L 1 KR 300/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 27 KR 87/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 300/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten aktuell noch die Bewilligung von Krankengeld für die Zeit vom 14. Juni 2010 bis zum 19. Juli 2010.

Er ist 1946 geboren und bezieht seit dem 1. Mai 2000 eine Witwenrente.

Er nahm zum 6. August 2009 eine selbstständige Tätigkeit auf. Zugleich trat er der der Krankenversicherung der Beklagten ab diesem Tag als freiwilliges Mitglied bei. Er wählte zur Absicherung des Risikos eines krankheitsbedingten Ausfalls seines Arbeitseinkommens neben dem gesetzlichen Krankengeldanspruch, also dem Anspruch auf Krankengeld ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit, eine Krankengeldversicherung nach dem Wahltarif der Beklagten "DAK pro Krankengeld T 61" (Krankengeld ab dem 15. bis zum 42. Tag der Arbeitsunfähigkeit).

Mit Bescheid vom 1. September 2009 bewilligte ihm die Agentur für Arbeit für die Zeit vom 6. August 2009 bis 5. Mai 2010 einen Existenzgründungszuschuss in Höhe von insgesamt 1.689,30 EUR monatlich. Hiervon waren 300,00 EUR monatlich zur sozialen Sicherung vorgesehen.

Ausweislich der entsprechenden Einkommenssteuerbescheide des Finanzamtes S vom 8. August 2011 für das Kalenderjahr 2009 und vom 18. September 2012 für das Jahr 2010 erzielte der Kläger in diesen Jahren keine positiven Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit.

Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 30. September 2009 die vorläufig zu zahlenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf monatlich 229,22 EUR fest. Sie ging dabei von beitragspflichtigen Einkommen in Form des Existenzgründungszuschusses über 1.389,30 EUR monatlich aus. Arbeitseinkommen wurde der Beitragsberechnung nicht zugrunde gelegt. Mit weiterem Beitragsbescheid vom 17. Februar 2012 zog sie auch die Witwenrente in die Beitragsberechnung ein und ging von beitragspflichtigen Einnahmen ab 1. September 2009 bis einschließlich 5. Mai 2010 von monatlich 2.041,63 EUR also 1.389,30 EUR Gründungszuschuss sowie 652,33 EUR Witwenrente aus.

Ab dem 3. Mai 2010 bis zum 16. August 2010 war der Kläger durchgehend ärztlich bescheinigt arbeitsunfähig erkrankt.

Die Beklagte bewilligte ihm aus dem Wahltarif "DAK pro" ab 17. Mai 2010 bis 13. Juni 2010 Krankengeld in Höhe von kalendertäglich brutto 30,59 EUR. Sie lehnte eine Zahlung für die Folgezeit mit Bescheid vom 7. Juli 2010 ab. Soweit aus selbstständiger Tätigkeit kein beitragspflichtiges Arbeitseinkommen erzielt werde, zum Beispiel bei Minuseinkünften, bestehe kein Anspruch auf gesetzliches Krankengeld. Der Gründungszuschuss für Existenzgründer nach § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zähle nicht zum Arbeitseinkommen.

Seit 20. Juli 2010 bezog der Kläger Arbeitslosengeld.

Er erhob gegen den vorgenannten Bescheid Widerspruch. Zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit habe er noch den Gründungszuschuss erhalten. Für die Zeit nach Ablauf des Gründungszuschusses habe er monatliche Einnahmen aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 2.500,00 EUR angegeben.

Die Beklagte lehnte nach erneuter Sachprüfung eine weitere Krankengeldzahlung mit Bescheid vom 5. August 2010 erneut ab. Krankengeld sei bei hauptberuflich selbstständigen Erwerbstätigkeiten, die eine Wahlerklärung nach § 44 Abs. 2 S.1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) abgegeben hätten, nach § 47 Abs. 4 S. 2 SGB V unter Berücksichtigung des beitragspflichtigen Arbeitseinkommens zu berechnen. Der Krankengeldanspruch ab dem 43. Tag sei gesetzlich geregelt. Die Zahlung des Krankengeldes aus einem Wahltarif sei gesondert geregelt. Der Versicherte könne freiwillig einen Tarif wählen, mit dem man sich entsprechend seines Beitrages einen Anspruch auf Krankengeld "erkaufen" könne. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nachgekommen.

