L 1 KR 550/15 KL ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 550/15 KL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Erlass einer Zwischenverfügung wird abgelehnt.

Gründe:

I. Im Streit ist der Beschluss des Antragsgegners vom 27. November 2015 über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie (Am-RL) durch Ergänzung der Anlage XIII- Beschlüsse über die Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (§ 35a SGB V)- um den Wirkstoff Ivermectin. Die Antragstellerin ist die deutsche Tochtergesellschaft eines weltweit tätigen pharmazeutischen Unternehmens und vertreibt seit Juni 2015 das Arzneimittel Soolantra® Creme mit diesem Wirkstoff. Zugelassen ist es in Deutschland seit 29. April 2015 zur topischen Behandlung von entzündlichen Läsionen der (papulopustulösen) Rosazea.

Die Antragstellerin hat am 17. Dezember 2015 beim hiesigen Gericht folgenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingereicht:

Es wird bis zur Vorlage einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren vorläufig festgestellt, dass die mit Beschluss vom 27. November 25015 durch den Antragsgegner vorgenommene Änderung der Anlage XII der Arzneimittel-Richtlinie zur Nutzenbewertung des Wirkstoffes Ivermectin (Soolantra®) unwirksam ist.

Sie ist der Auffassung, die Vorgehensweise des Antragsgegners sei ein offensichtlicher und evidenter Rechtsverstoß, weil es an der Grundvoraussetzung der vorläufigen Nutzenbewertung nach § 35a SGB V eines neuen Wirkstoffes fehle. Ivermectin sei vor fast 30 Jahren entdeckt worden und diene seither der Behandlung der Krätze (Scabies) und anderer Erkrankungen. In Europa sei 1999 der Wirkstoff 1999 in Frankreich im Arzneimittel Soolantra® zur Behandlung der Krätze zugelassen worden, ferner 2003 als Stromectol® in den Niederlanden. Der evident rechtswidrige Beschluss stelle für sie einen schwerwiegenden Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Betätigungsfreiheit dar, weil er eine vollständige Preisregulierung zur Folge habe und die Freiheit, den Preis für die eigenen Waren und Leistungen eigenverantwortlich festlegen zu können, zum Kernbereich der Privatautonomie gehöre. Sie müsse sich angesichts des unheilbaren Mangels nicht auf die nunmehr anstehenden Preisverhandlungen einlassen, um den Zustand nicht selbst zu perpetuieren. Es drohten auch schwerwiegende irreparable wirtschaftliche Nachteile, die weder durch das Hauptsacheverfahren -eine Feststellungsklage gegen den Antragsgegner-, noch im Wege von Schadensersatzklagen hinreichend rückgängig gemacht werden könnten. Die Antragstellerin sei nämlich gezwungen, aufgrund § 4 Abs. 1 der Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V zwischen dem GKV-Spitzenverband -GKV-Spitzenverband- und dem Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller e.V., dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V., dem Pro Generika e.V., dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V., - Verbände der pharmazeutischen Unternehmer (RahmenV) zur Vereinbarung eines Rabattes gezwungen. Dies hätte weitreichende Folgen für den Arzneimittelabsatz in anderen europäischen Ländern, die direkt oder indirekt die Preise nach dem deutschen festlegten ("referenzieren"). Um dies zu vermeiden, müsse sie nach § 4 Abs. 7 RahmenV binnen vier Wochen nach Veröffentlichung des Nutzenbewertungsbeschlusses, also bis zum 25. Dezember 2015, den Marktaustritt ("Opt out") erklären. Mit dem kompletten Rückzug aus dem deutschen Markt entstünden potentielle Umsatzverluste von ca. 17.033.331 EUR für die nächsten drei Jahre. Würde erst später festgestellt werden, dass die Preisregulierung aufgrund §§ 35a, 130b SGB V von Anfang an rechtswidrig gewesen sei, wäre die bereits erfolgte negative Preisreferenzierung nicht mehr vollständig rückgängig zu machen, weil spätere Anhebungen ausgeschlossen wären. Würde die Antragstellerin Soolantra® erst nach einem Erfolg in der Hauptsache wieder auf den Markt bringen, hätte sie voraussichtlich Wettbewerbsnachteile in Kauf zu nehmen, die nie ganz aufholbar seien.

