L 25 AS 1246/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 174 AS 15626/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 1246/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. April 2012 abgeändert und die Klage des Klägers ganz abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für den gesamten Rechtsstreit nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch über die Erstattung von Zuschüssen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung nach § 26 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 31. August 2009.

Der 1949 geborene Kläger und seine 1959 geborene Ehefrau N A, die vormalige Klägerin zu 1), bezogen von dem Beklagten seit 2005 Leistungen nach dem SGB II. Sie bewohnten gemeinsam mit ihrer nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Tochter A eine Wohnung für die in dem streitgegenständlichen Zeitraum Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) in Höhe von insgesamt 656,82 EUR anfielen (419,92 EUR Kaltmiete, 139,00 EUR Betriebskostenvorschuss, 24,00 EUR Aufzugskostenvorschuss, 64,54 EUR Heizkostenvorschuss sowie 9,36 EUR Kabelanschlussgebühr). Die Ehefrau des Klägers bezog in dem streitgegenständlichen Zeitraum aus einer abhängigen Beschäftigung bei einem Pflegedienst ein monatliches Einkommen von (brutto wie netto) 390,00 EUR und darüber hinaus Kindergeld. Der Kläger war selbstständig tätig mit zwei unterschiedlichen Gewerbebetrieben, einem Kiosk sowie einem An- und Verkauf von Edelmetallen. Er war bei der Techniker Krankenkasse freiwillig gesetzlich krankenversichert.

Auf einen Weiterbewilligungsantrag vom 5. Februar 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau mit Bescheid vom 27. Februar 2009 für den Zeitraum vom 1. März 2009 bis zum 31. August 2009 vorläufig KdUH für den Zeitraum vom 1. bis 31. März 2009 in Höhe von 177,58 EUR (Ehefrau des Klägers) bzw. 177,57 EUR (Kläger) und für den Zeitraum vom 1. April bis 31. August 2009 in Höhe von jeweils 57,69 EUR monatlich. Er ging hierbei von einem monatlichen Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft von 1.057,95 EUR aus (2 x 316,00 EUR Regelleistungen, 425,95 EUR KdUH). Als Einkommen legte er – jeweils unter Berücksichtigung der Freibeträge – das Einkommen der Ehefrau des Klägers aus der abhängigen Beschäftigung von 390,00 EUR, Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR sowie Einkommen des Klägers aus dessen selbstständiger Tätigkeit unter Zugrundelegung der mit dem Antrag übersandten Einkommensschätzung von monatlich 496,00 EUR (für März 2009) bzw. 795,71 EUR (für April bis August 2009) zu Grunde. Ferner gewährte er dem Kläger Zuschüsse zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in Höhe von 230,03 EUR, 30,79 EUR und 40,80 EUR. Die Bewilligung erfolgte vorläufig im Hinblick auf die noch nicht feststehende Höhe des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit.

Mit Änderungsbescheid vom 6. Juni 2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seiner Ehefrau unter Berücksichtigung der zum 1. Juli 2009 erfolgten Anpassung der Regelleistung für die Monate Juli und August 2009 KdUH in Höhe von jeweils 64,69 EUR sowie die Zuschüsse zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in der oben genannten Höhe. Der Bescheid enthält den Hinweis, dass die Vorläufigkeit bestehen bleibe, soweit Leistungen vorläufig bewilligt wurden.

Am 21. September 2010 teilte der Kläger dem Beklagten die Einnahmen und Ausgaben für den Zeitraum vom 1. März bis 31. August 2009 mit. Danach erzielte er mit dem Kiosk Einnahmen in Höhe von insgesamt 63.643,54 EUR, denen Ausgaben von insgesamt 63.863,84 EUR gegenüberstanden. Aus dem An- und Verkauf von Edelmetallen erzielte er Einnahmen von insgesamt 28.447,54 EUR, denen Ausgaben von 20.919,40 EUR gegenüberstanden.

