Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 166 KR 493/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 314/15 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Gewährung von PKH in einem Streit über einen Beitragserlass.
Zur Rechtmäßigkeit der Einheitlichen Grundsätze zur Beseitigung finanzieller Überforderung bei Beitragsschulden.
Zur Rechtmäßigkeit der Einheitlichen Grundsätze zur Beseitigung finanzieller Überforderung bei Beitragsschulden.
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 06. Juli 2015 geändert. Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 166 KR 493/14 vor dem Sozialgericht Berlin unter Beiordnung ihres o.g. Verfahrensbevollmächtigten ohne Festsetzung von Ratenzahlungen gewährt. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Gründe:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 06. Juli 2015, mit dem dieses die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die auf den Erlass von Beitragsforderungen für die Zeiträume 01. Mai 2013 bis zum 31. Juli 2013 sowie für den 01. September 2013 bis zum 31. Dezember 2013 gerichtete Klage abgelehnt hat, ist gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowie §§ 172 und 173 SGG zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin. Ihre Rechtsverfolgung bietet eine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe in sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der ZPO entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO). Dabei hat das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes zu beurteilen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) soll die Prüfung der Erfolgsaussicht im Rahmen des § 114 ZPO nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern. Dieses darf nicht an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz fordert, nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2008, 1 BvR 1807/07, zitiert nach juris, sowie BVerfGE 81, 347,357). Im Hinblick auf die fehlende Aussicht einer Klage auf Erfolg darf Prozesskostenhilfe nur verweigert werden, wenn die Klage (bei summarischer Prüfung) völlig aussichtslos ist oder ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05; LSG Berlin-Brandenburg, 1. Senat, Beschluss vom 10. März 2006, L 1 B 1150/05 KR PKH, jeweils zitiert nach juris). Steht eine höchstrichterliche Klärung von im Hauptsacheverfahren noch entscheidungserheblichen Fragen aus oder kommt eine weitere Aufklärung des Sachverhalts oder eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Aufklärungsbemühungen oder die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers ausgehen würden, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2008, 1 BvR 1807/07, zitiert nach juris).
Danach war hier Prozesskostenhilfe zu gewähren. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht stand unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze eine fehlende Erfolgsaussicht der Klage nicht entgegen.
1.) Nach dem Wortlaut des § 256a Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) kommt für den Zeitraum vom 01. Mai 2013 bis zum 31. Juli 2013 ein Erlass der gegen die Klägerin gerichteten Beitragsforderungen durchaus in Betracht. Nach § 256a Abs. 2 SGB V soll die Krankenkasse den für die Zeit seit dem Eintritt der Versicherungspflicht nachzuzahlenden Beitrag und die darauf entfallenden Säumniszuschläge nach § 24 des Vierten Buches erlassen, wenn die Anzeige des Vorliegens der Voraussetzungen der Versicherungspflicht bis zum 31. Dezember 2013 erfolgt. Satz 1 gilt für bis zum 31. Juli 2013 erfolgte Anzeigen der Versicherungspflicht nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 für noch ausstehende Beiträge und Säumniszuschläge entsprechend.
Ob die Beklagte in Übereinstimmung mit § 256a SGB V den Erlass schon deshalb nach § 2 Abs. 1 der Einheitlichen Grundsätze zur Beseitigung finanzieller Überforderung bei Beitragsschulden des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) vom 04. September 2013 (Einheitliche Grundsätze) ablehnen durfte, weil der Nacherhebungszeitraum nicht mehr als drei Monate umfasst, bedarf einer eingehenden Prüfung im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht und ggf. im Rechtsmittelverfahren.
