Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 2039/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 499/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 45/15 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Besteht beim Verkauf einer Apotheke ein Guthaben aus der Reimportquote nach § 5 Abs. 4 des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V, so darf dieses Guthaben dem seine Apotheke verkaufenden Apotheker nicht ausgezahlt werden; vertraglich vorgesehen ist lediglich die Verrechnung einer Gutschrift mit etwaigen Kürzungsbeträgen in künftigen Abrechnungszeiträumen.
2. Wie der EBM ist auch der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V einer über den Wortlaut hinaus gehenden ergänzenden Auslegung durch die Gerichte nicht zugänglich.
2. Wie der EBM ist auch der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V einer über den Wortlaut hinaus gehenden ergänzenden Auslegung durch die Gerichte nicht zugänglich.
Bemerkung
BSG: Beschwerde zurückgewiesen
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2012 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Auszahlung des Guthabens aus der Reimportquote nach § 5 Abs. 3 und 4 des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V). Der Kläger ist Apotheker und war bis 31. Januar 2010 Inhaber der M-Apotheke in Berlin. Er trat dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. (im Folgenden: Rahmenvertrag) mit Erklärung vom 14. April 2003 bei. Zum 31. Januar 2010 veräußerte der Kläger seine Apotheke. § 1 Nr. 4 des notariellen Kaufvertrages lautet: "Verkäufer und Käufer sind sich darüber einig, dass das IK-Kennzeichen des Verkäufers und BGA-Kennzeichen nicht vom Käufer übernommen werden und nicht Gegenstand des Kaufvertrages sind. Ferner ist nicht Gegenstand des Kaufvertrages das Guthaben des Verkäufers, das sich aus der Übererfüllung der Reimportquote ergibt. Die insoweit bestehenden Ansprüche verbleiben beim Verkäufer." Der Kläger rechnete über ein Abrechnungszentrum gegenüber der beklagten Krankenkasse letztmalig für den Januar 2010 ab. Bis auf die streitige Forderung wurden sämtliche Vergütungsforderungen des Klägers aus dem Betrieb seiner Apotheke von der Beklagten vollständig beglichen. Zum 31. Januar 2010 bestand unstreitig zugunsten des Klägers aufgrund Überschreitens der vereinbarten Wirtschaftlichkeitsreserve eine noch nicht verrechnete Gutschrift gemäß § 5 Abs. 4 Satz 3 des Rahmenvertrages in Höhe von 6.501,80 Euro. Mit Schreiben vom 4. Februar 2010 teilte der Kläger der Beklagten den Verkauf der Apotheke mit und bat um Auszahlung des Betrages. Mit Schreiben vom 25. Januar 2011 erneuerte der Kläger sein Zahlungsbegehren. Die Beklagte lehnte dieses mit Bescheid vom 15. Februar 2011 ab; Guthaben aus der Importquote seien nur verrechenbar, nicht aber auszahlbar. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch teilte die Beklagte mit, dass es keiner Bescheidung durch Verwaltungsakt bedurft hätte und Forderungen durch Leistungsklage geltend zu machen seien. Im Übrigen bestehe für den Fall der Veräußerung der Apotheke – anders gegebenenfalls als bei deren Schließung – kein Anspruch auf Auszahlung des Guthabens aus der Reimportquote, da § 5 des Rahmenvertrages dies nicht vorsehe. Denn die Apotheke werde mit allen Rechten und Pflichten auf den neuen Inhaber übertragen. Ein Apotheker habe es selbst in der Hand, mit dem Erwerber vertragliche Regelungen darüber zu treffen, wie mit eventuellem Guthaben nach § 5 Abs. 5 des Rahmenvertrages nach Veräußerung zu verfahren sei. Am 1. Juni 2011 hat der Kläger Zahlungsklage bei dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel erhoben. Dieses hat mit Beschluss vom 17. Juli 2011 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Potsdam verwiesen, das sich wiederum mit Beschluss vom 4. Oktober 2011 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin verwiesen hat. Den Ablehnungsbescheid vom 15. Februar 2011 hat die Beklagte nach rechtlichem Hinweis