L 9 KR 309/12 KL

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 309/12 KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Raucherentwöhnung dienende Arzneimittel sind kraft Gesetzes (§ 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V) von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV ausgeschlossen.
2. Auch im Rahmen der DMP-Richtlinien (hier: Asthma und COPD) darf der G-BA keine Verordnungsfähigkeit von der Raucherentwöhnung dienenden Arzneimitteln vorsehen.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der klagende Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) wendet sich gegen eine Beanstandungsverfügung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) in Zusammenhang mit einem Beschluss zur DMP-Richtlinie, der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen der strukturierten Behandlungsprogramme für Asthma und COPD vorsieht.

Am 16. Februar 2012 beschloss der GBA die Richtlinie zur Regelung von Anforderungen an die Ausgestaltung von Strukturierten Behandlungsprogrammen nach §137f Abs. 2 SGB V (GA Bl. 9, DMP-Richtlinie/DMP-RL [DMP = Disease-Management-Programm]). Der Beschluss beinhaltete in seinem Teil B Regelungen zur Ausgestaltung von strukturierten Behandlungsprogrammen u.a. für Patientinnen und Patienten mit chronischen obstruktiven Atemwegserkrankungen (Teil I: Asthma; Teil II: COPD).

Die Formulierung im Bereich Asthma in Teil B Ziffer II.1.5.1 lautete:

1.5.1 Nicht-medikamentöse Therapie und allgemeine Maßnahmen Die/Der behandelnde Ärztin/Arzt soll die Patientin oder den Patienten insbesondere hinweisen auf: - relevante Allergene und deren Vermeidung (soweit möglich), - sonstige Inhalationsnoxen und Asthmaauslöser (z. B. Aktiv- und Passivrauchen, emotionale Belastung) und deren Vermeidung, - Arzneimittel (insbesondere Selbstmedikation), die zu einer Verschlechterung des Asthma bronchiale führen können. Im Rahmen der Therapie klärt die/der behandelnde Ärztin/Arzt die Patientinnen und Patienten über die besonderen Risiken des Rauchens und des Passivrauchens bei Asthma bronchiale auf, verbunden mit den folgenden spezifischen Beratungsstrategien und der dringenden Empfehlung, das Rauchen aufzugeben. - Der Raucherstatus sollte bei jeder Patientin oder jedem Patienten bei jeder Konsultation erfragt werden. - Raucherinnen und Raucher sollten in einer klaren, starken und persönlichen Form dazu motiviert werden, mit dem Rauchen aufzuhören. - Es ist festzustellen, ob die Raucherin oder der Raucher zu dieser Zeit bereit ist, einen Ausstiegsversuch zu beginnen. - Ausstiegsbereiten Raucherinnen und Rauchern sollen wirksame Hilfen zur Raucherentwöhnung (nicht-medikamentöse Maßnahmen, insbesondere verhaltenstherapeutische und ggf. geeignete unterstützende medikamentöse Maßnahmen) angeboten werden. (Hervorhebung hier) - Es sollten Folgekontakte vereinbart werden, möglichst in der ersten Woche nach dem Ausstiegsdatum. - Nicht entwöhnungswillige Raucherinnen und Raucher sollen zum Rauchverzicht motiviert werden.

Die tragenden Gründe des Beschlusses vom 16. Februar 2012 lauteten insoweit:

Zu Ziffer 1.5.1 Nicht-medikamentöse Therapie und allgemeine Maßnahmen Die vom IQWiG bewerteten Leitlinien ( ) sowie die zusätzlich herangezogenen und anhand des DELBI-Instruments durch den GBA bewerteten Leitlinien enthalten zahlreiche Empfehlungen zur Tabakkarenz mit unterschiedlichem Evidenzlevel (I-IV/B-C). Eingeschlossen ist die Prävention des Passivrauchens, insbesondere bei Kindern mit Asthma bronchiale. In den vom IQWiG bewerteten Leitlinien werden hierzu überwiegend gute bis mittlere Evidenzlevel angegeben. Die höchsten Erfolgsraten werden mittels Kombination von strukturierten psychosozialen Maßnahmen zur Verhaltensmodifikation mit medikamentösen Maßnahmen erreicht. Hierfür eignen sich insbesondere die

• Nikotinersatztherapie, • Bupropion und • Vareniclin.