Mit zwei Bescheiden vom 10. November 2010 stellte der Beklagte fest, dass dem Kläger und seiner Ehefrau für den Zeitraum vom 1. März bis 31. August 2009 kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zustehe, und forderte von dem Kläger die Erstattung von 2.289,74 EUR, bestehend aus KdUH von 480,02 EUR sowie den gewährten Zuschüssen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in Höhe von 1.809,72 EUR. Von der Ehefrau des Klägers forderte der Beklagte die Erstattung von KdUH in Höhe von 480,03 EUR. Dem legte er – wie in den Bescheiden vom 27. Februar und 6. Juni 2009 – einen monatlichen Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft von 1.057,95 EUR (für März bis Juni 2009) bzw. 1.071,95 EUR (für Juli und August 2009) zu Grunde sowie Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers in Höhe von 230,03 EUR bzw. 30,79 EUR. Als Einkommen der Ehefrau des Klägers berücksichtigte er das Erwerbseinkommen in Höhe von 390,00 EUR abzüglich des Freibetrages von 158,00 EUR sowie Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR. Als Einkommen des Klägers berücksichtigte er laufendes Einkommen aus Selbstständigkeit in Höhe von 1.254,69 EUR monatlich abzüglich des Freibetrages in Höhe von 280,00 EUR.

Die hiergegen gerichteten Widersprüche des Klägers und seiner Ehefrau wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. Mai 2011 zurück. Zur Begründung führte er aus, als Einkommen des Klägers aus dessen selbstständiger Tätigkeit sei allein der mit dem An- und Verkauf von Edelmetallen erwirtschaftete Gewinn zu Grunde zu legen. Das defizitäre Gewerbe betreffend den Betrieb des Kiosks sei bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens nicht zu berücksichtigen gewesen, da damit in dem streitgegenständlichen Zeitraum keine Gewinne erwirtschaftet worden seien und es dem Kläger zuzumuten sei, diese Tätigkeit aufzugeben. Eine Verrechnung im Sinne eines horizontalen Verlustausgleichs finde insoweit nicht statt. Der danach allein als Einkommen verbleibende Gewinn aus dem An- und Verkauf von Edelmetallen in Höhe von monatlich durchschnittlich 1.254,69 EUR sei um die Freibeträge in Höhe von 280,00 EUR zu bereinigen gewesen. Ferner seien das Einkommen der Ehefrau des Klägers in Höhe von 390,00 EUR abzüglich der Freibeträge von 158,00 EUR und das Kindergeld in Höhe von 164,00 EUR zu berücksichtigen gewesen. Die danach anzurechnenden Gesamteinkünfte von monatlich 1.360,69 EUR hätten den Gesamtbedarf von 1.057,95 EUR (März bis Juni 2009) bzw. 1.071,95 EUR (Juli und August 2009) zuzüglich der Zuschüsse zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung von monatlich 260,82 EUR überstiegen.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage vom 16. Juni 2011 haben der Kläger und seine Ehefrau geltend gemacht, die Gewinne aus dem An- und Verkauf von Edelmetallen hätten mit den Verlusten aus dem Kiosk verrechnet werden müssen.