des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin am 26. Oktober 2012 aufgehoben. Mit Urteil vom selben Tage hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Rahmenvertrag sehe eine Auszahlung der Gutschrift bei Schließung oder Verkauf der Apotheke oder auch bei besonders hohem Anwachsen der Gutschrift nicht vor. Zwar sei in § 5 Abs. 4 Satz 3 des Rahmenvertrages für den Fall der Übererfüllung eine Gutschrift im Sinne eines Positivsaldos vorgesehen. Als Verwendungsmöglichkeit des Saldos hätten die Vertragsparteien in § 5 Abs. 4 Satz 5 und 6 des Rahmenvertrages aber lediglich eine Anrechnung auf Kürzungsbeträge nach Satz 1 und für den Fall des Verbleibens einer Gutschrift zum Ende des Kalenderjahres eine Übertragung in das Folgejahr vereinbart. Eine weiter gehende Vertragsauslegung verbiete sich, zumal § 5 Abs. 4 Satz 2 des Rahmenvertrages mit der Regelung, dass auf den letzten Abrechnungsmonat abzustellen sei, Fälle von Schließung oder Veräußerung einer Apotheke ausdrücklich in den Blick genommen habe; weiter gehende Ansprüche hätten die Vertragsparteien bei Schließung oder Veräußerung einer Apotheke nicht regeln wollen. Die gesetzliche Regelung in § 129 Abs. 1 SGB V verfolge das Ziel, Einsparungen bei den Arzneimittelausgaben zu erreichen; damit sei ein gesonderter Vergütungsanspruch eines Apothekers bei Übererfüllung der Importquote nicht vereinbar. Die Gutschriftenregelung in § 5 Abs. 4 Satz 3 diene danach allein der Kompensation bei Schwankungen im Verkaufsvolumen importierter Arzneimittel und solle durch die Möglichkeit der Verrechnung eine Kürzung der Vergütung in späteren Quartalen vermeiden. Auch wenn die Gutschrift bei dauerhafter Überschreitung der Importquote immer weiter anwachse, entstehe kein gesonderter Vergütunganspruch des Apothekers. Gegen das ihm am 12. November 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Dezember 2012 Berufung eingelegt. Zu Ihrer Begründung führt er an: Der Rahmenvertrag enthalte in § 5 eine Regelungslücke. Wenn sogar nach Auffassung der Beklagten im Falle der Schließung einer Apotheke eine Auszahlung des Guthabens aus der Reimportquote möglich sei, müsse dasselbe für den Fall der Veräußerung der Apotheke gelten. Auch das Sozialgericht betone, dass kein Unterschied zwischen Schließung und Verkauf einer Apotheke zu machen sei. Wenn ein Apotheker bei Schließung seiner Apotheke einen Negativsaldo durch Zahlung ausgleichen müsse, sei umgekehrt auch ein bestehendes Guthaben auszukehren. Der Sinn des Rahmenvertrages könne nicht darin bestehen, den Krankenkassen bei Aufgabe einer Apotheke bestehende Guthaben zuzuführen. Die vom Gesetzgeber gewünschte Kostenersparnis sei mit der Erfüllung der vorgegebenen Quote eingetreten. Eine Übererfüllung könne sich finanziell nicht nur zu Gunsten der Krankenkassen auswirken. Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 6.501,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 17. Februar 2011 zu zahlen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Das erstinstanzliche Urteil sei zutreffend. Der Kläger habe es in der Hand, seine Apotheke mit allen Rechten und Pflichten zu übertragen und die vorhandene Gutschrift gemäß § 5 Abs. 4 des Rahmenvertrages bei Ermittlung des Verkaufspreises zu berücksichtigen. Eine Auszahlung des Guthabens bei Veräußerung der Apotheke sei in dem Rahmenvertrag nicht vorgesehen. Eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke sei nicht erkennbar, da der Rahmenvertrag in § 5 Abs. 4 Satz 2 Schließung und Veräußerung einer Apotheke im Blick gehabt habe und in § 5 Abs. 4 Satz 4 lediglich eine fiktive Buchungsgröße sehe. Bei dauerhafter Übererfüllung der Reimportquote stelle das Guthaben auch nur ein symbolisches Instrument dar, denn es werde nicht gesondert ausgezahlt. Allenfalls könne eine Auszahlung bei Schließung der Apotheke in Betracht kommen, nicht jedoch bei einem Verkauf. Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen die beklagte Krankenkasse keinen Anspruch auf Zahlung des streitigen Betrages.
