L 29 AS 404/16 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 38 AS 14/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 AS 404/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 3. Februar 2016 wird als unzulässig verworfen. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 3. Februar 2016 geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird in vollem Umfang abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren um die Übernahme von Mietschulden nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von (noch) 832,61 EUR.

Die am 23. August 1972 geborene Antragstellerin zu 1) wohnt mit dem am 5. April 1993 geborenen Antragsteller zu 2) und der am 19. Mai 2004 geborenen Antragstellerin zu 3) unter der im Rubrum angegebenen Anschrift, einer 3-Zimmer-Wohnung mit einer monatlichen Grundmiete in Höhe von 473,70 EUR. Nach eigenen Angaben hat die Antragstellerin zu 1) die alleinige Sorgeberechtigung für die Antragstellerin zu 3).

Die Antragsteller stehen im laufenden Leistungsbezug bei dem Antragsgegner (Bescheid vom 28. Mai 2015 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 8. Juli 2015, 20. August 2015 und 10. September 2015 - Leistungszeitraum vom 1. Juni 2015 bis 30. November 2915 und zuletzt Bescheid vom 10. November 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. November 2015 – Leistungszeitraum vom 1. Dezember 2015 bis 30. November 2016). Mit Bescheid vom 27. August 2015 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund der Antragstellerin zu 1) eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2015 in Höhe von monatlich 718,75 EUR (Zahlbetrag).

Bis einschließlich Oktober 2015 überwies der Antragsgegner bewilligte Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 473,70 EUR direkt an die Vermieterin, die WHG Wohnungsbau- und Hausverwaltungs-GmbH. Ein am 23. Juli 2015 ausgewiesenes Betriebskostenguthaben in Höhe von 234,22 EUR wurde (daher) nicht an die Antragsteller ausgezahlt. Ab November 2015 zahlte der Antragsgegner Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 325,83 EUR wieder direkt an die Antragstellerin zu 1) aus, weil diese zunächst mündlich darum bat (Telefonvermerk vom 10. September 2015) und sodann mit Schreiben vom 15. September 2015, bei dem Antragsgegner am 16. September 2015 eingegangen, die Direktzahlung an die Vermieterin widerrufen hatte. Der geringere Betrag für Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 325,83 EUR basiert auf der Anrechnung der Rente wegen voller Erwerbsminderung, worüber die Antragstellerin zu 1) mit Bescheid vom 10. September 2015 in Kenntnis gesetzt wurde. Darin wies der Antragsgegner die Antragstellerin zu 1) darauf hin, dass der Leistungsanspruch ab Oktober 2015 geringer sei als die zu zahlende Miete und die Differenz zur Miete von ihr selbst an ihre Vermieterin zu zahlen sei.

Mit Änderungsbescheid vom 15. September 2015 bewilligte der Antragsgegner für die Zeit vom 1. Oktober 2015 bis 30. November 2015 (wegen der Anrechnung der Erwerbsminderungsrente) Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 325,83 EUR und wies darauf hin, dass die Leistungen wegen der am 10. September 2015 von der Antragstellerin zu1) telefonisch ausgesprochenen Bitte, die Leistungen nicht mehr an den Vermieter zu überweisen, ab Oktober 2015 an sie (die Antragstellerin zu 1) gezahlt würden.

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2015 kündigte die Vermieterin gemäß § 543 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) das Mietverhältnis gegenüber der Antragstellerin zu 1) fristlos wegen Zahlungsverzugs. Das Kündigungsschreiben, das die Vermieterin auch dem Antragsgegner (dort am 7. Dezember 2015 eingegangen) zur Kenntnis gegeben hatte, wies einen Mietrückstand per 3. Dezember 2015 in Höhe von 1.066,83 EUR aus. Die Mietsache sei zum 15. Dezember 2015 zurückzugeben. Erfolge dies nicht fristgemäß würde Räumungsklage erhoben.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 2015 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin zu 1) unter Bezugnahme auf die ihr vorliegende fristlose Kündigung die Vermieterin und Hinweis auf § 22 Abs. 7 SGB II mit, ab 1. Januar 2016 würden Bedarfe der Unterkunft und Heizung in Höhe von 356,93 EUR monatlich (wieder) direkt auf das Konto ihrer Vermieterin überwiesen. Sie (die Antragstellerin zu 1) habe die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht zweckentsprechend verwendet.

