Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 3 KR 103/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 175/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 60/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
BSG: Beschwerde (-)
Das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. März 2014 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3 033,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. März 2011 aus 2 733,22 Euro sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 8. April 2011 aus 300,00 Euro zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Krankenhausvergütung im Zusammenhang mit der Behandlung eines Schlaganfalles auf einer sogenannten Stroke Unit.
Die Klägerin betreibt eine zugelassene Klinik.
Zwischen ihr, dem Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) und dem Beklagten gibt es eine mündliche Vereinbarung zum Dokumentationsverfahren hinsichtlich der erbrachten Leistungen nach der einschlägige OPS 8 981 vom 28. April 2009. Es wurde eine Matrix vereinbart, mit deren Hilfe die Dokumentation der erbrachten Leistungen für die Klägerin erleichtert werden und damit eine Transparenz für den Anspruch der Kodierung des OPS 8 891.x geschaffen werden sollte. Mit Schreiben vom 5. Mai 2009 wies der MDK im Anschluss an dieses Gespräch darauf hin, dass weitergehend die Dokumentation des CT mit Datumsangabe sowie die Dokumentation für Neuropsychologie und Ergotherapie notwendig seien. Weiter sei ein Arztbrief erforderlich, aus dem u. a. die Diagnosesicherung, eine ausführliche Befundbeschreibung bei Aufnahme erwartet werde und dass ggf. weitere Unterlagen erforderlich seien.
Der 1947 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte K S (nachfolgend nur: "Versicherter" = V) wurde am 13. Dezember 2009 vom Rettungsdienst mit einer Halbseitenlähmung und einer deutlichen Aphasie (Sprechstörung) bei der Rettungsstelle der Klinik der Klägerin eingeliefert. Ausweislich der Patientenakte begann die neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalles um 4.00 Uhr. Der V wurde auf die Stroke Unit der Klinik verlegt. Für die Zeit vom 13. Dezember 2009 4.00 Uhr bis zum 16. Dezember 2009 6.00 Uhr ist in der Patientenakte eine neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls in der Klinik der Klägerin in Form einer sogenannten Matrix dokumentiert. Darin sind in einer fortlaufenden Tabelle zweistündlich Herzfrequenz, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung, Temperatur, Blutzucker sowie ein Handzeichen der Pflegekraft dokumentiert, ferner täglich die "NIH Stroke Scale" (National Institutes Of Health Stroke Scale) eingetragen. Der Zustand des V besserte sich relativ zügig. Noch bei der Entlassung am 21. Dezember 2009 litt er jedoch noch an einer Apharese und einer leichtgradigen Hemiparese.
Die Klägerin rechnete unter dem 30. Dezember 2009 die Behandlung unter Zugrundelegung der DRG B70B (Apoplexie mit neurologischer Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, mehr als 72 Stunden, ohne intrakranielle Blutung oder ohne neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, mehr als 72 Stunden, mit komplizierter intrakranieller Blutung) und einem Gesamtbetrag von 7 150,36 Euro ab. Dieser Betrag wurde zunächst von der Beklagten vollständig bezahlt. Am 27. Januar 2010 veranlasste diese eine Prüfung durch den MDK Dieser zeigte der Klägerin mit Schreiben vom 29. Januar 2010 die Prüfung gemäß § 275 Abs. 1 c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) an und forderte die Zusendung aller zur Beantwortung der Krankenkassenfrage notwendigen Krankenhausunterlagen, insbesondere Arztbrief und Nachweis der neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls (OPS 8 981.1). Der MDK führte in seiner Einzelfallbegutachtung durch Dr. med. Barbara Laubstein) vom 4. Januar 2011 zum Sachverhalt aus, der V. habe ab dem 13. Dezember Logopädie und Physiotherapie erhalten. Eine sich stetig bessernde Symptomatik im neurologischen Befund der NIHSS sei belegt. Die stroke-spezifische Diagnostik sei weitgehend unauffällig gewesen. Der V habe zur Sekundärprophylaxe Aggrenox erhalten. Die Gutachterin gelangt zu dem Ergebnis, der OPS der neurologischen Komplexbehandlung sei formal über 74 Stunden belegt, medizinisch sei eine Komplexbehandlung über mehr als 72 Stunden bei geringen Ausfällen und sich stetig verbesserndem Befund aber nicht begründet gewesen.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sich nach dem Ergebnis des MDK (nur) die DRG B70D als medizinisch leistungsgerechtes Entgelt darstelle (Apoplexie mit neurologischer Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, bis 72 Stunden, ohne intrakranielle Blutung, ohne systemische Thrombolyse, mehr als ein Belegungstag). Am 11. März 2011 verrechnete die Beklagte den streitigen Differenzbetrag in Höhe von 2 733,22 Euro mit einer Forderung aus einem zwischen den Beteiligten unstreitigen Behandlungsfall der Klägerin.
Die Klägerin hat am 7. April 2011 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben. Die Abrechnung der der DRG B70B sei medizinisch gerechtfertigt gewesen und zutreffend.
Die Beklagte hat aus Anlass der Klageerhebung eine weitere Einzelfallbegutachtung des MDK angefordert. Diese gelangte wiederum zum Ergebnis, dass die Notwendigkeit der Dauer der neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalles von mehr als 72 Stunden nicht bestanden habe. Der akute Schlaganfall werde definiert als die ersten 72 Stunden nach Symptombeginn. Darüber hinaus könnten nur Patienten als "akuter Schlaganfall" klassifiziert werden, die einen fluktuierenden Verlauf oder eine sekundäre neurologische Verschlechterung oder einen progredienten Schlaganfall aufwiesen (Bezugnahme auf den Kodierleitfaden Schlaganfall der Deutschen Schlaganfallgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie 2011). Beim V habe es ausweislich des ärztlichen Verlaufsberichts keinen fluktuierenden Verlauf oder eine sekundäre neurologische Verschlechterung oder einen progredienten Schlaganfall gegeben. Der OPS 8 981 sei definiert für den akuten Schlaganfall. Auch wenn bei dem Versicherten Gefäßrisikofaktoren vorlägen (Hypertonus, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie), seien aus der Patientenakte keine medizinischen Sachverhalte abzuleiten, welche die OPS Dauer mehr als 72 Stunden rechtfertigten. Die Symptomatik sei nicht sehr schwer ausgeprägt gewesen und habe eine gute Rückbildungstendenz gezeigt. Diagnosesicherheit habe vom Aufnahmetag an bestanden (Datum: 10. November 2011, Gutachterin: Dr. V W). Eine nochmalige Stellungnahme des MDK durch Dr. W unter dem 18. April 2012 führt aus, dass die Behandlung eines akuten Schlaganfalls auf der Stroke Unit dem heutigen Standard entspreche. Bezüglich der Dauer der Behandlung auf einer solchen gebe es nach Literaturrecherchen keine Standardempfehlungen. Aus fachärztlich-neurologischer Sicht solle sich die Dauer des Stroke Unit Aufenthaltes allein nach den medizinischen Notwendigkeiten richten.
Das SG hat den Facharzt für Neurologie Dr. D der DAG mit einem Sachverständigengutachten nach Aktenlage beauftragt. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 4. September 2012 zu dem Ergebnis, weder die OPS 8 981.0 noch die OPS 8 981.1 seien erfüllt. Es fehle an einem automatisierten Monitoring, welches gemäß FAQ Nr. 8017 des DIMDI Mindestvoraussetzung sei. Die vom SG gestellte Frage, ob auch nach 72 Stunden ein akuter Schlaganfall nach medizinischer Definition vorgelegen habe, sei zu bejahen. Aufgrund der zwar rückläufigen, aber immer noch vorhandenen Symptomatik habe ein akuter Schlaganfall auch nach 72 Stunden noch vorgelegen, allerdings sei dieser nicht mehr neurologisch engmaschig auf der Stroke Unit überwachungspflichtig gewesen. Mit Schreiben vom 26. November 2012 hat der Sachverständige sein Gutachten ergänzt. Er hat u. a. ausgeführt, hinsichtlich seiner Einschätzung der Notwendigkeit der Behandlung auf der Stroke Unit über 72 Stunden hinaus sich nicht an die Empfehlungen für die Kodierung in der Neurologie gehalten, sondern auf die Leitlinie der Fachgesellschaft für Neurologie zur Behandlung eines akuten Schlaganfalles. Danach sei eine Verweildauer über 72 Stunden nur dann notwendig, wenn ein fluktuierender Verlauf vorliege. Das Vorliegen hätte jedenfalls dokumentiert sein müssen, ebenso wie eine etwaige Sekundärprophylaxe.
Die Klägerin hat vorgebracht, eine Beendigung der neurologischen Komplexbehandlung sei erst dann medizinisch zulässig, wenn die Situation eine Verschlechterung neurologischer Ausfälle nicht mehr vermuten lasse. Beim V hätten hingegen noch am 15. Dezember 2009 neurologische Defizite vorgelegen. Auch sei hier keine zeitnahe Begutachtung vorgenommen worden. Sie hat das Gutachten des Dr. D kritisiert. Es sei eine Einzelmeinung des Gutachters, dass die OPS Kriterien ein 24 Stunden Monitoring von sechs Parametern als automatisiertes Monitoring forderten. In den OPS Kriterien werde lediglich ein 24 Stunden Monitoring von mindestens sechs Parametern gefordert, das auch tatsächlich dokumentiert sein müsse (Hinweis auf Kodierleitfaden Neurologie). Im konkreten Fall seien überdies fünf der sechs in der handschriftlichen Matrix aufgeführten Parameter (Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung und Temperatur) sehr wohl automatisiert über den Monitor abgeleitet worden. Die handschriftliche Übertragung der Daten vom Monitor in die vorliegende Matrix sei nur aufgrund der Vereinbarung mit dem MDK erfolgt.
Bei der in der Patientenakte befindlichen Matrix handele es sich um handschriftliche Übertragungen von momentanen Werten, die rund um die Uhr durch eine kontinuierliche, automatisierte Überwachung der Parameter Blutdruck, Herzfrequenz, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung, Temperatur sowie das EKG per Handzeichen erhoben worden seien. In der Kodierempfehlung 471 zur OPS 8 981.x zum Schlagwort 24 Stunden Monitoring heiße es:
" ... Die Erbringung der Leistung der kontinuierlichen Überwachung rund um die Uhr ist gem. DKR D 001 nachvollziehbar zu dokumentieren. Die Nachvollziehbarkeit der Leistungserbringung entsprechend dem Mindestmerkmal ist gegeben, wenn eine kontinuierliche Überwachung angeordnet wurde und die überwachten Parameter mit einem maximalen Abstand von vier Stunden als Ausdruck oder in der Kurve dokumentiert sind ..."