Mit Urteil vom 18. April 2012 hat das Sozialgericht Berlin den Erstattungsbescheid vom 10. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2011 betreffend den Kläger insoweit aufgehoben, als in diesem eine Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 1. März bis 31. August 2009 in Höhe von monatlich 301,62 EUR (insgesamt; 1.809,72 EUR) geltend gemacht wird. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Ferner hat es entschieden, dass der Beklagte dem Kläger 4/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten hat. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Beklagte habe die mit den Bescheiden vom 27. Februar und 6. Juni 2009 vorläufig festgesetzten Leistungen mit den angegriffenen Bescheiden aus den insbesondere in dem Widerspruchsbescheid dargelegten Gründen zutreffend endgültig festgesetzt. Der Verlust aus dem Betrieb des Kiosks sei bei der Einkommensermittlung nicht zu berücksichtigen gewesen. Ein sogenannter horizontaler Verlustausgleich innerhalb derselben Einkommensart finde auch unter Berücksichtigung der Regelungen in § 5 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen und zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld nicht statt. Rechtswidrig sei die Rückforderung der in dem streitigen Zeitraum erbrachten Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen. Dies ergebe sich aus § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II (a.F.) i.V.m. § 335 Abs. 1, 2 und 5 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III). § 335 SGB III sei auf die vorläufige (aber bestandskräftig gewordene) Bewilligung nicht anwendbar, sodass im Rahmen einer endgültigen Festsetzung die an die Krankenkasse erbrachten Leistungen nicht zu erstatten seien. Eine Ausnahme gelte nur dann, wenn der Leistungsträger berechtigt gewesen sei, die nur vorläufige (aber bestandskräftig gewordene) Bewilligung gemäß § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (Verweis u.a. auf Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Mai 2006 – L 12 AL 39/03-14 ), wofür vorliegend nichts ersichtlich sei. § 335 SGB III sei auch nicht analog auf vorläufige Bewilligungen anzuwenden. Eine Erstattungspflicht nach § 335 SGB III bestehe zudem nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht, wenn der Leistungsberechtigte pflichtgemäß handele. Diese Grundsätze seien auch in dem hier vorliegenden Fall anzuwenden, in dem zwar keine Sozialversicherungsbeiträge an den Versicherungsträger, sondern Zuschüsse nach § 26 SGB II geleistet worden seien. Für eine Erstattung von an den Rentenversicherungsträger abgeführten Beiträgen im Rahmen der Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II fehle es an einer Ermächtigungsgrundlage. Der Verweis des § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II (a.F.) sei insoweit fehlerhaft, weil die Rentenversicherungsbeiträge in den in Bezug genommenen Regelungen des § 335 SGB III nicht genannt seien. Das Fehlen eines Verweises auf § 335 Abs. 3 SGB III sei folgerichtig. Scheide eine Erstattung von durch den Leistungsträger an die Rentenversicherung direkt abgeführten Beiträgen danach aus, müsse dies auch für nach § 26 SGB II gewährte Zuschüsse gelten, weil kein Grund ersichtlich sei, denjenigen, der die Beiträge aufgrund seines Versicherungsstatus selbst abzuführen habe, zur Erstattung dieser Beiträge zu verpflichten, während derjenige, bei dem der Leistungsträger die Beiträge abführe, keiner Erstattungspflicht unterliege. Der Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung stehe die Rechtsprechung des BSG zur Anwendung des § 335 SGB III entgegen. Danach sei kein Grund ersichtlich, den Versicherten, der seinen Obliegenheiten zur Angabe der leistungserheblichen Tatsachen nachkomme, mit der Ersatzpflicht hinsichtlich der gezahlten Beiträge zu belasten. Diese Grundsätze seien uneingeschränkt auch auf die Erstattung von Kranken- und Pflegeversicherungszuschüssen nach § 26 SGB II übertragbar. Für eine Ungleichbehandlung sei insofern kein sachlicher Grund erkennbar. Eine danach erforderliche Bösgläubigkeit des Klägers sei nicht ersichtlich. Zudem hätte es insoweit auch an der erforderlichen vorherigen Anhörung des Klägers gefehlt. Gegen das ihm am 27. April 2012 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 25. Mai 2012 Berufung eingelegt. Er ist der Ansicht, § 335 SGB III sei auf nach § 26 SGB II gewährte Zuschüsse zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung weder unmittelbar noch analog anwendbar. Rechtsgrundlage für die Erstattung sei vielmehr auch insoweit § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III. Bei den Zuschüssen handele es sich um "erbrachte Leistungen". Eine Schlechterstellung privat Versicherter liege insoweit nicht vor, denn bei gesetzlich Versicherten habe der Leistungsträger dadurch, dass die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung bei einer endgültigen Festsetzung der Leistungen auf null rückwirkend entfalle, einen Erstattungsanspruch gegen die jeweilige Krankenkasse. Bei einem privat Versicherten bestehe ein solcher Anspruch gegen das Krankenversicherungsunternehmen nicht. Folge man dieser Auffassung nicht, sei § 335 SGB III bei einer endgültigen Festsetzung und Erstattung analog anzuwenden.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. April 2012 zu ändern und die Klage des Klägers ganz abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die den Kläger betreffenden Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und begründet.