Eine Rechtsgrundlage für das klägerische Zahlungsbegehren ist nicht ersichtlich und besteht insbesondere nicht in dem vom Kläger angeführten § 5 des zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. abgeschlossenen Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V i.d.F. vom 7. Dezember 2009. Die Vorschrift enthält Detailregelungen für die Abgabe importierter Arzneimittel und lautet in ihren für den Rechtsstreit wesentlichen Teilen wie folgt:
§ 5 Abgabe importierter Arzneimittel
(1) 1Die Apotheken sind zur Abgabe von preisgünstigen importierten Arzneimitteln an Versicherte nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 verpflichtet. ( ) (2) ( ) (3) 1Die Partner des Rahmenvertrages vereinbaren eine Importquote. 2Die Importquote bezeichnet den prozentualen Umsatzanteil abzugebender importierter Arzneimittel am Fertigarzneimittel-Umsatz der Apotheke mit der kostenpflichtigen Krankenkasse und wird auf 5 Prozent festgelegt. 3Mit den abgegebenen importierten Arzneimitteln hat die Apotheke eine Wirtschaftlichkeitsreserve in Höhe von 10 Prozent des mit der Importquote nach Satz 1 festgelegten Umsatzes zu erzielen. ( ) (4) 1. Wird die nach Absatz 3 vereinbarte Wirtschaftlichkeitsreserve durch Abgabe importierter Arzneimittel im Quartal nicht erreicht, vermindert sich die Rechnungsforderung für den letzten Abrechnungsmonat des Quartals um die Differenz zwischen der vereinbarten und der tatsächlich erzielten Wirtschaftlichkeitsreserve. 2. In den Fällen der Schließung oder Veräußerung einer Apotheke wird auf den letzten Abrechnungsmonat abgestellt. 3. Wird die nach Absatz 3 vereinbarte Wirtschaftlichkeitsreserve übertroffen, wird der Apotheke dieser Betrag gutgeschrieben. (Hervorhebung hier) 4. Kürzungs- bzw. Gutschriftsbeträge unter fünf Euro bleiben unberücksichtigt. 5. Sofern im folgenden Abrechnungszeitraum ein Kürzungsbetrag nach Satz 1 anfällt, sind Gutschriften darauf anzurechnen. 6. Eine am Jahresende nicht saldierte Gutschrift wird in das folgende Kalenderjahr übertragen. 7. Mit den Regelungen nach Satz 1 bis Satz 6 ist die Abgabepflicht nach § 129 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V erfüllt. (5) bis (7) ( )
Zu Recht hat das Sozialgericht erkannt, dass der Wortlaut dieser Regelungen das Zahlungsbegehren des Klägers nicht deckt, weil in § 5 Abs. 4 Satz 3 des Rahmenvertrages lediglich von "Gutschrift", mithin von einer unbaren Verrechnung, nicht aber von Barauszahlung die Rede ist.
Ist der Wortlaut der Vertragsbestimmung danach schon eindeutig, findet das Wortlautverständnis seine Bestätigung im gesetzlichen Hintergrund des Rahmenvertrages. Die Verpflichtung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und der maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker zum Abschluss eines Rahmenvertrages ist in § 129 Abs. 2 SGB V enthalten. § 129 SGB V regelt die Rechtsbeziehung der Krankenkassen zu den Apothekern und gliedert diese in das System der Leistungserbringung ein. § 129 Abs. 1 SGB V bildet zusammen mit dem Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage des Apothekers auf Vergütung gegen die Krankenkasse, wenn er zu Lasten der GKV ein Arzneimittel an einen Versicherten abgibt. § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V verpflichtet dabei im Interesse der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung (vgl. § 12 Abs. 1 SGB V, Wirtschaftlichkeitsgebot) zum Austausch von verordneten mit preisgünstigen wirkstoffgleichen Arzneimitteln (aut-idem), sofern der Vertragsarzt dieses nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet oder den Austausch nicht ausgeschlossen hat; eine Austauschpflicht des Apothekers besteht nach § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 auch mit preisgünstigen importierten Arzneimitteln.