Diesen Anforderungen sollte die zwischen der Klägerin und dem MDK entwickelte Matrix genügen. Die Klägerin verwende den "Intelli VUE Patientenmonitor" der Firma Phillips. Bei diesen Patientenmonitoren bildeten der Farbbildschirm und die Datenverarbeitungseinheit eine Einheit. Auf dem Bildschirm würden die Kurven der erhobenen Parameter sowie das Bild des 12 Kanal EKG angezeigt. Bei Abweichungen von Normwerten werde aufgrund der Überwachung ein Alarm ausgelöst. Sie gehe nicht davon aus, dass die Kodierempfehlungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung die verbindlichen Vorgaben des OPS unterliefen. Hinsichtlich des EKG werde die Leistung der kontinuierlichen Überwachung durch dieses insgesamt erbracht, auch wenn die einzelnen Messintervalle nicht entsprechend dokumentiert seien. Das Elektrokardiogramm werde über mehrere Elektroden am Oberkörper des Patienten abgeleitet, darüber werde auch die Atem- und Herzfrequenz ermittelt. Dies bedeute, dass, soweit Parameter wie Herz- und Atemfrequenz erhoben würden, zwangsläufig auch der Wert des EKG über die entsprechenden Elektroden übermittelt werde. Da die Werte für die Herzfrequenz, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung und Blutdruck usw. hier entsprechend der Kodierempfehlung Nr. 471 eingetragen worden seien, sei aus Sicht der Klägerin der Vollbeweis erbracht, dass auch das EKG abgeleitet worden sei. Diese sei jedoch nicht mit einem Wert dokumentiert, sondern nur mit dem Handzeichen entsprechend der Absprache mit dem MDK gekürzelt. Die Beantwortung der Frage durch Dr. D, ob auch nach 72 Stunden noch ein akuter Schlaganfall vorgelegen habe, lege nahe, dass dieser die Aufnahmekriterien von Schlaganfallpatienten auf der Stroke Unit (Kodierleitfaden Neurologie Seite 128) fehlinterpretiere. Diese definierten zunächst grundsätzlich, dass ein Schlaganfallpatient bis zu 72 Stunden nach Symptombeginn auf einer Stroke Unit stationär aufgenommen werden solle. Ausdrücklich würden auch Patienten eingeschlossen, die bereits vollständig zurückgebildete neurologische Ausfälle zeigten (sogenannte transistorisch-ischämische Attacken). Außerdem würden Kriterien genannt (fluktuierender oder progredienter Verlauf, Risikopatienten mit wiederholten Schlaganfällen, instabile Vitalparameter, Vigilanzminderung), die auch eine stationäre Aufnahme auf einer Stroke Unit über 72 Stunden bei Symptombeginn indizierten. Die genannten Kriterien bezögen sich auf die Aufnahmeindikation auf einer Stroke Unit. Die Dauer der Behandlung auf einer solchen sei aber bewusst nicht festgelegt worden und liege im Ermessen des behandelnden Arztes. Unter diagnostischen Gesichtspunkten sei sie vor allem zur potentiellen Erfassung einer bestimmten Form von Herzrhythmusstörungen, dem sogenannten Vorhofflimmern, erforderlich, da die Erfassung eines intermittierenden Vorhofflimmerns eine fundamental andere Langzeittherapie der Sekundärprophylaxe nach sich ziehe. Dies sei auch beim V der Fall gewesen. Dieser Sachverhalt sei in einer ganz aktuellen Studie, welche Langzeit EKG Monitoring mit einmaliger EKG Ableitung über 24 Stunden verglichen habe, belegt worden. Es sei ferner darauf hinzuweisen, dass die Behandlung auf der Stroke Unit keineswegs nur der Überwachung diene, sondern vor allem auch der Akuttherapie von Schlaganfallpatienten. Die Klägerin hat ein Privatgutachten des Prof. Dr. D zur Akte gereicht. In seinem Gutachten vom 7. Juni 2013 gelangt dieser zu der zusammenfassenden Feststellung, dass aus neuromedizinischer Sicht keine zwingende Indikation für eine verlängerte Komplextherapie auf der Stroke Unit länger als 72 Stunden vorgelegen habe. Allerdings ergebe sich aus der Zusammenschau der Dimensionen mit dem klinischen Befund (Sprach- und Zungenlähmung, Stand- und Gangunsicherheit mit Sturzneigung), dem signifikanten Gefäßrisikoprofil mit begleitender koronarer Herzerkrankung und dem Behandlungsverlauf der ersten 72 Stunden (geringe Fluktuationen, begleitende Depression, Hilfebedarf, später stetige Befundbesserung) ein Patientenprofil, das einerseits eine erhöhte Risikosituation und andererseits einen intensiven Behandlungsbedarf bedeute, was eine verlängerte Behandlung rechtfertige. Die medizinische Akte lasse jedoch eine dezidierte Begründung und Indikationsstellung für den vorliegenden Fall vermissen.
Die Beklagte hat erwidert, die Ausführungen der Sachverständigen Dr. D zum Monitoring seien grundsätzlich zutreffend. Sie – die Beklagte – verzichte jedoch in dem konkreten Einzelfall darauf, die Erfüllung der Mindestkriterien zu bestreiten, sofern eine Dokumentation im Sinne der Abstimmung mit dem MDK zu bestätigen sei. Sie bestreite, dass die vereinbarte Matrix alleine auf Wunsch des MDK zum Einsatz käme. Vielmehr sei die Initiative von der Klägerin ausgegangen, Es gäbe keine Vereinbarung, dass der Dokumentationsbogen abschließend sei. Die OPS verlange für den gesamten Zeitraum der neurologischen Komplexbehandlung die Durchführung eines 24 Stunden-Monitorings. Die Beklagte bezweifle nicht die Funktionalität des bei der Klägerin eingesetzten Systems, erwarte aber, dass die mit dem Monitoring aufgezeichneten Werte jederzeit abrufbar seien und als Ausdruck in Einzelsituationen zu Verfügung ständen. Sie sei der Auffassung, die Vereinbarung mit dem MDK sei grundsätzlich nichtig und rechtlich nicht verbindlich. Es komme alleine auf die im OPS definierten Anforderungen an. Soweit allerdings auf die Vereinbarung abgestellt werde, fehle es an der dort vorgesehenen Dokumentation des EKG. Zum Gutachten N hat sie eingewandt, dieser sei selbst leitender Chefarzt einer Stroke Unit Station und deshalb wohl befangen. In der Sache habe er überdies selbst ausgeführt, dass die Verlängerung um zwei Stunden auf 74 Stunden tatsächlich keine durchgreifende Sicherheitserhöhung, Behandlungs- bzw. Prognoseverbesserung des V dargestellt habe.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27. März 2014 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Summe. Denn die Voraussetzung des Vergütungsanspruches sei nicht erfüllt, da die Prozedur OPS 8 981.0 nicht zu kodieren gewesen sei. Es sei medizinisch nicht notwendig gewesen, den V. im Rahmen der neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalles länger als 72 Stunden auf der Stroke Unit der Klinik der Klägerin zu versorgen. Das SG stütze sich für diese Einschätzung im Wesentlichen auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. D. Dieser habe ausgeführt, dass beim V nach 72 Stunden kein akuter Schlaganfall mehr bestanden habe. Auch der Sachverständige Dr. N habe festgestellt, dass keine zwingende Indikation mehr vorgelegen habe.
Gegen das am 29. April 2014 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 30. Mai 2014 (Freitag nach Himmelfahrt). Zu deren Begründung hat sie erneut auf die gutachterlichen Feststellungen des Prof. Dr. N hingewiesen. Es sei beim V wichtig gewesen, diesen gezielt zu unterstützen und eine Sturzprophylaxe durchzuführen, die auf einer Stroke Unit besser vermittelt werden könne und zu weniger Stürzen führe. Der V sei auch nach dem 16. Dezember 6.00 Uhr noch auf derselben Station gelegen. Es sei lediglich die spezifische Überwachung nicht mehr auf der Zusatzdokumentation dokumentiert worden. Diese sei aber fortgeführt worden. Medizinisch gebe es keine Gründe für die 72 Stunden Regelung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. März 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von 2 733,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozent-punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. März 2011 zu zahlen sowie
300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 7. April 2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Es sei nicht ersichtlich, dass die Sturzprophylaxe beim V auf einer anderen Station nicht möglich gewesen wäre.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Berufung und Klage haben Erfolg. Der Klägerin steht der klageweise geltend gemachte Betrag einschließlich der Nebenforderung zu. Der unstreitige Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung ist nicht dadurch erloschen, dass die Beklagte mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des V. analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Aufrechnung erklärt hat (ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 8/15 R , Rdnr. 9 m. w. N.).
Die Klägerin erfüllte die Grundvoraussetzungen eines Anspruches auf Krankenhausvergütung, indem sie den V stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung – wie hier – in ein einem im Sinne des § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG, a. a. O., Rdnr. 10 m. w. N.). Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, § 17b Abs. 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und § 7 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit der hier maßgeblichen Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2009. Eine Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch die Versicherten. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber dem Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nummern 1 – 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Vorliegend geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 9 KHEntgG), dem DRG-Katalog.
Zu Recht sind sich die Beteiligten darüber einig, dass der Anspruch auf die höhere Vergütung voraussetzt, dass die Klägerin die DRG B70B anstelle der B70D abrechnen durfte:
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BSG rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (vgl. weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 8/15 R , Rdnr. 14ff). Nach § 1 Abs. 6 S. 1 FPV 2009 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (z. B. die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (hier in der Version 2009 in der Fassung der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 28. Oktober 2008, BAnz Nr. 170 vom 7. November 2008, S. 4060, in Kraft getreten am 1. Januar 2009 (ICD-10-GM 2009)) sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2007 einschließlich Erweiterungskatalog vom 25.10.2006 in der Fassung der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Operationen- und Prozedurenschlüssels vom 28. Oktober 2008, BAnz Nr. 170 vom 7.November 2008, S. 4060, in Kraft getreten am 1.1.2009 (OPS 2009)). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG, a. a. O. Rdnr. 15 mit Bezugnahme auf BSGE 109, 236).
Die DRG B70B wird nur dann im Groupierungsvorgang angesteuert, wenn Prozeduren nach OPS (2009) 8-981 zu kodieren sind.