1. Das Sozialgericht hat nur den an den Kläger gerichteten Erstattungsbescheid aufgehoben, soweit gegenüber diesem die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen (gemeint sind ausweislich der Entscheidungsgründe die nach § 26 SGB II gewährten Beitragszuschüsse) in Höhe von monatlich 301,62 EUR (insgesamt 1.809,72 EUR) geltend gemacht wird. Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der endgültigen Festsetzung der Leistungen, sowie hinsichtlich der von dem Kläger und seiner Ehefrau geforderten Erstattung der KdUH hat es die Klagen abgewiesen. Insoweit ist das Urteil in Rechtskraft erwachsen, weil nur der Beklagte hiergegen Berufung eingelegt hat. Dementsprechend war das Rubrum nunmehr dahingehend zu fassen, dass die Ehefrau des Klägers nicht (mehr) Beteiligte des Verfahrens ist. Auch sind die Bescheide vom 10. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2011 infolge der rechtskräftigen Klageabweisung insoweit bestandskräftig geworden, als darin festgestellt wird, dass dem Kläger und seiner Ehefrau für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. März bis 31. August 2009 kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der in die Bedarfsberechnung einbezogenen Beitragszuschüsse nach § 26 SGB II, bei denen es sich nicht um einen abtrennbaren Streitgegenstand handelt (vgl. BSG, Urteile vom 18. Januar 2011 – B 4 AS 108/10 R –, juris Rn. 13, und vom 27. September 2011 – B 4 AS 160/10 R –, juris Rn. 14) zusteht. Die Rechtmäßigkeit der endgültigen Leistungsfestsetzung einschließlich der Frage der Zulässigkeit eines sogenannten horizontalen Verlustausgleichs (vgl. zum Streitstand LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Februar 2014 – L 18 AS 2232/11 –, juris Rn 24 ff.; und Sozialgericht Dresden, Urteil vom 14. Februar 2014 – S 21 AS 6348/10 , juris Rn. 45 ff., jeweils m.w.N.) war danach im Berufungsverfahren nicht mehr zu überprüfen. Zu prüfen war allein noch, ob der Kläger auf der Grundlage der bestandskräftigen Feststellung des Beklagten, dass ihm und seiner Ehefrau für den streitigen Bewilligungszeitraum kein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zustand, zur Erstattung der danach zu Unrecht gewährten Zuschüsse zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in Höhe von monatlich 301,62 EUR verpflichtet war.

2. In dem danach allein zur Überprüfung stehenden Umfang war das angegriffene Urteil zu ändern. Die Klage war auch insoweit abzuweisen. Ausgehend von der bestandskräftigen Feststellung des Nichtbestehens eines Leistungsanspruchs für den streitigen Zeitraum erweist sich der angegriffene Festsetzungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 10. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2011 entgegen der Ansicht des Sozialgerichts auch hinsichtlich der von dem Kläger verlangten Erstattung der mit dem Bescheid vom 27. Februar 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides 6. Juni 2009 vorläufig gewährten Zuschüsse zu den Beiträgen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung als rechtmäßig.

Rechtsgrundlage der Erstattungsforderung ist § 328 Abs. 3 Satz 2, 1. HS SGB III i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1a SGB II in der hier noch maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I, S. 2917, im Folgenden: a.F.). Danach sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird. Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der Beitragszuschüsse vor.

a) Mit dem Bescheid vom 27. Februar 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides 6. Juni 2009 wurden dem Kläger für den streitigen Zeitraum Zuschüsse zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung in Höhe von monatlich 230,03 EUR, 30,79 EUR und 40,80 EUR bewilligt. Der Bescheid vom 27. Februar 2009 erging im Hinblick auf die noch nicht feststehenden Einnahmen und Ausgaben des Klägers aus selbstständiger Tätigkeit vorläufig. Die Vorläufigkeit entfiel hinsichtlich der Monate Juli und August 2009 nicht durch den Änderungsbescheid vom 6. Juni 2009, der den ausdrücklichen Hinweis enthielt, dass die Vorläufigkeit bestehen bleibt, soweit Leistungen vorläufig bewilligt wurden.

Mit der abschließenden Leistungsfestsetzung in dem Bescheid vom 10. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 2011 wurde dem Kläger wegen des den Gesamtbedarf (einschließlich der Beitragszuschüsse) übersteigenden Einkommens der Bedarfsgemeinschaft ein Anspruch auf Zuschüsse zu den Beiträgen zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung nicht zuerkannt. In dem dem Bescheid beigefügten Berechnungsbogen werden die Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung zwar als "Weitere zustehende Leistungen" und dann auch unter "Gesamtbetrag der monatlich zustehenden Leistungen" aufgeführt. In dem Bescheid selbst wird aber festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts hat und werden unter dem Punkt "Sie haben wie folgt Leistungen erhalten, ohne dass hierauf ein Anspruch bestand:" neben den KdUH auch die Beitragszuschüsse ausgewiesen. Im Widerspruchsbescheid werden die Beitragszuschüsse dem Gesamtbedarf hinzugerechnet und zusammen mit diesem den Gesamteinkünften gegenübergestellt und es wird festgestellt, dass kein Leistungsanspruch bestand. Vor diesem Hintergrund lässt sich der angegriffene Bescheid zweifelsfrei dahingehend auslegen, dass auch entschieden wurde, dass dem Kläger kein Anspruch auf Beitragszuschüsse zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zustand.