Am 23. Dezember 2015 (Eingangsdatum) beantragten die Antragsteller die Bewilligung eines Darlehens zur Begleichung der Mietschulden in Höhe von 1.066,83 EUR.

Am 5. Januar 2016 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Frankfurt (Oder) im Wege der einstweilige Anordnung beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragstellern ein Darlehen über 1.066,83 EUR zum Ausgleich der Mietschulden (für ihre im Rubrum genannte Wohnung) zu bewilligen. Sie seien davon ausgegangen, dass die Miete weiter durch den Antragsgegner an die Vermieterin gezahlt werde. Darüber hinaus sei die Erwerbsminderungsrente im September 2015 nicht gezahlt worden. Die Antragstellerin zu 1) hat zum einstweiligen Rechtsschutzverfahren eidesstattliche Versicherungen vom 4. Januar 2016 und 7. Januar 2016 beigebracht, in der sie angibt, kein Vermögen und außer ihrer Rente in Höhe von (rund) 718 EUR und Unterhalt in Höhe von 309 EUR sowie Kindergeld kein Einkommen zu haben. Der Vermieter würde die Begleichung der Mietschulden nur mit Raten in Höhe von 500 EUR monatlich akzeptieren.

Nach Auffassung des Antragsgegners bestehe kein Anspruch auf ein Darlehen. Die Antragstellerin zu 1) habe gewusst, dass der Antragsgegner die Miete nicht mehr direkt an die Vermieterin überweist. Durch die fristlose Kündigung drohe auch noch keine Obdachlosigkeit, zumal ab Januar 2016 zumindest ein Teilbetrag der Miete wieder direkt an den Vermieter überwiesen werde. Zudem habe die Vermieterin zwischenzeitlich aus einer Betriebskostenabrechnung ein Guthaben in Höhe von 234,22 EUR zur Tilgung der Mietschulden einbehalten.

Mit Beschluss vom 3. Februar 2016 hat das Sozialgericht Frankfurt (Oder) den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, den Antragstellern ein Darlehen über 832,61 EUR zur Begleichung der Mietschulden bei der WHG Wohnungsbau- und Hausverwaltungs-GmbH gemäß § 22 Abs. 8 SGB II zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Die Antragsteller hätten einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da ihnen bereits fristlos gekündigt worden sei. Ein Anordnungsanspruch sei ebenso glaubhaft gemacht, da die Antragsteller durch Be-gleichung der Schulden ihre Wohnung durch Abwendung der Räumungsklage erhalten könnten. Auch bestehe die Gefahr der drohenden Wohnungslosigkeit. Eine solche bestehe nicht erst bei drohender Obdachlosigkeit, sondern bereits ab dem Zeitpunkt, in dem der Leistungsberechtigte die Fortsetzung des Mietverhältnisses selbst nicht mehr in der Hand habe, sondern auf die Bereitschaft der Vermieterin zur Fortsetzung des Mietverhältnisses angewiesen sei. Das sei hier der Fall. Bei Nichtübernahme der Schulden sei eine Räumungsklage mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich und werde zu einem Verlust der Wohnung führen. Dass die Vermieterin die Betriebskostengutschrift in Höhe von 234,22 EUR einbehalten habe, ändere daran nichts. Führe eine Schuldenlage zu drohender Wohnungslosigkeit sei die Übernahme der Schulden im Regelfall gerechtfertigt und notwendig. Eine Mietschuldenübernahme sei dann nicht gerechtfertigt, wenn die zu sichernde Wohnung nicht ange-messen sei. Das sei hier nicht der Fall. Auch der Umstand, dass die Antragstellerin zu 1) selbst die Überweisung der Kosten der Unterkunft und Heizung durch den Antragsgegner an die Vermieterin widerrufen habe, stehe einer Übernahme der Mietschulden durch Darlehen nicht entgegen. Vorwerfbares Handeln des Hilfebedürfti-gen, dass sie drohende Wohnungslosigkeit mitverursacht haben mag, trete in den Fällen des § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II regelmäßig zurück. Ein atypischer Fall im Sinne eines zielgerichteten Verhaltens der Antragsteller zulasten des Antragsgegners oder ein Wiederholungsfall liege ebenso nicht vor. Vielmehr habe die Antragstellerin zu 1) eidesstattlich versichert, dass sie sich um eine Begleichung der Mietschulden bei der Vermieterin bemüht habe, dieser aber nur Raten in Höhe von 500,- EUR akzeptiere. Ein Darlehen sei nur in Höhe von 832,61 EUR zu gewähren. Da die Vermieterin ein Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung einbehalten habe, bestünden Mietschulden nicht mehr in Höhe von 1.066,83 EUR.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller am 3. Februar 2016 und dem Antragsgegner ebenfalls am 3. Februar 2016 zugestellten Beschluss haben sowohl die Antragsteller am 9. Februar 2016 als auch der Antragsgegner am 11. Februar 2016 Beschwerde erhoben.