Die dringende ärztliche Aufforderung zur Tabakkarenz soll sich an der "5-A-Strategie"zur Kurzberatung von Rauchern orientieren:

1. Abfragen des Rauchstatus (Ask) 2. Anraten des Rauchverzichts (Advise) 3. Ansprechen der Aufhörmotivation (Assess) 4. Assistieren bei Rauchverzicht (Assist) 5. Arrangieren der Nachbetreuung (Arrange)

Bei den Raucherentwöhnungsprogrammen soll es sich um strukturierte Angebote handeln, die auf erprobten Konzepten (z. B. kognitiv-verhaltenstherapeutisch) basieren, deren Wirksamkeit im Rahmen einer wissenschaftlichen Evaluation nachgewiesen wurde. Diese Programme können auch die einmalige Verordnung medikamentöser Maßnahmen einschließen sofern deren therapeutischer Nutzen belegt ist. Die Motivation nicht entwöhnungswilliger Raucher kann unter anderem mit Hilfe der "5-R-Strategie" gesteigert werden:

1. Relevanz aufzeigen 2. Risiken benennen 3. Reize und Vorteile des Rauchstopps benennen 4. Riegel (Barrieren) vor einem Rauchstopp ansprechen 5. Repetition der Ansprache motivationsfördernder Faktoren/Strategien

Die Formulierung des Beschlusses vom 16. Februar 2012 im Bereich COPD in Teil B Ziffer III.1.5.1.2 lautete:

1.5.1.2 Tabakentwöhnung Inhalationsrauchen verschlechtert die Prognose einer COPD erheblich. Tabakkarenz ist die wichtigste Maßnahme, um die Mortalität der COPD und die Exazerbationsrate zu senken sowie die Progression zu verlangsamen. Deswegen stehen Maßnahmen zur Tabakentwöhnung im Vordergrund der Therapie. Im Rahmen der Therapie klärt die/der behandelnde Ärztin/Arzt die Patientinnen und Patienten über die besonderen Risiken des Rauchens bei COPD auf, verbunden mit den folgenden spezifischen Beratungsstrategien und der dringenden Empfehlung, das Rauchen aufzugeben: - Der Raucherstatus sollte bei jeder Patientin oder jedem Patienten bei jeder Konsultation erfragt werden. - Raucherinnen und Raucher sollten in einer klaren, starken und persönlichen Form dazu motiviert werden, mit dem Rauchen aufzuhören. - Es ist festzustellen, ob die Raucherin oder der Raucher zu dieser Zeit bereit ist, einen Ausstiegsversuch zu beginnen. - Ausstiegsbereiten Raucherinnen und Rauchern sollen wirksame Hilfen zur Tabakentwöhnung (nicht-medikamentöse Maßnahmen, insbesondere verhaltenstherapeutische und ggf. geeignete unterstützende medikamentöse Maßnahmen) angeboten werden. (Hervorhebung hier) - Es sollten Folgekontakte vereinbart werden, möglichst in der ersten Woche nach dem Ausstiegsdatum. Nicht entwöhnungswillige Raucherinnen und Rauchern sollen zum Rauchverzicht motiviert werden.

Die tragenden Gründe des Beschlusses vom 16. Februar 2012 lauteten insoweit:

Zu Ziffer 1.5.1.2 Tabakentwöhnung Breitangelegte Studien belegen, dass die Mortalität und Progression sowie das Risiko der Exazerbation durch die Tabakkarenz bei Patientinnen und Patienten mit COPD signifikant reduziert werden. Die vom IQWiG ausgewerteten Leitlinien enthalten Empfehlungen zur Tabakentwöhnung bei Patientinnen und Patienten mit COPD, teilweise mit dem höchsten Evidenzgrad. Hauptaspekt ist die klinische Effektivität. Die höchsten Erfolgsraten werden mittels Kombination von strukturierten psychosozialen Maßnahmen zur Verhaltensmodifikation mit medikamentösen Maßnahmen erreicht. Hierfür eignen sich insbesondere die

• Nikotinersatztherapie, • Bupropion und • Vareniclin.