Die Vorschrift lautet:
8-981 Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls Andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls (8-98b ff.) Dieser Kode kann auch beim Vorliegen einer TIA angegeben werden Besteht über die Therapiemöglichkeiten der vorhandenen Schlaganfalleinheit hinaus die Indikation zu einer Behandlung auf der Intensivstation, kann, wenn die Mindestmerkmale dieses OPS-Kodes erfüllt sind, die dortige Behandlungszeit auch für die Kodierung der neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls berücksichtigt werden, auch wenn auf der Intensivstation nicht ausschließlich Patienten mit einem akuten Schlaganfall behandelt werden Mindestmerkmale: Behandlung auf einer spezialisierten Einheit durch ein multidisziplinäres, auf die Schlaganfallbehandlung spezialisiertes Team unter fachlicher Behandlungsleitung durch einen Facharzt für Neurologie mit: • 24-stündiger ärztlicher Anwesenheit (Von Montag bis Freitag wird tagsüber eine mindestens 12-stündige ärztliche Anwesenheit (Der Arzt kann ein Facharzt oder ein Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt sein.) gefordert, bei der sich der jeweilige Arzt auf der Spezialeinheit für Schlaganfallpatienten ausschließlich um diese Patienten kümmert und keine zusätzlichen Aufgaben zu erfüllen hat. Er kann sich in dieser Zeit nur von der Spezialeinheit entfernen, um Schlaganfallpatienten zum Beispiel zu untersuchen, zu übernehmen und zu versorgen. Während der 12-stündigen ärztlichen Anwesenheit in der Nacht sowie während der 24-stündigen ärztlichen Anwesenheit an Wochenenden und an Feiertagen ist es zulässig, dass der Arzt der Spezialeinheit noch weitere Patienten mit neurologischer Symptomatik versorgt, sofern sich diese in räumlicher Nähe befinden, so dass er jederzeit für die Schlaganfallpatienten der Spezialeinheit zur Verfügung steht) • 24-Stunden-Monitoring von mindestens 6 der folgenden Parameter: Blutdruck, Herzfrequenz, EKG, Atmung, Sauerstoffsättigung, Temperatur, intrakranieller Druck, EEG, evozierte Potentiale. Das Monitoring darf nur zur Durchführung spezieller Untersuchungen oder Behandlungen unterbrochen werden • 6-stündlicher (außer nachts) Überwachung und Dokumentation des neurologischen Befundes zur Früherkennung von Schlaganfallprogression, -rezidiv und anderen Komplikationen • Durchführung einer Computertomographie oder Kernspintomographie, bei Lyseindikation innerhalb von 60 Minuten, ansonsten innerhalb von 6 Stunden nach der Aufnahme, sofern diese Untersuchung nicht bereits extern zur Abklärung des akuten Schlaganfalls durchgeführt wurde • Durchführung der neurosonologischen Untersuchungsverfahren inklusive der transkraniellen Dopplersonographie. Sie ist bei nachgewiesener primärer Blutung entbehrlich • ätiologischer Diagnostik und Differentialdiagnostik des Schlaganfalls (z.B. transösophageale Echokardiographie, Hämostaseologie, Angiitisdiagnostik, EEG und andere Verfahren) im eigenen Klinikum. Spezialisierte Labordiagnostik darf auch in Fremdlabors erfolgen • 24-Stunden-Verfügbarkeit der zerebralen Angiographie, der digitalen Subtraktionsangiographie, der CT-Angiographie oder der MR-Angiographie • kontinuierlicher Möglichkeit zur Fibrinolysetherapie des Schlaganfalls • Beginn von Maßnahmen der Physiotherapie, Neuropsychologie, Ergotherapie oder Logopädie innerhalb von 24 Stunden mit mindestens einer Behandlungseinheit pro Tag pro genannten Bereich bei Vorliegen eines entsprechenden Defizits und bestehender Behandlungsfähigkeit • unmittelbarem Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen (jeweils eigene Abteilung im Hause oder Kooperationspartner in höchstens halbstündiger Transportentfernung, unabhängig vom Transportmittel) 8-981.0 Mindestens 24 bis höchstens 72 Stunden 8-981.1 Mehr als 72 Stunden
Diese Mindestanforderungen an die Behandlung des V sind hier erfüllt worden:
Die Klägerin hat zuletzt unwidersprochen vorgetragen, dass speziell beim V eine kontinuierliche, automatisierte Überwachung der Parameter Blutdruck, Herzfrequenz, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung, Temperatur sowie auch das EKG erhoben wurde. Es besteht kein Anlass zu der Annahme, dass diese unstreitige Behauptung nicht zutrifft.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist damit auch das -insoweit einzig streitige- Erfordernis des "24-Stunden-Monitoring von mindestens 6 der folgenden Parameter: Blutdruck, Herzfrequenz, EKG, Atmung, Sauerstoffsättigung, Temperatur, intrakranieller Druck, EEG, evozierte Potentiale" erfüllt gewesen:
Nach der Rechtsprechung des BSG, welcher der hiesige Senat folgt, sind die Vergütungsregelungen stets nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit " lernendes" System angelegt ist, sind bei zu Tage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 25/13 R – Rdnr. 13 m. w. N.).
Ein zusätzliches Erfordernis der dauerhaften Speicherung der überwachten Parameter, wie dies die Beklagte fordert, lässt sich dem Wortlaut hier nicht entnehmen.
Etwas anderes lässt sich nicht der ergänzend heranziehbaren Erläuterungen des DIMDI entnehmen. Konkret einschlägig ist nur dessen "FAQ Nr. 8017":
"Wie sind die Mindestmerkmale zum Kode 8-981 Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls zu verstehen? (FAQ Nr. 8017) seit OPS Version 2008
1. Kann die Behandlungszeit auf einer Intensivstation für die Kodierung des Kodes 8-981 angerechnet werden? Besteht über die Therapiemöglichkeiten der vorhandenen Schlaganfalleinheit hinaus die Indikation zu einer Behandlung auf der Intensivstation, kann, wenn die Mindestmerkmale des OPS 8-981 erfüllt sind, die Behandlungszeit auf der Intensivstation auch für die Kodierung der Neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls berücksichtigt werden. Dies ist auch dann möglich, wenn auf der Intensivstation nicht ausschließlich Patienten mit einem akuten Schlaganfall behandelt werden. 2. Stellt die Unterbrechung des 24-stündigen automatisierten Monitorings von Vitalparametern aufgrund von speziellen Untersuchungen und Behandlungen die Verwendung des Kodes 8-981 in Frage? Muss das Monitoring einzelner Parameter aufgrund von speziellen Untersuchungen oder Behandlungen für deren Dauer unterbrochen werden, stellt dies die Verwendung dieses Kodes nicht in Frage. 3. Werden zur Abklärung des akuten Schlaganfalls angefertigte externe CT- oder MRT-Aufnahmen für die Erfüllung der Mindestmerkmale des Kodes 8-981 anerkannt? Um in Einzelfällen aufwändige und zum Teil potenziell schädliche Doppeluntersuchungen zu vermeiden, sind zur Abklärung des akuten Schlaganfalls angefertigte externe CT- oder MRT-Aufnahmen als gleichwertig für die Erfüllung der Mindestmerkmale des Kodes 8-981 anzusehen. Tritt der akute Schlaganfall erst während eines stationären Aufenthaltes auf, so gilt für die zeitgerechte Durchführung der Bildgebung die Zeit ab der Feststellung der Verdachtsdiagnose auf einen akuten Schlaganfall. Bei spinalen Infarkten oder Blutungen ist eine CT- oder MRT-Aufnahme des entsprechenden Wirbelsäulenabschnitts gleichwertig. 4. Wie umfangreich muss die ätiologische Diagnostik für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 sein und wann muss sie erfolgen? Die ätiologische Diagnostik für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 ist bedarfsangepasst nach medizinischer Notwendigkeit durchzuführen und individuell unterschiedlich. Einzelne diagnostische Maßnahmen können sowohl vor Beginn als auch noch nach Beendigung der 24-Stunden-Monitoringphase in derselben Klinik durchgeführt werden. Der Zeitpunkt der Durchführung geht dann aber nicht in die Berechnung der Dauer der Komplexbehandlung ein. Spezialisierte Labordiagnostik darf auch in Fremdlabors erfolgen. 5. Welche Verfahren können anstelle der zerebralen Angiographie für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 als gleichwertig angesehen werden? Die digitale Subtraktionsangiographie, die CT-Angiographie und die MR-Angiographie können für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 als gleichwertige Verfahren angesehen werden. 6. Wann müssen die Maßnahmen der Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 beginnen? Die für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 geforderten Maßnahmen der Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie müssen spätestens am Tag nach Aufnahme auf der Spezialeinheit beginnen, wenn ein entsprechendes Defizit vorliegt und Behandlungsfähigkeit besteht. Danach muss mindestens eine Behandlungseinheit an jedem Tag (auch am Wochenende und an Feiertagen) gezielt für das vorliegende Defizit erfolgen. Dabei müssen die Leistungen der Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie nicht zwingend durch hauptamtlich im Hause der Schlaganfallspezialeinheit beschäftigte Angestellte erbracht werden, sondern können auch durch bedarfsangepasste Leistungen von extern sichergestellt werden. Die genannten Leistungen können diagnostische oder therapeutische Leistungen oder beides umfassen. (Die Streichung des Begriffs "Neuropsychologie" in der Liste der Maßnahmen an drei Stellen und der Ersatz der Angabe "innerhalb von 24 Stunden" durch "spätestens am Tag nach der Aufnahme in die Schlaganfalleinheit" erfolgte mit der Version 2013.) 7. Muss die Durchführung der neurosonologischen Untersuchungsverfahren für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 immer erfolgen? Die Durchführung der neurosonologischen Untersuchungsverfahren inklusive der transkraniellen Dopplersonographie ist bei nachgewiesener primärer Blutung entbehrlich."
Aussagen zum Automatisierungsgrad der Überwachung -geschweige denn zur Speicherung der Daten- sind diesen Ausführungen nicht zu entnehmen.
Streitentscheidend ist damit, ob die Voraussetzungen der DRG B70 über einen längeren Zeitraum als 72 Stunden vorlagen. Dies ist zu bejahen.
Zum einen hat es sich bei der Behandlung des V. nach Ablauf dieses Zeitraumes noch um die eines "akuten" Schlaganfalles gehandelt. Zum anderen war die Behandlung in der Stroke Unit auch länger als 72 Stunden notwendig:
Soweit die Beklagte der Auffassung ist, angesichts der fehlenden Symptomatik (Rückbildung der Lähmungserscheinungen) habe beim V jedenfalls nach drei Tagen kein akuter Schlaganfall mehr bestanden, widerspricht dies den Kodierrichtlinien. Nach den deutschen Kodierrichtlinien, Version 2009, wird nämlich nur zwischen einem "akuten Schlaganfall" und einem "alten Schlaganfall" differenziert. Dabei ist nach Nr. 1 akuter Schlaganfall ein Code aus den Kategorien I 60 bis I 64 zuzuweisen, soweit der Patient eine fortgesetzte Behandlung des akuten Schlaganfalles und der unmittelbaren Folgen (Defizite) erhält. Bei einem alten Schlaganfall hat der Patient die Anamnese eines Schlaganfalles mit gegenwärtig bestehenden neurologischen Ausfällen. In diesem Falle werden die neurologischen Ausfälle und danach ein Kode aus I 69 f. zugewiesen.
Soweit der Kodierleitfaden dies anders sehen sollte,
(vgl. Kodierleitfaden Neurologie 2008 der Deutschen Gesellschaft für Neurologie Empfehlungen zu OPS 8 981 Nr. 11: "Definition des ‚akuten‘ Schlaganfalls. Die Akutphase des Insultes wird definiert als die ersten 72 Stunden nach Symptombeginn. Darüber hinaus können nur Patienten als "akuter Schlaganfall" klassifiziert werden, die einen fluktuierenden Verlauf oder eine sekundäre neurologische Verschlechterung oder einen progredienten Schlaganfall aufweisen.")
wäre dies unmaßgeblich, da dieser nicht verbindlich ist. Es ist aber nicht ersichtlich dass der Kodierleitfaden etwas anderes als die Aufnahmediagnose erläutern will.
