L 9 KR 412/15 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 111 KR 2003/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 412/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3 a SGB V setzt einen inhaltlich konkreten, bewilligungsfähigen Antrag voraus.
2. Zu den Voraussetzungen eines Antrags nach § 13 Abs. 3 a SGB V im Einzelnen.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. September 2015 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. September 2015 hat gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) keinen Erfolg.

A. Soweit der Antragsteller begehrt, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihm die Kosten für bereits durchgeführte Doppelmembranfiltrationsapheresen in der I-Tagesklinik C zu erstatten, ist der Antrag derzeit bereits unzulässig, weil er nicht beziffert ist. Darüber hinaus ist sein Antrag aber auch unbegründet.

1.) Rechtsgrundlage der Erstattungsforderung kann nur § 13 Abs. 3 bzw. 3a Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) sein. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3/ Abs. 3a SGB V hat stets die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zum Inhalt. Es muss daher grundsätzlich ein bezifferter Zahlungsantrag gestellt und dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt. Beides ist hier nicht im gebotenen Umfang geschehen, weil der Antragsteller zwar Rechnungen über ärztliche Leistungen vom 12. Juni 2015, vom 18. Juni 2015 und vom 07. Juli 2015 über 1661,45 EUR bzw. 1662,49 EUR vorgelegt hat, jedoch keine Angaben darüber vorliegen, in welcher Höhe ihm weitere Kosten entstanden sind (Kosten für Fahrt und Unterbringung). Der Antragsteller hat auch im Sachvortrag nicht dargelegt, welchen Betrag er verlangt und wie sich dieser errechnet. Es hätte im Einzelnen aufgeschlüsselt werden müssen, welche Behandlungskosten er aufgebracht hat und worauf sie sich beziehen. Nur ein so bezifferter Antrag und eine derartige Substantiierung des Sachvortrags bieten eine hinreichende Grundlage für die notwendigen gerichtlichen Tatsachenfeststellungen (§ 103 SGG) und für eine abschließende, einen weiteren Streit vermeidende Erledigung des Rechtsstreits (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts [BSG] vgl. zuletzt, 1. Senat, Urteil vom 03. Juli 2012, B 1 KR 22/11 R, juris mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des BSG). Der Senat hat davon abgesehen, den Antragsteller zur Substantiierung seines Vorbringens aufzufordern, weil der Antrag auch unbegründet ist.

2.) Der Antragsteller begehrt die Erstattung von Kosten, die ihm nicht nur vor der Entscheidung des Senats entstanden, sondern auch von ihm bereits beglichen worden sind. Hierfür besteht kein eiliges Regelungsbedürfnis (mehr); insoweit hat er deshalb keinen Anordnungsgrund nach § 86b Abs. 2 Satz 2 und 3 i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.

a) In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im – grundsätzlich vorrangigen – Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 – und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05; zitiert nach juris). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel zumutbar.

b) Der Antragsteller hat weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht, dass ihm durch die Verauslagung der Kosten für die Apheresebehandlung in der Vergangenheit derzeit wesentliche Nachteile entstehen, die sich durch den Erlass der (auf eine zukünftige Regelung gerichteten) einstweiligen Anordnung noch abwenden ließen. Er hat lediglich angegeben, die Kosten für die weitere Behandlung bei der I-Tagesklinik nicht aufbringen zu können und die verauslagten Mittel für die Behandlungskosten aus einem Kredit beschafft zu haben. Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und zu den Modalitäten des Darlehens hat er trotz sachkundiger Vertretung nicht gemacht und Belege für seine Behauptung nicht vorgelegt. Zur Tilgung der von ihm eingegangenen Verbindlichkeiten kann die begehrte einstweilige Anordnung nicht ergehen, weil die damit verbundenen Nachteile bereits eingetreten sind und deshalb nicht mehr abgewendet werden können. Die Klärung des von ihm behaupteten Erstattungsanspruchs muss damit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

c) Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Artikel 19 Abs. 4 GG kann zwar in besonderen Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anordnungsgrundes für zurückliegende Zeiträume verlangen, so insbesondere dann, wenn andernfalls effektiver Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Verfahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutzsuchenden geschaffen worden sind, die sich durch eine – stattgebende – Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hinreichend rückgängig machen lassen. Derartige Umstände sind hier nicht ersichtlich. Insbesondere ist es nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes in Verfahren wie dem vorliegenden, Rechtsschutzsuchenden die Mittel zur Rückzahlung von in der Vergangenheit entstandenen privaten Schulden zu beschaffen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 30. Januar 2008, - L 9 B 600/07 KR ER -, zitiert nach juris).