Die dringende ärztliche Aufforderung zur Nikotinkarenz soll sich an der "5-A-Strategie" zur Kurzberatung von Raucherinnen und Rauchern orientieren:

1. Abfragen des Rauchstatus (Ask) 2. Anraten des Rauchverzichts (Advise) 3. Ansprechen der Aufhörmotivation (Assess) 4. Assistieren bei Rauchverzicht (Assist) 5. Arrangieren der Nachbetreuung (Arrange)

Bei den Tabakentwöhnungsprogrammen soll es sich um strukturierte Angebote handeln, die auf erprobten Konzepten (z. B. kognitiv-verhaltenstherapeu¬tisch) basieren, deren Wirksamkeit im Rahmen einer wissenschaftlichen Evaluation nachgewiesen wurde. Diese Programme können auch die einmalige Verordnung medikamentöser Maßnahmen einschließen sofern deren therapeutischer Nutzen belegt ist. Die Motivation nicht entwöhnungswilliger Raucherinnen und Raucher soll mit Hilfe der "5-R-Strategie" gesteigert werden:

1. Relevanz aufzeigen 2. Risiken benennen 3. Reize und Vorteile des Rauchstopps benennen 4. Riegel (Barrieren) vor einem Rauchstopp ansprechen 5. Repetition der Ansprache motivationsfördernder Faktoren/Strategien

Mit Bescheid vom 27. April 2012 beanstandete das BMG den Beschluss des GBA vom 16. Februar 2012 im Hinblick auf Teil B Ziffer II.1.5.1 (Asthma, nicht-medikamentöse Therapie und allgemeine Maßnahmen) und Teil B Ziffer III.1.5.1.2 (COPD, Tabakentwöhnung). Die anderen Teile des Beschlusses blieben unbeanstandet. Die Regelungen zur Verordnungsfähigkeit von der Raucherentwöhnung dienenden Arzneimitteln seien nicht mit § 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V vereinbar. Insoweit gelte wie für andere Lifestyle-Arzneimittel ein absoluter gesetzlicher Verordnungsausschluss, der auch der Etablierung eigener leistungsrechtlicher Ansprüche im Rahmen strukturierter Behandlungsprogramme Grenzen setze.

Gegen diese Beanstandungsverfügung hat der GBA am 27. Mai 2012 Klage erhoben, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt: Die auf Grundlage von § 137f SGB V erlassenen und vom BMG beanstandeten Regelungen bewegten sich im Rahmen der normativen Gestaltungsfreiheit und seien rechtlich beanstandungsfrei. Medikamentöse Maßnahmen zur Raucherentwöhnung seien notwendiger Bestandteil der strukturierten Behandlungsprogramme für Asthma und COPD. § 34 Abs. 1 Satz 7 bis 9 SGB V sei schon nicht auf strukturierte Behandlungsprogramme anwendbar. Für chronisch an Asthma und COPD Erkrankte gehörten die Arzneimittel zur Raucherentwöhnung zum Kernbereich des in der GKV abzusichernden Risikos. Davon abgesehen seien die beanstandeten Regelungen der DMP-Richtlinie mit § 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V vereinbar. Die chronischen Atemwegserkrankungen seien nicht von den Versicherten eigenverantwortlich verursacht; eine medikamentöse Behandlung von Asthma und COPD zu Lasten der GKV mit Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung müsse möglich bleiben. Eine enge Auslegung von § 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V, wonach Raucherentwöhnungsmittel auch in strukturierten Behandlungsprogrammen von der Versorgung ausgeschlossen seien, verstoße gegen die Verfassung. Die Gesundheit von Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen unterliege einer staatlichen Schutzpflicht und müsse vom Leistungsrecht der GKV geschützt und gefördert werden. Im Übrigen bewegten sich die beanstandeten Regelungen im Rahmen der dem GBA übertragenen Ermächtigung nach § 34 Abs. 1 Satz 9 SGB V; er dürfe das Nähere des Verordnungsausschlusses regeln und dabei in den DMP-Richtlinien anderes festlegen als in den AM-RL. Bei der Raucherentwöhnung im Falle von Asthma und COPD gehe es nicht nur um "persönliche Lebensführung", sondern um einen wesentlichen Ansatz in der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen. Die multimodale Raucherentwöhnungstherapie sei medizinisch geboten und müsse auf medikamentöse wie auf nichtmedikamentöse Interventionen gestützt werden.