Es ist zweifelhaft, ob der Ausschluss eines Erlasses nach § 2 Abs. 1 letzter Satz der Einheitlichen Grundsätze für Nacherhebungszeiträume von nicht mehr als drei Monaten mit der Ermächtigungsgrundlage in § 256a Abs. 4 SGB V zu vereinbaren ist. Nach § 256a Abs. 4 SGB V regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen das Nähere zur Ermäßigung und zum Erlass von Beiträgen und Säumniszuschlägen nach den Absätzen 1 bis 3, insbesondere zu einem Verzicht auf die Inanspruchnahme von Leistungen als Voraussetzung für die Ermäßigung oder den Erlass. Die Ermächtigungsvorschrift nennt als Voraussetzung für die Ermäßigung oder den Erlass von Beitragsforderungen lediglich einen Verzicht auf die Inanspruchnahme von Leistungen, nicht jedoch Beitragszeiträume von mehr als drei Monaten. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Kompetenz zur Regelung des "Näheren" des Beitragserlasses die Schaffung von Bestimmungen erlauben könnte, einen Erlass dann auszuschließen, wenn die Vorteile für den Versicherten gegenüber dem Verwaltungsaufwand der Krankenkassen in keinem Verhältnis stehen, ist der gewählte Zeitraum von drei Monaten hier ungewöhnlich lang. Immerhin sind für die Klägerin, die mit kurzen Zäsuren immer wieder Arbeitslosengeld II bezog, zwischen dem 01. Mai 2013 und dem 31. Juli 2013 Beiträge von 456,81 EUR aufgelaufen, die ihren Regelsatz des Arbeitslosengeldes II deutlich übersteigen.
Unklar ist weiterhin, ob die Klägerin in dem Zeitraum, für den sie einen Erlass ihrer Beitragsschulden begehrt, Leistungen von der Beklagten erhalten hat, was die Beklagte bisher nur behauptet, aber in keiner Weise belegt hat. Außerdem ist zweifelhaft, ob § 256a Abs. 4 SGB V ohne weiteres auch eine Ermächtigungsgrundlage für eine Regelung enthält, nach der jede tatsächliche Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in der Vergangenheit einen Erlass ausschließt (in diesem Sinne Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2014 – L 1 KR 331/14 B ER –, juris). Ein "Verzicht" im Sinne des § 256a Abs. 4 SGB V setzt nämlich voraus, dass noch Ansprüche bestehen (Felix, NZS 2013, S. 924/925). Ob die Klägerin bei Inkrafttreten des § 256a SGB V am 1. August 2013 noch Ansprüche wegen der Übernahme von Kosten einer Krankenbehandlung gegen die Beklagte hatte, für die von ihr ein Verzicht gefordert werden könnte, ist bislang völlig unklar. Der Gesetzgeber wollte den betroffenen Versicherten aber durch die Einführung die Wahl eröffnen, von dem Beitragserlass Gebrauch zu machen oder nachträglichen Versicherungsschutz durch das Einreichen von Rechnungen in Anspruch zu nehmen (BT-Drs 17/13947 S. 29). Ob sich diese Alternative für die Klägerin stellt, bedarf der Klärung im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht.
2.) Auch hinsichtlich des Zeitraums vom 01. September 2013 bis zum 31. Dezember 2013 bietet die Klage eine (hinreichende) Aussicht auf Erfolg. Zwar kommt eine solche nach § 256a Abs. 2 SGB V nicht in Betracht. Denn nach § 256a Abs. 2 SGB V soll die Krankenkasse den für die Zeit seit dem Eintritt der Versicherungspflicht nachzuzahlenden Beitrag und die darauf entfallenden Säumniszuschläge nach § 24 des Vierten Buches erlassen. Voraussetzung für einen Erlass ist deshalb das Bestehen der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Die Klägerin war aber seit dem 01. September 2013 nicht mehr pflichtversichertes Mitglied der Beklagten, sondern deren freiwilliges Mitglied. Dies ergab sich schon aus dem zum 01. August 2013 in Kraft getretenen § 188 Abs. 4 SGB V, nach dem sich für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung endet, die Versicherung mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder mit dem Tag nach dem Ende der Familienversicherung als freiwillige Mitgliedschaft fortsetzt, es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten seinen Austritt. Der Austritt wird nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Satz 1 gilt nicht für Personen, deren Versicherungspflicht endet, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Familienversicherung erfüllt sind oder ein Anspruch auf Leistungen nach § 19 Absatz 2 besteht, sofern im Anschluss daran das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen wird. Da die Klägerin zum 31. August 2013 aus der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V mit der Beendigung des Bezuges von Arbeitslosengeld II ausgeschieden ist, setzte sich ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten mit dem 01. September 2013 als freiwillige Mitgliedschaft fort, ohne dass es dafür einer Beitrittserklärung bedurfte. Auf die Beitrittserklärung vom 18. Dezember 2013 kommt es deshalb nicht an.