Die Antragsteller führen aus, Mietschulden bestünden in Höhe von 1.066,83 EUR. Das Sozialgericht habe übersehen, dass die Vermieterin die 234,22 EUR Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung für 2014 bereits verrechnet habe und dennoch zu einer Mietschuld von (rund) 1.066 EUR gekommen sei. Insbesondere sei auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der "normale Mieter" sehe seine Wohnung nämlich bereits mit der Mitteilung von Mietrückständen bedroht. Der Anordnungsgrund sei nicht erst dann anzunehmen, wenn eine Räumungsklage anhängig gemacht worden oder - worauf der Antragsgegner abstelle - eine Ankündigung der Räumung im Wege der Zwangsvollstreckung erfolgt sei. Gerade im letzteren Fall könne eine etwaige Bewilligung eines Darlehens eine fristlose Kündigung wohl kaum mehr unwirksam machen. Ob die Vermieterin dann die Räumung tatsächlich vollziehe oder nicht, liege in ihrem Ermessen. Ein Leistungsempfänger hänge somit vom Wohlwollen der Vermieterin ab. Die Antragstellerin befinde sich in der gleichen Situation, weil auch jetzt noch nicht abzusehen sei, ob die Vermieterin von seinem Recht auf Räumungsklage Gebrauch machen werde oder nicht. Zu bedenken sei im Falle der Ablehnung eines einstweiligen Rechtsschutzes auch, dass Mieter im Falle von fehlerhaft berechneten Kosten der Unterkunft gezwungen würden, entweder die Differenzen aus dem Regelsatz zu zahlen oder eben nicht zu zahlen und damit eine fristlose Kündigung provozierten. Eine Räumungsklage sei im Übrigen mit erheblichen Kosten von mindes-tens 1.000,-EUR bis 3.000,-EUR verbunden.

Der Antragsgegner meint, es sei weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Weder sei vorgetragen noch ersichtlich, dass eine konkrete Wohnungslosigkeit drohe bzw. unmittelbar bevorstehe. Lediglich aus dem Umstand, dass Mietschulden vorlägen, sei nicht zu erkennen, dass Obdachlosigkeit drohe. Es gäbe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Vermieterin eine Räumungsklage anhängig gemacht habe; auf § 22 Abs. 9 SGB II sei in diesem Zusammenhang zu verweisen. Der 5. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg habe entschieden, dass ein Anordnungsgrund im Falle der begehrten Mietschuldenübernahme grundsätzlich erst ab der Ankündigung der Räumung im Wege der Zwangsvollstreckung angenommen werden könne. Dieser Rechtsprechung schließe sich der Antragsgegner an. Vorliegend sei mit der Ankündigung der Zwangsvollstreckung zeitnah nicht zu rechnen, da es noch gar keinen Räumungstitel gäbe. Schließlich sei eine Räumungsklage noch nicht einmal anhängig gemacht worden. Da mangels Räumungstitel eine Wohnungslosigkeit nicht drohen könne, bedürfe es keiner zusätzlichen Hilfe durch die öffentliche Hand. Dies verkenne die erste Instanz. Das Sozialgericht stelle nur Vermutungen auf; hinsichtlich einer zu vermutenden Räumungsklage kenne es sogar schon den Ausgang eines solchen Verfahrens und wisse insoweit auch schon sicher, dass aus diesem (fiktiven) Titel die Räumung der Wohnung vollstreckt werde. Das erstinstanzliche Gericht verkenne, dass es zwischen dem Umstand des Vorhandenseins von Mietschulden und tatsächlich drohender Obdachlosigkeit keine direkt adäquat kausale Verbindung gibt, sondern es weiterer Umstände bedarf, um von drohender Obdachlosigkeit ausgehen zu können.