Der Kläger beantragt,

die Beanstandungsverfügung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 27. April 2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die beanstandeten Regelungen der DMP-Richtlinie verstießen gegen höherrangiges Recht. Die vom Kläger für verordnungsfähig gehaltenen Wirkstoffe seien – was unstreitig ist – arzneimittelrechtlich ausschließlich zur Raucherentwöhnung und nicht etwa zur Therapie von Asthma und COPD zugelassen (vgl. die Fachinformationen für Champix® [Wirkstoff Vareniclin], Zyban® [Wirkstoff Bupropionhydrochlorid] und Nicotinell® [Wirkstoff Nicotin-Polacrilin]), so dass sie dem Verordnungsausschluss in § 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V und den insoweit vom GB-A selbst getroffenen Regelungen in § 14 der Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL) mit deren Anlage II unterlägen. Der Gesetzgeber habe damit die Kostentragung für Arzneimittel der Raucherentwöhnung der Eigenverantwortung der Versicherten zugeordnet, da ihre Anwendung der privaten Lebensführung zuzuordnen sei. Raum für Ausnahmen bestehe grundsätzlich nicht. § 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V sei auch nicht teleologisch reduzierbar. Um notstandsähnliche Situationen, in denen es aus verfassungsrechtlichen Gründen unter bestimmten Voraussetzungen Spielraum für eine Ausnahme von gesetzlichen Verordnungsausschlüssen gebe, gehe es nicht. Auch für chronisch Kranke gehöre die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung nicht zum Kernbereich der von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu tragenden Leistungen. Innerhalb der DMP-Versorgung dürfe kein eigenständiges Leistungsrecht geschaffen werden, das sich von den übrigen gesetzlichen Regelungen – etwa vom unmissverständlichen § 34 Abs. 1 Satz 8 SGB V – abkoppele. Behandlungserfolg sowie Sinn und Zweck des strukturierten Behandlungsprogramms seien nicht in Frage gestellt, wenn zur Stärkung der Eigenverantwortung der Versicherten die Kosten für Arzneimittel zur Raucherentwöhnung nicht von der GKV übernommen würden. Ärztliche Beratung über Rauchverzicht sei ohnehin Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung; die Aufgabe des Rauchens erfordere nicht zwingend die Einnahme unterstützender Arzneimittel; die Übernahme von Kosten für unterstützende Arzneimittel könne der eigenen Motivation dienen; und schließlich lägen die Therapiekosten für Medikamente zur Raucherentwöhnung für Versicherte wegen der eingesparten Kosten für Zigaretten im vertretbaren Bereich. Nach alledem habe man eine Nichtbeanstandung bei Ausübung des Beanstandungsermessens für nicht vertretbar gehalten. Zudem habe sich die Teilbeanstandung auf das erforderliche Maß beschränkt. Das Ansinnen des GBA, für bestimmte Patientengruppen auch Arzneimittel zur Tabakentwöhnung in den Kreis der von der GKV gewährten Leistungen aufzunehmen, könne nur im Rahmen künftiger Gesetzgebung Bedeutung entfalten.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der vom Kläger erstellten Normsetzungsdokumentation Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

A. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist erstinstanzlich zuständig nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil es sich um eine Klage in einer Aufsichtsangelegenheit gegenüber dem GBA handelt.

Der Senat behandelt die Streitsache als eine Angelegenheit des Krankenversicherungsrechts und damit als "Angelegenheit der Sozialversicherung" im Sinne der §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs. 1 SGG, denn streitgegenständlich ist – im Rahmen einer Aufsichtsverfügung – die DMP-Richtlinie des GBA (siehe Abschnitt B II 1 b [2] des "zusammenfassenden Standpunktes des 1., 3. und 6 Senats des Bundessozialgerichts zu § 10 Abs. 2 SGG").

