Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 115 AS 12264/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 1791/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden (L 10 AS 1791/14 B ER und L 10 AS 1793/14 B ER PKH) gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 08. Juli 2014 werden zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
1. Die zulässige, am 10. Juli 2014 eingelegte Beschwerde (L 10 AS 1791/14 B ER) gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin, mit der der Antragsteller, der laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht, bei verständiger Würdigung seines Vorbringens (§ 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt, nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG die aufschiebenden Wirkung seines am 09. April 2014 erhobenen Widerspruchs gegen den Bescheid vom 06. März 2014 anzuordnen, mit dem er aufgefordert wurde, bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu beantragen, nachdem der ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit aufgrund eines nach Untersuchung des Antragstellers erstellten ärztlichen Gutachten vom 07. Februar 2014 die Erwerbsunfähigkeit des Antragstellers festgestellt habe, ist unbegründet.
Vor dem Hintergrund, dass dem Widerspruch des Antragstellers nicht schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommt (§ 39 Nr 1 SGB II iVm § 86a Abs 2 Nr 4 SGG), ist das einstweilige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers vom 21. Mai 2014 bei sachgerechter Auslegung (§ 123 SGG) des Begehrens auch nach Erhebung der Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin zum Aktenzeichen (S 115 AS 12264/14) darauf gerichtet, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 06. März 2014 anzuordnen. Auch nach Erlass des den Widerspruch des Antragstellers zurückweisenden Widerspruchsbescheides vom 02. Mai 2014 bleibt der Widerspruch weiterhin "Träger" des möglichen Suspensiveffekts (Oberwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 25. Juni 2012 - 1 B 128/12, juris RdNr 11). Denn die Wirkung der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs tritt rückwirkend ab Erlass des mit dem Widerspruch angefochtenen Verwaltungsakts ein und endet – vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung, die im vorliegenden Fall nicht existiert (vgl aber für die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit: § 80b Abs 1 Satz 1 2. Alt Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)) – erst mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts, anders gewendet mit dessen Bestandskraft, und umfasst in diesem Sinne die aufschiebende Wirkung der Klage (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) vom 27. Oktober 1987 – 1 C 19/85, juris RdNr 43ff = BVerwGE 78, 192, 209f vor Inkrafttreten der Neuregelung in § 80b VwGO; zustimmend Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl 2010, RdNr 16 zu § 80, und Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: September 2011, RdNr 119 zu § 80). Die kumulative Erwähnung von Widerspruch und Anfechtungsklage in § 86a Abs 1 SGG erklärt sich daraus, dass nach § 78 Abs 1 Satz 2 SGG in bestimmten Fällen der Klage kein Widerspruchsverfahren vorauszugehen hat (vgl BVerwG, aaO). Der Widerspruch bleibt daher weiterhin "Träger" des möglichen Suspensiveffekts (Oberwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 25. Juni 2012 - 1 B 128/12, juris RdNr 11).
Der Antrag ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sind nicht erfüllt.
Gemäß § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen – so wie hier – Widerspruch oder Klage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Das ist in entsprechender Anwendung des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßig¬keit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrschein¬licher ist als der Misserfolg (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, RdNr 27a zu § 86a).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 06. März 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Mai 2014 bestehen nicht.