Der Antragsgegner meint darüber hinaus, dass die Beschwerde der Antragsteller wegen Nichterreichens des Beschwerdewertes unzulässig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners (Nr. der BG: ) verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.

II.

Die Beschwerde der Antragsteller ist unzulässig.

Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Die Berufung wäre hier nicht zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,- Euro nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Die Antragsteller begehren die Übernahme weiterer Mietschulden in Höhe von 234,22 EUR.

Die von dem Antragsgegner form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG) ist hingegen zulässig und begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 S. 2 SGG). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts (den so genannten Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (den so genannten Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 ZPO). Auch im Beschwerdeverfahren sind grundsätzlich die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich (OVG Hamburg, NVwZ 1990, 975). Grundsätzlich soll wegen des vorläufigen Charakters der einstweiligen Anordnung die endgültige Entscheidung der Hauptsache nicht vorweggenommen werden.

Vorliegend ist - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und auch der Antragstellerin - bereits ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Eine einstweilige Maßnahme nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kommt nur in Betracht, wenn "die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte". Dieser so genannte Anordnungsgrund setzt mithin eine Eilbedürftigkeit voraus. Eine solche Eilbedürftigkeit liegt selbst bei einer Rechtsverletzung nicht zwangsläufig vor. Entscheidend ist vielmehr, dass neben der behaupteten Rechtsverletzung (der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches) sich durch diese Rechtsverletzung wesentliche Nachteile konkret abzeichnen. Die bloße Möglichkeit beeinträchtigender Maßnahmen genügt nicht; es müssen Tatsachen vorliegen, die auf eine unmittelbar bevorstehende Veränderung schließen lassen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar SGG, 11. Aufl., 2014, § 86b Rn. 27a, m.w.N.), die auch nicht vorübergehend hinnehmbar ist.

Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes für eine Verpflichtung des Leistungsträgers hinsichtlich der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung und diesbezüglicher Zahlungsrückstände bedarf es des substantiierten und nachvollziehbaren Vortrages, dass eine baldige Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit konkret droht (vgl. Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. Dezember 2015, L 2 AS 1622/15 B ER, zitiert nach juris). Das ist in keiner Weise glaubhaft gemacht. Baldige Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit droht nicht bereits dann, wenn der Mieter - wie die Antragsteller meinen - wegen aufgelaufener Mietschulden subjektiv den Verlust seiner Wohnung bedroht sieht; insoweit können nur objektive Gründe maßgebend sein. Baldige Wohnungs- bzw. Obdachlosigkeit droht noch nicht bereits dann, wenn eine Kündigung vorliegt und der Vermieter eine Räumungsklage - wie hier - lediglich angedroht hat. Allein diese Umstände begründen zwar die Vermutung, dass womöglich in näherer oder weiterer Zukunft Wohnungslosigkeit drohen könnte; sie führen hingegen in der Regel nicht dazu, dass der Leistungsberechtigte bereits mit konkreter, d.h. tatsächlich und ernsthaft (kurz) bevorstehender Wohnungslosigkeit rechnen muss. Eine derartige Gefahr dürfte - entgegen der Auffassung der Antragsteller - in der Regel erst mit Einleitung eines Räumungsverfahrens, sei es frühestens ab Zustellung einer Räumungsklage (so LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23. März 2012, L 12 AS 352/12 B ER, zitiert nach juris) oder gar erst ab der Ankündigung der Räumung im Wege der Zwangsvollstreckung (so LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Oktober 2010, L 5 AS 1325/10 B ER, zitiert nach juris) anzunehmen sein. Abschließend braucht das hier nicht entschieden zu werden. Jedenfalls kann der Mieter einer Wohnung nach den gesetzlichen Bestimmungen des Zivilprozessrechts (zwangsweise) erst dann aus der Wohnung gewiesen werden kann, wenn der Vermieter einen vollstreckbaren Räumungstitel gegen ihn erworben hat (§ 704 ZPO). Bei (bloßer) Kündigung oder Klageandrohung ist in der Regel noch nicht ausreichend klar, ob die Vermieterin tatsächlich zu einer Räumung als letztem Mittel der Wahl greifen würde oder ob Kündigung bzw. Klageandrohung nicht vielmehr (zunächst) dem Zweck dienen, den Mieter mit höchstem Nachdruck zur Erfüllung seiner Mietpflichten zu bewegen. Nach den eigenen Ausführungen der Antragstellerin ist eine Räumungsklage offensichtlich (noch) nicht anhängig gemacht worden, so dass die Schwelle zur drohenden Obdachlosigkeit in keiner Weise erreicht ist. Dies mag daran liegen, dass der Antragsgegner ab 1. Januar 2016 Bedarfe für Unterkunft und Heizung zumindest teilweise (in Höhe von 356,93 EUR) wieder direkt an die Vermieterin der Antragsteller auszahlt; dass ab Januar 2016 weitere Mietschulden über die von den Antragstellern zu zahlende Differenz zur Miete (473,70 EUR) in Höhe von 116,77 EUR monatlich, aufgelaufen sind, ist nicht vorgetragen. In Anbetracht eines Gesamteinkommens in Höhe von 1.211,75 EUR (718,75 EUR Erwerbsminderungsrente, 309,- EUR Unterhalt, 184,- EUR Kindergeld) dürfte es auch möglich sein, diesen monatlichen Differenzbetrag aufzubringen. Die Antragstellerin verkennt, dass die bloße Existenz von Mietschulden bei in der Haupt-sache noch ungeklärter Anspruchsberechtigung nicht den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigt, deren Wiedererlangung auch bei Gewährung als Darlehen keinesfalls sichergestellt ist.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat aber auch deshalb keinen Erfolg, weil es - jedenfalls bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung - an einem Anordnungsanspruch fehlt. Die Voraussetzungen für die begehrte Übernahme der Mietschulden nach § 22 Abs. 8 SGB II durch Gewährung eines Darlehens liegen - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nicht vor.