3.) Jedoch wird im Hauptsacheverfahren insoweit ein Erlass der letztgenannten Beiträge nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch zu prüfen sein, den die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 29. April 2014 ausdrücklich abgelehnt hat, ohne hierzu weitere Ermittlungen anzustellen oder sich rechtlich mit der besonderen Situation der Klägerin auseinanderzusetzen. Hierbei wird zu prüfen sein, ob die Beitragspflicht der Klägerin infolge der gesetzlich nach § 188 Abs. 4 SGB V angeordnete Mitgliedschaft als freiwilliges Mitglied der Beklagten nach Lage des Falles jedenfalls in der Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2013 deshalb unbillig ist, weil sie der Klägerin den Anspruch auf Erlass nach § 256a SGB V nimmt oder diese auf Dauer in eine wirtschaftlich ausweglose Situation stürzt.
Wird der unbemittelten Klägerin in einem Fall wie dem Vorliegenden Prozesskostenhilfe versagt und dadurch im Gegensatz zu einer bemittelten Beteiligten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 4. Februar 2004, 2 BvR 626/06, BvR 656/06, zitiert nach juris), liegt darin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Dem ist durch eine weite Auslegung des § 114 Satz 1 ZPO in dem oben dargelegten Sinne Rechnung zu tragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177).
Gründe:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 06. Juli 2015, mit dem dieses die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die auf den Erlass von Beitragsforderungen für die Zeiträume 01. Mai 2013 bis zum 31. Juli 2013 sowie für den 01. September 2013 bis zum 31. Dezember 2013 gerichtete Klage abgelehnt hat, ist gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowie §§ 172 und 173 SGG zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin. Ihre Rechtsverfolgung bietet eine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe in sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der ZPO entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO). Dabei hat das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes zu beurteilen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) soll die Prüfung der Erfolgsaussicht im Rahmen des § 114 ZPO nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern. Dieses darf nicht an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz fordert, nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen soll (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2008, 1 BvR 1807/07, zitiert nach juris, sowie BVerfGE 81, 347,357). Im Hinblick auf die fehlende Aussicht einer Klage auf Erfolg darf Prozesskostenhilfe nur verweigert werden, wenn die Klage (bei summarischer Prüfung) völlig aussichtslos ist oder ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2005, 1 BvR 175/05; LSG Berlin-Brandenburg, 1. Senat, Beschluss vom 10. März 2006, L 1 B 1150/05 KR PKH, jeweils zitiert nach juris). Steht eine höchstrichterliche Klärung von im Hauptsacheverfahren noch entscheidungserheblichen Fragen aus oder kommt eine weitere Aufklärung des Sachverhalts oder eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Aufklärungsbemühungen oder die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers ausgehen würden, so läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Februar 2008, 1 BvR 1807/07, zitiert nach juris).
Danach war hier Prozesskostenhilfe zu gewähren. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das Sozialgericht stand unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze eine fehlende Erfolgsaussicht der Klage nicht entgegen.