B. Aber auch für den vom Antragsteller geltend gemachten Anspruch, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, für ihn noch entstehende Kosten für Doppelmembranfiltrationsapheresen in der I-Tagesklinik C zu übernehmen, hat er weder einen Anordnungsanspruch noch einen Anordnungsgrund im Sinne des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG mit der für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.

1.) Erfolglos beruft sich der Antragsteller zur Begründung dieses Anspruchs auf die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a SGB V. Nach dieser Vorschrift hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst (MDK) nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.

a) Der Senat konnte es im vorliegenden Fall offenlassen, auf welche Weise der Antragsteller seinen Anspruch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren geltend machen muss: Neben einem Feststellungsbegehren und einem Begehren nach Bescheinigung des Eintritts der Genehmigungsfiktion in entsprechender Anwendung des § 42a Abs. 3 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) kommt jedenfalls auch ein Antrag auf Freistellung von gegenüber Dritten einzugehenden Verbindlichkeiten in Betracht, der im Kostenübernahmebegehren enthalten ist. Ebenso offenlassen konnte der Senat, ob die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V nur eingreift, wenn der Antrag eine grundsätzlich von der Kasse innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geschuldete Leistung betrifft und sie dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot entspricht (in diesem Sinne: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Mai 2014 – L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KR 155/14 B –, offengelassen: Landessozialgericht für das Saarland, Urteil vom 17. Juni 2015 – L 2 KR 180/14 –, jeweils zitiert nach juris) oder ob durch die Fiktion der Genehmigung die Leistungsberechtigung des Antragstellers wirksam verfügt und die Krankenkasse mit allen Einwendungen (wie hier der Frage, ob es sich bei der streitigen Apherese um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelt und ob sie vom Leistungssystem der GKV im Sinne der §§ 2 Abs. 1, Abs. 1a, 12 Abs. 1 Satz 1, 135 Abs. 1 SGB V erfasst ist) ausgeschlossen ist (in diesem Sinne: Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Mai 2014 – L 5 KR 222/14 B ER –, juris). Denn jedenfalls fehlt es im vorliegenden Fall vor der Ablehnung der begehrten Leistung an einem fiktionsfähigen Antrag.

b) Die Genehmigungsfiktion setzt einen inhaltlich konkreten, bewilligungsfähigen Antrag voraus (so auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. Mai 2014 – L 16 KR 154/14 B ER, L 16 KR 155/14 B –, juris). Da faktisch die Bewilligung der Leistung fingiert wird, muss der Antrag inhaltlich so bestimmt sein, dass ein entsprechender förmlich ergehender Verwaltungsakt im Sinne des § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/ Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) hinreichend bestimmt und umzusetzen wäre. Bei einem unbestimmten Antrag kann deshalb die Genehmigungsfiktion nicht eingreifen (vgl. zu § 42a VwVfG Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl., § 42a RdNr. 35 m.w.N.). Nach der die Genehmigungsfiktion regelnden Vorschrift des VwVfG ergibt sich dies ausdrücklich aus § 42a Abs. 1 Satz 1 ("Antrag hinreichend bestimmt") sowie aus den Regelungen über den Fristbeginn in § 42a Abs. 2 Satz 2 ("Eingang der vollständigen Unterlagen"); diese Anforderungen sind aus den bereits genannten Gründen auch an § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V zu stellen.