Angesichts der Detailregelungen in § 5 Abs. 4 des Rahmenvertrages und des in ihnen zum Ausdruck kommenden und gesetzgeberisch gewollten Wirtschaftlichkeitsgebots verbietet sich eine Auszahlung der Gutschrift nach § 5 Abs. 4 Satz 3 des Rahmenvertrages an den Apotheker für den Fall der Veräußerung oder Schließung der Apotheke. Die "Gutschrift" im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 3 des Rahmenvertrages bezweckt zugunsten des Apothekers ausschließlich, einen etwaigen Kürzungsbetrag im folgenden Abrechnungszeitraum zu mindern (§ 5 Abs. 4 Satz 5). Ein eigens vergütungsfähiges oder kapitalisierbares Abrechnungsguthaben entsteht indessen nicht, weil dann der für die jeweilige Krankenkasse bezweckte wirtschaftliche Vorteil der Abgabe von Importarzneimitteln verloren ginge. Eine Prämie auf die die Quote aus § 5 Abs. 3 des Rahmenvertrages übersteigende Abgabe von Importarzneimitteln zugunsten des Apothekers war zur Überzeugung des Senats nicht gewollt. Für eine Gesetzeswidrigkeit der in § 5 des Rahmenvertrages getroffenen Regelungen ist weder etwas vorgebracht noch sonst ersichtlich.
Eine irgendwie geartete ergänzende Vertragsauslegung oder Analogiebildung darf der Senat vor diesem Hintergrund nicht vornehmen. Denn allgemein sind der Auslegung von auf dem SGB V basierenden Vertragswerken durch die Sozialgerichte enge Grenzen gesetzt. So entspricht es etwa ständiger Rechtsprechung zur Auslegung von Leistungsbestimmungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) nach § 87 Abs. 1 SGB V, dass in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28. April 2004, B 6 KA 19/03 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18; Urteile des Senats vom 1. August 2012, L 7 KA 73/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 33 und vom 26. September 2012, L 7 KA 150/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 63). Dies gründet sich im Wesentlichen darauf, dass das Vertragswerk als abschließende Regelung dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen der Vertragspartner dient und es vorrangig deren Aufgabe ist, Unklarheiten zu beseitigen. Grundsätzlich dürfen daher Leistungsbestimmungen des EBM weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden. Der Senat überträgt diese Erwägungen auf die begrenzte Auslegbarkeit des zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. abgeschlossenen Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung. Sein klarer Wortlaut ist keiner ergänzenden Auslegung zugänglich, was zur Erfolglosigkeit der Klage führt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Auszahlung des Guthabens aus der Reimportquote nach § 5 Abs. 3 und 4 des Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V). Der Kläger ist Apotheker und war bis 31. Januar 2010 Inhaber der M-Apotheke in Berlin. Er trat dem Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. (im Folgenden: Rahmenvertrag) mit Erklärung vom 14. April 2003 bei. Zum 31. Januar 2010 veräußerte der Kläger seine Apotheke. § 1 Nr. 4 des notariellen Kaufvertrages lautet: "Verkäufer und Käufer sind sich darüber einig, dass das IK-Kennzeichen des Verkäufers und BGA-Kennzeichen nicht vom Käufer übernommen werden und nicht Gegenstand des Kaufvertrages sind. Ferner ist nicht Gegenstand des Kaufvertrages das Guthaben des Verkäufers, das sich aus der Übererfüllung der Reimportquote ergibt. Die insoweit bestehenden Ansprüche verbleiben beim Verkäufer." Der Kläger rechnete über ein Abrechnungszentrum gegenüber der beklagten Krankenkasse letztmalig für den Januar 2010 ab. Bis auf die streitige Forderung wurden sämtliche Vergütungsforderungen des Klägers aus dem Betrieb seiner Apotheke von der Beklagten vollständig beglichen. Zum 31. Januar 2010 bestand unstreitig zugunsten des Klägers aufgrund Überschreitens der vereinbarten Wirtschaftlichkeitsreserve eine noch nicht verrechnete Gutschrift gemäß § 5 Abs. 4 Satz 3 des Rahmenvertrages in Höhe von 6.501,80 Euro. Mit Schreiben vom 4. Februar 2010 teilte der Kläger der Beklagten den Verkauf der Apotheke mit und bat um Auszahlung des Betrages. Mit Schreiben vom 25. Januar 2011 erneuerte der Kläger sein Zahlungsbegehren. Die Beklagte lehnte dieses mit Bescheid vom 15. Februar 2011 ab; Guthaben aus der Importquote seien nur verrechenbar, nicht aber auszahlbar. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch teilte die Beklagte mit, dass es keiner Bescheidung durch Verwaltungsakt bedurft hätte und Forderungen durch Leistungsklage geltend zu machen seien. Im Übrigen bestehe für den Fall der Veräußerung der Apotheke – anders gegebenenfalls als bei deren Schließung – kein Anspruch auf Auszahlung des Guthabens aus der Reimportquote, da § 5 des Rahmenvertrages dies nicht vorsehe. Denn die Apotheke werde mit allen Rechten und Pflichten auf den neuen Inhaber übertragen. Ein Apotheker habe es selbst in der Hand, mit dem Erwerber vertragliche Regelungen darüber zu treffen, wie mit eventuellem Guthaben nach § 5 Abs. 5 des Rahmenvertrages nach Veräußerung zu verfahren sei. Am 1. Juni 2011 hat der Kläger Zahlungsklage bei dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel erhoben. Dieses hat mit Beschluss vom 17. Juli 2011 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Potsdam verwiesen, das sich wiederum mit Beschluss vom 4. Oktober 2011 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin verwiesen hat. Den Ablehnungsbescheid vom 15. Februar 2011 hat die Beklagte nach rechtlichem Hinweis des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin am 26. Oktober 2012 aufgehoben. Mit Urteil vom selben Tage hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Rahmenvertrag sehe eine Auszahlung der Gutschrift bei Schließung oder Verkauf der Apotheke oder auch bei besonders hohem Anwachsen der Gutschrift nicht vor. Zwar sei in § 5 Abs. 4 Satz 3 des Rahmenvertrages für den Fall der Übererfüllung eine Gutschrift im Sinne eines Positivsaldos vorgesehen. Als Verwendungsmöglichkeit des Saldos hätten die Vertragsparteien in § 5 Abs. 4 Satz 5 und 6 des Rahmenvertrages aber lediglich eine Anrechnung auf Kürzungsbeträge nach Satz 1 und für den Fall des Verbleibens einer Gutschrift zum Ende des Kalenderjahres eine Übertragung in das Folgejahr vereinbart. Eine weiter gehende Vertragsauslegung verbiete sich, zumal § 5 Abs. 4 Satz 2 des Rahmenvertrages mit der Regelung, dass auf den letzten Abrechnungsmonat abzustellen sei, Fälle von Schließung oder Veräußerung einer Apotheke ausdrücklich in den Blick genommen habe; weiter gehende Ansprüche hätten die Vertragsparteien bei Schließung oder Veräußerung einer Apotheke nicht regeln wollen. Die gesetzliche Regelung in § 129 Abs. 1 SGB V verfolge das Ziel, Einsparungen bei den Arzneimittelausgaben zu erreichen; damit sei ein gesonderter Vergütungsanspruch eines Apothekers bei Übererfüllung der Importquote nicht vereinbar. Die Gutschriftenregelung in § 5 Abs. 4 Satz 3 diene danach allein der Kompensation bei Schwankungen im Verkaufsvolumen importierter Arzneimittel und solle durch die Möglichkeit der Verrechnung eine Kürzung der Vergütung in späteren Quartalen vermeiden. Auch wenn die Gutschrift bei dauerhafter Überschreitung der Importquote immer weiter anwachse, entstehe kein gesonderter Vergütunganspruch des Apothekers. Gegen das ihm am 12. November 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Dezember 2012 Berufung eingelegt. Zu Ihrer Begründung führt er an: Der Rahmenvertrag enthalte in § 5 eine Regelungslücke. Wenn sogar nach Auffassung der Beklagten im Falle der Schließung einer Apotheke eine Auszahlung des Guthabens aus der Reimportquote möglich sei, müsse dasselbe für den Fall der Veräußerung der Apotheke gelten. Auch das Sozialgericht betone, dass kein Unterschied zwischen Schließung und Verkauf einer Apotheke zu machen sei. Wenn ein Apotheker bei Schließung seiner Apotheke einen Negativsaldo durch Zahlung ausgleichen müsse, sei umgekehrt auch ein bestehendes Guthaben auszukehren. Der Sinn des Rahmenvertrages könne nicht darin bestehen, den Krankenkassen bei Aufgabe einer Apotheke bestehende Guthaben zuzuführen. Die vom Gesetzgeber gewünschte Kostenersparnis sei mit der Erfüllung der vorgegebenen Quote eingetreten. Eine Übererfüllung könne sich finanziell nicht nur zu Gunsten der Krankenkassen auswirken. Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 6.501,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 17. Februar 2011 zu zahlen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Das erstinstanzliche Urteil sei zutreffend. Der Kläger habe es in der Hand, seine Apotheke mit allen Rechten und Pflichten zu übertragen und die vorhandene Gutschrift gemäß § 5 Abs. 4 des Rahmenvertrages bei Ermittlung des Verkaufspreises zu berücksichtigen. Eine Auszahlung des Guthabens bei Veräußerung der Apotheke sei in dem Rahmenvertrag nicht vorgesehen. Eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke sei nicht erkennbar, da der Rahmenvertrag in § 5 Abs. 4 Satz 2 Schließung und Veräußerung einer Apotheke im Blick gehabt habe und in § 5 Abs. 4 Satz 4 lediglich eine fiktive Buchungsgröße sehe. Bei dauerhafter Übererfüllung der Reimportquote stelle das Guthaben auch nur ein symbolisches Instrument dar, denn es werde nicht gesondert ausgezahlt. Allenfalls könne eine Auszahlung bei Schließung der Apotheke in Betracht kommen, nicht jedoch bei einem Verkauf. Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen die beklagte Krankenkasse keinen Anspruch auf Zahlung des streitigen Betrages.
Eine Rechtsgrundlage für das klägerische Zahlungsbegehren ist nicht ersichtlich und besteht insbesondere nicht in dem vom Kläger angeführten § 5 des zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. abgeschlossenen Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung nach § 129 Abs. 2 SGB V i.d.F. vom 7. Dezember 2009. Die Vorschrift enthält Detailregelungen für die Abgabe importierter Arzneimittel und lautet in ihren für den Rechtsstreit wesentlichen Teilen wie folgt:
§ 5 Abgabe importierter Arzneimittel
(1) 1Die Apotheken sind zur Abgabe von preisgünstigen importierten Arzneimitteln an Versicherte nach Maßgabe der Absätze 2 bis 6 verpflichtet. ( ) (2) ( ) (3) 1Die Partner des Rahmenvertrages vereinbaren eine Importquote. 2Die Importquote bezeichnet den prozentualen Umsatzanteil abzugebender importierter Arzneimittel am Fertigarzneimittel-Umsatz der Apotheke mit der kostenpflichtigen Krankenkasse und wird auf 5 Prozent festgelegt. 3Mit den abgegebenen importierten Arzneimitteln hat die Apotheke eine Wirtschaftlichkeitsreserve in Höhe von 10 Prozent des mit der Importquote nach Satz 1 festgelegten Umsatzes zu erzielen. ( ) (4) 1. Wird die nach Absatz 3 vereinbarte Wirtschaftlichkeitsreserve durch Abgabe importierter Arzneimittel im Quartal nicht erreicht, vermindert sich die Rechnungsforderung für den letzten Abrechnungsmonat des Quartals um die Differenz zwischen der vereinbarten und der tatsächlich erzielten Wirtschaftlichkeitsreserve. 2. In den Fällen der Schließung oder Veräußerung einer Apotheke wird auf den letzten Abrechnungsmonat abgestellt. 3. Wird die nach Absatz 3 vereinbarte Wirtschaftlichkeitsreserve übertroffen, wird der Apotheke dieser Betrag gutgeschrieben. (Hervorhebung hier) 4. Kürzungs- bzw. Gutschriftsbeträge unter fünf Euro bleiben unberücksichtigt. 5. Sofern im folgenden Abrechnungszeitraum ein Kürzungsbetrag nach Satz 1 anfällt, sind Gutschriften darauf anzurechnen. 6. Eine am Jahresende nicht saldierte Gutschrift wird in das folgende Kalenderjahr übertragen. 7. Mit den Regelungen nach Satz 1 bis Satz 6 ist die Abgabepflicht nach § 129 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V erfüllt. (5) bis (7) ( )
Zu Recht hat das Sozialgericht erkannt, dass der Wortlaut dieser Regelungen das Zahlungsbegehren des Klägers nicht deckt, weil in § 5 Abs. 4 Satz 3 des Rahmenvertrages lediglich von "Gutschrift", mithin von einer unbaren Verrechnung, nicht aber von Barauszahlung die Rede ist.