1.) Nach dem Wortlaut des § 256a Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) kommt für den Zeitraum vom 01. Mai 2013 bis zum 31. Juli 2013 ein Erlass der gegen die Klägerin gerichteten Beitragsforderungen durchaus in Betracht. Nach § 256a Abs. 2 SGB V soll die Krankenkasse den für die Zeit seit dem Eintritt der Versicherungspflicht nachzuzahlenden Beitrag und die darauf entfallenden Säumniszuschläge nach § 24 des Vierten Buches erlassen, wenn die Anzeige des Vorliegens der Voraussetzungen der Versicherungspflicht bis zum 31. Dezember 2013 erfolgt. Satz 1 gilt für bis zum 31. Juli 2013 erfolgte Anzeigen der Versicherungspflicht nach § 5 Absatz 1 Nummer 13 für noch ausstehende Beiträge und Säumniszuschläge entsprechend.
Ob die Beklagte in Übereinstimmung mit § 256a SGB V den Erlass schon deshalb nach § 2 Abs. 1 der Einheitlichen Grundsätze zur Beseitigung finanzieller Überforderung bei Beitragsschulden des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) vom 04. September 2013 (Einheitliche Grundsätze) ablehnen durfte, weil der Nacherhebungszeitraum nicht mehr als drei Monate umfasst, bedarf einer eingehenden Prüfung im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht und ggf. im Rechtsmittelverfahren.
Es ist zweifelhaft, ob der Ausschluss eines Erlasses nach § 2 Abs. 1 letzter Satz der Einheitlichen Grundsätze für Nacherhebungszeiträume von nicht mehr als drei Monaten mit der Ermächtigungsgrundlage in § 256a Abs. 4 SGB V zu vereinbaren ist. Nach § 256a Abs. 4 SGB V regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen das Nähere zur Ermäßigung und zum Erlass von Beiträgen und Säumniszuschlägen nach den Absätzen 1 bis 3, insbesondere zu einem Verzicht auf die Inanspruchnahme von Leistungen als Voraussetzung für die Ermäßigung oder den Erlass. Die Ermächtigungsvorschrift nennt als Voraussetzung für die Ermäßigung oder den Erlass von Beitragsforderungen lediglich einen Verzicht auf die Inanspruchnahme von Leistungen, nicht jedoch Beitragszeiträume von mehr als drei Monaten. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Kompetenz zur Regelung des "Näheren" des Beitragserlasses die Schaffung von Bestimmungen erlauben könnte, einen Erlass dann auszuschließen, wenn die Vorteile für den Versicherten gegenüber dem Verwaltungsaufwand der Krankenkassen in keinem Verhältnis stehen, ist der gewählte Zeitraum von drei Monaten hier ungewöhnlich lang. Immerhin sind für die Klägerin, die mit kurzen Zäsuren immer wieder Arbeitslosengeld II bezog, zwischen dem 01. Mai 2013 und dem 31. Juli 2013 Beiträge von 456,81 EUR aufgelaufen, die ihren Regelsatz des Arbeitslosengeldes II deutlich übersteigen.
Unklar ist weiterhin, ob die Klägerin in dem Zeitraum, für den sie einen Erlass ihrer Beitragsschulden begehrt, Leistungen von der Beklagten erhalten hat, was die Beklagte bisher nur behauptet, aber in keiner Weise belegt hat. Außerdem ist zweifelhaft, ob § 256a Abs. 4 SGB V ohne weiteres auch eine Ermächtigungsgrundlage für eine Regelung enthält, nach der jede tatsächliche Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in der Vergangenheit einen Erlass ausschließt (in diesem Sinne Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. September 2014 – L 1 KR 331/14 B ER –, juris). Ein "Verzicht" im Sinne des § 256a Abs. 4 SGB V setzt nämlich voraus, dass noch Ansprüche bestehen (Felix, NZS 2013, S. 924/925). Ob die Klägerin bei Inkrafttreten des § 256a SGB V am 1. August 2013 noch Ansprüche wegen der Übernahme von Kosten einer Krankenbehandlung gegen die Beklagte hatte, für die von ihr ein Verzicht gefordert werden könnte, ist bislang völlig unklar. Der Gesetzgeber wollte den betroffenen Versicherten aber durch die Einführung die Wahl eröffnen, von dem Beitragserlass Gebrauch zu machen oder nachträglichen Versicherungsschutz durch das Einreichen von Rechnungen in Anspruch zu nehmen (BT-Drs 17/13947 S. 29). Ob sich diese Alternative für die Klägerin stellt, bedarf der Klärung im Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht.