Aufgrund der drohenden irreparablen Nachteile bei offensichtlicher Begründetheit sei der Erlass eines sogenannten "Hängebeschlusses" zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes unerlässlich. Ohne einen solchen Beschluss wäre die Antragstellerin bis 25. Dezember 2015 gezwungen, eine Entscheidung über ein Opt out zu treffen.

Sie beantragt, die beantragte Feststellung vorläufig bis zur Entscheidung über den vorliegenden Antrag auszusprechen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Erlass eines Hängebeschlusses zurückzuweisen.

II.

Dem Antrag auf Erlass einer Zwischenverfügung bleibt Erfolg versagt.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist zwar nach § 86b Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zuständig:

Zuständig für einstweiligen Rechtsschutz ist das Gericht der Hauptsache. Die korrespondierende Hauptsache wäre hier die bereits angekündigte Feststellungsklage mit dem Ziel, im Verhältnis zwischen den Prozessbeteiligten die Unwirksamkeit des Beschlusses vom festzustellen. Für Klagen gegen Entscheidungen nach § 130b Abs. 4 SGB V (letzte Alternative) ist die Zuständigkeit des hiesigen Gerichtes in § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG ausdrücklich normiert. Entsprechendes muss für Klagen gelten, eine solche Entscheidung vorab zu verhindern (so bereits Beschluss des Senats vom 22. Mai 2014 -L 1 KR 108/14 KL ER- juris-Rdnr. 80f). Soweit mit der Antragstellerin der Anwendungsbereich des § 130b SGB V von vornherein ausgeschlossen sein soll, ist § 29 Abs. 4 Nr. 3 SGG einschlägig, weil das LSG Berlin-Brandenburg auch für Klagen gegen Richtlinien des Antragsgegners zuständig ist.

Art. 19 Abs. 4 GG gebietet hier aber nicht, die begehrte Feststellung vorläufig bis zur Entscheidung über die einstweilige Anordnung selbst auszusprechen.

Zwar garantiert das Verfahrensgrundrecht des Art 19 Abs. 4 GG nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes und gebietet, irreparable Entscheidungen, wie sie durch die sofortige Vollziehung einer hoheitlichen Maßnahme eintreten können, soweit wie möglich auszuschließen (Bundessozialgericht -BSG-, Urt. v. 27. November 2014 -B 3 KR 6/13 R- Rdnr. 29 mit Bezugnahme auf BVerfGE 35, 263, 364; BVerfGE 51, 268, 284; BVerfG, NVWZ 2009, 240, 241). Auch ist die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage ein fundamentaler Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Prozesses und eine adäquate Ausprägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie (BSG, a. a. O. mit Nachweisen der BVerfG-Rechtsprechung).

Eine Zwischenverfügung setzt aber immer voraus, dass der Eilantrag selbst nicht bereits offenbar erfolglos bleiben wird (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. A. 2014, § 86b Rdnr. 14 mit). Dies ist hier der Fall.

1. Es fehlt dem Eilantrag bereits am Rechtsschutzbedürfnis.

Es ist nicht ersichtlich, dass die begehrte gerichtliche Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung der Antragstellerin verbessern würde (vgl. BSG, Urt. v. 22. März 2012 -B 8 SO 24/10 R- Rdnr. 10; Keller, a. a. O. vor § 51 Rdnr. 16a).

Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung zulässig, wenn anderenfalls die Gefahr besteht, dass ein Recht des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung sind das Bestehen eines Anordnungsanspruches und das Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Der Anordnungsanspruch bezieht sich dabei auf den geltend gemachten materiellen Anspruch, für den vorläufiger Rechtschutz begehrt wird. Die erforderliche Dringlichkeit betrifft den Anordnungsgrund. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Entscheidungen dürfen dabei grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des Senats, siehe auch Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 - ).