b) Die dem Kläger gewährten Zuschüsse zur Rentenversicherung, zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung gemäß § 26 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 1. HS und Abs. 3 Satz 1 SGB II in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 17. Juli 2009 (BGBl. I, S. 1990, im Folgenden: a.F.; zur entsprechenden Anwendung des § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB II a.F. auf die in der sozialen Pflegeversicherung gemäß § 20 Abs. 3 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) pflichtversicherten und ihre Beiträge selbst tragenden freiwilligen Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung vgl. S. Knickrehm/Hahn, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 26 Rn. 24 m.w.N.; ferner BSG, Urteil vom 15. November 2012 – B 8 SO 3/11 R –, juris Rn. 24) stellen "erbrachte Leistungen" im Sinne des § 328 Abs. 3 Satz 2, 1. HS SGB III dar (vgl. Kallert, in: Gagel, SGB II/SGB III, 55. EL 2014, § 328 Rn. 17; S. Knickrehm/Hahn, in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 26 Rn. 31; Eicher/Greiser, in: Eicher, a.a.O., § 40 Rn. 147; Merten, in: BeckOK, SGB II, Stand 1. Dezember 2014, § 40 Rn. 35). Die Zuschüsse wurden dem Kläger (vorläufig) bewilligt und an ihn selbst ausgezahlt. Insoweit unterscheiden sie sich grundlegend von den im Rahmen eines Pflichtversicherungsverhältnisses vom Leistungsträger aufgrund einer eigenen Verpflichtung (vgl. § 252 Abs. 1 Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), § 60 Abs. 1 Satz 2 des SGB XI, § 173 Satz 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der Fassung des Gesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl. I, S. 2014) unmittelbar an den Sozialversicherungsträger gezahlten Pflichtbeiträgen (vgl. dazu Sächsisches LSG, Urteil vom 22. Mai 2014 – L 3 AS 600/12 –, juris Rn. 27 ff. m.w.N.).

c) § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II a.F. steht einer auf § 328 Abs. 3 Satz 2, 1. HS. SGB III gestützten Erstattungsforderung hinsichtlich der Beitragszuschüsse nicht entgegen.

aa) Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II a.F. sind die Vorschriften des Dritten Buches über die Erstattung von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung (§ 335 Abs. 1, 2 und 5) entsprechend anwendbar. Wurden von der Bundes-agentur für eine Bezieherin oder für einen Bezieher von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt, so hat die Bezieherin oder der Bezieher dieser Leistungen der Bundesagentur gemäß § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III die Beiträge zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist.

bb) Dahingestellt bleiben kann insoweit zunächst, ob der Verweis in § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II überhaupt die an den Leistungsempfänger selbst ausgezahlten Beitragszuschüsse nach § 26 SGB II a.F. erfasst, obwohl dort ausdrücklich nur die Erstattung "von Beiträgen" erwähnt ist und § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III nur die "für" (und nicht "an") eine Bezieherin oder einen Bezieher der dort genannten Leistungen gezahlten Beiträge regelt. Für eine zumindest entsprechende Anwendung des § 335 SGB III dürfte insoweit allerdings die Regelung in § 335 Abs. 1 Satz 5 SGB III sprechen, wonach Satz 1 entsprechend gilt, soweit die Bundesagentur Beiträge, die für die Dauer des Leistungsbezuges an ein privates Versicherungsunternehmen zu zahlen sind, übernommen hat. Auch in diesem Fall (vgl. § 174 SGB III) wird eine eigene Verbindlichkeit des Versicherten erfüllt, wobei lediglich der Zahlungsweg ein anderer als im Bereich des SGB II (vgl. jetzt aber § 26 Abs. 4 SGB II n.F.) ist (vgl. S. Knickrehm/Hahn, a.a.O.; Merten, a.a.O.).

cc) Ebenfalls dahingestellt bleiben kann vorliegend, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Erstattungsanspruch nach § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III auch bei nach § 328 SGB III vorläufig bewilligten Leistungen in Betracht kommt (vgl. hierzu die Ausführungen des Sozialgerichts auf S. 8 f. des angegriffenen Urteils; ferner Sächsisches LSG, a.a.O., Rn. 38 ff.; Eicher/Greiser, a.a.O., Rn. 138).

dd) Selbst wenn vorliegend (auch) ein Erstattungsanspruch nach § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II a.F. in Betracht käme, würde die Regelung hinsichtlich des dem Wortlaut nach zweifelsfrei gegebenen Erstattungsanspruchs nach § 328 Abs. 3 Satz 2, 1. HS. SGB III jedenfalls keine Sperrwirkung entfalten und dessen Anwendungsbereich auch nicht einschränken.

(1) Beitragsrechtlicher Hintergrund des § 335 SGB III ist die Versicherungspflicht von Empfängern von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosengeld II in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung, die gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2, 2. HS und Nr. 2a, 2. HS SGB V bzw. § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 2. HS SGB XI (zur entsprechenden Anwendung dieser Regelung auch auf Bezieher von Arbeitslosengeld II vgl. Eicher/Greiser, a.a.O., Rn. 133) durch die Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheides und die Rückforderung des Arbeitslosengeldes nicht berührt wird. Hierin kommt der Grundsatz zum Ausdruck, dass aus Gründen des Vertrauensschutzes einmal begründete Versicherungsverhältnisse in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht rückwirkend beseitigt werden sollen, selbst wenn sie auf einem rechtswidrigen und rückabgewickelten Zustand beruhen (vgl. dazu Peters, in: Kasseler Kommentar, SGB V, 84. EL 2014, § 5 Rn. 45). Aus der danach auch im Falle der Leistungsrückabwicklung fortbestehenden Versicherungspflicht des Leistungsempfängers erwächst gemäß §§ 251 Abs. 4, Abs. 4a, 252 Abs. 1 Satz 2 SGB V und §§ 59 Abs. 1 Satz 1, 60 Abs. 1 Satz 2 SGB XI eine Beitragstragungspflicht des Bundes (bei Bezug von Arbeitslosengeld II) bzw. der Bundesagentur für Arbeit (bei Bezug von Arbeitslosengeld) und bei Bezug von Arbeitslosengeld II eine Zahlungspflicht der Bundesagentur für Arbeit der kommunalen Träger.

Vor dem Hintergrund der danach auch im Falle der Rückabwicklung der Leistungen fortbestehenden Versicherungspflicht und der Beitrags(zahlungs)pflicht des Leistungsträgers ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG im Falle der rückwirkenden Rückforderung von Leistungen hinsichtlich der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung § 50 SGB X weder unmittelbar noch analog anwendbar, weil die Leistung der Krankenversicherungsbeiträge ihren Rechtsgrund im Versicherungsverhältnis zwischen dem Leistungsempfänger und dem Krankenversicherungsträger sowie der an dieses Verhältnis anknüpfenden Beitragspflicht der Bundesagentur für Arbeit hatte (vgl. BSG, Urteile vom 30. Januar 1990 – 11 RAr 87/88 –, juris Rn. 56, vom 29. November 1990 – 7 RAr 10/89 –, juris Rn. 19, und vom 10. August 2000 – B 11 AL 119/99 R –, juris Rn. 18).

Der Gesetzgeber empfand das vollständige Fehlen einer Anspruchsgrundlage für die Rückforderung von Krankenversicherungsbeiträgen bei unrechtmäßigem Leistungsbezug als unbefriedigend und begründete mit § 157 Abs. 3a des Arbeitsförderungsgesetzes (vgl. Artikel 1 Nr. 31 des Gesetzes vom 18. Dezember 1992, BGBl. I S. 2044), der Vorgängerregelung des heutigen § 335 Abs. 1 SGB III, mit Wirkung vom 1. Januar 1993 einen speziellen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (näher zu den Hintergründen BSG, Urteil vom 10. August 2000, a.a.O., Rn. 18 ff.). Zweck der Regelung war es danach allein, den Umfang der Erstattungspflicht des Leistungsempfängers gegenüber der Bundesagentur für Arbeit im Hinblick auf die an den Sozialversicherungsträger direkt gezahlten Pflichtversicherungsbeiträge zu erweitern, nicht aber, einen nach den allgemeinen Erstattungsregelungen (insbesondere § 50 SGB X, aber auch § 328 Abs. Abs. 3 Satz 2, 1. HS SGB III) tatsächlich bestehenden Erstattungsanspruch auszuschließen oder einzuschränken.

In Fällen wie dem vorliegenden, in denen der Leistungsträger die Beiträge nicht selbst und aufgrund einer eigenen Verpflichtung an den Sozialversicherungsträger zahlt, sondern einen Zuschuss zu den von dem Leistungsempfänger selbst zu zahlenden Beiträgen gewährt, kann ein Erstattungsanspruch unmittelbar aus § 50 SGB X bzw. § 328 Abs. Abs. 3 Satz 2, 1. HS SGB III hergeleitet werden. § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB begründet insoweit lediglich eine (nicht notwendige) zusätzliche Ermächtigungsgrundlage (vgl. S. Knickrehm/Hahn, a.a.O.; Eicher/Greiser, a.a.O.; Merten, a.a.O., Kallert, in: Gagel, SGB II/SGB III, 55. EL 2014, § 335 Rn. 8a f.; Kühl, in: Brand, SGB III, 6. Aufl. 2012, § 173 Rn. 11 und § 174 Rn. 10; Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz, EL 2/2014, SGB III, § 335 Rn. 186).

(2) Soweit das BSG § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III einschränkend dahingehend auslegt bzw. teleologisch reduziert, dass der Leistungsempfänger pflichtwidrig gehandelt haben muss (vgl. BSG, Urteile vom 27. August 2008 – B 11 AL 11/07 R –, juris Rn. 15, und vom 18. Mai 2010 – B 7 AL 16/09 R –, juris Rn. 12, jeweils m.w.N.; vgl. dazu auch Kallert, a.a.O., § 335 Rn. 19), findet auch diese Einschränkung ihre Rechtfertigung in den dargestellten Besonderheiten der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- bzw. Pflegeversicherung, die auch im Falle der Rückabwicklung eines unrechtmäßigen Leistungsbezuges bestehen bleibt. Dem Leistungsempfänger wird in diesem Fall ein Krankenversicherungsschutz "aufgedrängt" und es tritt - insbesondere, wenn der Krankenversicherungsschutz anderweitig sichergestellt wird – eine Bereicherung des pflichtgemäß handelnden Leistungsempfängers nicht ein (BSG, Urteil vom 21. November 2002 – B 11 AL 79/01 R –, juris Rn. 19). Die hier vorliegende freiwillige gesetzliche Krankenversicherung besteht jedoch – ebenso wie eine private Krankenversicherung – grundsätzlich unabhängig von dem Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosengeld II und wird dem Leistungsempfänger insoweit auch nicht durch den Leistungsbezug "aufgedrängt". Er erhält vielmehr allein einen Zuschuss zu den von ihm selbst zu tragenden Beiträgen, die als besonderer Leistungsbedarf anerkannt werden. Insoweit besteht auch kein rechtfertigender Grund, dem sich nachträglich als nicht bedürftig herausstellenden Leistungsempfänger, der aus seinem eigenen Einkommen und/oder Vermögen auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung hätte entrichten können, die gewährten Zuschüsse zu den Versicherungsbeiträgen, die nach § 26 SGB II nur im Umfang der Bedürftigkeit zu gewähren sind, zu belassen.

d) Die vorstehenden Ausführungen gelten auch für den von dem Beklagten im Rahmen der vorläufigen Bewilligung gewährten Zuschuss zur Rentenversicherung nach § 26 Abs. 1 SGB II a.F. Auch hierbei handelt es sich um Leistungen, die der Beklagte außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung erbracht hat und die dementsprechend zu den "erbrachten Leistungen" im Sinne von § 328 Abs. 3 Satz 2, 1. HS SGB III gehören (vgl. Kallert a.a.O., Rn. 8b; Kühl, a.a.O., § 173 Rn 11). § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III, der bereits die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung im Falle der Pflichtversicherung nicht erfasst, steht dem Erstattungsanspruch auch insoweit nicht entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil hierfür Gründe nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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