Der V ist hier mit den Symptomen eines akuten Schlaganfalles eingeliefert worden und befand sich ununterbrochen in Behandlung der unmittelbaren Folgen desselben.
Die Behandlung in der Stroke Unit war auch mindestens 74 Stunden notwendig.
Behandelt ein Krankenhaus einen Versicherten bei erforderlicher Krankenhausbehandlung in unwirtschaftlichem Umfang, hat es nach der Rechtsprechung des zuständigen Senats des BSG allenfalls Anspruch auf die Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten anfiele (BSG, Urteil vom 10. März 2015 – B 1 KR 3/15 R , Rdnr. 27).
Überträgt man die Rechtsprechung zur Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit (aus neuerer Zeit BSG, Urt. vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 27/13 R – Rdnr. 11) auf die Bedürftigkeit der Behandlung auf einer besonderen Station, so ist sie erforderlich, wenn es der Gesundheitszustand des Patienten (noch) nicht ermöglicht, das Behandlungsziel durch Versorgung auf einer normalen Station zu erreichen. Aus Sicht der Beklagten war die Behandlung des V in diesem Sinne unwirtschaftlich, da sie Behandlung auf der Stroke Unit nur unter dem strengen Maßstab eines Hochrisikopatienten als notwendig ansieht, in der Stroke Unit also eine Art Intensivstation ansieht.
Die "Stroke Unit" soll jedoch keine Intensivstation sein (vgl. etwa die Nr. 1 der obigen DIMDI-FAQ, welche sich mit der Anrechnung der Zeiten auf einer "echten" Intensivstation beschäftigt). Es handelt sich vielmehr um eine Kombination aus prophylaktischer Überwachung mit einer aktiven Behandlung zur Minderung oder Beseitigung der Schlaganfallfolgen (als "Frühreha") auf einer hierzu spezialisierten Station. Die Überwachung dient demgemäß nicht nur der Verhinderung erneuter Schlaganfälle ("Primärprophylaxe") sondern auch der "Sekundärprophylaxe", etwa zum Erkennen von Herzrhythmusstörungen. Davon ist auch der Sachverständige Dr. D ausgegangen, der hierzu nur eine ausreichende Dokumentation vermisst hat.
Dieser hat zur Notwendigkeit der Behandlung nur auf die angeblich auch vom MDK verwendete Leitlinie der Fachgesellschaft für Neurologie rekurriert, die eine Verweildauer von länger als 72 Stunden nur bei einem flukturierenden Verlauf vorliege. Er hat sich damit offenbar auf den bereits erwähnten Kodierleitfaden bezogen, der sich aber nur mit der Definition des akuten Schlaganfalls als Aufnahmediagnose beschäftigt.
Der Sachverständige N hat hingegen aus Sicht des hiesigen Senats nachvollziehbar ausgeführt, es habe im Jahr 2009 und bis heute noch keinen klaren schriftlichen Standard gegeben, der regele, welche Patienten bis zu 72 Stunden und welche über diesen Zeitraum hinaus auf einer Stroke Unit multiprofessionell überwacht und behandelt werden sollten. Es gebe zahlreiche Gründe für eine Regelungslücke, weil die medizinische Situation grundsätzlich zu komplex sei, um hier eine klare Regelung mittels eines Kataloges zu schaffen.
Innerhalb der Fachgesellschaft der Deutschen Schlaganfallgesellschaft und der Stroke Unit Betreiber bestehe jedoch weitgehend Einigkeit darüber, dass fünf Dimensionen zur Festlegung der optimalen Behandlungsdauer herangezogen werden sollten:
1. der Klinische Befund bei der Aufnahme, 2. das Ausmaß und Lokalisation der Gewebeschädigung, 3. überwachungspflichtige Vitalparameter, 4. das Ausmaß der Vor- und Begleitkrankheiten als Risikoindikatoren und 5. Erkenntnisse aus dem weiteren Behandlungsverlauf.
Er hat ausgeführt, ein verlängerter Behandlungsbedarf ergebe sich einerseits, wenn sich in einer der fünf Bewertungsdimensionen eine schwere Auffälligkeit zeige und eine klare Hochrisikosituation daraus abzuleiten sei. Viel häufiger sei jedoch andererseits, dass erst aus der Zusammenschau der einzelnen Dimensionen ein verlängerter Überwachungs- und Behandlungsbedarf abzuleiten sei. Er hat ferner darauf hingewiesen, dass in der Praxis die Belegung häufig nicht anhand dieser Faktoren erfolge, sondern in den allermeisten Fällen aufgrund des Aufnahmedruckes durch neu aufgenommene Patienten. Beim V sei das Ausmaß der klinisch-neurologischen Defizite zum Zeitpunkt des Schlaganfallbeginns als mittelgradig zu bezeichnen (Kriterium klinischer Befund bei Aufnahme). Das Kriterium Ausmaß und Lokalisation der Gewebeschädigungen zeige keine Auffälligkeit. Auch überwachungspflichtige Vitalparameter hätten bei V keine bedrohlichen Entgleisungen gezeigt. Hinsichtlich des Kriteriums Nr. vier (Ausmaß der Vor- und Begleitkrankheiten als Risikoindikatoren) lägen bei dem V. fünf cerebro-vaskuläre Risikofaktoren vor (Diabetes mellitus Typ II, arterieller Hypertonus, Zustand nach Herzinfarktereignis und mit Stent Einlage, Herzrhythmusstörungen sowie mittelschwere Adipositas). Aus Sicht des Gutachters komme dem starken Übergewicht, insbesondere vor dem Hintergrund der Gangunsicherheit, besondere Beachtung zu, da hieraus eine besonders erhöhte Sturzgefahr resultiere. Zum fünften Kriterium (Erkenntnisse aus dem weiteren Behandlungsverlauf) stellen die initial leichtgradigen, klinischen Fluktuationen (der neurologischen Defizite), die begleitende depressive Stimmungslage in Zusammenschau mit der sukzessiven Stabilisierung und kontinuierlichen Befundverbesserung eine optionale Indikation dar. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass aus neuromedizinischer Sicht weder einer der fünf Einzelparameter allein, noch gemeinsam eine Hochrisikosituation darstellten, so dass keine zwingende Indikation für eine verlängerte Komplextherapie vorgelegen habe. Hätte es also einen dringlicheren Neuaufnahmefall gegeben, hätte der V schon ohne Lebensgefahr vor Ablauf der 72 Stunden verlegt werden können. Sein Gesundheitszustand war aus seiner Sicht hat jedoch in der Zusammenschau der Dimensionen, dergestalt, dass aufgrund einerseits einer erhöhten Risikosituation und andererseits eines intensiven Behandlungsbedarf eine Behandlung auf der Stroke Unit anstelle einer normalen Station objektiv gerechtfertigt war.
Diese Ausführungen hält der Senat für nachvollziehbar, schlüssig und überzeugend. Er sieht auch keine Anhaltspunkte, dass der Sachverständige parteilich sein könnte. Dieser kritisiert vielmehr deutlich die Dokumentation durch die Klägerin und gelangt zu einem differenzierten Ergebnis.
Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandsentschädigung nach § 275 Abs. 1 c SGB V in Höhe von 300,00 Euro zu:
Nach der neuesten Rechtsprechung des BSG setzt die Überprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V eine Auffälligkeit der Abrechnung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V voraus, bei der die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen hat und dann, wenn es zu keiner Abrechnungsminderung kommt, ein Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung der Aufwandspauschale (§ 275 Abs. 1c S. 3 SGB V) besteht. Es bestehen solche Auffälligkeiten, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der Krankenkasse verwertbare Informationen Fragen nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die diese selbst aus sich heraus nicht ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK nicht beantworten kann (vgl. Urteil vom 1. Juli 2014 - B 1 KR 29/13 R , Rdnr. 21). Die Auffälligkeitsprüfung betrifft regelmäßig Fälle, in denen die Krankenkasse Zweifel daran haben kann, dass das Krankenhaus seine Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) erbracht hat (BSG, a. a. O. Rdnr. 22). Soweit das Krankenhaus hingegen dem MDK lediglich im Rahmen der Abklärung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung entsprechend seinen bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten oder -pflichten die Möglichkeit eröffnet, die Behandlungsunterlagen einzusehen und/oder eine Krankenhausbegehung durchzuführen, findet § 275 Abs. 1c S 3 SGB V keine Anwendung. Das Krankenhaus hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale, wenn der sachlich-rechnerische Prüfvorgang nicht zu einer Rechnungsminderung führt. Denn dann handelt sich nicht um eine Auffälligkeitsprüfung, sondern um eine Mitwirkung des MDK zugunsten des beweisbelasteten Krankenhauses, um diesem die Möglichkeit zu eröffnen, seinen aus § 301 SGB V abzuleitenden Informationsobliegenheiten bzw. eventuellen aus Landesverträgen folgenden Auskunfts- und Mitteilungspflichten zu entsprechen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Krankenkasse sachlich-rechnerische Auffälligkeiten zum Anlass nimmt, von sich aus gezielt eine Auffälligkeitsprüfung einzuleiten (BSG, a. a. O. Rdnr. 23).
Hier hat eine Auffälligkeitsprüfung stattgefunden. Der Prüfauftrag am 27. Januar 2010 an den MDK lautete hier:
"DTA Frage 13: Ist/sind die Prozedur(en) korrekt? Detailfrage: I Kodierprüfung: OPS 0203"
Die Beklagte hatte von Anfang an den Verdacht, dass die Voraussetzungen einer neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalles nicht vorgelegen haben könnten.
Der MDK hat dies ausweislich seines Mitteilungsschreibens an das Krankenhaus auch so verstanden und dieses als Prüfanzeige gemäß § 275 Abs. 1 c SGB V bezeichnet. Für eine "Prüfung zu Art und Umfang der Leistung/ordnungsgemäßen Abrechnung".
Die Klägerin hat auf die Anforderung der Prüfanzeige hin die Unterlagen eingereicht und etwa dem MDK in Erfüllung anderer Obliegenheiten überlassen.
Es ist hier damit von der Variante auszugehen, dass die Krankenkasse Zweifel hatte, dass das Krankenhaus der Klägerin seine Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes erbracht habe. Der Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 300,00 Euro ergibt sich insoweit aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 24/14 R , juris-Rdnr. 14 f.). Der Zinsanspruch für die Forderung selbst folgt aus § 18 Abs. 4 und 5 des hier einschlägigen Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um eine Krankenhausvergütung im Zusammenhang mit der Behandlung eines Schlaganfalles auf einer sogenannten Stroke Unit.
Die Klägerin betreibt eine zugelassene Klinik.
Zwischen ihr, dem Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. (MDK) und dem Beklagten gibt es eine mündliche Vereinbarung zum Dokumentationsverfahren hinsichtlich der erbrachten Leistungen nach der einschlägige OPS 8 981 vom 28. April 2009. Es wurde eine Matrix vereinbart, mit deren Hilfe die Dokumentation der erbrachten Leistungen für die Klägerin erleichtert werden und damit eine Transparenz für den Anspruch der Kodierung des OPS 8 891.x geschaffen werden sollte. Mit Schreiben vom 5. Mai 2009 wies der MDK im Anschluss an dieses Gespräch darauf hin, dass weitergehend die Dokumentation des CT mit Datumsangabe sowie die Dokumentation für Neuropsychologie und Ergotherapie notwendig seien. Weiter sei ein Arztbrief erforderlich, aus dem u. a. die Diagnosesicherung, eine ausführliche Befundbeschreibung bei Aufnahme erwartet werde und dass ggf. weitere Unterlagen erforderlich seien.
Der 1947 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte K S (nachfolgend nur: "Versicherter" = V) wurde am 13. Dezember 2009 vom Rettungsdienst mit einer Halbseitenlähmung und einer deutlichen Aphasie (Sprechstörung) bei der Rettungsstelle der Klinik der Klägerin eingeliefert. Ausweislich der Patientenakte begann die neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalles um 4.00 Uhr. Der V wurde auf die Stroke Unit der Klinik verlegt. Für die Zeit vom 13. Dezember 2009 4.00 Uhr bis zum 16. Dezember 2009 6.00 Uhr ist in der Patientenakte eine neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls in der Klinik der Klägerin in Form einer sogenannten Matrix dokumentiert. Darin sind in einer fortlaufenden Tabelle zweistündlich Herzfrequenz, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung, Temperatur, Blutzucker sowie ein Handzeichen der Pflegekraft dokumentiert, ferner täglich die "NIH Stroke Scale" (National Institutes Of Health Stroke Scale) eingetragen. Der Zustand des V besserte sich relativ zügig. Noch bei der Entlassung am 21. Dezember 2009 litt er jedoch noch an einer Apharese und einer leichtgradigen Hemiparese.
Die Klägerin rechnete unter dem 30. Dezember 2009 die Behandlung unter Zugrundelegung der DRG B70B (Apoplexie mit neurologischer Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, mehr als 72 Stunden, ohne intrakranielle Blutung oder ohne neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, mehr als 72 Stunden, mit komplizierter intrakranieller Blutung) und einem Gesamtbetrag von 7 150,36 Euro ab. Dieser Betrag wurde zunächst von der Beklagten vollständig bezahlt. Am 27. Januar 2010 veranlasste diese eine Prüfung durch den MDK Dieser zeigte der Klägerin mit Schreiben vom 29. Januar 2010 die Prüfung gemäß § 275 Abs. 1 c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) an und forderte die Zusendung aller zur Beantwortung der Krankenkassenfrage notwendigen Krankenhausunterlagen, insbesondere Arztbrief und Nachweis der neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls (OPS 8 981.1). Der MDK führte in seiner Einzelfallbegutachtung durch Dr. med. Barbara Laubstein) vom 4. Januar 2011 zum Sachverhalt aus, der V. habe ab dem 13. Dezember Logopädie und Physiotherapie erhalten. Eine sich stetig bessernde Symptomatik im neurologischen Befund der NIHSS sei belegt. Die stroke-spezifische Diagnostik sei weitgehend unauffällig gewesen. Der V habe zur Sekundärprophylaxe Aggrenox erhalten. Die Gutachterin gelangt zu dem Ergebnis, der OPS der neurologischen Komplexbehandlung sei formal über 74 Stunden belegt, medizinisch sei eine Komplexbehandlung über mehr als 72 Stunden bei geringen Ausfällen und sich stetig verbesserndem Befund aber nicht begründet gewesen.
Mit Schreiben vom 13. Januar 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sich nach dem Ergebnis des MDK (nur) die DRG B70D als medizinisch leistungsgerechtes Entgelt darstelle (Apoplexie mit neurologischer Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, bis 72 Stunden, ohne intrakranielle Blutung, ohne systemische Thrombolyse, mehr als ein Belegungstag). Am 11. März 2011 verrechnete die Beklagte den streitigen Differenzbetrag in Höhe von 2 733,22 Euro mit einer Forderung aus einem zwischen den Beteiligten unstreitigen Behandlungsfall der Klägerin.
Die Klägerin hat am 7. April 2011 Klage vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) erhoben. Die Abrechnung der der DRG B70B sei medizinisch gerechtfertigt gewesen und zutreffend.
Die Beklagte hat aus Anlass der Klageerhebung eine weitere Einzelfallbegutachtung des MDK angefordert. Diese gelangte wiederum zum Ergebnis, dass die Notwendigkeit der Dauer der neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalles von mehr als 72 Stunden nicht bestanden habe. Der akute Schlaganfall werde definiert als die ersten 72 Stunden nach Symptombeginn. Darüber hinaus könnten nur Patienten als "akuter Schlaganfall" klassifiziert werden, die einen fluktuierenden Verlauf oder eine sekundäre neurologische Verschlechterung oder einen progredienten Schlaganfall aufwiesen (Bezugnahme auf den Kodierleitfaden Schlaganfall der Deutschen Schlaganfallgesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie 2011). Beim V habe es ausweislich des ärztlichen Verlaufsberichts keinen fluktuierenden Verlauf oder eine sekundäre neurologische Verschlechterung oder einen progredienten Schlaganfall gegeben. Der OPS 8 981 sei definiert für den akuten Schlaganfall. Auch wenn bei dem Versicherten Gefäßrisikofaktoren vorlägen (Hypertonus, Diabetes mellitus, Hyperlipidämie), seien aus der Patientenakte keine medizinischen Sachverhalte abzuleiten, welche die OPS Dauer mehr als 72 Stunden rechtfertigten. Die Symptomatik sei nicht sehr schwer ausgeprägt gewesen und habe eine gute Rückbildungstendenz gezeigt. Diagnosesicherheit habe vom Aufnahmetag an bestanden (Datum: 10. November 2011, Gutachterin: Dr. V W). Eine nochmalige Stellungnahme des MDK durch Dr. W unter dem 18. April 2012 führt aus, dass die Behandlung eines akuten Schlaganfalls auf der Stroke Unit dem heutigen Standard entspreche. Bezüglich der Dauer der Behandlung auf einer solchen gebe es nach Literaturrecherchen keine Standardempfehlungen. Aus fachärztlich-neurologischer Sicht solle sich die Dauer des Stroke Unit Aufenthaltes allein nach den medizinischen Notwendigkeiten richten.
Das SG hat den Facharzt für Neurologie Dr. D der DAG mit einem Sachverständigengutachten nach Aktenlage beauftragt. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 4. September 2012 zu dem Ergebnis, weder die OPS 8 981.0 noch die OPS 8 981.1 seien erfüllt. Es fehle an einem automatisierten Monitoring, welches gemäß FAQ Nr. 8017 des DIMDI Mindestvoraussetzung sei. Die vom SG gestellte Frage, ob auch nach 72 Stunden ein akuter Schlaganfall nach medizinischer Definition vorgelegen habe, sei zu bejahen. Aufgrund der zwar rückläufigen, aber immer noch vorhandenen Symptomatik habe ein akuter Schlaganfall auch nach 72 Stunden noch vorgelegen, allerdings sei dieser nicht mehr neurologisch engmaschig auf der Stroke Unit überwachungspflichtig gewesen. Mit Schreiben vom 26. November 2012 hat der Sachverständige sein Gutachten ergänzt. Er hat u. a. ausgeführt, hinsichtlich seiner Einschätzung der Notwendigkeit der Behandlung auf der Stroke Unit über 72 Stunden hinaus sich nicht an die Empfehlungen für die Kodierung in der Neurologie gehalten, sondern auf die Leitlinie der Fachgesellschaft für Neurologie zur Behandlung eines akuten Schlaganfalles. Danach sei eine Verweildauer über 72 Stunden nur dann notwendig, wenn ein fluktuierender Verlauf vorliege. Das Vorliegen hätte jedenfalls dokumentiert sein müssen, ebenso wie eine etwaige Sekundärprophylaxe.
Die Klägerin hat vorgebracht, eine Beendigung der neurologischen Komplexbehandlung sei erst dann medizinisch zulässig, wenn die Situation eine Verschlechterung neurologischer Ausfälle nicht mehr vermuten lasse. Beim V hätten hingegen noch am 15. Dezember 2009 neurologische Defizite vorgelegen. Auch sei hier keine zeitnahe Begutachtung vorgenommen worden. Sie hat das Gutachten des Dr. D kritisiert. Es sei eine Einzelmeinung des Gutachters, dass die OPS Kriterien ein 24 Stunden Monitoring von sechs Parametern als automatisiertes Monitoring forderten. In den OPS Kriterien werde lediglich ein 24 Stunden Monitoring von mindestens sechs Parametern gefordert, das auch tatsächlich dokumentiert sein müsse (Hinweis auf Kodierleitfaden Neurologie). Im konkreten Fall seien überdies fünf der sechs in der handschriftlichen Matrix aufgeführten Parameter (Blutdruck, Herz- und Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung und Temperatur) sehr wohl automatisiert über den Monitor abgeleitet worden. Die handschriftliche Übertragung der Daten vom Monitor in die vorliegende Matrix sei nur aufgrund der Vereinbarung mit dem MDK erfolgt.
Bei der in der Patientenakte befindlichen Matrix handele es sich um handschriftliche Übertragungen von momentanen Werten, die rund um die Uhr durch eine kontinuierliche, automatisierte Überwachung der Parameter Blutdruck, Herzfrequenz, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung, Temperatur sowie das EKG per Handzeichen erhoben worden seien. In der Kodierempfehlung 471 zur OPS 8 981.x zum Schlagwort 24 Stunden Monitoring heiße es:
" ... Die Erbringung der Leistung der kontinuierlichen Überwachung rund um die Uhr ist gem. DKR D 001 nachvollziehbar zu dokumentieren. Die Nachvollziehbarkeit der Leistungserbringung entsprechend dem Mindestmerkmal ist gegeben, wenn eine kontinuierliche Überwachung angeordnet wurde und die überwachten Parameter mit einem maximalen Abstand von vier Stunden als Ausdruck oder in der Kurve dokumentiert sind ..."
Diesen Anforderungen sollte die zwischen der Klägerin und dem MDK entwickelte Matrix genügen. Die Klägerin verwende den "Intelli VUE Patientenmonitor" der Firma Phillips. Bei diesen Patientenmonitoren bildeten der Farbbildschirm und die Datenverarbeitungseinheit eine Einheit. Auf dem Bildschirm würden die Kurven der erhobenen Parameter sowie das Bild des 12 Kanal EKG angezeigt. Bei Abweichungen von Normwerten werde aufgrund der Überwachung ein Alarm ausgelöst. Sie gehe nicht davon aus, dass die Kodierempfehlungen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung die verbindlichen Vorgaben des OPS unterliefen. Hinsichtlich des EKG werde die Leistung der kontinuierlichen Überwachung durch dieses insgesamt erbracht, auch wenn die einzelnen Messintervalle nicht entsprechend dokumentiert seien. Das Elektrokardiogramm werde über mehrere Elektroden am Oberkörper des Patienten abgeleitet, darüber werde auch die Atem- und Herzfrequenz ermittelt. Dies bedeute, dass, soweit Parameter wie Herz- und Atemfrequenz erhoben würden, zwangsläufig auch der Wert des EKG über die entsprechenden Elektroden übermittelt werde. Da die Werte für die Herzfrequenz, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung und Blutdruck usw. hier entsprechend der Kodierempfehlung Nr. 471 eingetragen worden seien, sei aus Sicht der Klägerin der Vollbeweis erbracht, dass auch das EKG abgeleitet worden sei. Diese sei jedoch nicht mit einem Wert dokumentiert, sondern nur mit dem Handzeichen entsprechend der Absprache mit dem MDK gekürzelt. Die Beantwortung der Frage durch Dr. D, ob auch nach 72 Stunden noch ein akuter Schlaganfall vorgelegen habe, lege nahe, dass dieser die Aufnahmekriterien von Schlaganfallpatienten auf der Stroke Unit (Kodierleitfaden Neurologie Seite 128) fehlinterpretiere. Diese definierten zunächst grundsätzlich, dass ein Schlaganfallpatient bis zu 72 Stunden nach Symptombeginn auf einer Stroke Unit stationär aufgenommen werden solle. Ausdrücklich würden auch Patienten eingeschlossen, die bereits vollständig zurückgebildete neurologische Ausfälle zeigten (sogenannte transistorisch-ischämische Attacken). Außerdem würden Kriterien genannt (fluktuierender oder progredienter Verlauf, Risikopatienten mit wiederholten Schlaganfällen, instabile Vitalparameter, Vigilanzminderung), die auch eine stationäre Aufnahme auf einer Stroke Unit über 72 Stunden bei Symptombeginn indizierten. Die genannten Kriterien bezögen sich auf die Aufnahmeindikation auf einer Stroke Unit. Die Dauer der Behandlung auf einer solchen sei aber bewusst nicht festgelegt worden und liege im Ermessen des behandelnden Arztes. Unter diagnostischen Gesichtspunkten sei sie vor allem zur potentiellen Erfassung einer bestimmten Form von Herzrhythmusstörungen, dem sogenannten Vorhofflimmern, erforderlich, da die Erfassung eines intermittierenden Vorhofflimmerns eine fundamental andere Langzeittherapie der Sekundärprophylaxe nach sich ziehe. Dies sei auch beim V der Fall gewesen. Dieser Sachverhalt sei in einer ganz aktuellen Studie, welche Langzeit EKG Monitoring mit einmaliger EKG Ableitung über 24 Stunden verglichen habe, belegt worden. Es sei ferner darauf hinzuweisen, dass die Behandlung auf der Stroke Unit keineswegs nur der Überwachung diene, sondern vor allem auch der Akuttherapie von Schlaganfallpatienten. Die Klägerin hat ein Privatgutachten des Prof. Dr. D zur Akte gereicht. In seinem Gutachten vom 7. Juni 2013 gelangt dieser zu der zusammenfassenden Feststellung, dass aus neuromedizinischer Sicht keine zwingende Indikation für eine verlängerte Komplextherapie auf der Stroke Unit länger als 72 Stunden vorgelegen habe. Allerdings ergebe sich aus der Zusammenschau der Dimensionen mit dem klinischen Befund (Sprach- und Zungenlähmung, Stand- und Gangunsicherheit mit Sturzneigung), dem signifikanten Gefäßrisikoprofil mit begleitender koronarer Herzerkrankung und dem Behandlungsverlauf der ersten 72 Stunden (geringe Fluktuationen, begleitende Depression, Hilfebedarf, später stetige Befundbesserung) ein Patientenprofil, das einerseits eine erhöhte Risikosituation und andererseits einen intensiven Behandlungsbedarf bedeute, was eine verlängerte Behandlung rechtfertige. Die medizinische Akte lasse jedoch eine dezidierte Begründung und Indikationsstellung für den vorliegenden Fall vermissen.
Die Beklagte hat erwidert, die Ausführungen der Sachverständigen Dr. D zum Monitoring seien grundsätzlich zutreffend. Sie – die Beklagte – verzichte jedoch in dem konkreten Einzelfall darauf, die Erfüllung der Mindestkriterien zu bestreiten, sofern eine Dokumentation im Sinne der Abstimmung mit dem MDK zu bestätigen sei. Sie bestreite, dass die vereinbarte Matrix alleine auf Wunsch des MDK zum Einsatz käme. Vielmehr sei die Initiative von der Klägerin ausgegangen, Es gäbe keine Vereinbarung, dass der Dokumentationsbogen abschließend sei. Die OPS verlange für den gesamten Zeitraum der neurologischen Komplexbehandlung die Durchführung eines 24 Stunden-Monitorings. Die Beklagte bezweifle nicht die Funktionalität des bei der Klägerin eingesetzten Systems, erwarte aber, dass die mit dem Monitoring aufgezeichneten Werte jederzeit abrufbar seien und als Ausdruck in Einzelsituationen zu Verfügung ständen. Sie sei der Auffassung, die Vereinbarung mit dem MDK sei grundsätzlich nichtig und rechtlich nicht verbindlich. Es komme alleine auf die im OPS definierten Anforderungen an. Soweit allerdings auf die Vereinbarung abgestellt werde, fehle es an der dort vorgesehenen Dokumentation des EKG. Zum Gutachten N hat sie eingewandt, dieser sei selbst leitender Chefarzt einer Stroke Unit Station und deshalb wohl befangen. In der Sache habe er überdies selbst ausgeführt, dass die Verlängerung um zwei Stunden auf 74 Stunden tatsächlich keine durchgreifende Sicherheitserhöhung, Behandlungs- bzw. Prognoseverbesserung des V dargestellt habe.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 27. März 2014 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Summe. Denn die Voraussetzung des Vergütungsanspruches sei nicht erfüllt, da die Prozedur OPS 8 981.0 nicht zu kodieren gewesen sei. Es sei medizinisch nicht notwendig gewesen, den V. im Rahmen der neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalles länger als 72 Stunden auf der Stroke Unit der Klinik der Klägerin zu versorgen. Das SG stütze sich für diese Einschätzung im Wesentlichen auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. D. Dieser habe ausgeführt, dass beim V nach 72 Stunden kein akuter Schlaganfall mehr bestanden habe. Auch der Sachverständige Dr. N habe festgestellt, dass keine zwingende Indikation mehr vorgelegen habe.
Gegen das am 29. April 2014 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 30. Mai 2014 (Freitag nach Himmelfahrt). Zu deren Begründung hat sie erneut auf die gutachterlichen Feststellungen des Prof. Dr. N hingewiesen. Es sei beim V wichtig gewesen, diesen gezielt zu unterstützen und eine Sturzprophylaxe durchzuführen, die auf einer Stroke Unit besser vermittelt werden könne und zu weniger Stürzen führe. Der V sei auch nach dem 16. Dezember 6.00 Uhr noch auf derselben Station gelegen. Es sei lediglich die spezifische Überwachung nicht mehr auf der Zusatzdokumentation dokumentiert worden. Diese sei aber fortgeführt worden. Medizinisch gebe es keine Gründe für die 72 Stunden Regelung.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 27. März 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von 2 733,22 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozent-punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. März 2011 zu zahlen sowie
300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 7. April 2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Es sei nicht ersichtlich, dass die Sturzprophylaxe beim V auf einer anderen Station nicht möglich gewesen wäre.
Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Berufung und Klage haben Erfolg. Der Klägerin steht der klageweise geltend gemachte Betrag einschließlich der Nebenforderung zu. Der unstreitige Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung ist nicht dadurch erloschen, dass die Beklagte mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung des V. analog § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Aufrechnung erklärt hat (ständige Rechtsprechung des BSG, zuletzt Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 8/15 R , Rdnr. 9 m. w. N.).
Die Klägerin erfüllte die Grundvoraussetzungen eines Anspruches auf Krankenhausvergütung, indem sie den V stationär behandelte. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung – wie hier – in ein einem im Sinne des § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erforderlich und wirtschaftlich ist (BSG, a. a. O., Rdnr. 10 m. w. N.). Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V, § 17b Abs. 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und § 7 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit der hier maßgeblichen Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2009. Eine Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch die Versicherten. Nach § 7 Abs. 1 S. 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber dem Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nummern 1 – 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Vorliegend geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 9 KHEntgG), dem DRG-Katalog.
Zu Recht sind sich die Beteiligten darüber einig, dass der Anspruch auf die höhere Vergütung voraussetzt, dass die Klägerin die DRG B70B anstelle der B70D abrechnen durfte:
Welche DRG-Position abzurechnen ist, ergibt sich nach der ständigen Rechtsprechung des BSG rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (vgl. weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 8/15 R , Rdnr. 14ff). Nach § 1 Abs. 6 S. 1 FPV 2009 sind in diesem Sinne zur Einstufung des Behandlungsfalls in die jeweils abzurechnende Fallpauschale Programme (Grouper) einzusetzen. Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (z. B. die Zuordnung von ICD-10-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen deutschen Fassung (hier in der Version 2009 in der Fassung der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Diagnosenschlüssels vom 28. Oktober 2008, BAnz Nr. 170 vom 7. November 2008, S. 4060, in Kraft getreten am 1. Januar 2009 (ICD-10-GM 2009)) sowie die Klassifikation des vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels (hier in der Version 2007 einschließlich Erweiterungskatalog vom 25.10.2006 in der Fassung der Bekanntmachung des BMG gemäß §§ 295 und 301 SGB V zur Anwendung des Operationen- und Prozedurenschlüssels vom 28. Oktober 2008, BAnz Nr. 170 vom 7.November 2008, S. 4060, in Kraft getreten am 1.1.2009 (OPS 2009)). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt allein aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG, a. a. O. Rdnr. 15 mit Bezugnahme auf BSGE 109, 236).
Die DRG B70B wird nur dann im Groupierungsvorgang angesteuert, wenn Prozeduren nach OPS (2009) 8-981 zu kodieren sind.
Die Vorschrift lautet:
8-981 Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls Andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls (8-98b ff.) Dieser Kode kann auch beim Vorliegen einer TIA angegeben werden Besteht über die Therapiemöglichkeiten der vorhandenen Schlaganfalleinheit hinaus die Indikation zu einer Behandlung auf der Intensivstation, kann, wenn die Mindestmerkmale dieses OPS-Kodes erfüllt sind, die dortige Behandlungszeit auch für die Kodierung der neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls berücksichtigt werden, auch wenn auf der Intensivstation nicht ausschließlich Patienten mit einem akuten Schlaganfall behandelt werden Mindestmerkmale: Behandlung auf einer spezialisierten Einheit durch ein multidisziplinäres, auf die Schlaganfallbehandlung spezialisiertes Team unter fachlicher Behandlungsleitung durch einen Facharzt für Neurologie mit: • 24-stündiger ärztlicher Anwesenheit (Von Montag bis Freitag wird tagsüber eine mindestens 12-stündige ärztliche Anwesenheit (Der Arzt kann ein Facharzt oder ein Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt sein.) gefordert, bei der sich der jeweilige Arzt auf der Spezialeinheit für Schlaganfallpatienten ausschließlich um diese Patienten kümmert und keine zusätzlichen Aufgaben zu erfüllen hat. Er kann sich in dieser Zeit nur von der Spezialeinheit entfernen, um Schlaganfallpatienten zum Beispiel zu untersuchen, zu übernehmen und zu versorgen. Während der 12-stündigen ärztlichen Anwesenheit in der Nacht sowie während der 24-stündigen ärztlichen Anwesenheit an Wochenenden und an Feiertagen ist es zulässig, dass der Arzt der Spezialeinheit noch weitere Patienten mit neurologischer Symptomatik versorgt, sofern sich diese in räumlicher Nähe befinden, so dass er jederzeit für die Schlaganfallpatienten der Spezialeinheit zur Verfügung steht) • 24-Stunden-Monitoring von mindestens 6 der folgenden Parameter: Blutdruck, Herzfrequenz, EKG, Atmung, Sauerstoffsättigung, Temperatur, intrakranieller Druck, EEG, evozierte Potentiale. Das Monitoring darf nur zur Durchführung spezieller Untersuchungen oder Behandlungen unterbrochen werden • 6-stündlicher (außer nachts) Überwachung und Dokumentation des neurologischen Befundes zur Früherkennung von Schlaganfallprogression, -rezidiv und anderen Komplikationen • Durchführung einer Computertomographie oder Kernspintomographie, bei Lyseindikation innerhalb von 60 Minuten, ansonsten innerhalb von 6 Stunden nach der Aufnahme, sofern diese Untersuchung nicht bereits extern zur Abklärung des akuten Schlaganfalls durchgeführt wurde • Durchführung der neurosonologischen Untersuchungsverfahren inklusive der transkraniellen Dopplersonographie. Sie ist bei nachgewiesener primärer Blutung entbehrlich • ätiologischer Diagnostik und Differentialdiagnostik des Schlaganfalls (z.B. transösophageale Echokardiographie, Hämostaseologie, Angiitisdiagnostik, EEG und andere Verfahren) im eigenen Klinikum. Spezialisierte Labordiagnostik darf auch in Fremdlabors erfolgen • 24-Stunden-Verfügbarkeit der zerebralen Angiographie, der digitalen Subtraktionsangiographie, der CT-Angiographie oder der MR-Angiographie • kontinuierlicher Möglichkeit zur Fibrinolysetherapie des Schlaganfalls • Beginn von Maßnahmen der Physiotherapie, Neuropsychologie, Ergotherapie oder Logopädie innerhalb von 24 Stunden mit mindestens einer Behandlungseinheit pro Tag pro genannten Bereich bei Vorliegen eines entsprechenden Defizits und bestehender Behandlungsfähigkeit • unmittelbarem Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen (jeweils eigene Abteilung im Hause oder Kooperationspartner in höchstens halbstündiger Transportentfernung, unabhängig vom Transportmittel) 8-981.0 Mindestens 24 bis höchstens 72 Stunden 8-981.1 Mehr als 72 Stunden
Diese Mindestanforderungen an die Behandlung des V sind hier erfüllt worden:
Die Klägerin hat zuletzt unwidersprochen vorgetragen, dass speziell beim V eine kontinuierliche, automatisierte Überwachung der Parameter Blutdruck, Herzfrequenz, Atemfrequenz, Sauerstoffsättigung, Temperatur sowie auch das EKG erhoben wurde. Es besteht kein Anlass zu der Annahme, dass diese unstreitige Behauptung nicht zutrifft.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist damit auch das -insoweit einzig streitige- Erfordernis des "24-Stunden-Monitoring von mindestens 6 der folgenden Parameter: Blutdruck, Herzfrequenz, EKG, Atmung, Sauerstoffsättigung, Temperatur, intrakranieller Druck, EEG, evozierte Potentiale" erfüllt gewesen:
Nach der Rechtsprechung des BSG, welcher der hiesige Senat folgt, sind die Vergütungsregelungen stets nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen. Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit " lernendes" System angelegt ist, sind bei zu Tage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 25/13 R – Rdnr. 13 m. w. N.).
Ein zusätzliches Erfordernis der dauerhaften Speicherung der überwachten Parameter, wie dies die Beklagte fordert, lässt sich dem Wortlaut hier nicht entnehmen.
Etwas anderes lässt sich nicht der ergänzend heranziehbaren Erläuterungen des DIMDI entnehmen. Konkret einschlägig ist nur dessen "FAQ Nr. 8017":
"Wie sind die Mindestmerkmale zum Kode 8-981 Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls zu verstehen? (FAQ Nr. 8017) seit OPS Version 2008
1. Kann die Behandlungszeit auf einer Intensivstation für die Kodierung des Kodes 8-981 angerechnet werden? Besteht über die Therapiemöglichkeiten der vorhandenen Schlaganfalleinheit hinaus die Indikation zu einer Behandlung auf der Intensivstation, kann, wenn die Mindestmerkmale des OPS 8-981 erfüllt sind, die Behandlungszeit auf der Intensivstation auch für die Kodierung der Neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls berücksichtigt werden. Dies ist auch dann möglich, wenn auf der Intensivstation nicht ausschließlich Patienten mit einem akuten Schlaganfall behandelt werden. 2. Stellt die Unterbrechung des 24-stündigen automatisierten Monitorings von Vitalparametern aufgrund von speziellen Untersuchungen und Behandlungen die Verwendung des Kodes 8-981 in Frage? Muss das Monitoring einzelner Parameter aufgrund von speziellen Untersuchungen oder Behandlungen für deren Dauer unterbrochen werden, stellt dies die Verwendung dieses Kodes nicht in Frage. 3. Werden zur Abklärung des akuten Schlaganfalls angefertigte externe CT- oder MRT-Aufnahmen für die Erfüllung der Mindestmerkmale des Kodes 8-981 anerkannt? Um in Einzelfällen aufwändige und zum Teil potenziell schädliche Doppeluntersuchungen zu vermeiden, sind zur Abklärung des akuten Schlaganfalls angefertigte externe CT- oder MRT-Aufnahmen als gleichwertig für die Erfüllung der Mindestmerkmale des Kodes 8-981 anzusehen. Tritt der akute Schlaganfall erst während eines stationären Aufenthaltes auf, so gilt für die zeitgerechte Durchführung der Bildgebung die Zeit ab der Feststellung der Verdachtsdiagnose auf einen akuten Schlaganfall. Bei spinalen Infarkten oder Blutungen ist eine CT- oder MRT-Aufnahme des entsprechenden Wirbelsäulenabschnitts gleichwertig. 4. Wie umfangreich muss die ätiologische Diagnostik für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 sein und wann muss sie erfolgen? Die ätiologische Diagnostik für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 ist bedarfsangepasst nach medizinischer Notwendigkeit durchzuführen und individuell unterschiedlich. Einzelne diagnostische Maßnahmen können sowohl vor Beginn als auch noch nach Beendigung der 24-Stunden-Monitoringphase in derselben Klinik durchgeführt werden. Der Zeitpunkt der Durchführung geht dann aber nicht in die Berechnung der Dauer der Komplexbehandlung ein. Spezialisierte Labordiagnostik darf auch in Fremdlabors erfolgen. 5. Welche Verfahren können anstelle der zerebralen Angiographie für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 als gleichwertig angesehen werden? Die digitale Subtraktionsangiographie, die CT-Angiographie und die MR-Angiographie können für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 als gleichwertige Verfahren angesehen werden. 6. Wann müssen die Maßnahmen der Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 beginnen? Die für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 geforderten Maßnahmen der Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie müssen spätestens am Tag nach Aufnahme auf der Spezialeinheit beginnen, wenn ein entsprechendes Defizit vorliegt und Behandlungsfähigkeit besteht. Danach muss mindestens eine Behandlungseinheit an jedem Tag (auch am Wochenende und an Feiertagen) gezielt für das vorliegende Defizit erfolgen. Dabei müssen die Leistungen der Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie nicht zwingend durch hauptamtlich im Hause der Schlaganfallspezialeinheit beschäftigte Angestellte erbracht werden, sondern können auch durch bedarfsangepasste Leistungen von extern sichergestellt werden. Die genannten Leistungen können diagnostische oder therapeutische Leistungen oder beides umfassen. (Die Streichung des Begriffs "Neuropsychologie" in der Liste der Maßnahmen an drei Stellen und der Ersatz der Angabe "innerhalb von 24 Stunden" durch "spätestens am Tag nach der Aufnahme in die Schlaganfalleinheit" erfolgte mit der Version 2013.) 7. Muss die Durchführung der neurosonologischen Untersuchungsverfahren für die Mindestmerkmale des Kodes 8-981 immer erfolgen? Die Durchführung der neurosonologischen Untersuchungsverfahren inklusive der transkraniellen Dopplersonographie ist bei nachgewiesener primärer Blutung entbehrlich."
Aussagen zum Automatisierungsgrad der Überwachung -geschweige denn zur Speicherung der Daten- sind diesen Ausführungen nicht zu entnehmen.
Streitentscheidend ist damit, ob die Voraussetzungen der DRG B70 über einen längeren Zeitraum als 72 Stunden vorlagen. Dies ist zu bejahen.
Zum einen hat es sich bei der Behandlung des V. nach Ablauf dieses Zeitraumes noch um die eines "akuten" Schlaganfalles gehandelt. Zum anderen war die Behandlung in der Stroke Unit auch länger als 72 Stunden notwendig:
Soweit die Beklagte der Auffassung ist, angesichts der fehlenden Symptomatik (Rückbildung der Lähmungserscheinungen) habe beim V jedenfalls nach drei Tagen kein akuter Schlaganfall mehr bestanden, widerspricht dies den Kodierrichtlinien. Nach den deutschen Kodierrichtlinien, Version 2009, wird nämlich nur zwischen einem "akuten Schlaganfall" und einem "alten Schlaganfall" differenziert. Dabei ist nach Nr. 1 akuter Schlaganfall ein Code aus den Kategorien I 60 bis I 64 zuzuweisen, soweit der Patient eine fortgesetzte Behandlung des akuten Schlaganfalles und der unmittelbaren Folgen (Defizite) erhält. Bei einem alten Schlaganfall hat der Patient die Anamnese eines Schlaganfalles mit gegenwärtig bestehenden neurologischen Ausfällen. In diesem Falle werden die neurologischen Ausfälle und danach ein Kode aus I 69 f. zugewiesen.
Soweit der Kodierleitfaden dies anders sehen sollte,
(vgl. Kodierleitfaden Neurologie 2008 der Deutschen Gesellschaft für Neurologie Empfehlungen zu OPS 8 981 Nr. 11: "Definition des ‚akuten‘ Schlaganfalls. Die Akutphase des Insultes wird definiert als die ersten 72 Stunden nach Symptombeginn. Darüber hinaus können nur Patienten als "akuter Schlaganfall" klassifiziert werden, die einen fluktuierenden Verlauf oder eine sekundäre neurologische Verschlechterung oder einen progredienten Schlaganfall aufweisen.")
wäre dies unmaßgeblich, da dieser nicht verbindlich ist. Es ist aber nicht ersichtlich dass der Kodierleitfaden etwas anderes als die Aufnahmediagnose erläutern will.
Der V ist hier mit den Symptomen eines akuten Schlaganfalles eingeliefert worden und befand sich ununterbrochen in Behandlung der unmittelbaren Folgen desselben.
Die Behandlung in der Stroke Unit war auch mindestens 74 Stunden notwendig.
Behandelt ein Krankenhaus einen Versicherten bei erforderlicher Krankenhausbehandlung in unwirtschaftlichem Umfang, hat es nach der Rechtsprechung des zuständigen Senats des BSG allenfalls Anspruch auf die Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten anfiele (BSG, Urteil vom 10. März 2015 – B 1 KR 3/15 R , Rdnr. 27).
Überträgt man die Rechtsprechung zur Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit (aus neuerer Zeit BSG, Urt. vom 14. Oktober 2014 – B 1 KR 27/13 R – Rdnr. 11) auf die Bedürftigkeit der Behandlung auf einer besonderen Station, so ist sie erforderlich, wenn es der Gesundheitszustand des Patienten (noch) nicht ermöglicht, das Behandlungsziel durch Versorgung auf einer normalen Station zu erreichen. Aus Sicht der Beklagten war die Behandlung des V in diesem Sinne unwirtschaftlich, da sie Behandlung auf der Stroke Unit nur unter dem strengen Maßstab eines Hochrisikopatienten als notwendig ansieht, in der Stroke Unit also eine Art Intensivstation ansieht.
Die "Stroke Unit" soll jedoch keine Intensivstation sein (vgl. etwa die Nr. 1 der obigen DIMDI-FAQ, welche sich mit der Anrechnung der Zeiten auf einer "echten" Intensivstation beschäftigt). Es handelt sich vielmehr um eine Kombination aus prophylaktischer Überwachung mit einer aktiven Behandlung zur Minderung oder Beseitigung der Schlaganfallfolgen (als "Frühreha") auf einer hierzu spezialisierten Station. Die Überwachung dient demgemäß nicht nur der Verhinderung erneuter Schlaganfälle ("Primärprophylaxe") sondern auch der "Sekundärprophylaxe", etwa zum Erkennen von Herzrhythmusstörungen. Davon ist auch der Sachverständige Dr. D ausgegangen, der hierzu nur eine ausreichende Dokumentation vermisst hat.
Dieser hat zur Notwendigkeit der Behandlung nur auf die angeblich auch vom MDK verwendete Leitlinie der Fachgesellschaft für Neurologie rekurriert, die eine Verweildauer von länger als 72 Stunden nur bei einem flukturierenden Verlauf vorliege. Er hat sich damit offenbar auf den bereits erwähnten Kodierleitfaden bezogen, der sich aber nur mit der Definition des akuten Schlaganfalls als Aufnahmediagnose beschäftigt.
Der Sachverständige N hat hingegen aus Sicht des hiesigen Senats nachvollziehbar ausgeführt, es habe im Jahr 2009 und bis heute noch keinen klaren schriftlichen Standard gegeben, der regele, welche Patienten bis zu 72 Stunden und welche über diesen Zeitraum hinaus auf einer Stroke Unit multiprofessionell überwacht und behandelt werden sollten. Es gebe zahlreiche Gründe für eine Regelungslücke, weil die medizinische Situation grundsätzlich zu komplex sei, um hier eine klare Regelung mittels eines Kataloges zu schaffen.
Innerhalb der Fachgesellschaft der Deutschen Schlaganfallgesellschaft und der Stroke Unit Betreiber bestehe jedoch weitgehend Einigkeit darüber, dass fünf Dimensionen zur Festlegung der optimalen Behandlungsdauer herangezogen werden sollten:
1. der Klinische Befund bei der Aufnahme, 2. das Ausmaß und Lokalisation der Gewebeschädigung, 3. überwachungspflichtige Vitalparameter, 4. das Ausmaß der Vor- und Begleitkrankheiten als Risikoindikatoren und 5. Erkenntnisse aus dem weiteren Behandlungsverlauf.
Er hat ausgeführt, ein verlängerter Behandlungsbedarf ergebe sich einerseits, wenn sich in einer der fünf Bewertungsdimensionen eine schwere Auffälligkeit zeige und eine klare Hochrisikosituation daraus abzuleiten sei. Viel häufiger sei jedoch andererseits, dass erst aus der Zusammenschau der einzelnen Dimensionen ein verlängerter Überwachungs- und Behandlungsbedarf abzuleiten sei. Er hat ferner darauf hingewiesen, dass in der Praxis die Belegung häufig nicht anhand dieser Faktoren erfolge, sondern in den allermeisten Fällen aufgrund des Aufnahmedruckes durch neu aufgenommene Patienten. Beim V sei das Ausmaß der klinisch-neurologischen Defizite zum Zeitpunkt des Schlaganfallbeginns als mittelgradig zu bezeichnen (Kriterium klinischer Befund bei Aufnahme). Das Kriterium Ausmaß und Lokalisation der Gewebeschädigungen zeige keine Auffälligkeit. Auch überwachungspflichtige Vitalparameter hätten bei V keine bedrohlichen Entgleisungen gezeigt. Hinsichtlich des Kriteriums Nr. vier (Ausmaß der Vor- und Begleitkrankheiten als Risikoindikatoren) lägen bei dem V. fünf cerebro-vaskuläre Risikofaktoren vor (Diabetes mellitus Typ II, arterieller Hypertonus, Zustand nach Herzinfarktereignis und mit Stent Einlage, Herzrhythmusstörungen sowie mittelschwere Adipositas). Aus Sicht des Gutachters komme dem starken Übergewicht, insbesondere vor dem Hintergrund der Gangunsicherheit, besondere Beachtung zu, da hieraus eine besonders erhöhte Sturzgefahr resultiere. Zum fünften Kriterium (Erkenntnisse aus dem weiteren Behandlungsverlauf) stellen die initial leichtgradigen, klinischen Fluktuationen (der neurologischen Defizite), die begleitende depressive Stimmungslage in Zusammenschau mit der sukzessiven Stabilisierung und kontinuierlichen Befundverbesserung eine optionale Indikation dar. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, dass aus neuromedizinischer Sicht weder einer der fünf Einzelparameter allein, noch gemeinsam eine Hochrisikosituation darstellten, so dass keine zwingende Indikation für eine verlängerte Komplextherapie vorgelegen habe. Hätte es also einen dringlicheren Neuaufnahmefall gegeben, hätte der V schon ohne Lebensgefahr vor Ablauf der 72 Stunden verlegt werden können. Sein Gesundheitszustand war aus seiner Sicht hat jedoch in der Zusammenschau der Dimensionen, dergestalt, dass aufgrund einerseits einer erhöhten Risikosituation und andererseits eines intensiven Behandlungsbedarf eine Behandlung auf der Stroke Unit anstelle einer normalen Station objektiv gerechtfertigt war.
Diese Ausführungen hält der Senat für nachvollziehbar, schlüssig und überzeugend. Er sieht auch keine Anhaltspunkte, dass der Sachverständige parteilich sein könnte. Dieser kritisiert vielmehr deutlich die Dokumentation durch die Klägerin und gelangt zu einem differenzierten Ergebnis.
Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandsentschädigung nach § 275 Abs. 1 c SGB V in Höhe von 300,00 Euro zu:
Nach der neuesten Rechtsprechung des BSG setzt die Überprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V eine Auffälligkeit der Abrechnung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V voraus, bei der die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen hat und dann, wenn es zu keiner Abrechnungsminderung kommt, ein Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung der Aufwandspauschale (§ 275 Abs. 1c S. 3 SGB V) besteht. Es bestehen solche Auffälligkeiten, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der Krankenkasse verwertbare Informationen Fragen nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die diese selbst aus sich heraus nicht ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK nicht beantworten kann (vgl. Urteil vom 1. Juli 2014 - B 1 KR 29/13 R , Rdnr. 21). Die Auffälligkeitsprüfung betrifft regelmäßig Fälle, in denen die Krankenkasse Zweifel daran haben kann, dass das Krankenhaus seine Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V) erbracht hat (BSG, a. a. O. Rdnr. 22). Soweit das Krankenhaus hingegen dem MDK lediglich im Rahmen der Abklärung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung entsprechend seinen bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten oder -pflichten die Möglichkeit eröffnet, die Behandlungsunterlagen einzusehen und/oder eine Krankenhausbegehung durchzuführen, findet § 275 Abs. 1c S 3 SGB V keine Anwendung. Das Krankenhaus hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale, wenn der sachlich-rechnerische Prüfvorgang nicht zu einer Rechnungsminderung führt. Denn dann handelt sich nicht um eine Auffälligkeitsprüfung, sondern um eine Mitwirkung des MDK zugunsten des beweisbelasteten Krankenhauses, um diesem die Möglichkeit zu eröffnen, seinen aus § 301 SGB V abzuleitenden Informationsobliegenheiten bzw. eventuellen aus Landesverträgen folgenden Auskunfts- und Mitteilungspflichten zu entsprechen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Krankenkasse sachlich-rechnerische Auffälligkeiten zum Anlass nimmt, von sich aus gezielt eine Auffälligkeitsprüfung einzuleiten (BSG, a. a. O. Rdnr. 23).
Hier hat eine Auffälligkeitsprüfung stattgefunden. Der Prüfauftrag am 27. Januar 2010 an den MDK lautete hier:
"DTA Frage 13: Ist/sind die Prozedur(en) korrekt? Detailfrage: I Kodierprüfung: OPS 0203"
Die Beklagte hatte von Anfang an den Verdacht, dass die Voraussetzungen einer neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalles nicht vorgelegen haben könnten.
Der MDK hat dies ausweislich seines Mitteilungsschreibens an das Krankenhaus auch so verstanden und dieses als Prüfanzeige gemäß § 275 Abs. 1 c SGB V bezeichnet. Für eine "Prüfung zu Art und Umfang der Leistung/ordnungsgemäßen Abrechnung".
Die Klägerin hat auf die Anforderung der Prüfanzeige hin die Unterlagen eingereicht und etwa dem MDK in Erfüllung anderer Obliegenheiten überlassen.
Es ist hier damit von der Variante auszugehen, dass die Krankenkasse Zweifel hatte, dass das Krankenhaus der Klägerin seine Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes erbracht habe. Der Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 300,00 Euro ergibt sich insoweit aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 24/14 R , juris-Rdnr. 14 f.). Der Zinsanspruch für die Forderung selbst folgt aus § 18 Abs. 4 und 5 des hier einschlägigen Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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