c) Die Genehmigungsfiktion kann nur antragsabhängige und genehmigungsbedürftige Leistungen betreffen: Kann sich ein Versicherter die Leistung selbst mit seiner Chipkarte beschaffen, kommt die Genehmigungsfiktion grundsätzlich nicht in Betracht. Um von der Genehmigungsfiktion erfasst werden zu können, muss die Leistung in dem Antrag so genau beschrieben werden, dass später über die Art der Leistung und ihren Umfang kein Streit entstehen kann: Denn anderenfalls wäre die Fiktion der Bewilligung für den Versicherten wertlos, weil die fiktive Leistungsbewilligung den Anspruch nicht endgültig klären würde, sondern diese Feststellungen einem neuen, weiteren Verwaltungsverfahren vorbehalten wäre. Das setzt mindestens voraus, dass aus dem Antrag eindeutig oder durch Auslegung zu entnehmen sein muss, ob eine ärztliche Leistung oder die eines anderen Leistungserbringers begehrt wird, ob die Leistungserbringung ambulant oder stationär erfolgen soll, ob Arzneimittel, Hilfs- und Heilmittel eingesetzt werden sollen, ob sich die Leistungserbringung auf eine einmalige Leistung bezieht oder eine Serie von Behandlungen (mit Angabe der geplanten Anzahl) erbracht werden soll und ob es sich bei diesen Leistungen um "konventionelle" Leistungen handelt oder um neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Denn die tatsächlichen und rechtlichen Anforderungen an diese Leistungsarten sind so unterschiedlich und die von der Krankenkasse vorzunehmenden Ermittlungen weichen so sehr voneinander ab, dass die Kürze der in § 13 Abs. 3a SGB V dem Leistungsträger gesetzten Fristen eine entsprechende Mitwirkung der Versicherten verlangt. Ist ein Antrag nach diesen Kriterien nicht eindeutig, kann zumindest so lange keine Genehmigungsfiktion eintreten, bis die erforderliche Konkretisierung nachgeholt wird.

d) Unter Beachtung dieser Grundsätze enthält der von dem behandelnden Arzt des Antragstellers Dr. S unter dem 30. März 2015 gestellte Antrag keine taugliche Grundlage für eine fiktive Bewilligung der Apheresen. Der Antrag ist nach dem Kopf des Schreibens von der "I-Tagesklink" gestellt worden. Auch wenn Tageskliniken über keine ständige ärztliche Leitung, kein jederzeit verfügbares Pflegepersonal, und keine Möglichkeit der Unterbringung und Verpflegung ihrer Patienten verfügen, werden ihre Leistungen regelmäßig dem stationären Sektor und zwar der teilstationären Versorgung zugerechnet (vgl. etwa BSG, Urteil vom 28. Januar 2009, B 6 KA 61/07 R [Tagesklinik], juris). Der Eindruck, dass der Antragsteller die Bewilligung einer stationären Behandlung begehrte, wird dadurch verstärkt, dass Dr. S auf dem Antrag als "Chefarzt" der "Tagesklinik" genannt wird. Die Erbringung von Apheresen gehört auch keineswegs zu Behandlungen, die ausschließlich ambulant erbracht werden; gerade schwerkranke Patienten werden wegen der Gefahren, die mit der extracorporalen Hämodialyse verbunden sind, nicht selten im Krankenhaus behandelt (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31. Januar 2007 – L 9 KR 1168/05 –, juris, zu einer teilstationären Behandlung). Die Antragsgegnerin hat den Antrag auch so verstanden, dass es dem Antragsteller um die Bewilligung einer stationären Behandlung ging, weil sie den MDK in einem Schreiben vom 30. März 2015 darum gebeten hat mitzuteilen, ob die geplante Behandlung im Sinne des § 39 SGB V medizinisch notwendig sei und ob die geplante Therapie auch von einem zugelassenen Krankenhaus erbracht werden könne. Dem Antragsteller hat sie mit Schreiben vom gleichen Tag mitgeteilt, dass die I-Klinik eine private Klinik sei und nicht zu den Vertragspartnern der GKV gehöre.