Nach dieser Vorschrift können Mietschulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage erforderlich ist (Satz 1). Sie sollen (gebundenes Ermessen) übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2). Gerechtfertigt ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Schuldenübernahme nur dann, wenn die Kosten der zu sichernden Unterkunft in den Angemessenheitsgrenzen des § 22 Abs. 1 SGB II liegen. Zutreffend weist das BSG diesbezüglich darauf hin, dass der mit der Schuldenübernahme bezweckte langfristige Erhalt der Wohnung nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn die (künftigen) laufenden Kosten dem entsprechen, was weiterhin vom Träger der Grundsicherung als angemessene Kosten der Unterkunft zu übernehmen ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Juni 2010, B 14 AS 58/09 R, bei juris Rn. 26 und 30 zur wortgleichen Vorgängerregelung des § 22 Abs. 5 a.F.).

Nach diesen Regelungen ist weder ein Anordnungsanspruch auf der Grundlage von § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II noch auf der Grundlage von § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II überwiegend wahrscheinlich und damit glaubhaft gemacht.

Denn drohende Wohnungslosigkeit bedeutet den drohenden Verlust der bewohnten, kostenangemessenen Wohnung bei fehlender Möglichkeit, ebenfalls angemessenen Ersatzwohnraum zu erhalten (BSG, Urteil vom 17. Juni 2010, a.a.O., Rn. 28ff). Dass die Antragsteller (in kurzer Frist) keine andere kostenangemessene Wohnung finden können, ist – jedenfalls ohne konkreten und durch Fehlanzeigen belegten Vortrag – nicht zu unterstellen, wie es das Sozialgericht aber getan hat.

Zudem ist auch eine Schuldenübernahme nach § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II allenfalls dann gerechtfertigt, wenn durch die Schuldenübernahme der Verlust der Wohnung abgewendet werden kann (Luik in Eicher, Kommentar SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 248, m.w.N.). Dies ist vorliegend bereits deshalb zweifelhaft, weil bereits die Kündigung der Wohnung durch den Vermieter erfolgte. In dem Kündigungsschreiben vom 3. Dezember 2015 hat die Vermieterin der stillschweigenden Fortsetzung des Mietverhältnisses über den Kündigungszeitraum (Rückgabe der Mietsache zum 15. Dezember 2015) hinaus ausdrücklich widersprochen.

