74 - befindet. Zum anderen ist dieses Urteil zu Art. 33 Abs. 1 Satz 1 des Deutsch-Jugoslawischen Abkommens über soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1968 (DJSVA) ergangen und damit nicht zu Art. 86 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Mit Urteil vom 10. September 1997 - 5 RJ 18/97 hat das BSG allerdings entschieden, dass es sich bei den in Art. 33 Abs. 1 Satz 1 DJSVA genannten zuständigen Trägern der kroatischen Sozialversicherung nicht um "Auch Stellen", sondern um weitere Regel-Verwaltungsstellen zur Entgegennahme von u. a. Rechtsbehelfen handelt, so dass auch darüber in der Rechtsmittelbelehrung zu belehren ist.
Damit ist die Berufung wegen Fristversäumnis unzulässig.
Wegen der Versäumnis der Berufungsfrist ist dem Kläger auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Nach § 67 SGG ist Voraussetzung hierfür, dass jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten (Abs. 1). Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (Abs. 2).
Der Kläger ist nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, die Berufungsfrist einzuhalten. Ohne Verschulden handelt nur derjenige Beteiligte, der diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaft Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist, wenn auch bei Anwendung dieser Sorgfalt die Versäumnis der Verfahrensfrist nicht vermeidbar gewesen wäre (BSG - Großer Senat, Beschluss vom 10. Dezember 1974 – GS 2/73, abgedruckt in BSGE 38, 248 = SozR 1500 § 67 Nr. 1).
Ursächlich für die Fristversäumnis ist gewesen, dass sich der Kläger nicht entsprechend der dem Gerichtsbescheid beigefügt gewesenen Rechtsmittelbelehrung verhalten hat. Hätte er diese Rechtsmittelbelehrung beachtet, wäre es nicht zum Fristversäumnis gekommen. Es beruht daher zumindest auf leichter Fahrlässigkeit, dass der Kläger gemeint hat, der polnische Versicherungsträger sei die kompetente Behörde zur Durchführung seiner Rentenangelegenheit. Dieser Rechtsirrtum wäre vermeidbar gewesen, wenn er die Rechtsmittelbelehrung zur Kenntnis genommen hätte. Die von ihm vorgetragene nur geringe Kenntnis der deutschen Sprache ist vorliegend unbeachtlich. Sprachschwierigkeiten stellen allenfalls dann einen Wiedereinsetzungsgrund dar, wenn die Anfechtungsfrist – wie in Strafbefehls- und im Bußgeldverfahren mit einer einwöchigen Anfechtungsfrist – kurz ist. Dies trifft jedoch nicht auf die vorliegend maßgebende dreimonatige Rechtsbehelfsfrist der Berufung zu. Eine solche Frist eröffnet eine ausreichende Zeit, um insbesondere einen Übersetzer einzuschalten. Fahrlässig handelt auch derjenige, der nicht alles unternimmt, was ihm möglich und zumutbar ist, um seine Interessen zureichend zu verfolgen (BSG, Beschluss vom 21. September 1981 – 9 BV 218/81, zitiert nach juris, unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht - BVerfG - , Beschluss vom 07. Juni 1976 – 2 BvR 728/75, abgedruckt in BVerfGE 42, 120 = NJW 1976, 1021). Obwohl dem Kläger, wie seinem an den polnischen Versicherungsträger gerichteten Widerspruch vom 13. Juli 2012 zu entnehmen ist, bekannt gewesen ist, dass der Gerichtsbescheid eine ihn belastende Regelung enthält, hat er nichts unternommen, um den genauen Inhalt dieses Gerichtsbescheides nebst Rechtsbehelfsbelehrung in Erfahrung zu bringen. Damit begründet das Unterlassen des ihm möglichen und zumutbaren Heranziehens eines Übersetzers den Vorwurf der leichten Fahrlässigkeit.
Damit ist der Kläger jedoch nicht ohne Verschulden verhindert gewesen, fristgerecht Berufung einzulegen.
Scheidet daher eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Angesichts der im Urteil des BSG vom 10. September 1997 - 5 RJ 18/97 - aufgezeigten beachtlichen Gründe für eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung ist dem BSG Gelegenheit gegeben zu prüfen, ob er für den Bereich des Rechts der Europäischen Union an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält.
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