Die Antragstellerin begehrt hier nicht vom Antragsgegner, von der Vollziehbarkeit seines Beschlusses vorläufig abzusehen oder die Vollziehung auszusetzen (so die Konstellation im "Hänge"-Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 2. Dezember 2010 -L 7 KA 79/10 EL ER-) und/oder von Vollstreckungshandlungen abzusehen. Es geht auch weder um die aufschiebende Wirkung einer Klage (vgl. hierzu die Beschlüsse des Senats vom 22. Mai 2014 -L 1 KR 108/14 KL ER- und vom 19. März 2015 -L 1 KR 499/14 KL ER-, welche beide Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen Schiedsstellenentscheidungen nach § 130b SGB V betroffen haben) noch um die (vorläufige) Verpflichtung zu einem Tun oder Unterlassen. Die Antragstellerin möchte mit ihrer einstweiligen Anordnung auch nicht ein (abstrakt-generelles) Normenkontrollbegehren flankieren, etwa nach § 55a Abs. 6 SGG analog, § 47 Abs. 6 VwGO analog. Dem LSG kommt nämlich von vorneherein keine abstrakt-generelle Verwerfungskompetenz zu. Zu Recht (abgesehen von § 35a Abs. 8 SGB V, dazu sogleich) will die Antragstellerin deshalb in der Hauptsache eine Feststellungsklage nach § 55 SGG gegen den Antragsgegner erheben.

Da all dies nicht begehrt wird, ist von vornherein nicht ersichtlich, inwieweit sich die begehrte Feststellung rechtlich relevant zu Gunsten der Antragstellerin auswirken könnte: Die Feststellung bände nur die Beteiligten, vgl. § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Sie beträfe weder den GKV-Spitzenverband als Verfahrensführer des sich an den Beschluss anschließenden Erstattungsbetragsverfahrens nach § 130b SGB V noch die das Arzneimittel etwa verschreibenden Vertragsärzte als Normadressaten der Arzneimittel-Richtlinien (vgl. § 91 Abs. 6 SGB V). Eine Bindungswirkung fehlte auch, soweit es der Antragstellerin darum gehen könnte, die Frist zur Erklärung des Aus-dem Verkehr-Nehmens (Opt out) nach § 4 Abs. 7 RahmenV zu verlängern/suspendieren.

Letztlich will die Antragstellerin insoweit eine Klärung erhalten, weil sie den Eilantrag ausdrücklich als Entscheidungshilfe für die Frage des Opt out koppelt.

Ein gerichtliches Eilverfahren (einschließlich etwaiger Zwischenverfügung) dient aber nicht dazu, für den Antragsteller gutachterlich Rechtsfragen zu klären, auf deren Grundlage dieser Entscheidungen treffen will.

2. Abgesehen hiervon scheidet ein Eilantrag hier aus, weil § 35a Abs. 8 SGB V eine gesonderte Klage gegen den Beschluss nach § 35a Abs. 3 SGB V ausschließt und damit auch vorläufigen Rechtsschutz in diesem Zusammenhang.