Ist der Wortlaut der Vertragsbestimmung danach schon eindeutig, findet das Wortlautverständnis seine Bestätigung im gesetzlichen Hintergrund des Rahmenvertrages. Die Verpflichtung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und der maßgeblichen Spitzenorganisation der Apotheker zum Abschluss eines Rahmenvertrages ist in § 129 Abs. 2 SGB V enthalten. § 129 SGB V regelt die Rechtsbeziehung der Krankenkassen zu den Apothekern und gliedert diese in das System der Leistungserbringung ein. § 129 Abs. 1 SGB V bildet zusammen mit dem Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage des Apothekers auf Vergütung gegen die Krankenkasse, wenn er zu Lasten der GKV ein Arzneimittel an einen Versicherten abgibt. § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V verpflichtet dabei im Interesse der Wirtschaftlichkeit der Arzneimittelversorgung (vgl. § 12 Abs. 1 SGB V, Wirtschaftlichkeitsgebot) zum Austausch von verordneten mit preisgünstigen wirkstoffgleichen Arzneimitteln (aut-idem), sofern der Vertragsarzt dieses nur unter seiner Wirkstoffbezeichnung verordnet oder den Austausch nicht ausgeschlossen hat; eine Austauschpflicht des Apothekers besteht nach § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 auch mit preisgünstigen importierten Arzneimitteln.
Angesichts der Detailregelungen in § 5 Abs. 4 des Rahmenvertrages und des in ihnen zum Ausdruck kommenden und gesetzgeberisch gewollten Wirtschaftlichkeitsgebots verbietet sich eine Auszahlung der Gutschrift nach § 5 Abs. 4 Satz 3 des Rahmenvertrages an den Apotheker für den Fall der Veräußerung oder Schließung der Apotheke. Die "Gutschrift" im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 3 des Rahmenvertrages bezweckt zugunsten des Apothekers ausschließlich, einen etwaigen Kürzungsbetrag im folgenden Abrechnungszeitraum zu mindern (§ 5 Abs. 4 Satz 5). Ein eigens vergütungsfähiges oder kapitalisierbares Abrechnungsguthaben entsteht indessen nicht, weil dann der für die jeweilige Krankenkasse bezweckte wirtschaftliche Vorteil der Abgabe von Importarzneimitteln verloren ginge. Eine Prämie auf die die Quote aus § 5 Abs. 3 des Rahmenvertrages übersteigende Abgabe von Importarzneimitteln zugunsten des Apothekers war zur Überzeugung des Senats nicht gewollt. Für eine Gesetzeswidrigkeit der in § 5 des Rahmenvertrages getroffenen Regelungen ist weder etwas vorgebracht noch sonst ersichtlich.
Eine irgendwie geartete ergänzende Vertragsauslegung oder Analogiebildung darf der Senat vor diesem Hintergrund nicht vornehmen. Denn allgemein sind der Auslegung von auf dem SGB V basierenden Vertragswerken durch die Sozialgerichte enge Grenzen gesetzt. So entspricht es etwa ständiger Rechtsprechung zur Auslegung von Leistungsbestimmungen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) nach § 87 Abs. 1 SGB V, dass in erster Linie der Wortlaut der Regelungen maßgeblich ist (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28. April 2004, B 6 KA 19/03 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 18; Urteile des Senats vom 1. August 2012, L 7 KA 73/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 33 und vom 26. September 2012, L 7 KA 150/09, zitiert nach juris, dort Rdnr. 63). Dies gründet sich im Wesentlichen darauf, dass das Vertragswerk als abschließende Regelung dem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen der Vertragspartner dient und es vorrangig deren Aufgabe ist, Unklarheiten zu beseitigen. Grundsätzlich dürfen daher Leistungsbestimmungen des EBM weder ausdehnend ausgelegt noch analog angewendet werden. Der Senat überträgt diese Erwägungen auf die begrenzte Auslegbarkeit des zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und dem Deutschen Apothekerverband e.V. abgeschlossenen Rahmenvertrages über die Arzneimittelversorgung. Sein klarer Wortlaut ist keiner ergänzenden Auslegung zugänglich, was zur Erfolglosigkeit der Klage führt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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