Der Kläger erhob auch hiergegen Widerspruch: Das von der Beklagten angeführte Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 6. November 2008 (B 1 KR 8/08 R) betreffe nicht seinen Fall. Der dortige Versicherte habe ein negatives Betriebsergebnis erzielt und dies der Krankenversicherung noch vor der Erkrankung mitgeteilt. Beim Kläger hingegen sei im betreffenden Zeitraum kein negatives Einkommen erzielt worden. Deshalb sei das fiktive Mindesteinkommen zu berücksichtigen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. April 2011 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 10. Mai 2011 Klage beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) erhoben. Zur Begründung hat er sein außergerichtliches Vorbringen wiederholt. Wenn der Beitragserhebung Einkünfte aus Übergangsgeld oder gar ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt würden, müsse der gleiche Maßstab auch für die Leistungen gelten.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. Juli 2013 abgewiesen: Es fehle an einem vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bestehenden positiven Arbeitseinkommen. Nach § 44 Abs. 1 Hs.1 SGB V hätten Versicherte u. a. Anspruch auf Krankengeld, wenn eine Krankheit sie arbeitsunfähig mache. Das hieraus resultierende Krankengeld betrage nach § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V 70% des erzielten regelmäßigen Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliege. Für Versicherte, die wie der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht Arbeitnehmer gewesen seien, gelte nach § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend gewesen sei. Ungeachtet des Umstandes, dass der Kläger vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit kein Arbeitskommen bezogen habe, sondern lediglich Einkünfte in Form des Existenzgründungszuschusses und der Witwenrente, könne Krankengeld grundsätzlich ohnehin nur als Ersatz für diejenigen Einkünfte beansprucht werden, die der Versicherte vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit als Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen tatsächlich bezogen habe und die wegen der Erkrankung entfielen (Bezugnahme auf BSG, Urt. vom 6. November 2008 – B 1 KR 8/08 R). Für die Ermittlung des Regelentgelts sei hierbei auf das vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit abgeschlossene Kalenderjahr 2009 und nicht auf die Monate Januar bis Mai 2010 abzustellen. Denn das für die Ermittlung des Regelentgelts maßgebliche Arbeitseinkommen werde in § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB V als "der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit" definiert. Angeknüpft werde demnach an das Einkommensteuerrecht, nach dem das Kalenderjahr der maßgebliche Veranlagungszeitraum sei. Dies habe zur Folge, dass der nach diesen Vorschriften ermittelte Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit vor Schluss eines Kalenderjahres nicht feststehe. Auf das laufende Kalenderjahr, in das die Arbeitsunfähigkeit falle, könne demnach zur Ermittlung des Regelentgelts nicht angeknüpft werden. Der Kläger habe jedoch ausweislich des für das Kalenderjahr 2009 erstellten Einkommenssteuerbescheids im maßgeblichen Zeitraum gerade kein positives Einkommen erzielt.

Gegen diesen ihm am 13. September 2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 14. Oktober 2013, einem Montag. Zu deren Begründung hat er sich auf sein bisheriges Vorbringen berufen. Ergänzend führt er aus, sein besonderer Fall sei von der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Wenn er nicht vor Ablauf seiner Förderungsdauer arbeitsunfähig erkrankt wäre, hätte er für die Zeit ab dem 14. Juni 2010 das bei seinem Beitritt angegebene Einkommen erzielt. § 47 Abs. 4 S. 2 SGB V ordne eine Vermutung bzw. Fiktion an, wonach für Versicherte, die nicht Arbeitnehmer seien, als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag gelte, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung aus Arbeitseinkommen maßgebend gewesen sei. Was für die Beiträge gelte, müsse auch für die Leistungen gelten. Die Begriffsdefinition je nach Zahlungsrichtung sei verfassungswidrig.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 23. Juli 2013 die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. Oktober 2010 in der Fassung des Bescheides vom 5. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 6. April 2011 zu verurteilen, den Kläger für die Zeit vom 14. Juni 2010 bis zum 19. Juli 2010 ein kalendertägliches Krankengeld in Höhe von 32,41 EUR brutto zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Über die Berufung konnte durch den Berichterstatter alleine und ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil beide Beteiligte sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 3, 4 und § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Der Berufung muss Erfolg versagt bleiben.

Der Bescheid der Beklagten vom 7. Juli 2010 in der Fassung des Bescheides vom 5. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 6. April 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Krankengeld nicht zu.

Das SG hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist nur noch auszuführen:

Das Krankengeld bemisst sich bei hauptberuflich selbstständig Erwerbstätigkeiten nach dem erzielten Arbeitseinkommen und nicht nach dem für die Beitragsbemessung maßgebenden Mindesteinkommen (BSG, Urteil vom 6. November 2008 – B 1 KR 8/08 R juris-Rdnr. 12 mit Bezugnahme u. a. auf BSGE 92, 260). Krankengeld kann grundsätzlich nur als Ersatz für diejenigen Einkünfte beansprucht werden, die der Versicherte vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit (bzw. vor Beginn der stationären Behandlung) als Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen (tatsächlich) bezogen hat und die wegen der Erkrankung entfallen. Dies gilt auch für Versicherte, die keine Arbeitnehmer sind. Ein Mindestkrankengeld für diesen Personenkreis ist aus dem Gesetz nicht herzuleiten (BSG, a. a. O. m. w. N.). Diese Regelung steht im Einklang mit der Verfassung (vgl. hierzu BSG, Urt. vom 7. Dezember 2004 -B 1 KR 17/04 R- juris-Rdnr. 17ff).

Zwar ist die für die Ermittlung des Regelentgelts von § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V ausgehende Vermutung widerlegbar und es ist das konkrete Arbeitseinkommen zu ermitteln. Fehlt es bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit an einer Feststellung des steuerlichen Gewinns durch das Finanzamts, ist das Arbeitseinkommen von der Krankenkasse von Amts wegen zu ermitteln (BSG, a. a. O., Rd.-Nr. 21).

Hier jedoch erzielte der Kläger ausweislich der vom SG bzw. vom Senat angeforderten Steuerbescheide aus der selbständigen Tätigkeit nur negative Einkünfte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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