L 1 KR 505/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 210 KR 54/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 505/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 9/15 B (NZB)
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Nichtzulassungsbeschwerde zurückgenommen
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Krankengeldhöhe für den Zeitraum 20. März 2006 bis zum 5. August 2007.

Der 1964 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger war vom 28. November 2005 bis zum 15. Juni 2006 bei der M GmbH & Co. KG (M) beschäftigt. Ab dem 6. Februar 2006 war er arbeitsunfähig erkrankt.

Die Beklagte teilte ihm mit Bescheid vom 28. März 2006 mit, dass ein Anspruch auf Krankengeld in Höhe von kalendertäglich 25,94 EUR bestehe. Sie legte dabei ein Bruttoentgelt in Höhe von 1.231,08 EUR bzw. ein Nettoentgelt von 951,11 EUR zugrunde, das in dem Bemessungszeitraum 28. November 2005 bis 31. Dezember 2005 erzielt worden sei.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch: die der Krankengeld zugrunde liegende Entgeltbescheinigung sei fehlerhaft, deren Korrektur stehe noch aus.

Am 13. Dezember 2006 schloss der Kläger mit der M vor dem Arbeitsgericht Berlin einen Vergleich, in dem u. a. folgendes geregelt wurde:

"2. Die Beklagte zahlt an den Kläger über das bereits Gezahlte hinaus als Restarbeitsvergütung aus dem beendeten Arbeitsverhältnis, nämlich als Vergütung für den Monat Januar 2006 insgesamt den sich aus einem Betrag von 1.276,00 EUR netto ( ) ergebenden Bruttobetrag.

3. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger auf der Basis der Ziffer 2 dieses Vergleichs eine entsprechende Vergütungsabrechnung zu erstellen und eine entsprechende Bescheinigung zur Vorlage beim Krankenversicherungsträger sowie eine entsprechende Bescheinigung beim Rentenversicherungsträger zu erstellen."

Die M übermittelte der Beklagten unter dem 18. Juni 2007 korrigierte Gehaltsabrechnungen für die Monate November 2005, Dezember 2005 und Januar 2006. Danach betrug das Entgelt des Klägers im November 2005 154,07 EUR brutto bzw. 114,91 EUR netto, im Dezember 2005 1.178,85 EUR brutto bzw. 915,97 EUR netto und im Januar 2006 4.096,61 EUR brutto bzw. 3.226,92 EUR netto.

Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 14. August 2007 mit, aufgrund der erfolgten Korrekturen bestehe nunmehr ein kalendertäglicher Krankengeldanspruch von 28,27 EUR, wobei sie für die Berechnung weiter von dem Krankengeldbemessungszeitraum 28. November 2005 bis 31. Dezember 2005 ausgehe. Es sei ein Bruttoentgelt in Höhe von 1.332,92 EUR bzw. ein Nettoentgelt in Höhe von 1.087,04 EUR zugrunde zu legen. Der sich hieraus ergebene Differenzbetrag in Höhe von 1.001,20 EUR für den Krankengeldbezugszeitraum vom 20. März 2006 bis 5. August 2007 werde dem Kläger nachgezahlt. Damit sei der Widerspruch vom 20. März 2006 abgeholfen.

Der Kläger legte hiergegen am 17. August 2007 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2007 zurückwies.

Hiergegen hat der Kläger am 7. Januar 2008 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben, mit der er die Neuberechnung des Krankengelds unter Berücksichtigung auch des (höheren) Entgelts für Januar 2006 begehrt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. November 2012 (Zustellung: 15. November 2012) abgewiesen: Bei einem nach Monaten bemessenen Arbeitsentgelt sei für die Berechnung des Regelentgeltes der 30. Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonats erzielten Arbeitsentgelt maßgeblich, § 47 Abs. 2 Satz 3 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V). Nach ständiger Rechtsprechung sei ein Entgeltabrechnungszeitraum in diesem Sinne abgerechnet, wenn der Arbeitgeber das in diesem Zeitraum erzielte Arbeitsentgelt vollständig errechnet habe, so dass es ohne Weiteres ausgezahlt oder überwiesen werden könne (Bezugnahme auf Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 25. Juni 1991 SozR 3 – 2200 § 182 Nr. 8). Ausweislich der Bestätigung der M sei das Arbeitsentgelt für Januar 2006 (erst) am 15. Februar 2006 und damit nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (6. Februar 2006) vollständig abgerechnet gewesen. An dieser Rechtsprechung habe sich auch nichts durch die Entscheidung des BSG vom 16. Februar 2005 (Az. B 1 KR 19/03 R) geändert. Diese habe sich nämlich nur auf das Tatbestandsmerkmal des erzielten Arbeitsentgelts bezogen. Danach seien auch die Teile des Arbeitsentgeltes erzielt, welche in Folge nachträglicher Vertragserfüllung für den Bemessungszeitraum zunächst rechtswidrig vorenthalten, aber später nachgezahlt worden seien. Hinsichtlich des vor dem Arbeitsgericht Berlin geschlossenen Vergleiches fehle es jedoch an einer Nachzahlung in diesem Sinne. In Ziffer 2 des Vergleiches sei nämlich vereinbart worden, dass die M an den Kläger "als Vergütung für den Monat Januar 2006" insgesamt den sich aus einem Nettobetrag von 1.276,00 EUR ergebenen Bruttobetrag zahle. Nach dem Wortlaut des Vergleiches habe die Nachzahlung also als Vergütung für den Monat Januar 2006 erfolgen sollen. Die Parteien des Vergleichsvertrages seien zwar, wie sich das in Ziffer 3 entnehmen lasse, davon ausgegangen, dass die derart nachträglich vereinbarte Vergütung für Januar 2006 auch für die Berechnung des zu zahlenden Krankengeldes zu berücksichtigen seien. Dies sei jedoch nach § 47 Abs. 2 SGB V nicht der Fall.