Als Rechtsgrundlage für die Aufforderung, einen Rentenantrag zu stellen, kommt § 5 Abs 3 Satz 1 SGB II in Betracht. Stellen danach Hilfebedürftige trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht, kann der Leistungsträger den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Nach § 12a Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Dabei ist die hier streitgegenständliche Aufforderung zur Antragstellung nicht lediglich als vorbereitendes Verwaltungshandeln, sondern als Einzelfallregelung mit Außenwirkung und damit als Verwaltungsakt iSv § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) (Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, RdNr 33 zu § 5 mwN, zur Aufforderung nach § 12a SGB II: Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 16. Dezember 2011 – B 14 AS 138/11 B, juris) zu qualifizieren.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufforderung zur Rentenantragstellung liegen vor und der Antragsgegner hat mit seiner Aufforderung nicht ermessensfehlerhaft gehandelt. Die Ausführungen des SG dazu sind durchweg zutreffend und werden vom erkennenden Senat geteilt (§ 142 Abs 2 Satz 3 SGG). Bei dem Antrag auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung handelt es sich um einen erforderlichen Antrag iSd § 5 Abs 3, 12a Satz 1 SGB II, denn er hat eine der Leistung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vorrangige Leistung zum Gegenstand. Der Erwerbsfähigkeit kommt in diesem Sinne eine system- als auch eine leistungsabgrenzende Funktion zu (vgl BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 4 AS 29/09 R, juris). Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II besteht nur, sofern der alleinstehende Antragsteller erwerbsfähig iS des §§ 7 Abs 1 Nr 2, 8 Abs 1 SGB II dh auf absehbare Zeit (voraussichtlich länger als sechs Monate) unter drei Stunden täglich leistungsfähig ist. Diese Situation ist mit einer für eine Aufforderung zur Antragstellung ausreichenden Wahrscheinlichkeit gegeben. Denn das vorliegende Gutachten des ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 07. Februar 2014 gelangt zu dem Ergebnis, dass das berufliche Restleistungsvermögen unter die Grenze des § 8 Abs 1 SGB II herabgesunken ist.
Nach § 5 Abs 3 Satz 1 SGB II steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers, den Antrag zu stellen. Dies hat Auswirkungen auf die Aufforderung in dem Sinne, dass schon sie – die (vorgeschaltete) Aufforderung – einer Ermessensentscheidung bedarf (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB II, Stand II/2013, RdNr 158 zu § 5, mwN; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2013 – L 28 AS 2330/13 B ER, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Juni 2012 – L 7 AS 916/12 B ER -, jeweils juris mwN). Gemäß § 35 Abs 1 Satz 3 SGB X muss die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist. Der Antragsgegner muss daher seine Gründe für die Verpflichtung des Antragstellers zur Rentenantragstellung bereits in der Aufforderung darlegen. Ermessensbetätigung und Begründung können dabei noch bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nachgeholt werden (vgl Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl, 2014, RdNr 11 zu § 41).
Vorliegend sind Ermessensfehler bei der Aufforderung zur Stellung eines Antrages auf Erwerbsminderungsrente unter Berücksichtigung der Ausführungen im Widerspruchsbescheid nicht ersichtlich. Insbesondere liegt kein Ermessensnichtgebrauch vor, denn der Antragsgegner hat ausweislich der Erwägungen im Widerspruchsbescheid vom 02. Mai 2014 bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens erkannt, dass eine solche Aufforderung als Ermessensentscheidung zu treffen ist. Dies gilt auch unbeschadet des Umstandes, dass der Antragsgegner bei Erlass des Widerspruchsbescheides – dies ist allein maßgeblich – von einem Fall einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen ist, denn damit wird im vorliegenden Zusammenhang nur zum Ausdruck gebracht, dass von einem Regelfall ausgegangen wird. Dieser besteht im Hinblick auf die Subsidiarität der Leistungen nach dem SGB II darin, die Aufforderung auszusprechen. In diesem Sinne folgt regelmäßig aus der Annahme fehlender Erwerbsfähigkeit (§ 8 Abs 1 SGB II) durch den ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit, dass sodann der Rentenversicherungsträger mit der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit zu betrauen ist, dessen Einschätzung wiederum für alle gesetzlichen Leistungsträger verbindlich ist (vgl § 44a Abs 2 SGB II). Weitergehende Erwägungen hatte der Antragsgegner hier nicht anzustellen. Zusätzliche Anforderungen an eine Ermessensbetätigung und Begründung sind nur bei Besonderheiten des Einzelfalles zu stellen, etwa wenn eine Rehabilitationsmaßnahme beantragt oder durchgeführt wird oder eine Maßnahme nach § 16 SGB II in Rede steht. Solche von der Regel abweichenden Gesichtspunkte sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, die vor einer Aufforderung zur Stellung eines Antrages auf vorgezogene Altersrente von Bedeutung sein können, stellen sich hier nicht, weil der Subsidiaritätsgrundsatz im vorliegenden Zusammenhang keine Gestaltungsmöglichkeiten offenlässt, da die Erwerbsfähigkeit im Sinne des SGB II Anspruchsvoraussetzung für Leistungen nach dem SGB II ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