Auch die Glaubhaftmachung eines Anspruches aus § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II ist nicht gelungen. Hier ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Regelung dem Antragsgegner eine Ermessensentscheidung eröffnet, indem sie ihn berechtigt, auch Schulden übernehmen zu "können" (vgl. auch Luik in Eicher, a.a.O., § 22 Rn. 247). Bei einer Ermessensentscheidung prüft das Gericht nur, ob ein Ermessensfehler vorliegt und ob der Kläger durch den Ermessensfehler beschwert ist; das Gericht darf bei der Überprüfung nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Verwaltungsermessens setzen; es findet nur eine Rechtskontrolle, keine Zweckmäßigkeitsprüfung statt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., 2014, § 54 Rn. 28).

Auch im Rahmen von § 22 Abs. 8 S. 1 SGB II gilt der Grundsatz, dass eine Übernahme von Schulden nicht gerechtfertigt ist, wenn gleichwohl der Verlust der Wohnung nicht mehr abgewendet werden kann. Insofern wird auf die obigen Ausführungen zu § 22 Abs. 8 S. 2 SGB II verwiesen. Das Sozialgericht führt zwar zu Recht aus, dass in dem Widerruf der Abtretungserklärung selbst noch nicht zwingend ein vorwerfbares Verhalten zu sehen ist. Es ist aber hinreichend klar, dass die Rückstände darauf beruhen, dass die Antragstellerin zu 1) die bewilligten Bedarfe für Unterkunft und Heizung (nach ihrem Widerruf der Abtretungserklärung an die Vermieterin) nicht zweckentsprechend für die Miete, sondern für andere Dinge verwandt hat. Der Einwand, sie (die Antragsteller) seien immer davon ausgegangen, der Antragsgegner würde "die Miete" - wie bereits seit 2014 - und "mangels anderer Kenntnisse" direkt an den Vermieter auszahlen, sodass sie von etwaigen Mietschulden keine Kenntnis, diese erst anlässlich der fristlosen Kündigung erhalten zu haben, verfängt nicht. Die Antragstellerin zu 1) selbst hat zunächst fernmündlich am 10. September 2015 die Auszahlung an sich erbeten und sodann mit Schreiben vom 15. September 2015 die "Abtretung an die W" (Direktzahlung an die Vermieterin) widerrufen. In dem Bescheid vom 10. September 2015 hat der Antragsgegner die Antragsteller darauf hingewiesen, dass der Leistungsanspruch ab Oktober 2015 (wegen der Anrechnung der Erwerbsminderungsrente als Einkommen) geringer sei als die zu zahlende Miete und die Differenz zur Miete von ihr selbst an ihre Vermieterin zu zahlen sei. In dem weiteren Änderungsbescheid vom 15. September 2015 hat der Antragsgegner abermals darauf hingewiesen, dass die Leistungen wegen der am 10. September 2015 von der Antragstellerin zu 1) telefonisch ausgesprochenen Bitte, die Leistungen nicht mehr an die Vermieterin zu überweisen, ab Oktober 2015 an sie (die Antragstellerin zu 1) gezahlt würden. Von der behaupteten Unkenntnis kann wohl insoweit keine Rede sein.

Nach alledem war der Beschwerde des Antragsgegners stattzugeben und die Beschwerde der Antragsteller zurückzuweisen.

Durch diesen Beschluss hat sich der Antrag des Antragsgegners auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des Sozialgerichts (§ 199 Abs. 2 SGG) erledigt.

Mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (§ 73a SGG in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung - ZPO) kam eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht in Betracht.

Die Regelung des § 119 Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) war vorliegend nicht anwendbar, weil nicht der Gegner das Rechtsmittel eingelegt und damit das Beschwerdeverfahren eingeleitet hat, sondern die Antragsteller. Für die anschließend auch vom Antragsgegner erhobene (Anschluss-) Beschwerde kam daher schon deshalb eine Bewilligung unter Anwendung der Privilegierung des § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht in Betracht, weil das Beschwerdeverfahren bereits anhängig war und damit auch die anwaltlichen Kosten bereits entstanden waren. Denn für die Entstehung der Gebühren ist auf die bereits erfolgte Auftragserteilung abzustellen (vgl. §§ 15 und 50 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz- RVG, siehe auch Vorbemerkung 3 Abs. 1 VV-RVG). Außerdem erfolgt in Verfahren vor der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 3 RVG regelmäßig eine Vergütung nach Beitragsrahmengebühren und nicht nach dem Gegenstandswert, sodass eine Aufteilung nach dem jeweiligen Begehren und damit eine anteilige Bewilligung von Prozesskostenhilfe regelmäßig nicht in Betracht kommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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