2.) Auch hinsichtlich des Zeitraums vom 01. September 2013 bis zum 31. Dezember 2013 bietet die Klage eine (hinreichende) Aussicht auf Erfolg. Zwar kommt eine solche nach § 256a Abs. 2 SGB V nicht in Betracht. Denn nach § 256a Abs. 2 SGB V soll die Krankenkasse den für die Zeit seit dem Eintritt der Versicherungspflicht nachzuzahlenden Beitrag und die darauf entfallenden Säumniszuschläge nach § 24 des Vierten Buches erlassen. Voraussetzung für einen Erlass ist deshalb das Bestehen der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Die Klägerin war aber seit dem 01. September 2013 nicht mehr pflichtversichertes Mitglied der Beklagten, sondern deren freiwilliges Mitglied. Dies ergab sich schon aus dem zum 01. August 2013 in Kraft getretenen § 188 Abs. 4 SGB V, nach dem sich für Personen, deren Versicherungspflicht oder Familienversicherung endet, die Versicherung mit dem Tag nach dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht oder mit dem Tag nach dem Ende der Familienversicherung als freiwillige Mitgliedschaft fortsetzt, es sei denn, das Mitglied erklärt innerhalb von zwei Wochen nach Hinweis der Krankenkasse über die Austrittsmöglichkeiten seinen Austritt. Der Austritt wird nur wirksam, wenn das Mitglied das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachweist. Satz 1 gilt nicht für Personen, deren Versicherungspflicht endet, wenn die übrigen Voraussetzungen für eine Familienversicherung erfüllt sind oder ein Anspruch auf Leistungen nach § 19 Absatz 2 besteht, sofern im Anschluss daran das Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall nachgewiesen wird. Da die Klägerin zum 31. August 2013 aus der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V mit der Beendigung des Bezuges von Arbeitslosengeld II ausgeschieden ist, setzte sich ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten mit dem 01. September 2013 als freiwillige Mitgliedschaft fort, ohne dass es dafür einer Beitrittserklärung bedurfte. Auf die Beitrittserklärung vom 18. Dezember 2013 kommt es deshalb nicht an.
3.) Jedoch wird im Hauptsacheverfahren insoweit ein Erlass der letztgenannten Beiträge nach § 76 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch/Viertes Buch zu prüfen sein, den die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 29. April 2014 ausdrücklich abgelehnt hat, ohne hierzu weitere Ermittlungen anzustellen oder sich rechtlich mit der besonderen Situation der Klägerin auseinanderzusetzen. Hierbei wird zu prüfen sein, ob die Beitragspflicht der Klägerin infolge der gesetzlich nach § 188 Abs. 4 SGB V angeordnete Mitgliedschaft als freiwilliges Mitglied der Beklagten nach Lage des Falles jedenfalls in der Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2013 deshalb unbillig ist, weil sie der Klägerin den Anspruch auf Erlass nach § 256a SGB V nimmt oder diese auf Dauer in eine wirtschaftlich ausweglose Situation stürzt.
Wird der unbemittelten Klägerin in einem Fall wie dem Vorliegenden Prozesskostenhilfe versagt und dadurch im Gegensatz zu einer bemittelten Beteiligten die Möglichkeit genommen, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren darzustellen und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 4. Februar 2004, 2 BvR 626/06, BvR 656/06, zitiert nach juris), liegt darin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Dem ist durch eine weite Auslegung des § 114 Satz 1 ZPO in dem oben dargelegten Sinne Rechnung zu tragen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177).
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