2. Die Beschwerde (L 10 AS 1793/14 B ER PKH) gegen den Beschluss des SG Berlin vom 08. Juli 2014, soweit darin der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) und (sinngemäß) die Beiordnung von Rechtsanwalt Schäfer abgelehnt worden ist, ist zulässig, aber unbegründet. Eine rückwirkende Bewilligung für ein bereits abgeschlossenes Verfahren kommt nur – aus Billigkeitsgründen - in Betracht, wenn dem vor Verfahrensabschluss gestellten PKH-Antrag bei einer früheren Entscheidung hätte entsprochen werden müssen und das Gericht die Beschlussfassung pflichtwidrig verzögert hat. Dies ist nicht festzustellen, weil der PKH-Antrag des Antragstellers im Zeitpunkt der Entscheidung des SG Berlin nicht bewiligungsreif war, da die erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) fehlte.
Eine Kostenentscheidung bezüglich dieses Prozesskostenbeschwerdeverfahrens ist entbehrlich; Gerichtskosten werden nicht erhoben und außergerichtliche Kosten werden nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
1. Die zulässige, am 10. Juli 2014 eingelegte Beschwerde (L 10 AS 1791/14 B ER) gegen den im Tenor bezeichneten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin, mit der der Antragsteller, der laufend Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bezieht, bei verständiger Würdigung seines Vorbringens (§ 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt, nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG die aufschiebenden Wirkung seines am 09. April 2014 erhobenen Widerspruchs gegen den Bescheid vom 06. März 2014 anzuordnen, mit dem er aufgefordert wurde, bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu beantragen, nachdem der ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit aufgrund eines nach Untersuchung des Antragstellers erstellten ärztlichen Gutachten vom 07. Februar 2014 die Erwerbsunfähigkeit des Antragstellers festgestellt habe, ist unbegründet.
Vor dem Hintergrund, dass dem Widerspruch des Antragstellers nicht schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung zukommt (§ 39 Nr 1 SGB II iVm § 86a Abs 2 Nr 4 SGG), ist das einstweilige Rechtsschutzbegehren des Antragstellers vom 21. Mai 2014 bei sachgerechter Auslegung (§ 123 SGG) des Begehrens auch nach Erhebung der Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin zum Aktenzeichen (S 115 AS 12264/14) darauf gerichtet, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 06. März 2014 anzuordnen. Auch nach Erlass des den Widerspruch des Antragstellers zurückweisenden Widerspruchsbescheides vom 02. Mai 2014 bleibt der Widerspruch weiterhin "Träger" des möglichen Suspensiveffekts (Oberwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 25. Juni 2012 - 1 B 128/12, juris RdNr 11). Denn die Wirkung der gerichtlich angeordneten aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs tritt rückwirkend ab Erlass des mit dem Widerspruch angefochtenen Verwaltungsakts ein und endet – vorbehaltlich einer abweichenden gesetzlichen Regelung, die im vorliegenden Fall nicht existiert (vgl aber für die allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeit: § 80b Abs 1 Satz 1 2. Alt Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)) – erst mit der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts, anders gewendet mit dessen Bestandskraft, und umfasst in diesem Sinne die aufschiebende Wirkung der Klage (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) vom 27. Oktober 1987 – 1 C 19/85, juris RdNr 43ff = BVerwGE 78, 192, 209f vor Inkrafttreten der Neuregelung in § 80b VwGO; zustimmend Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Aufl 2010, RdNr 16 zu § 80, und Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: September 2011, RdNr 119 zu § 80). Die kumulative Erwähnung von Widerspruch und Anfechtungsklage in § 86a Abs 1 SGG erklärt sich daraus, dass nach § 78 Abs 1 Satz 2 SGG in bestimmten Fällen der Klage kein Widerspruchsverfahren vorauszugehen hat (vgl BVerwG, aaO). Der Widerspruch bleibt daher weiterhin "Träger" des möglichen Suspensiveffekts (Oberwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 25. Juni 2012 - 1 B 128/12, juris RdNr 11).
Der Antrag ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs sind nicht erfüllt.
Gemäß § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen – so wie hier – Widerspruch oder Klage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Voraussetzung für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist, dass das Interesse des Einzelnen an der aufschiebenden Wirkung gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Bescheides überwiegt. Das ist in entsprechender Anwendung des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG dann der Fall, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Adressaten eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßig¬keit eines Verwaltungsaktes bestehen dann, wenn der Erfolg des Rechtsbehelfs wahrschein¬licher ist als der Misserfolg (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, RdNr 27a zu § 86a).
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 06. März 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02. Mai 2014 bestehen nicht.
Als Rechtsgrundlage für die Aufforderung, einen Rentenantrag zu stellen, kommt § 5 Abs 3 Satz 1 SGB II in Betracht. Stellen danach Hilfebedürftige trotz Aufforderung einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers nicht, kann der Leistungsträger den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen. Nach § 12a Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Dabei ist die hier streitgegenständliche Aufforderung zur Antragstellung nicht lediglich als vorbereitendes Verwaltungshandeln, sondern als Einzelfallregelung mit Außenwirkung und damit als Verwaltungsakt iSv § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) (Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, RdNr 33 zu § 5 mwN, zur Aufforderung nach § 12a SGB II: Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 16. Dezember 2011 – B 14 AS 138/11 B, juris) zu qualifizieren.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Aufforderung zur Rentenantragstellung liegen vor und der Antragsgegner hat mit seiner Aufforderung nicht ermessensfehlerhaft gehandelt. Die Ausführungen des SG dazu sind durchweg zutreffend und werden vom erkennenden Senat geteilt (§ 142 Abs 2 Satz 3 SGG). Bei dem Antrag auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung handelt es sich um einen erforderlichen Antrag iSd § 5 Abs 3, 12a Satz 1 SGB II, denn er hat eine der Leistung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vorrangige Leistung zum Gegenstand. Der Erwerbsfähigkeit kommt in diesem Sinne eine system- als auch eine leistungsabgrenzende Funktion zu (vgl BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 4 AS 29/09 R, juris). Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II besteht nur, sofern der alleinstehende Antragsteller erwerbsfähig iS des §§ 7 Abs 1 Nr 2, 8 Abs 1 SGB II dh auf absehbare Zeit (voraussichtlich länger als sechs Monate) unter drei Stunden täglich leistungsfähig ist. Diese Situation ist mit einer für eine Aufforderung zur Antragstellung ausreichenden Wahrscheinlichkeit gegeben. Denn das vorliegende Gutachten des ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 07. Februar 2014 gelangt zu dem Ergebnis, dass das berufliche Restleistungsvermögen unter die Grenze des § 8 Abs 1 SGB II herabgesunken ist.