Im Gegensatz zu den genannten Kriterien wird in dem Antrag auf Seite 6 jedoch darauf hingewiesen, dass auch für die begehrte Behandlung der Grundsatz "ambulant geht vor stationär" gelte. Somit seien die anfallenden Kosten für Fahrt und Unterbringung zu erstatten (was für sich genommen nicht gegen eine teilstationäre Behandlung in einer Tagesklink spricht), die "weitaus kostengünstiger [seien] als eine stationäre Unterbringung und die zusätzliche Abrechnung von Apheresen im stationären nach DRG Code". Darüber hinaus liege eine Kassenzulassung für die Durchführung der Therapeutischen Apherese vor: Diese Hinweise und die dargestellten Kriterien sprechen dafür, dass die Apheresen ambulant erbracht werden sollten. Allein durch Auslegung des Antrags lässt sich hierüber keine hinreichende Klarheit gewinnen; diese kann sich letztlich nur aus der Leistungserbringung selbst und durch die Vorlage der Abrechnung ergeben. Der Antragsteller hat erstmals mit Schreiben vom 15. Juni 2015 die erste Abrechnung der I-Tagesklinik vorgelegt, die eine Abrechnung nach den Grundsätzen der GOÄ enthält, womit die Durchführung einer ambulanten Behandlung belegt sein dürfte, zumal die Minderung um 25 vom Hundert aufgrund stationärer Behandlung (§ 6a GOÄ) nicht in Ansatz gebracht wurde. Erst zu diesem Zeitpunkt lag frühestens ein fiktionsfähiger Antrag vor. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Antragsgegnerin den Antrag aber bereits abgelehnt (Bescheid vom 04. Juni 2015), so dass eine fiktive Leistungsbewilligung nach § 13 Abs. 3a SGB V ausscheidet.

2.) Nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ist - gegenwärtig - ein Anordnungsanspruch für die ambulante Erbringung der Doppelmembranfiltrationsapheresen in der I-Tagesklinik C auch im Übrigen nicht glaubhaft gemacht; der Gesundheitszustand des Antragstellers lässt es darüber hinaus auch nicht zu, ihm die begehrte Leistung nach einer Abwägung der widerstreitenden Interessen im Rahmen einer Folgenabwägung zuzusprechen.

a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten umfasst jedoch nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§§ 2 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SGB V). Danach kann der Antragsteller keinen Anspruch auf die Erbringung der begehrten Aphereseleistungen herleiten, weil diese Leistung bisher bei seinen Erkrankungen vom Leistungsspektrum der GKV nicht erfasst wird. Denn diese Behandlung stellt eine "neue" Behandlungsmethode dar, für die es an der erforderlichen positiven Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses fehlt (§ 135 Abs. 1 SGB V). Die ambulante Doppelmembranfiltrationsapherese ist eine neue Behandlungsmethode, weil sie als abrechnungsfähige ärztliche Leistung nicht im einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) enthalten ist. Auf Grund des Beschlusses des Bundesausschusses vom 24. März 2003 (BAnz. 2003 Nr. 123 S. 14486) können Apheresen zwar als Leistung der GKV zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden (Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung [Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung] in der Fassung vom 17. Januar 2006, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006 Nr. 48 [S. 1 523], in Kraft getreten am 1. April 2006, zuletzt geändert am 19. Februar 2015, veröffentlicht im Bundesanzeiger [BAnz AT 15.05.2015 B7], in Kraft getreten am 16. Mai 2015). Dies betrifft allerdings nur LDL-Apheresen bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie in homozygoter Ausprägung und Patienten mit schwerer Hypercholesterinämie, bei denen grundsätzlich mit einer über zwölf Monate dokumentierten maximalen diätetischen und medikamentösen Therapie das LDL-Cholesterin nicht ausreichend gesenkt werden kann, bei bestimmten LDL-Apheresen bei isolierter Lp(a)-Erhöhung sowie bei Immunapheresen bei aktiver rheumatoider Arthritis. Der Antragsteller leidet jedoch nach den dem Senat vorgelegten medizinischen Stellungnahmen der behandelnden Ärzte und des MDK nicht an den vorstehend beschriebenen Erkrankungen, sondern an zahlreichen anderen Erkrankungen, bei denen multiple Infektionen und Allergien, eine chronische Borreliose und eine Schwermetallintoxikation im Vordergrund stehen sollen, die von der Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht erfasst werden.

b) Ein Anspruch auf Kostenübernahme ergibt sich auch nicht aus den Grundsätzen des sog. Systemversagens. Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (sog. Systemversagen). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (vgl. BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4 und § 92 Nr. 12). Ein solcher Fall des Systemversagens ist hier nicht zu erkennen. Anhaltspunkte dafür hat weder der Antragsteller vorgetragen noch sind sie im Übrigen aus den vorgelegten Unterlagen zu entnehmen.

c) Auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005, 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5) zum Vorliegen einer notstandsähnlichen Krankheitssituation, die der Gesetzgeber inzwischen in § 2 Abs. 1a SGB V normiert hat, kann der Antragsteller einen Anspruch auf Versorgung mit einer ambulant zu erbringenden Doppelmembranfiltrationsapherese in der I-Tagesklinik C nicht herleiten. Hiernach ist es mit den Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Entscheidend ist danach, ob eine lebensbedrohliche Notsituation für den Antragsteller besteht (BVerfG, a. a. O.; Beschluss vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, Beschluss vom 6. Februar 2007, 1 BvR 3101/06, zitiert nach juris). Das Bundessozialgericht (BSG) hat diese Anspruchsvoraussetzung in verschiedenen Fallgestaltungen präzisiert (vgl. BSG, SozR 4-2500 § 31 Nr. 8 und § 27 Nr. 10). Sie ist nur dann gegeben, wenn ein Versicherter an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden bzw. einer wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung leidet, sofern die Gefahr eines tödlichen Krankheitsverlaufs schon in näherer und nicht erst in ganz ferner, noch nicht genau absehbarer Zeit droht. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles schon jetzt drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches gilt für den ggf. gleichzustellenden, nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 70/12 R –, juris). Eine "nur" schwerwiegende Erkrankung zählt auch dann nicht dazu, wenn sie die körperliche Unversehrtheit und die Lebensqualität schwerwiegend beeinträchtigt (vgl. BSG a. a. O.). Diese Voraussetzungen lassen sich hier weder aus den dem SG noch den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Berichten der behandelnden Ärzte entnehmen.

d) Vor allem aber ist dem Sozialgericht auch mit Blick auf weitere vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegte Unterlagen unter Heranziehung der Stellungnahme des MDK in seinem Gutachten vom 08. September 2015 darin beizupflichten, dass bis jetzt nicht glaubhaft vorgetragen worden oder sonst erkennbar geworden ist, dass bei dem Antragsteller bestehende Erkrankungen durch anerkannte fachärztliche Diagnostik in ausreichendem Maße festgestellt worden sind und er sich um eine sich daraus ergebende konventionelle Therapie bemüht hat, bevor er um die begehrte Apherese nachgesucht hat. So belegt beispielhaft etwa die Untersuchung einer schmerzhaften Reaktion auf eine Epikutantestung in der Charité am 02. November 2014, dass keine externe Therapie für notwendig gehalten wurde; eine kardiologische Untersuchung im September 2014 ergab für die Untersuchung des Herzens des Antragstellers in der Echokardiographie einen Normalbefund, normales Blutdruck- und Frequenzverhalten in der Ergometrie und keinen Nachweis höhergradiger Rhythmusstörungen im Langzeit-EKG. Die Feststellung Dr. S, dass es zur Behandlung der beim Antragsteller bestehenden komplexen genetisch-metabolischen-immunologischen Situation kein Konzept der Schulmedizin gebe, erscheint vor diesem Hintergrund lediglich als nicht belegte Behauptung. Deshalb lässt sich auch nicht feststellen, dass bezüglich der beim Antragsteller vorgetragenen Krankheiten insgesamt oder für einzelne Beschwerdesymptomatiken keine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung steht, was für die Kostenübernahme jeder neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode unerlässliche Voraussetzung ist.

3.) Angesichts der Tatsache, dass weder erkennbar geworden noch vom Antragsteller glaubhaft gemacht worden ist, dass er die finanziellen Belastungen der von ihm gewünschten Therapie nicht selbst tragen kann noch dass er auf diese Therapie zum jetzigen Zeitpunkt ohne medizinische Alternative anerkannter Untersuchungs- und Behandlungsverfahren zwingend angewiesen ist, fehlt ihm nicht nur ein eiliges Regelungsbedürfnis und damit ein Anordnungsgrund für sein Begehren, sondern es lassen sich auch keine überwiegenden Interessen feststellen, die im Rahmen einer Folgenabwägung nach den vom Bundesverfassungsgericht zu § 32 BVerfGG entwickelten Grundsätzen geböten, die Antragsgegnerin zur vorläufigen Übernahme der Kosten der Apheresebehandlungen zu verpflichten.

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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