Hiergegen hat der Kläger zunächst am 14. Dezember 2012 einen Prozesskostenhilfeantrag für die beabsichtigte Berufung erhoben Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das beabsichtigte Berufungsverfahren hat er am 9. Juli 2013 Berufung erhoben, verbunden mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand. Zur Begründung hat er ausgeführt, M habe vorsätzlich falsch abgerechnet und unzulängliche Abgaben entrichtet. Der arbeitsgerichtliche Vergleich habe das Unternehmen zur Zahlung des vollen Bruttogehaltes verpflichtet. Selbst dieser Vergleich habe in Bezug auf die Arbeitsbescheinigung sogar vollstreckt werden müssen. Aus dem Beschluss des Arbeitsgerichts über die Festsetzung eines Zwangsgeldes werde deutlich, dass das für Januar im Vergleich festgeschriebene Nettogehalt gerade vertraglich geschuldet worden sei. Maßgeblich für die Berechnung der Sozialleistungen sei das vom Arbeitnehmer erzielte Arbeitsentgelt. Das Arbeitsentgelt für Januar 2006 sei im Zeitpunkt der Erkrankung am 6. Februar 2006 zur Abrechnung fällig und auch auszuzahlen gewesen. Selbst die Abrechnungen für November 2005 und Dezember 2005, welche von der Beklagten zugrunde gelegt worden seien, seien fehlerhaft. Der Umstand, dass der Kläger als Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber keine Nachzahlung mehr fordern könne, ändere nichts an seinem Anspruch auf Zahlung der entsprechenden Sozialabgaben an die Sozialkassen und seinem Anspruch gegen die Krankenkasse auf Zahlung eines entsprechenden Krankengeldes auf der Basis der korrekten Berechnung. Wie die Entscheidung des BSG vom 10. Mai 2012 (B 1 KR 20/11 R) zeige, sei auch eine nachträgliche Berichtigung auf zutreffende Zahlen möglich. Das BSG habe bereits 2004 entschieden, dass nicht lediglich das zugeflossene Arbeitsentgelt maßgeblich sei, sondern das tariflich geschuldete. Beiträge zur Sozialversicherung seien auch für geschuldetes, aber nicht gezahltes Arbeitsentgelt zu entrichten. Auch der Monat Januar sei bei der Berechnung des Krankengeldes einzubeziehen, denn der Gehaltsanspruch für diesen Monat präge das Durchschnittseinkommen. Die Tatsache, dass dem Arbeitgeber nachgelassen sei, bis zum 15. den Nettolohn auszuzahlen, ändere nichts an der Fälligkeit mit Ablauf des Monats. Die Lohnsteuer sei bereits am 10. des Monats fällig.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 14. August 2007 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2007 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld auf der Grundlage des Arbeitsentgeltes des Monats Januar 2006 und der Nachzahlungen für die Monate November und Dezember 2005 aus einem rentenversicherungspflichtigen Bruttogehalt von 4.096,61 EUR, dem sozialversicherungspflichtigen Bruttogehalt von 3.562,50 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter im Erörterungstermin am 10. März 2014 einverstanden erklärt.

Der Kläger bittet vorsorglich um Zulassung der Revision. Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine nach §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt.

Die Berufung ist zulässig. Dem Kläger ist Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist nach § 67 Abs. 1, Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu gewähren. Ein Beteiligter – wie hier der Kläger – handelt nicht schuldhaft, wenn er wegen Mittellosigkeit an der Einlegung eines Rechtsbehelfs gehindert ist, soweit ein Antrag auf Prozesskostenhilfe innerhalb der Rechtsbehelfsfrist ordnungsgemäß eingereicht wird und alles unternommen ist, um die Entscheidung über den Antrag herbeizuführen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 67 Rd.-Nr. 7b). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird. Es hat insbesondere ausgeführt, weshalb der Monat Januar 2006 hier nicht heranziehbar war. Ausweislich des vom Kläger mit seinem früheren Arbeitgeber abgeschlossenen Vergleichs hat dieser für die Monate November 2005 und Dezember 2005 keine Nachzahlungen mehr geleistet bzw. leisten müssen. Die Vergleichsvereinbarung ist insoweit nicht auslegungsbedürftig. Dass die Parteien des Arbeitsgerichtsprozesses eine für den Kläger günstigere Verteilung der Restvergütung hätte vereinbaren können, ändert hieran nichts. Die Schriftsätze im Arbeitsrechtsverfahren bzw. die Arbeitsgerichtsakte selbst sind deshalb nicht beizuzuziehen.

Auf das Urteil des BSG vom 10. Mai 2012 (B 1 KR 20/11 R) kann sich der Kläger nicht berufen. Es befasst sich speziell mit der Krankengeldberechnung bei einem Fall der "Kurzarbeit 0", bei welchem die Höhe des Krankengelds nicht nach § 47 Abs. 2 SGB V also nicht auf einer konkreten Basis, sondern auf einer fiktiven Bemessungsgrundlage beruht, weil den Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung bei Kurzarbeitsgeldbeziehern ein fiktiver Wert zugrunde liegt, § 249 Abs. 2 SGB V.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Sache.

Gründe zur Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich im Kern um die Auslegung einer arbeitsvertraglichen (Vergleichs-)Regelung im Einzelfall.
Rechtskraft
Aus
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