Nach § 5 Abs 3 Satz 1 SGB II steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers, den Antrag zu stellen. Dies hat Auswirkungen auf die Aufforderung in dem Sinne, dass schon sie – die (vorgeschaltete) Aufforderung – einer Ermessensentscheidung bedarf (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB II, Stand II/2013, RdNr 158 zu § 5, mwN; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27. September 2013 – L 28 AS 2330/13 B ER, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12. Juni 2012 – L 7 AS 916/12 B ER -, jeweils juris mwN). Gemäß § 35 Abs 1 Satz 3 SGB X muss die Begründung von Ermessensentscheidungen auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist. Der Antragsgegner muss daher seine Gründe für die Verpflichtung des Antragstellers zur Rentenantragstellung bereits in der Aufforderung darlegen. Ermessensbetätigung und Begründung können dabei noch bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens nachgeholt werden (vgl Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl, 2014, RdNr 11 zu § 41).
Vorliegend sind Ermessensfehler bei der Aufforderung zur Stellung eines Antrages auf Erwerbsminderungsrente unter Berücksichtigung der Ausführungen im Widerspruchsbescheid nicht ersichtlich. Insbesondere liegt kein Ermessensnichtgebrauch vor, denn der Antragsgegner hat ausweislich der Erwägungen im Widerspruchsbescheid vom 02. Mai 2014 bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens erkannt, dass eine solche Aufforderung als Ermessensentscheidung zu treffen ist. Dies gilt auch unbeschadet des Umstandes, dass der Antragsgegner bei Erlass des Widerspruchsbescheides – dies ist allein maßgeblich – von einem Fall einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen ist, denn damit wird im vorliegenden Zusammenhang nur zum Ausdruck gebracht, dass von einem Regelfall ausgegangen wird. Dieser besteht im Hinblick auf die Subsidiarität der Leistungen nach dem SGB II darin, die Aufforderung auszusprechen. In diesem Sinne folgt regelmäßig aus der Annahme fehlender Erwerbsfähigkeit (§ 8 Abs 1 SGB II) durch den ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit, dass sodann der Rentenversicherungsträger mit der Beurteilung der Erwerbsfähigkeit zu betrauen ist, dessen Einschätzung wiederum für alle gesetzlichen Leistungsträger verbindlich ist (vgl § 44a Abs 2 SGB II). Weitergehende Erwägungen hatte der Antragsgegner hier nicht anzustellen. Zusätzliche Anforderungen an eine Ermessensbetätigung und Begründung sind nur bei Besonderheiten des Einzelfalles zu stellen, etwa wenn eine Rehabilitationsmaßnahme beantragt oder durchgeführt wird oder eine Maßnahme nach § 16 SGB II in Rede steht. Solche von der Regel abweichenden Gesichtspunkte sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Wirtschaftlichkeitsüberlegungen, die vor einer Aufforderung zur Stellung eines Antrages auf vorgezogene Altersrente von Bedeutung sein können, stellen sich hier nicht, weil der Subsidiaritätsgrundsatz im vorliegenden Zusammenhang keine Gestaltungsmöglichkeiten offenlässt, da die Erwerbsfähigkeit im Sinne des SGB II Anspruchsvoraussetzung für Leistungen nach dem SGB II ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
2. Die Beschwerde (L 10 AS 1793/14 B ER PKH) gegen den Beschluss des SG Berlin vom 08. Juli 2014, soweit darin der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) und (sinngemäß) die Beiordnung von Rechtsanwalt Schäfer abgelehnt worden ist, ist zulässig, aber unbegründet. Eine rückwirkende Bewilligung für ein bereits abgeschlossenes Verfahren kommt nur – aus Billigkeitsgründen - in Betracht, wenn dem vor Verfahrensabschluss gestellten PKH-Antrag bei einer früheren Entscheidung hätte entsprochen werden müssen und das Gericht die Beschlussfassung pflichtwidrig verzögert hat. Dies ist nicht festzustellen, weil der PKH-Antrag des Antragstellers im Zeitpunkt der Entscheidung des SG Berlin nicht bewiligungsreif war, da die erforderliche Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 117 Abs 2 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) fehlte.
Eine Kostenentscheidung bezüglich dieses Prozesskostenbeschwerdeverfahrens ist entbehrlich; Gerichtskosten werden nicht erhoben und außergerichtliche Kosten werden nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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