Dies ist mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar, auch wenn das Gesetz nach der Konzeption des in mehrere Phasen gegliederte Nutzenbewertungsverfahrens Rechtsschutz erst auf der letzten Stufe gewährt: Hat der Beklagte einen Zusatznutzen festgestellt und kommt keine Vereinbarung nach § 130b Abs. 1 SGB V zustande, ist eine Klage gemäß § 35a Abs. 8 und § 130b Abs. 4 SGB V erst gegen die Entscheidung der Schiedsstelle möglich, mithin spätestens 15 Monate nach der Dossiereinreichung. Gleiches gilt (vgl. § 130b Abs. 3 SGB V), falls kein Zusatznutzen festgestellt wurde und das Arzneimittel keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden kann. Wurde kein Zusatznutzen festgestellt, das Arzneimittel aber einer (schon bestehenden) Festbetragsgruppe zugeordnet, ist zwar gegen Letzteres eine Klage gemäß § 35 Abs. 7 Satz 4 SGB V ausgeschlossen. Dem pharmazeutischen Unternehmer steht hingegen die Möglichkeit offen, gegen die im Wege einer Allgemeinverfügung (§ 31 Satz 2 SGB X) erlassene Festbetragsfestsetzung Anfechtungsklage zu erheben oder – falls diese bereits bestandskräftig (§ 77 SGG) ist – eine Entscheidung nach § 44 SGB X durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu beantragen, ggf. hiergegen ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 35 Abs. 7 Satz 3 SGB V) zu klagen und dann inzident die Festbetragsgruppenbildung und das Nutzenbewertungsverfahren gerichtlich überprüfen zu lassen. Hierdurch wird einem betroffenen pharmazeutischen Unternehmer gerichtlicher Rechtsschutz zwar zeitlich verlagert gewährt, aber nicht in verfassungswidriger Weise erschwert (so bereits zutreffend weitgehend wörtlich LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 15. Mai 2013 -L 7 KA 105/12 KL-, juris-Rdnr. 55).

Soweit der 7. Senat im Haus es hat dahin stehen lassen, ob angesichts der eingeschränkten Rechtsschutzmöglichkeiten ausnahmsweise und in Abweichung von § 35a Abs. 8 Satz 1 SGB V der Beschluss des GBA über die Nutzenbewertung (§ 35a Abs. 3 Satz 1 SGB V) einer gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden könnte, wenn er sich als willkürlicher und deshalb unverhältnismäßiger Eingriff in die durch Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit erwiese (ebenso bereits B. vom 28. Februar 2013 -L7 KA 106/12 KL ER- im korrespondierenden Eilverfahren ), verhilft dies der Antragstellerin nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung.

Ein solches Verhalten sei nach diesem Urteil denkbar, wenn die einschlägigen Voraussetzungen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zu bejahen wären (a. a. O. Rdnr. 56).

Willkürlichkeit scheidet im vorliegenden Fall aus, ohne dass sich der Senat bereits festlegen müsste, ob es sich bei Ivermectin um einen neuen Wirkstoff im Sinne des § 35a Abs. 1 S. 1 SGB V in Verbindung mit § 2 Abs. 1 S. 1 Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung (AM-NutzenV) handelt. Die dies bejahende Auffassung des Antragsgegners ist zumindest vertretbar, nicht abwegig oder nur fernliegend und deshalb jedenfalls nicht willkürlich:

Nach § 2 Abs. 1 AM-NutzenV sind Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen im Sinne dieser Verordnung, die nach § 1 AM-NutzenV das Nähere zur Nutzenbewertung von erstattungsfähigen Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V regelt, solche, die Wirkstoffe enthalten, deren Wirkungen bei der erstmaligen Zulassung in der medizinischen Wissenschaft nicht allgemein bekannt sind (S. 1). Ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff im Sinne dieser Verordnung gilt solange als ein Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff, wie für das erstmalig zugelassene Arzneimittel mit dem Wirkstoff Unterlagenschutz besteht (S. 2). Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, dass Zulassung im vorgenannten Sinne nur die Arzneimittelzulassung in Deutschland durch die in Deutschland zuständigen Bundebehörden seien (§ 21 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. Arzneimittelgesetz -AMG) oder wenn die Europäische Gemeinschaft oder die Europäische Union eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt habe, §§ 21 Abs. 1 S. 1, 2. Alt, 37 AMG. Nicht ausreichend sei hingegen eine nationale, auf den jeweiligen Staat beschränkte, Zulassung in einzelnen Staaten der EU wie hier in Frankreich und den Niederlanden. Soweit die Antragstellerin aus § 2 Abs. 1 S. 2 AM-NutzenV ableiten will, dass mit Zulassung jede gemeint sein müsse, die ein Arzneimittel in einem EU-Mitgliedsstaat erhalte habe, weil Unterlagenschutz auch für erstmals (national) zugelassene Arzneimittel bestehe und konkret hier für die Arzneimittel mit dem Wirkstoff Ivermectin zur Behandlung der Krätze bestanden habe, erscheint dies zwar recht einleuchtend, aber nicht zwingend. S. 2 des § 2 Abs. 1 AM-NutzenV kann nämlich auch losgelöst von S. 1 gesehen werden, da -wie S. 2 voraussetzt- auch ein neues Anwendungsgebiet einen (neuen) Unterlagenschutz begründen kann.

3. Abschließend ist nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin eine Zwischenverfügung auch abgesehen von den vorherigen Erwägungen nicht zur Vermeidung unerträglicher Rechtsschutzlücken ungeachtet der Grundrechtsrelevanz geboten. Sie räumt selbst ein, dass die Existenz des Unternehmens -geschweige denn des hinter ihr stehenden Weltkonzerns- nicht bedroht ist. Die aus ihrer Sicht negativen Folgen des Erstattungsbetragsverfahrens nach § 130b SGB V bzw. eines Ausstieges aus dem deutschen Markt sind nach dem eigenen Vortrag nicht gänzlich unkorrigierbar. Dass die Antragstellerin selbst -und nicht andere Tochterunternehmen der Konzernmutter oder diese- von Gewinneinbußen betroffen wären, ist nicht ausdrücklich vorgetragen. Bislang fehlt auch jegliche Glaubhaftmachung.

Ganz allgemein ist fraglich, ob sich die von der Antragstellerin vorgebrachte drohende Preisreferenzierung als Eingriff in den Schutzbereich von Art. 12 GG (in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG) der Antragstellerin zeigt. Zwar können auch nicht unmittelbar auf die berufliche Betätigung abzielende Maßnahmen infolge ihrer spürbaren tatsächlichen Auswirkungen geeignet sein, den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG mittelbar erheblich zu beeinträchtigen. Voraussetzung für die Anerkennung solcher faktischen Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit ist jedoch, dass ein enger Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs besteht und dass nicht nur vom Staat ausgehende Veränderungen der Marktdaten oder allgemeinen Rahmenbedingungen eintreten, sondern eine objektiv berufsregelnde Tendenz erkennbar ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urt. v. 16. Oktober 2013 -8 CN 1/12 - juris-Rdnr. 24 mit Bezugnahme auf BVerfG, Beschlüsse vom 8. April 1997 - 1 BvR 48/94 - BVerfGE 95, 267 (302) und vom 12. April 2005 - 2 BvR 1027/02 - BVerfGE 113, 29 (48)). Hier geht es hinsichtlich der Referenzierung letztlich nur um vom Staat ausgehende Veränderungen von Marktdaten.

Dass das Verfahren nach § 130b SGB V zwingend zum relevanten Preisnachteil der Antragstellerin ausfallen muss, ist zuletzt auch nicht zwingend:

Zwar ist die gerichtliche Überprüfung einer nach § 130b Abs. 4 SGB V ergangenen Schiedsentscheidung nur eingeschränkt möglich. Der Antragsgegnerin ist für ihren Schiedsspruch eine Entscheidungsprärogative einzuräumen, so dass sich die gerichtliche Kontrolle darauf reduziert, ob die Interessen der am Schiedsverfahren Beteiligten sowie alle für die Abwägung maßgeblichen Umstände ermittelt worden sind, ob die Entscheidung in einem fairen und willkürfreien Verfahren getroffen worden ist und ob die materiellen gesetzlichen Vorgaben bei der Entscheidungsfindung beachtet worden sind (so bereits Beschluss des Senats vom19. März 2015 -L 1 KR 499/14 KL ER- juris -Rdnr. 31 mit Nachweisen).

Die Schiedsstelle hat jedoch zu prüfen, ob ein Erstattungsbetrag ausscheidet, weil kein neuer Wirkstoff im Sinne des Gesetzes vorliegt. Dies ist Teil der gesetzlichen Vorgaben.
Rechtskraft
Aus
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