B. Die Klage ist als Aufsichtsklage nach § 54 Abs. 3 SGG statthaft. Danach kann eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, dass die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite. Diese Konstellation ist hier gegeben: Der GBA stellt zwar keine Körperschaft mit mitgliedschaftlicher Verfassung dar, kann aber als rechtlich und organisatorisch verselbständigte Selbstverwaltungseinheit zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe - nämlich der konkretisierenden Rechtssetzung im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung - und damit als Anstalt des öffentlichen Rechts, der nach § 91 Abs. 1 Satz 2 SGB V auch Rechtsfähigkeit zukommt, qualifiziert werden (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 20. März 1996, 6 RKa 62/94, zitiert nach juris, dort Rdnr. 3). Die Rechtsaufsicht über den GBA führt das BMG, § 91 Abs. 8 Satz 1 SGB V; eine spezielle Ausprägung sieht das Aufsichtsrecht des BMG in der Möglichkeit vor, Richtlinien des GBA zu beanstanden, § 94 Abs. 1 SGB V.

Die Aufsichtsklage ist auch im Übrigen zulässig. Mit der Behauptung, dass die streitgegenständliche Anordnung der Beklagten vom 27. April 2012 das Aufsichtsrecht überschreite, ist der Kläger als Adressat der Aufsichtsmaßnahme klagebefugt. Insoweit genügt die schlichte Möglichkeit, dass die Beklagte als Aufsichtsbehörde rechtswidrig in das Selbstverwaltungs- bzw. Normsetzungsrecht des Klägers eingegriffen hat (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 11. Aufl. 2014, Rdnr. 18 zu § 54). Die Klagefrist nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG ist gewahrt.

C. Die Klage ist jedoch unbegründet, da der angefochtene Beanstandungsbescheid sowohl formell als auch materiell rechtmäßig ist. I. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere war das BMG zuständig, den streitgegenständlichen Beanstandungsbescheid zu erlassen, § 94 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V. II. Der Beanstandungsbescheid der Beklagten ist auch materiell rechtmäßig. Zu Recht hat das BMG Teile des Beschlusses des GBA vom 16. Februar 2012 beanstandet, denn dieser Beschluss ist rechtswidrig, soweit er in seinem Teil B bei den Regelungen zur Ausgestaltung von strukturierten Behandlungsprogrammen für Patientinnen und Patienten mit chronischen obstruktiven Atemwegserkrankungen (Asthma bzw. COPD) in den Nummern II.1.5.1 und III.1.5.1.2 als "unterstützende medikamentöse Maßnahme" jeweils die Verordnungsfähigkeit von der Raucherentwöhnung dienenden Arzneimitteln vorsieht.

1. Die beanstandeten Regelungen verstoßen gegen den gesetzlich vorgesehenen Verordnungsausschluss für der Raucherentwöhnung dienende Arzneimittel. Nach § 34 Abs. 1 Satz 7 SGB V sind Arzneimittel von der Versorgung ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine erhöhte Lebensqualität im Vordergrund steht. Satz 8 der Vorschrift enthält eine Konkretisierung dahingehend, dass insbesondere Arzneimittel ausgeschlossen sind, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln nach Satz 9 die Richtlinien des GBA nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V.

Der Ausschluss der in § 34 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB V genannten Arzneimittel von der Verordnungsfähigkeit im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung tritt kraft Gesetzes ein (vgl. hierzu und zum Folgenden Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2012, B 6 KA 50/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13 bis 15 [Acomplia]). Trotz des dem GBA in § 34 Abs. 1 Satz 9 SGB V erteilten Auftrags zur Regelung des Näheren wirkt nicht erst die Aufnahme der in den Sätzen 7 und 8 bezeichneten Arzneimittel in § 14 sowie Anlage II der AM-RL konstitutiv. Die Wendung "sind von der Versorgung ausgeschlossen" in § 34 Abs. 1 Satz 6, 7 und 8 SGB V zielt auf eine unmittelbare Rechtsfolge und nicht allein auf eine Ermächtigung des GBA, die Rechtsfolge des Verordnungsausschlusses durch entsprechende Regelung in den AM-RL zu bewirken. Soweit das Gesetz einen Leistungsausschluss für bestimmte Indikationen selbst enthält, beschränkt sich die Aufgabe des GBA auf die Umsetzung dieses Ausschlusses etwa durch ausdrückliche Aufführung bestimmter davon erfasster Arzneimittel, hier in Anlage II der AM-RL oder durch Bewertung von Arzneimitteln, die für unterschiedliche Indikationen zugelassen sind. Gerade in Grenzfällen der Zuordnung von Arzneimitteln zu diesen Ausschlussindikationen kann den AM-RL, soweit sie auf § 34 Abs. 1 Satz 9 SGB V beruhen, eigenständige rechtliche Bedeutung zukommen. Das schließt aber nicht aus, dass der Gesetzgeber den Kern der Verordnungsausschlüsse selbst vorgibt und diese unabhängig von der Ausführungsregelung durch den GBA für Vertragsärzte und Versicherte verbindlich sind. Anders als in § 34 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V findet sich ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, verbunden mit einem positiven Regelungsauftrag an den GBA, gerade nicht. Dem GBA kommt vielmehr nur die Aufgabe zu, das "Nähere" zu konkretisieren. Dass § 34 SGB V unmittelbar gesetzlich bestimmte Arzneimittel von der Verordnungsfähigkeit in der GKV ausnimmt, zeigt auch die Vorschrift des § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wonach Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln haben, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V ausgeschlossen sind.

Danach gilt der einfachgesetzliche Verordnungsausschluss für der Raucherentwöhnung dienende Arzneimittel unmittelbar, strikt und unmissverständlich.

2. Die Bemühungen des GBA, eine Verordnungsfähigkeit für der Raucherentwöhnung dienende Arzneimittel im Rahmen von strukturierten Behandlungsprogrammen durch Auslegung von § 34 Abs. 1 Satz 7 bis 9 herbeizuführen, laufen ins Leere. Grundsätzlich findet jede Auslegung einer Norm eine Grenze in deren Wortlaut. Vorliegend lässt der Wortlaut von § 34 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB V keine andere Auslegung zu als diejenige, die die Beklagte mit ihrer Beanstandungsverfügung vertreten hat: Auch über die DMP-Richtlinien zu strukturierten Behandlungsprogrammen nach § 137f SGB V kann keine Verordnungsfähigkeit von der Raucherentwöhnung dienenden Arzneimitteln herbeigeführt werden, denn es bleibt bei dem klaren und strengen Verordnungsausschluss nach § 34 Abs. 1 Satz 7 und 8 SGB V. Der Gesetzgeber hat in § 137f SGB V an keiner Stelle zu verstehen gegeben, dass im Rahmen strukturierter Behandlungsprogramme bzw. der insoweit vom GBA zu erlassenden DMP-Richtlinien von anderweitig geregelten gesetzlichen Verordnungsausschlüssen abgewichen werden dürfe. Der GBA bewegt sich demgemäß im Rahmen seiner DMP-Richtlinien nach § 137f Abs. 2 SGB V nicht in einem Parallelsystem mit eigenen Maßstäben für die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln. Sein Ansinnen, Arzneimitteln zur Raucherentwöhnung unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich bei Behandlung schwer wiegender Erkrankungen wie Asthma und COPD, zur Verordnungsfähigkeit zu verhelfen, mag – wie die Beklagte zu Recht angeführt hat – de lege ferenda von Bedeutung sein; de lege lata ist es ausgeschlossen.

3. Verstoßen danach die von der Beklagten beanstandeten Regelungen im Beschluss des Klägers vom 16. Februar 2012 gegen das einfache Recht, sind Anhaltspunkte für Ermessensfehler im Rahmen der Beanstandungsverfügung nicht ersichtlich.

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Ein Grund für die Zulassung der Revision besteht nicht, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved