Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 513/15 KL ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens, das sich gegen die Festlegung eines Erstattungsbetrages i.S.v. § 130b Abs. 3 SGB V durch die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V richtet, kann die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Schiedsspruch nur so weit angeordnet werden, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache der höchste rechtlich denkbare Erstattungsbetrag zu gelten hat.
Die aufschiebende Wirkung der Klage (L 9 KR 514/15 KL) gegen den Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom 3. November 2015 wird angeordnet, soweit die Antragsgegnerin darin einen Erstattungsbetrag von weniger als 0,7256 Euro je Bezugsgröße festgesetzt hat; im Übrigen wird der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zurückgewiesen. Antragstellerin und Antragsgegnerin tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte; die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 1.250.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Schiedsspruch der Antragsgegnerin, der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V).
Die Antragstellerin brachte als pharmazeutische Unternehmerin erstmalig am 1. Juni 2014 das Arzneimittel Betmiga (Wirkstoff: Mirabegron, Wirkstärke 50 mg) in Deutschland in den Verkehr. Betmiga verfügt seit Dezember 2012 über eine europaweite arzneimittelrechtliche Zulassung der European Medicines Agency (EMA) für die Anwendungsgebiete "symptomatische Therapie von imperativem Harndrang, erhöhte Miktionsfrequenz und/oder Dranginkontinenz, die bei Erwachsenen mit überaktiver Blase (OAB, overactive bladder) auftreten können."
Durch Beschluss vom 20. November 2014 hat der Beigeladene zu 2., der Gemeinsame Bundesausschuss, auf der Grundlage von § 35a SGB V den Nutzen des Wirkstoffs Mirabegron bewertet und entschieden, dass ein Zusatznutzen von Mirabegron im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie nicht belegt sei. In seinem Beschluss hat der Beigeladene zu 2. die Jahrestherapiekosten pro Patient (Apothekenverkaufspreis nach Abzug gesetzlich vorgeschriebener Rabatte [AVP netto]) für Mirabegron bzw. für die zweckmäßige Vergleichstherapie wie folgt beziffert:
Mirabegron 633,53 Euro Darifenacin 591,15 Euro – 680,28 Euro Fesoterodin 580,17 Euro – 632,47 Euro Propiverin 349,06 Euro – 523,59 Euro Solifenacin 582,09 Euro – 669,33 Euro Tolterodin 349,92 Euro Trospiumchlorid 196,19 Euro – 372,59 Euro
Die Angabe der Jahrestherapiekosten in Preisspannen ist darauf zurückzuführen, dass die einzelnen Arzneimittel in verschiedenen und unterschiedlich bepreisten Wirkstärken vertrieben werden, so etwa Trospiumchlorid in den Wirkstärken 20 mg, 30 mg und 45 mg bzw. mit unterschiedlichen Tagesdosierungen zugelassen sind und angewendet werden, zum Beispiel Trospiumchlorid mit 30 mg pro Tag (zweimal täglich eine halbe Tablette à 30 mg), mit 40 mg pro Tag (zweimal täglich eine Tablette à 20 mg) bzw. mit 45 mg pro Tag (dreimal täglich eine drittel Tablette à 45 mg).
Hierauf haben die Antragstellerin und der Beigeladene zu 1., der GKV-Spitzen-verband, von Januar bis April 2015 Verhandlungen nach § 130b Abs. 1 SGB V über den von den Krankenkassen für das Arzneimittel zu übernehmenden Erstattungsbetrag geführt. Eine Einigung über die Höhe des Erstattungsbetrages kam nicht zustande, weil Antragstellerin und Beigeladener zu 1. unterschiedliche Auffassungen zur Berechnung der Jahrestherapiekosten für Trospiumchlorid vertraten. Am 20. Mai 2015 rief der Beigeladene zu 1. die Antragsgegnerin an und beantragte, die streitig gebliebenen Vertragsinhalte (die Höhe des Erstattungsbetrages) durch Schiedsspruch festzusetzen.
Weil sie ihre Preisvorstellungen für Betmiga bis dahin nicht durchsetzen konnte, stellte die Antragstellerin den Vertrieb des Arzneimittels in Deutschland zum 1. Juni 2015 ein, um zu verhindern, dass in der Lauer-Taxe als öffentlich zugänglicher Referenzquelle ein aus ihrer Sicht zu niedriger Abgabepreis gelistet werde, der europaweit eine Preisspirale nach unten in Gang setzen könne.
In dem Schiedsverfahren beantragte der Beigeladene zu 1. die Festsetzung eines Erstattungsbetrages von 0,3827 Euro je Bezugsgröße. Hierfür legte er Trospiumchlorid in einer Dosierung von 30 mg als wirtschaftlichste zweckmäßige Vergleichstherapie zugrunde (Tagesdosierung: zweimal täglich eine halbe Tablette à 30 mg, mithin 365 Tabletten pro Jahr). In dieser Dosierung werde Trospiumchlorid am häufigsten abgegeben, nämlich – auf Grundlage der Daten nach § 217f SGB V – in 63 Prozent aller Fälle; sechs Prozent der Patienten erhielten Trospiumchlorid 20 mg, 31 Prozent Trospiumchlorid 45 mg. Nach Abzug des Netto-Herstellerabschlags ergäben sich Jahrestherapiekosten von 131,47 Euro und damit für Betmiga ein Erstattungsbetrag von 0,3827 Euro je Bezugsgröße (= eine tägliche Dosis Mirabegron).
Auf der anderen Seite legte die Antragstellerin die vom DIMDI für Trospiumchlorid veröffentlichte Tagesdosis (DDD) von 40 mg als maßgebliche Dosierung zugrunde (Tagesdosierung: zweimal täglich eine Tablette à 20 mg, mithin 730 Tabletten pro Jahr) und ermittelte so Jahrestherapiekosten von 372,59 Euro (AVP netto vor Abzug des Netto-Herstellerabschlags) bzw. unter Berücksichtigung eines Rabatts von drei Prozent einen Erstattungsbetrag in Höhe von 0,7550 Euro je Bezugsgröße. Dieser Erstattungsbetrag liege schon weit unter dem tatsächlichen Abgabepreis in allen anderen europäischen Ländern. Eine Wiederaufnahme des Vertriebs sei ausgeschlossen, wenn der Erstattungsbetrag deutlich unter dem Wert von 0,7550 Euro liege. Hilfsweise beantragte die Antragstellerin im Schiedsverfahren die Festlegung des Erstattungsbetrages auf 0,7256 Euro je Bezugsgröße, orientiert an den Jahrestherapiekosten für Tolterodin (349,92 Euro).
Nach Verhandlung am 3. November 2015 und mit Schiedsspruch vom selben Tage hat die Antragsgegnerin den Erstattungsbetrag für das Arzneimittel Mirabegron ab dem 1. Juni 2015 je Bezugsgröße auf 0,5510 Euro festgesetzt und die in der Vereinbarung nach § 130b Abs. 1 SGB V zwischen der Antragstellerin und dem Beigeladenen zu 1. bislang nicht konsentieren Tabellen entsprechend befüllt. Zur Begründung heißt es in dem Schiedsspruch:
"Die Schiedsstelle erachtet beide Herleitungen der Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie für gut begründbar. Sowohl die Betrachtung der Verordnungshäufigkeiten (Ansatz des Spitzenverbandes Bund) als auch die Betrachtung der vom DIMDI veröffentlichten Tagesdosen (Ansatz von A) sind nach Auffassung der Schiedsstelle zumindest im vorliegenden Fall geeignete Anknüpfungspunkte für die Herleitung der Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Die Schiedsstelle hat es daher unter Würdigung des vorliegenden Falles für sinnvoll angesehen, zwischen beiden Ansätzen – auch im Sinne der Findung eines Interessenausgleichs – eine vermittelnde Position einzunehmen. Hierbei hat die Schiedsstelle es ohne präjudizierende Wirkung für sachgerecht angesehen, die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie auf einer Basis nach Abzug der gesetzlichen Rabatte zu berücksichtigen. Bei dieser Betrachtung belaufen sich die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie beim Ansatz des Spitzenverbandes Bund auf 131,37 Euro und beim Ansatz von A auf 247,07 Euro. Im um Interessenausgleich bemühten, die Sachgerechtigkeit beider Ansätze berücksichtigenden Schiedsspruch wird – ohne präjudizierende Wirkung und unter Berücksichtigung der jeweils vorzunehmenden Würdigung des Einzelfalles – von Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie von 189,28 Euro ausgegangen, also einem etwa in der Mitte der beiden Ansätze liegenden Betrag. Dieser Betrag stellt in den Erwägungen der Schiedsstelle damit auch die Obergrenze der Jahrestherapiekosten für Mirabegron dar. Wird der Erstattungsbetrag für Mirabegron so festgesetzt, dass damit die Obergrenze ausgeschöpft wird, ergibt sich der im Schiedsspruch festgesetzte Betrag für die Bezugsgröße in Höhe von 0,5510 Euro."
Am 30. November 2015 hat die Antragstellerin Klage gegen den Schiedsspruch erhoben (L 9 KR 514/15 KL) und zugleich das vorliegende Eilverfahren mit dem Ziel angestrengt, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu erreichen.
Zur Begründung ihres Eilantrages führt die Antragstellerin im Wesentlichen an: Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Schiedsspruchs sei ohnehin sehr gering, weil den Krankenkassen selbst dann keine Mehrkosten entstünden, wenn der Senat die aufschiebende Wirkung der Klage anordne, diese aber am Ende ohne Erfolg bleibe, denn in diesem Fall müsse sie den Krankenkassen die aus einem etwaigen Vertrieb von Mirabegron entstehenden Mehrkosten auf der Grundlage von § 130b Abs. 4 Satz 3 SGB V erstatten. Ein Rechtsschutzbedürfnisfür den Eilantrag bestehe schon deshalb, weil ihr - der Antragstellerin - "erst durch die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage ermöglicht (werde), das Fertigarzneimittel Betmiga in Deutschland möglichst bald wieder vertreiben zu können". Diesem Vertrieb stehe derzeit der durch den angegriffenen Schiedsspruch festgesetzte und unvertretbar niedrige Erstattungsbetrag entgegen. Mit der Einstellung des Vertriebs in Deutschland habe man verhindern wollen, dass in der international referenzierbaren Lauer-Taxe ein wirtschaftlich schädigender Erstattungsbetrag veröffentlich werde. Ihre – der Antragstellerin - gerichtlichen Bemühungen dienten einzig dem Ziel, Betmiga möglichst bald wieder in dem wichtigen Markt Deutschland vertreiben zu können. Sobald für einen absehbaren Zeitraum sichergestellt sei, dass in der Lauer-Taxe ein Abgabepreis veröffentlicht werden könne, der das europäische Preisband nicht signifikant unterschreite, werde sie Betmiga in Deutschland schnellstmöglich wieder vertreiben. Das Risiko etwaiger späterer Verpflichtungen zur Erstattung der Kostendifferenz zwischen dem Abgabepreis und einem rückwirkend geltenden niedrigeren Erstattungsbetrag werde hierfür in Kauf genommen. Um einen kurzfristigen Vertriebsstart bewirken zu können, seien für Betmiga bereits vorbeugend bei der IFA GmbH neue Pharmazentralnummern beantragt worden.
Davon abgesehen sei der Schiedsspruch schon deswegen rechtswidrig, weil der Vorsitzende der Schiedsstelle zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Entscheidung zwingend mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder getroffen werden müsse. Dies verkenne § 8 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung über die Schiedsstelle für Arzneimittelversorgung und die Arzneimittelabrechnung (Schiedsstellenverordnung) bzw. § 19 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V, wonach die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gebe, sofern sich keine Mehrheit ergebe. Auf dieser Grundlage müsse der Vorsitzende der Schiedsstelle in einem Fall wie dem vorliegenden keine der Parteien mit ins Boot holen, sondern dürfe seinen Schiedsspruch auch gegen den Willen beider Parteien durchsetzen. Hätte der Vorsitzende der Antragsgegnerin dies berücksichtigt, wäre der Schiedsspruch möglicher Weise anders ausgefallen. Außerdem leide der Schiedsspruch unter einem gravierenden Begründungsmangel, weil ihm nicht zu entnehmen sei, warum ihren – der Antragstellerin - Argumenten nicht gefolgt werde, insbesondere warum trotz ihres intensiven Vorbringens auch die Auffassung des Beigeladenen zu 1. "gut begründbar" sei. Nach wie vor bestünden nämlich erhebliche Bedenken gegen die Berechnungsmethode des Beigeladenen zu 1., weil von der Verordnungshäufigkeit von Trospiumchlorid 30 mg nicht auf die Versorgungsrealität geschlossen werden dürfe, denn es seien Stückelungsmöglichkeiten von 15 mg, 30 mg, 45 mg und 60 mg denkbar. Zudem sei ohne jegliche Begründung auf die von ihr im Schiedsverfahren vorgebrachten anderen Gesichtspunkte – etwa: Niveau der europäischen Preise für Mirabegron, Kosten vergleichbarer Arzneimittel, Bedeutung von Mirabegron als Versorgungsalternative – nicht weiter eingegangen worden.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage (L 9 KR 514/15 KL) gegen den Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom 3. November 2015 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Eilantrag zurückzuweisen,
und verteidigt den angegriffenen Schiedsspruch als rechtmäßig. Er sei ordnungsgemäß zustande gekommen, weil im Rahmen der Abstimmung die Stimme des Vorsitzenden nur dann den Ausschlag gebe, wenn – anders als hier – Stimmengleichheit bestehe. Die ureigene Aufgabe des Vorsitzenden der Schiedsstelle bestehe in dem Bemühen um eine tragfähige Mehrheitsentscheidung. Eine Letztentscheidungskompetenz habe der Vorsitzende dann nicht, wenn – wie hier – eine ungerade Anzahl von Mitgliedern die Schiedsstelle anwesend sei. Auch die Begründung des Schiedsspruchs sei beanstandungsfrei, denn sie müsse die Gründe für das Entscheidungsergebnis "wenigstens andeutungsweise" erkennen lassen (Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. März 2015, B 6 KA 9/14 R). Dem trage die schriftliche Begründung hinreichend Rechnung. Zu Recht sei der Standpunkt des Beigeladenen zu 1. für vertretbar gehalten worden, der auf Grundlage der Daten nach § 217f SGB V die Verordnungshäufigkeit der einzelnen Tagesdosierungen von Trospiumchlorid heranziehe. Letztlich habe man beiden Methoden der Berechnung der Jahrestherapiekosten durch Bildung eines Mittelwerts Rechnung getragen. Das bewege sich im Rahmen des Ihr - der Antragsgegnerin - zukommenden Entscheidungsspielraums. Anders als etwa bei der Festsetzung von Festbeträgen gebe es bei der Ermittlung eines Erstattungsbetrages keine gleichsam mathematische Genauigkeit. Der Schiedsspruch bilde die Versorgungsrealität hinreichend ab.
Der Beigeladene zu 1. stellt keinen Antrag und schließt sich im Wesentlichen dem Vorbringen der Antragsgegnerin an. Allerdings sei der Schiedsspruch auch seines Erachtens insoweit nicht hinreichend begründet, als nicht nachvollziehbar werde, warum ein Betrag in der Mitte zwischen zwei auf verschiedenen Wegen ermittelten Obergrenzen festgesetzt worden sei. Dem Schiedsspruch könne nicht entnommen werden, wie er unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben zu einem korrekten Erstattungsbetrag gekommen sei. Unabhängig davon sei die von ihm – dem Beigeladenen zu 1. – gewählte Berechnungsmethode beanstandungsfrei. Auf der Grundlage der vom Beigeladenen zu 2. einbezogenen Tagesdosierungen von Trospiumchlorid sei die wirtschaftlichste Tagesdosierung identifiziert worden. Bei der täglichen Gabe von 30 mg Trospiumchlorid handele es sich auch um eine nach der Fachinformation zugelassene Regeldosierung; zwar betrage die empfohlene Tagesdosierung 45 mg, doch könne die Tagesdosierung vom behandelnden Arzt nach Abwägung von individueller Wirksamkeit und Verträglichkeit auf 30 mg gesenkt werden. Dann sei die 30 mg-Dosis sogar vorzugswürdig. Die Versorgungsdaten bestätigten die hohe Bedeutung der 30 mg Tagesdosis; der 63-prozentige Anteil der 30 mg-Packung bilde auch die tatsächlichen Tagesdosierungen ab. Der von der Antragstellerin favorisierten Tagesdosis von 40 mg komme hingegen eine stark untergeordnete Bedeutung für die Versorgungsrealität zu (sechs Prozent). Im Falle eines Erfolges des Eilantrages und später gleichwohl eintretender Bestandskraft des angefochtenen Schiedsspruchs – also bei rechtskräftiger Abweisung der Klage – komme es zwar zu der in § 130b Abs. 4 Satz 3 SGB V vorgesehenen rückwirkenden Erstattungsfolge; ein Schaden verbleibe jedoch für die gesetzlich Versicherten aufgrund vorübergehend höherer Zuzahlungen; nicht kompensiert werde auch der Umstand, dass den Krankenkassen vorübergehend Mehrbelastungen durch (aufgrund höherer Abgabepreise) höhere Handelsspannen für Großhändler und Apotheken entstünden.
Der Beigeladene zu 2. stellt keinen Antrag.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
II.
A. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist erstinstanzlich zuständig nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil sich der Eilantrag gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 130b SGB V richtet. Die Streitsache ist als eine Angelegenheit des Krankenversicherungsrechts und damit als "Angelegenheit der Sozialversicherung" im Sinne der §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs. 1 SGG zu behandeln (siehe Abschnitt B II 2 b [5] des "zusammenfassenden Standpunktes des 1., 3. und 6 Senats des Bundessozialgerichts zu § 10 Abs. 2 SGG").
B. Der Eilantrag hat teilweise Erfolg.
I. Gegen seine Zulässigkeit bestehen keine Bedenken.
Der Eilantrag ist statthaft nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG in Verbindung mit § 130b Abs. 4 Satz 5 SGB V, denn die gegen den Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom 3. November 2015 erhobene Klage (L 9 KR 514/15 KL) entfaltet keine aufschiebende Wirkung, so dass im Wege vorläufigen Rechtsschutzes das Ziel verfolgt werden kann, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu erreichen.
Der Eilantrag ist auch im Übrigen zulässig. Als pharmazeutische Unternehmerin ist die Antragstellerin antragsbefugt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG analog). Sie verfügt auch über das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Denn zum einen ist die Klage in der Hauptsache nicht etwa offensichtlich unzulässig; ein vorheriges Widerspruchsverfahren findet nach § 130b Abs. 4 Satz 6 SGB V nicht statt; richtige Klageart ist eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 SGG, weil in der Festsetzung eines Erstattungsbetrags ein Verwaltungsakt nach § 31 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) liegt (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, K § 130b Rdnr 73; Baierl in jurisPK SGB V, 2. Aufl., § 130b Rdnr. 134f.). Zum anderen hat die Antragstellerin nachvollziehbar erklärt, dass das Eilverfahren ihr im Falle der Stattgabe tatsächlich einen relevanten rechtlichen Vorteil verschaffen kann: Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin den Vertrieb von Betmiga in Deutschland zum 1. Juni 2015 eingestellt hat, konnten hieran Zweifel bestehen, denn es war nicht nachvollziehbar, warum die Antragstellerin noch Interesse an der Preisgestaltung für ein nicht mehr vertriebenes Arzneimittel haben sollte. Nach dem weiteren Vorbringen der Antragstellerin im Verfahren ist aber davon auszugehen, dass sie das Arzneimittel nach einem Erfolg im Eilverfahren unverzüglich wieder zu dem von ihr bestimmten Herstellerpreis in den Verkehr bringen will; erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens L 9 KR 514/15 KL wird sich dann zeigen, ob sie die Preisdifferenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Abgabepreis und dem von der Antragsgegnerin festgesetzten Erstattungsbetrag nach § 130b Abs. 4 Satz 3 SGB V auszugleichen haben wird.
II. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist teilweise begründet. An der Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs vom 3. November 2015 bestehen ernsthafte Bedenken, so dass es nicht bei der gesetzgeberisch in § 130b Abs. 4 Satz 5 SGB V angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit des Schiedsspruchs bleiben kann; das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Schiedsspruchs überwiegt (dazu unten 3.). Allerdings sieht der Senat einen Betrag von 0,7256 Euro je Bezugsgröße als zwingend zu beachtende rechtliche Höchstgrenze des Erstattungsbetrages für Mirabegron an, was insoweit auch im Beschlusstenor zum Ausdruck zu bringen war (dazu unten 4.).
1. Ein nach § 130b Abs. 4 SGB V ergangener Schiedsspruch unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit. Er stellt seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium dar. Insbesondere mit der paritätischen Zusammensetzung und dem Mehrheitsprinzip (vgl. § 130b Abs. 5 Satz 2 SGB V sowie die jeweils einschlägigen Regelungen in der Verordnung über die Schiedsstelle für Arzneimittelversorgung und die Arzneimittelabrechnung [Schiedsstellenverordnung] und in der Geschäftsordnung der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V [Geschäftsordnung]) ist bezweckt, die Fähigkeit dieses Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und zu einer sachgerechten Entscheidungsfindung zu nutzen.
Dieser spezifische Gestaltungsspielraum hat direkte Auswirkungen auf die gerichtliche Kontrolldichte: In formeller Hinsicht ist zu prüfen, ob die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V den von ihr zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und ihr Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsstelle den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, d.h. insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet hat, die auch für die Verfahrensbeteiligten gelten (zu den entwickelten Maßstäben für Schiedsentscheidungen vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 20/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26; Urteil vom 25. März 2015, B 6 KA 9/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 58; Urteil vom 13. November 2012, B 1 KR 27/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27; Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 P 3/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 69; Urteil vom 14. Dezember 2000, B 3 P 19/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22).
2. In formeller Hinsicht ist der angefochtene Schiedsspruch der Antragsgegnerin rechtlich beanstandungsfrei.
a) Einwendungen gegen den Weg der Schiedsstelle zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts hat die Antragstellerin nicht erhoben; Verfahrensfehler sind insoweit auch nicht erkennbar.
b) Einen Verfahrensfehler sieht die Antragstellerin indessen in einem unzutreffenden Verständnis des unparteiischen Vorsitzenden der Antragsgegnerin von den rechtlichen Rahmenbedingungen seiner Abstimmungsmacht bzw. seines Stimmgewichts; zu Unrecht sei er davon ausgegangen, dass die Entscheidung zwingend mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder getroffen werden müsse; vielmehr dürfe er seinen Schiedsspruch auch gegen den Willen beider Parteien durchsetzen. Dieser Sichtweise folgt der Senat nicht, denn sie findet eindeutig keine Grundlage in den maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen zur Verfahrensweise der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V. Der unparteiische Vorsitzende der Antragsgegnerin hat die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen für sein Amt daher zutreffend gehandhabt bzw. interpretiert. Er besitzt nicht etwa die Macht, einen Schiedsspruch gegen den Willen beider Parteien zu fällen. Das ergibt sich aus den in § 130b Abs. 5 Satz 2 SGB V, in der Schiedsstellenverordnung und – wort- und inhaltsgleich – in der Geschäftsordnung enthaltenen Regelungen zur Zusammensetzung der Schiedsstelle, zur Beratung und zur Beschlussfassung.
Die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern sowie aus jeweils zwei Vertretern der Vertragsparteien (§ 130b Abs. 5 Satz 2 SGB V), mithin aus einer ungeraden Anzahl von Mitgliedern. Sie ist beschlussfähig, wenn mindestens der unparteiische Vorsitzende und ein unparteiisches Mitglied und zwei weitere Mitglieder anwesend sind (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Schiedsstellenverordnung, § 18 Abs. 1 der Geschäftsordnung). Sie entscheidet "mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder" (§ 8 Abs. 1 Satz 2 der Schiedsstellenverordnung, § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung). "Ergibt sich keine Mehrheit, gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag" (§ 8 Abs. 1 Satz 4 der Schiedsstellenverordnung, § 19 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung). Der Systematik dieser Regelungen ist zu entnehmen, dass die Arbeit der Schiedsstelle vom demokratischen Mehrheitsprinzip geleitet ist und der unparteiische Vorsitzende im Falle einer Abstimmung über eine Stimme verfügt, die er bei – im Regelfall – insgesamt sieben abstimmenden Mitgliedern in die Waagschale werfen kann. Nur für den Fall, dass die Regelbesetzung von sieben Personen nicht gegeben ist und die Schiedsstelle mit einer geraden Anzahl von Mitgliedern entscheidet, sehen die zitierten Regelungen vor, dass die Stimme des unparteiischen Vorsitzenden den Ausschlag geben soll. Nicht ansatzweise kann den zitierten Regelungen die von der Antragstellerin gewünschte Aussage entnommen werden, dass der unparteiische Vorsitzende im Konfliktfall die Vertreter der Vertragsparteien gleichsam autoritär überstimmen kann. Der unparteiische Vorsitzende der Beklagten bzw. die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V als solche unterscheiden sich in Rolle und Funktion damit deutlich von der im SGB V auch verschiedentlich vorgesehenen (einzelnen) Schiedsperson, die mit der Kompetenz versehen ist, umstrittene Vertragsinhalte ohne maßgebliche Mitwirkung der Vertragsparteien eigenständig festzulegen (vgl. etwa § 39a Abs. 1 Satz 11; § 65c Abs. 6 Satz 8; § 73b Abs. 4a; § 110 Abs. 1 Satz 5; § 125 Abs. 1 Satz 5; § 132 Abs. 1 Satz 2; § 132d Abs. 1 Satz 3; § 211 Abs. 4 Satz 5). Die im vorliegenden Fall getroffene Mehrheitsentscheidung, bei der die Vertreter des Beigeladenen zu 1. zusammen mit den drei unparteiischen Mitgliedern der Schiedsstelle stimmten, ist daher verfahrensrechtlich einwandfrei.
c) Der angefochtene Schiedsspruch ist auch insoweit formell rechtmäßig, als er die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend niederlegt. Unerheblich ist insoweit, ob die Begründung die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet (dazu unten 3.); es kommt auf Ebene der formellen Rechtmäßigkeit nur darauf an, ob die schriftliche Fassung des Schiedsspruchs die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 25. März 2015, B 6 KA 9/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 58). Dies ist vorliegend uneingeschränkt zu bejahen, denn der klar zum Ausdruck gekommene Wille der Antragsgegnerin bestand darin, die beiden gleichermaßen für vertretbar gehaltenen Denkansätze der Vertragsparteien als Ausgangspunkt zu nehmen und den Erstattungsbetrag auf "einen etwa in der Mitte der beiden Ansätze liegenden Betrag" festzusetzen. Damit ist hinreichend dokumentiert, wovon die Antragsgegnerin sich bei ihrer Entscheidung hat leiten lassen.
3. Allerdings erweist der Schiedsspruch der Antragsgegnerin sich als materiell rechtswidrig, so dass es grundsätzlich nicht bei der gesetzgeberisch in § 130b Abs. 4 Satz 5 SGB V vorgegebenen Wertung seiner sofortigen Vollziehbarkeit bleiben kann. Die Antragsgegnerin hat mit ihrem offensichtlich um einen Kompromiss bemühten Schiedsspruch nämlich nicht die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet, die auch für die Verfahrensbeteiligten gelten.
a) Nach § 130b Abs. 3 SGB V ist für ein Arzneimittel, das – wie hier – nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 35a Abs. 3 SGB V keinen Zusatznutzen hat und keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden kann, ein Erstattungsbetrag zu vereinbaren, der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V bestimmte zweckmäßige Vergleichstherapie (Satz 1). Sind nach § 35a Absatz 1 Satz 7 SGB V mehrere Alternativen für die zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmt, darf der Erstattungsbetrag nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen als die wirtschaftlichste Alternative (Satz 2).
Die auch für die Antragsgegnerin verbindliche rechtliche Ausgangslage sieht also eine Festsetzung des Erstattungsbetrages auf dem Niveau der vom Beigeladenen zu 2. bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie vor; damit soll das von dem am1. Januar 2011 in Kraft getretenen Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) verfolgte Ziel erreicht werden, die Versorgung mit Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen zu angemessenen Kosten sicherzustellen; zu diesem Zweck soll über den Erstattungsbetrag bewirkt werden, dass neue Arzneimittel ohne Zusatznutzen keine Mehrkosten gegenüber der Vergleichstherapie entstehen lassen (Gesetzesbegründung vom 6. Juli 2010, BT-Drs. 17/2413, S. 31). Grundlegend ergibt sich dieses Erfordernis aus § 12 Abs. 1 SGB V; danach dürfen Krankenkassen keine Leistungen übernehmen, die unwirtschaftlich sind. Die Jahrestherapiekosten der Vergleichstherapie bil¬den jedoch nur eine rechtliche Obergrenze (vgl. dazu unten 4.); eine auch deutliche Unterschreitung dieser Linie ist gesetzlich somit nicht ausgeschlossen (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB, 03/15, § 130b SGB V, Rdnr. 55).
b) Da im Falle von Mirabegron durch den Beschluss des Beigeladenen zu 2. vom 20. November 2014 sechs Wirkstoffe als zweckmäßige Vergleichstherapie festgelegt worden sind, ist für die Höhe des Erstattungsbetrages auf die Jahrestherapiekosten der wirtschaftlichsten Alternative, hier grundsätzlich in Gestalt von Trospiumchlorid, abzustellen.
Insoweit sah der Beigeladene zu 2. sich in seinem Beschluss vom 20. November 2014 indessen nur in der Lage, für die Jahrestherapiekosten eine Kostenspanne von 196,19 Euro bis 372,59 Euro anzugeben, weil die Jahrestherapiekosten von Trospiumchlorid je nach Wirkstärke und Dosierung – wie weiter oben schon dargestellt – unterschiedlich ausfallen können.
Diese Ausgangsposition birgt insofern Streitpotential für die Vertragspartner, als es auf der Grundlage einer Kostenspanne verschiedene Methoden gibt, um die Jahres-therapiekosten der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie zu berechnen; das belegt der vorliegende Streit nachdrücklich.
Da sich aus dem Gesetz insoweit kein Anhaltspunkt ergibt, welche der im vorliegenden Verfahren diskutierten Methoden bei Ermittlung der Jahrestherapiekosten der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie zu verfolgen ist, sieht der Senat insoweit den Spitzenverband Bund der Krankenkassen – den Beigeladenen zu 1. – und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene in der Pflicht, in der Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V eine bestimmte Berechnungsmethode als allgemeinverbindlich zu definieren. Der Gesetzgeber hat hier nämlich eine Vorkehrung dafür getroffen, Methodenprobleme der vorliegenden Art in Gestalt einer Rahmenvereinbarung zu lösen: In der nach § 130b Abs. 9 Satz 1 SGB V von den genannten Verbänden zu treffenden Rahmenvereinbarung sollen Maßstäbe für Vereinbarungen nach § 130b Abs. 1 SGB V getroffen werden. Darin sind insbesondere Kriterien festzulegen, die neben dem Beschluss nach § 35a SGB V und den Vorgaben nach § 130b Abs. 1 SGB V zur Vereinbarung eines Erstattungsbetrags heranzuziehen sind (Satz 2). In der Rahmenvereinbarung ist auch das Nähere zu Inhalt, Form und Verfahren der jeweils erforderlichen Auswertung der Daten nach § 217f Absatz 7 SGB V und der Übermittlung der Auswertungsergebnisse an den pharmazeutischen Unternehmer sowie zur Aufteilung der entstehenden Kosten zu vereinbaren (Satz 4).
Der Senat sieht die Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V daher als den geeigneten Ort, um die maßgeblichen Kriterien für die Vereinbarung eines Erstattungsbetrags festzulegen, wozu ohne Weiteres auch eine Klärung der Frage zählen kann, wie zu verfahren ist, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss – wie hier – in seinem Beschluss zur Nutzenbewertung die Jahrestherapiekosten der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie mit einer Kostenspanne bezeichnet hat.
Sofern die Verbände eine Einigung über Details der Rahmenvereinbarung nicht treffen können, hat der Gesetzgeber in § 130b Abs. 9 Satz 5 SGB V einen Weg der Lösung vorgezeichnet: Dann setzen nämlich die unparteiischen Mitglieder der Schiedsstelle die Rahmenvereinbarung im Benehmen mit den Verbänden auf Antrag einer Vertragspartei fest.
c) Im Lichte der so zu verstehenden Gesetzeslage und angesichts des Fehlens einer Antwort auf das Methodenproblem in der Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V hat die Antragsgegnerin ihren Schiedsspruch vom 3. November 2015 in Verkennung der rechtlichen Vorgaben getroffen. Diese sehen nämlich kein freies Aushandeln des Erstattungsbetrages nach § 130 b SGB V vor, sondern orientieren ihn an den Kosten der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie als rechtliche Ober¬grenze.
Der Schiedsspruch der Antragsgegnerin kann schon deshalb nicht materiell rechtmäßig sein, weil er den Weg eines freien Kompromisses wählte, sich nicht für eine bestimmte Berechnungsmethode entschied und "einen etwa in der Mitte der beiden Ansätze liegenden Betrag" ansteuerte, was auch die Frage aufwirft, ob der Schiedsspruch gegen das Willkürverbot verstößt. Der angestrebte Kompromiss ist rechtswidrig, weil die Schiedsstelle in Zusammenhang mit der Festsetzung des Erstattungsbetrages nach § 130b SGB V keine freien Preisverhandlungen führt bzw. ersetzt, sondern das gesetzgeberisch vorgegebene Ziel der Kostendeckelung auf einen bestimmten Betrag verwirklichen muss. Dieser Betrag muss methodisch nachvollziehbar errechnet sein und darf nicht der Beliebigkeit einer 50:50-Entscheidung entspringen, die letztlich offen lässt, wie hoch die Kosten der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie sind.
4. All dies führt indessen nicht zu einer einschränkungslosen Suspendierung des angefochtenen Schiedsspruchs. Eine solche hätte zur Folge, dass die Antragstellerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache den höheren von ihr als pharmazeutischer Unternehmerin frei festgesetzten Abgabepreis aufrufen darf. Zwar sieht das Gesetz insoweit die bereits angesprochene Erstattungspflicht nach § 130b Abs. 4 Satz 3 SGB V vor, die darin besteht, dass die Preisdifferenz zwischen dem rechtskräftig festgelegten Erstattungsbetrag und dem tatsächlich gezahlten Abgabepreis nachträglich auszugleichen ist. Steht aber schon im Verfahren des Eilrechtsschutzes fest, dass der Erstattungsbetrag einen bestimmten Betrag aus rechtlichen Gründen nicht überschreiten darf, so ist dem mit der Entscheidung des Gerichts Rechnung zu tragen, denn es läge neben der Sache, einer Antragstellerin für die Übergangszeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache mehr zuzusprechen als sie am Ende aufgrund einer klaren rechtlichen Grenze höchstens beanspruchen kann (ähnlicher Rechtsgedanke: dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est). Mit anderen Worten: Ist schon im Verfahren des Eilrechtsschutzes ersichtlich, dass der Erstattungsbetrag eine bezifferbare Obergrenze nicht überschreiten darf, muss sich dies im Tenor der Eilentscheidung spiegeln. So liegt es hier:
Die Antragsgegnerin hätte beachten müssen, dass sie bei der Errechnung eines "etwa in der Mitte der beiden Ansätze liegenden Betrages" nicht auf den höchsten Wert der für Trospiumchlorid angegebenen Kostenspanne (372,59 Euro) als Ausgangspunkt hätte abstellen dürfen, weil dieser über den wirtschaftlicheren Jahrestherapiekosten für Tolterodin (349,92 Euro) liegt. Der obere Spannenwert für Trospiumchlorid kann unter gar keinen Umständen die Kosten der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie darstellen. Daher ist die Antragsgegnerin bei Berechnung ihres Kompromisswertes von einer rechtlich nicht tragfähigen Prämisse ausgegangen. Die zwingende rechtliche Obergrenze für einen von der Antragsgegnerin festzulegenden Erstattungsbetrag muss sich vielmehr an den Jahrestherapiekosten für Tolterodin i.H.v. 349,92 Euro orientieren, woraus sich ein Erstattungsbetrag i.H.v. 0,7256 Euro je Bezugsgröße errechnet. Damit ist nicht entschieden, ob der an den Jahrestherapiekosten für Tolterodin i.H.v. 349,92 Euro orientierte Erstattungsbetrag auch nach rechtskräftiger Entscheidung in der Hauptsache als maßgeblich anzusehen sein wird oder ob nicht gegebenenfalls am Ende der Berechnungsmethode des Beigeladenen zu 1. zu folgen sein wird, die zu einem deutlich niedrigeren Erstattungsbetrag führt. Der Senat will den Wert von 0,7256 Euro je Bezugsgröße lediglich als strikte Kappungsgrenze verstanden sehen. Zugleich weist er aber darauf hin, dass die bei Festlegung des Erstattungsbetrages zu wählende Berechnungsmethode sich maßgeblich an der Versorgungsrealität zu orientieren haben wird, denn diese hatte der Gesetzgeber im Blick, als er den Erstattungsbetrag nach § 130b Abs. 3 SGB V an die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie knüpfte.
Der Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom 3. November 2015 ist daher zu suspendieren, soweit die Antragsgegnerin darin einen Erstattungsbetrag von weniger als 0,7256 Euro je Bezugsgröße festgesetzt hat; der Wert von 0,7256 Euro je Bezugsgröße fungiert damit bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache als vollziehbarer Erstattungsbetrag.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Weil die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben und somit kein Kostenrisiko eingegangen sind, wäre es unbillig, der unterlegenen Antragsgegnerin ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
D. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 4 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
E. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen einen Schiedsspruch der Antragsgegnerin, der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V).
Die Antragstellerin brachte als pharmazeutische Unternehmerin erstmalig am 1. Juni 2014 das Arzneimittel Betmiga (Wirkstoff: Mirabegron, Wirkstärke 50 mg) in Deutschland in den Verkehr. Betmiga verfügt seit Dezember 2012 über eine europaweite arzneimittelrechtliche Zulassung der European Medicines Agency (EMA) für die Anwendungsgebiete "symptomatische Therapie von imperativem Harndrang, erhöhte Miktionsfrequenz und/oder Dranginkontinenz, die bei Erwachsenen mit überaktiver Blase (OAB, overactive bladder) auftreten können."
Durch Beschluss vom 20. November 2014 hat der Beigeladene zu 2., der Gemeinsame Bundesausschuss, auf der Grundlage von § 35a SGB V den Nutzen des Wirkstoffs Mirabegron bewertet und entschieden, dass ein Zusatznutzen von Mirabegron im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie nicht belegt sei. In seinem Beschluss hat der Beigeladene zu 2. die Jahrestherapiekosten pro Patient (Apothekenverkaufspreis nach Abzug gesetzlich vorgeschriebener Rabatte [AVP netto]) für Mirabegron bzw. für die zweckmäßige Vergleichstherapie wie folgt beziffert:
Mirabegron 633,53 Euro Darifenacin 591,15 Euro – 680,28 Euro Fesoterodin 580,17 Euro – 632,47 Euro Propiverin 349,06 Euro – 523,59 Euro Solifenacin 582,09 Euro – 669,33 Euro Tolterodin 349,92 Euro Trospiumchlorid 196,19 Euro – 372,59 Euro
Die Angabe der Jahrestherapiekosten in Preisspannen ist darauf zurückzuführen, dass die einzelnen Arzneimittel in verschiedenen und unterschiedlich bepreisten Wirkstärken vertrieben werden, so etwa Trospiumchlorid in den Wirkstärken 20 mg, 30 mg und 45 mg bzw. mit unterschiedlichen Tagesdosierungen zugelassen sind und angewendet werden, zum Beispiel Trospiumchlorid mit 30 mg pro Tag (zweimal täglich eine halbe Tablette à 30 mg), mit 40 mg pro Tag (zweimal täglich eine Tablette à 20 mg) bzw. mit 45 mg pro Tag (dreimal täglich eine drittel Tablette à 45 mg).
Hierauf haben die Antragstellerin und der Beigeladene zu 1., der GKV-Spitzen-verband, von Januar bis April 2015 Verhandlungen nach § 130b Abs. 1 SGB V über den von den Krankenkassen für das Arzneimittel zu übernehmenden Erstattungsbetrag geführt. Eine Einigung über die Höhe des Erstattungsbetrages kam nicht zustande, weil Antragstellerin und Beigeladener zu 1. unterschiedliche Auffassungen zur Berechnung der Jahrestherapiekosten für Trospiumchlorid vertraten. Am 20. Mai 2015 rief der Beigeladene zu 1. die Antragsgegnerin an und beantragte, die streitig gebliebenen Vertragsinhalte (die Höhe des Erstattungsbetrages) durch Schiedsspruch festzusetzen.
Weil sie ihre Preisvorstellungen für Betmiga bis dahin nicht durchsetzen konnte, stellte die Antragstellerin den Vertrieb des Arzneimittels in Deutschland zum 1. Juni 2015 ein, um zu verhindern, dass in der Lauer-Taxe als öffentlich zugänglicher Referenzquelle ein aus ihrer Sicht zu niedriger Abgabepreis gelistet werde, der europaweit eine Preisspirale nach unten in Gang setzen könne.
In dem Schiedsverfahren beantragte der Beigeladene zu 1. die Festsetzung eines Erstattungsbetrages von 0,3827 Euro je Bezugsgröße. Hierfür legte er Trospiumchlorid in einer Dosierung von 30 mg als wirtschaftlichste zweckmäßige Vergleichstherapie zugrunde (Tagesdosierung: zweimal täglich eine halbe Tablette à 30 mg, mithin 365 Tabletten pro Jahr). In dieser Dosierung werde Trospiumchlorid am häufigsten abgegeben, nämlich – auf Grundlage der Daten nach § 217f SGB V – in 63 Prozent aller Fälle; sechs Prozent der Patienten erhielten Trospiumchlorid 20 mg, 31 Prozent Trospiumchlorid 45 mg. Nach Abzug des Netto-Herstellerabschlags ergäben sich Jahrestherapiekosten von 131,47 Euro und damit für Betmiga ein Erstattungsbetrag von 0,3827 Euro je Bezugsgröße (= eine tägliche Dosis Mirabegron).
Auf der anderen Seite legte die Antragstellerin die vom DIMDI für Trospiumchlorid veröffentlichte Tagesdosis (DDD) von 40 mg als maßgebliche Dosierung zugrunde (Tagesdosierung: zweimal täglich eine Tablette à 20 mg, mithin 730 Tabletten pro Jahr) und ermittelte so Jahrestherapiekosten von 372,59 Euro (AVP netto vor Abzug des Netto-Herstellerabschlags) bzw. unter Berücksichtigung eines Rabatts von drei Prozent einen Erstattungsbetrag in Höhe von 0,7550 Euro je Bezugsgröße. Dieser Erstattungsbetrag liege schon weit unter dem tatsächlichen Abgabepreis in allen anderen europäischen Ländern. Eine Wiederaufnahme des Vertriebs sei ausgeschlossen, wenn der Erstattungsbetrag deutlich unter dem Wert von 0,7550 Euro liege. Hilfsweise beantragte die Antragstellerin im Schiedsverfahren die Festlegung des Erstattungsbetrages auf 0,7256 Euro je Bezugsgröße, orientiert an den Jahrestherapiekosten für Tolterodin (349,92 Euro).
Nach Verhandlung am 3. November 2015 und mit Schiedsspruch vom selben Tage hat die Antragsgegnerin den Erstattungsbetrag für das Arzneimittel Mirabegron ab dem 1. Juni 2015 je Bezugsgröße auf 0,5510 Euro festgesetzt und die in der Vereinbarung nach § 130b Abs. 1 SGB V zwischen der Antragstellerin und dem Beigeladenen zu 1. bislang nicht konsentieren Tabellen entsprechend befüllt. Zur Begründung heißt es in dem Schiedsspruch:
"Die Schiedsstelle erachtet beide Herleitungen der Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie für gut begründbar. Sowohl die Betrachtung der Verordnungshäufigkeiten (Ansatz des Spitzenverbandes Bund) als auch die Betrachtung der vom DIMDI veröffentlichten Tagesdosen (Ansatz von A) sind nach Auffassung der Schiedsstelle zumindest im vorliegenden Fall geeignete Anknüpfungspunkte für die Herleitung der Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Die Schiedsstelle hat es daher unter Würdigung des vorliegenden Falles für sinnvoll angesehen, zwischen beiden Ansätzen – auch im Sinne der Findung eines Interessenausgleichs – eine vermittelnde Position einzunehmen. Hierbei hat die Schiedsstelle es ohne präjudizierende Wirkung für sachgerecht angesehen, die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie auf einer Basis nach Abzug der gesetzlichen Rabatte zu berücksichtigen. Bei dieser Betrachtung belaufen sich die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie beim Ansatz des Spitzenverbandes Bund auf 131,37 Euro und beim Ansatz von A auf 247,07 Euro. Im um Interessenausgleich bemühten, die Sachgerechtigkeit beider Ansätze berücksichtigenden Schiedsspruch wird – ohne präjudizierende Wirkung und unter Berücksichtigung der jeweils vorzunehmenden Würdigung des Einzelfalles – von Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie von 189,28 Euro ausgegangen, also einem etwa in der Mitte der beiden Ansätze liegenden Betrag. Dieser Betrag stellt in den Erwägungen der Schiedsstelle damit auch die Obergrenze der Jahrestherapiekosten für Mirabegron dar. Wird der Erstattungsbetrag für Mirabegron so festgesetzt, dass damit die Obergrenze ausgeschöpft wird, ergibt sich der im Schiedsspruch festgesetzte Betrag für die Bezugsgröße in Höhe von 0,5510 Euro."
Am 30. November 2015 hat die Antragstellerin Klage gegen den Schiedsspruch erhoben (L 9 KR 514/15 KL) und zugleich das vorliegende Eilverfahren mit dem Ziel angestrengt, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu erreichen.
Zur Begründung ihres Eilantrages führt die Antragstellerin im Wesentlichen an: Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Schiedsspruchs sei ohnehin sehr gering, weil den Krankenkassen selbst dann keine Mehrkosten entstünden, wenn der Senat die aufschiebende Wirkung der Klage anordne, diese aber am Ende ohne Erfolg bleibe, denn in diesem Fall müsse sie den Krankenkassen die aus einem etwaigen Vertrieb von Mirabegron entstehenden Mehrkosten auf der Grundlage von § 130b Abs. 4 Satz 3 SGB V erstatten. Ein Rechtsschutzbedürfnisfür den Eilantrag bestehe schon deshalb, weil ihr - der Antragstellerin - "erst durch die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage ermöglicht (werde), das Fertigarzneimittel Betmiga in Deutschland möglichst bald wieder vertreiben zu können". Diesem Vertrieb stehe derzeit der durch den angegriffenen Schiedsspruch festgesetzte und unvertretbar niedrige Erstattungsbetrag entgegen. Mit der Einstellung des Vertriebs in Deutschland habe man verhindern wollen, dass in der international referenzierbaren Lauer-Taxe ein wirtschaftlich schädigender Erstattungsbetrag veröffentlich werde. Ihre – der Antragstellerin - gerichtlichen Bemühungen dienten einzig dem Ziel, Betmiga möglichst bald wieder in dem wichtigen Markt Deutschland vertreiben zu können. Sobald für einen absehbaren Zeitraum sichergestellt sei, dass in der Lauer-Taxe ein Abgabepreis veröffentlicht werden könne, der das europäische Preisband nicht signifikant unterschreite, werde sie Betmiga in Deutschland schnellstmöglich wieder vertreiben. Das Risiko etwaiger späterer Verpflichtungen zur Erstattung der Kostendifferenz zwischen dem Abgabepreis und einem rückwirkend geltenden niedrigeren Erstattungsbetrag werde hierfür in Kauf genommen. Um einen kurzfristigen Vertriebsstart bewirken zu können, seien für Betmiga bereits vorbeugend bei der IFA GmbH neue Pharmazentralnummern beantragt worden.
Davon abgesehen sei der Schiedsspruch schon deswegen rechtswidrig, weil der Vorsitzende der Schiedsstelle zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass die Entscheidung zwingend mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder getroffen werden müsse. Dies verkenne § 8 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung über die Schiedsstelle für Arzneimittelversorgung und die Arzneimittelabrechnung (Schiedsstellenverordnung) bzw. § 19 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V, wonach die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gebe, sofern sich keine Mehrheit ergebe. Auf dieser Grundlage müsse der Vorsitzende der Schiedsstelle in einem Fall wie dem vorliegenden keine der Parteien mit ins Boot holen, sondern dürfe seinen Schiedsspruch auch gegen den Willen beider Parteien durchsetzen. Hätte der Vorsitzende der Antragsgegnerin dies berücksichtigt, wäre der Schiedsspruch möglicher Weise anders ausgefallen. Außerdem leide der Schiedsspruch unter einem gravierenden Begründungsmangel, weil ihm nicht zu entnehmen sei, warum ihren – der Antragstellerin - Argumenten nicht gefolgt werde, insbesondere warum trotz ihres intensiven Vorbringens auch die Auffassung des Beigeladenen zu 1. "gut begründbar" sei. Nach wie vor bestünden nämlich erhebliche Bedenken gegen die Berechnungsmethode des Beigeladenen zu 1., weil von der Verordnungshäufigkeit von Trospiumchlorid 30 mg nicht auf die Versorgungsrealität geschlossen werden dürfe, denn es seien Stückelungsmöglichkeiten von 15 mg, 30 mg, 45 mg und 60 mg denkbar. Zudem sei ohne jegliche Begründung auf die von ihr im Schiedsverfahren vorgebrachten anderen Gesichtspunkte – etwa: Niveau der europäischen Preise für Mirabegron, Kosten vergleichbarer Arzneimittel, Bedeutung von Mirabegron als Versorgungsalternative – nicht weiter eingegangen worden.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage (L 9 KR 514/15 KL) gegen den Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom 3. November 2015 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Eilantrag zurückzuweisen,
und verteidigt den angegriffenen Schiedsspruch als rechtmäßig. Er sei ordnungsgemäß zustande gekommen, weil im Rahmen der Abstimmung die Stimme des Vorsitzenden nur dann den Ausschlag gebe, wenn – anders als hier – Stimmengleichheit bestehe. Die ureigene Aufgabe des Vorsitzenden der Schiedsstelle bestehe in dem Bemühen um eine tragfähige Mehrheitsentscheidung. Eine Letztentscheidungskompetenz habe der Vorsitzende dann nicht, wenn – wie hier – eine ungerade Anzahl von Mitgliedern die Schiedsstelle anwesend sei. Auch die Begründung des Schiedsspruchs sei beanstandungsfrei, denn sie müsse die Gründe für das Entscheidungsergebnis "wenigstens andeutungsweise" erkennen lassen (Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 25. März 2015, B 6 KA 9/14 R). Dem trage die schriftliche Begründung hinreichend Rechnung. Zu Recht sei der Standpunkt des Beigeladenen zu 1. für vertretbar gehalten worden, der auf Grundlage der Daten nach § 217f SGB V die Verordnungshäufigkeit der einzelnen Tagesdosierungen von Trospiumchlorid heranziehe. Letztlich habe man beiden Methoden der Berechnung der Jahrestherapiekosten durch Bildung eines Mittelwerts Rechnung getragen. Das bewege sich im Rahmen des Ihr - der Antragsgegnerin - zukommenden Entscheidungsspielraums. Anders als etwa bei der Festsetzung von Festbeträgen gebe es bei der Ermittlung eines Erstattungsbetrages keine gleichsam mathematische Genauigkeit. Der Schiedsspruch bilde die Versorgungsrealität hinreichend ab.
Der Beigeladene zu 1. stellt keinen Antrag und schließt sich im Wesentlichen dem Vorbringen der Antragsgegnerin an. Allerdings sei der Schiedsspruch auch seines Erachtens insoweit nicht hinreichend begründet, als nicht nachvollziehbar werde, warum ein Betrag in der Mitte zwischen zwei auf verschiedenen Wegen ermittelten Obergrenzen festgesetzt worden sei. Dem Schiedsspruch könne nicht entnommen werden, wie er unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben zu einem korrekten Erstattungsbetrag gekommen sei. Unabhängig davon sei die von ihm – dem Beigeladenen zu 1. – gewählte Berechnungsmethode beanstandungsfrei. Auf der Grundlage der vom Beigeladenen zu 2. einbezogenen Tagesdosierungen von Trospiumchlorid sei die wirtschaftlichste Tagesdosierung identifiziert worden. Bei der täglichen Gabe von 30 mg Trospiumchlorid handele es sich auch um eine nach der Fachinformation zugelassene Regeldosierung; zwar betrage die empfohlene Tagesdosierung 45 mg, doch könne die Tagesdosierung vom behandelnden Arzt nach Abwägung von individueller Wirksamkeit und Verträglichkeit auf 30 mg gesenkt werden. Dann sei die 30 mg-Dosis sogar vorzugswürdig. Die Versorgungsdaten bestätigten die hohe Bedeutung der 30 mg Tagesdosis; der 63-prozentige Anteil der 30 mg-Packung bilde auch die tatsächlichen Tagesdosierungen ab. Der von der Antragstellerin favorisierten Tagesdosis von 40 mg komme hingegen eine stark untergeordnete Bedeutung für die Versorgungsrealität zu (sechs Prozent). Im Falle eines Erfolges des Eilantrages und später gleichwohl eintretender Bestandskraft des angefochtenen Schiedsspruchs – also bei rechtskräftiger Abweisung der Klage – komme es zwar zu der in § 130b Abs. 4 Satz 3 SGB V vorgesehenen rückwirkenden Erstattungsfolge; ein Schaden verbleibe jedoch für die gesetzlich Versicherten aufgrund vorübergehend höherer Zuzahlungen; nicht kompensiert werde auch der Umstand, dass den Krankenkassen vorübergehend Mehrbelastungen durch (aufgrund höherer Abgabepreise) höhere Handelsspannen für Großhändler und Apotheken entstünden.
Der Beigeladene zu 2. stellt keinen Antrag.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Antragsgegnerin Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
II.
A. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ist erstinstanzlich zuständig nach § 29 Abs. 4 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG), weil sich der Eilantrag gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 130b SGB V richtet. Die Streitsache ist als eine Angelegenheit des Krankenversicherungsrechts und damit als "Angelegenheit der Sozialversicherung" im Sinne der §§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 31 Abs. 1 SGG zu behandeln (siehe Abschnitt B II 2 b [5] des "zusammenfassenden Standpunktes des 1., 3. und 6 Senats des Bundessozialgerichts zu § 10 Abs. 2 SGG").
B. Der Eilantrag hat teilweise Erfolg.
I. Gegen seine Zulässigkeit bestehen keine Bedenken.
Der Eilantrag ist statthaft nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG in Verbindung mit § 130b Abs. 4 Satz 5 SGB V, denn die gegen den Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom 3. November 2015 erhobene Klage (L 9 KR 514/15 KL) entfaltet keine aufschiebende Wirkung, so dass im Wege vorläufigen Rechtsschutzes das Ziel verfolgt werden kann, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu erreichen.
Der Eilantrag ist auch im Übrigen zulässig. Als pharmazeutische Unternehmerin ist die Antragstellerin antragsbefugt (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG analog). Sie verfügt auch über das notwendige Rechtsschutzbedürfnis. Denn zum einen ist die Klage in der Hauptsache nicht etwa offensichtlich unzulässig; ein vorheriges Widerspruchsverfahren findet nach § 130b Abs. 4 Satz 6 SGB V nicht statt; richtige Klageart ist eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alternative 1 SGG, weil in der Festsetzung eines Erstattungsbetrags ein Verwaltungsakt nach § 31 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X) liegt (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, K § 130b Rdnr 73; Baierl in jurisPK SGB V, 2. Aufl., § 130b Rdnr. 134f.). Zum anderen hat die Antragstellerin nachvollziehbar erklärt, dass das Eilverfahren ihr im Falle der Stattgabe tatsächlich einen relevanten rechtlichen Vorteil verschaffen kann: Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin den Vertrieb von Betmiga in Deutschland zum 1. Juni 2015 eingestellt hat, konnten hieran Zweifel bestehen, denn es war nicht nachvollziehbar, warum die Antragstellerin noch Interesse an der Preisgestaltung für ein nicht mehr vertriebenes Arzneimittel haben sollte. Nach dem weiteren Vorbringen der Antragstellerin im Verfahren ist aber davon auszugehen, dass sie das Arzneimittel nach einem Erfolg im Eilverfahren unverzüglich wieder zu dem von ihr bestimmten Herstellerpreis in den Verkehr bringen will; erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens L 9 KR 514/15 KL wird sich dann zeigen, ob sie die Preisdifferenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Abgabepreis und dem von der Antragsgegnerin festgesetzten Erstattungsbetrag nach § 130b Abs. 4 Satz 3 SGB V auszugleichen haben wird.
II. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist teilweise begründet. An der Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs vom 3. November 2015 bestehen ernsthafte Bedenken, so dass es nicht bei der gesetzgeberisch in § 130b Abs. 4 Satz 5 SGB V angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit des Schiedsspruchs bleiben kann; das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Schiedsspruchs überwiegt (dazu unten 3.). Allerdings sieht der Senat einen Betrag von 0,7256 Euro je Bezugsgröße als zwingend zu beachtende rechtliche Höchstgrenze des Erstattungsbetrages für Mirabegron an, was insoweit auch im Beschlusstenor zum Ausdruck zu bringen war (dazu unten 4.).
1. Ein nach § 130b Abs. 4 SGB V ergangener Schiedsspruch unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit. Er stellt seiner Natur nach einen Interessenausgleich durch ein sachnahes und unabhängiges Gremium dar. Insbesondere mit der paritätischen Zusammensetzung und dem Mehrheitsprinzip (vgl. § 130b Abs. 5 Satz 2 SGB V sowie die jeweils einschlägigen Regelungen in der Verordnung über die Schiedsstelle für Arzneimittelversorgung und die Arzneimittelabrechnung [Schiedsstellenverordnung] und in der Geschäftsordnung der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V [Geschäftsordnung]) ist bezweckt, die Fähigkeit dieses Spruchkörpers zur vermittelnden Zusammenführung unterschiedlicher Interessen und zu einer sachgerechten Entscheidungsfindung zu nutzen.
Dieser spezifische Gestaltungsspielraum hat direkte Auswirkungen auf die gerichtliche Kontrolldichte: In formeller Hinsicht ist zu prüfen, ob die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V den von ihr zugrunde gelegten Sachverhalt in einem fairen Verfahren unter Wahrung des rechtlichen Gehörs ermittelt hat und ihr Schiedsspruch die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend erkennen lässt. Die inhaltliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der vom Schiedsspruch zugrunde gelegte Sachverhalt zutrifft und ob die Schiedsstelle den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum eingehalten, d.h. insbesondere die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet hat, die auch für die Verfahrensbeteiligten gelten (zu den entwickelten Maßstäben für Schiedsentscheidungen vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Mai 2015, B 6 KA 20/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 26; Urteil vom 25. März 2015, B 6 KA 9/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 58; Urteil vom 13. November 2012, B 1 KR 27/11 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27; Urteil vom 17. Dezember 2009, B 3 P 3/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 69; Urteil vom 14. Dezember 2000, B 3 P 19/00 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22).
2. In formeller Hinsicht ist der angefochtene Schiedsspruch der Antragsgegnerin rechtlich beanstandungsfrei.
a) Einwendungen gegen den Weg der Schiedsstelle zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts hat die Antragstellerin nicht erhoben; Verfahrensfehler sind insoweit auch nicht erkennbar.
b) Einen Verfahrensfehler sieht die Antragstellerin indessen in einem unzutreffenden Verständnis des unparteiischen Vorsitzenden der Antragsgegnerin von den rechtlichen Rahmenbedingungen seiner Abstimmungsmacht bzw. seines Stimmgewichts; zu Unrecht sei er davon ausgegangen, dass die Entscheidung zwingend mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder getroffen werden müsse; vielmehr dürfe er seinen Schiedsspruch auch gegen den Willen beider Parteien durchsetzen. Dieser Sichtweise folgt der Senat nicht, denn sie findet eindeutig keine Grundlage in den maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen zur Verfahrensweise der gemeinsamen Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V. Der unparteiische Vorsitzende der Antragsgegnerin hat die bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen für sein Amt daher zutreffend gehandhabt bzw. interpretiert. Er besitzt nicht etwa die Macht, einen Schiedsspruch gegen den Willen beider Parteien zu fällen. Das ergibt sich aus den in § 130b Abs. 5 Satz 2 SGB V, in der Schiedsstellenverordnung und – wort- und inhaltsgleich – in der Geschäftsordnung enthaltenen Regelungen zur Zusammensetzung der Schiedsstelle, zur Beratung und zur Beschlussfassung.
Die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden und zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern sowie aus jeweils zwei Vertretern der Vertragsparteien (§ 130b Abs. 5 Satz 2 SGB V), mithin aus einer ungeraden Anzahl von Mitgliedern. Sie ist beschlussfähig, wenn mindestens der unparteiische Vorsitzende und ein unparteiisches Mitglied und zwei weitere Mitglieder anwesend sind (§ 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Schiedsstellenverordnung, § 18 Abs. 1 der Geschäftsordnung). Sie entscheidet "mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder" (§ 8 Abs. 1 Satz 2 der Schiedsstellenverordnung, § 19 Abs. 1 der Geschäftsordnung). "Ergibt sich keine Mehrheit, gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag" (§ 8 Abs. 1 Satz 4 der Schiedsstellenverordnung, § 19 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung). Der Systematik dieser Regelungen ist zu entnehmen, dass die Arbeit der Schiedsstelle vom demokratischen Mehrheitsprinzip geleitet ist und der unparteiische Vorsitzende im Falle einer Abstimmung über eine Stimme verfügt, die er bei – im Regelfall – insgesamt sieben abstimmenden Mitgliedern in die Waagschale werfen kann. Nur für den Fall, dass die Regelbesetzung von sieben Personen nicht gegeben ist und die Schiedsstelle mit einer geraden Anzahl von Mitgliedern entscheidet, sehen die zitierten Regelungen vor, dass die Stimme des unparteiischen Vorsitzenden den Ausschlag geben soll. Nicht ansatzweise kann den zitierten Regelungen die von der Antragstellerin gewünschte Aussage entnommen werden, dass der unparteiische Vorsitzende im Konfliktfall die Vertreter der Vertragsparteien gleichsam autoritär überstimmen kann. Der unparteiische Vorsitzende der Beklagten bzw. die Schiedsstelle nach § 130b Abs. 5 SGB V als solche unterscheiden sich in Rolle und Funktion damit deutlich von der im SGB V auch verschiedentlich vorgesehenen (einzelnen) Schiedsperson, die mit der Kompetenz versehen ist, umstrittene Vertragsinhalte ohne maßgebliche Mitwirkung der Vertragsparteien eigenständig festzulegen (vgl. etwa § 39a Abs. 1 Satz 11; § 65c Abs. 6 Satz 8; § 73b Abs. 4a; § 110 Abs. 1 Satz 5; § 125 Abs. 1 Satz 5; § 132 Abs. 1 Satz 2; § 132d Abs. 1 Satz 3; § 211 Abs. 4 Satz 5). Die im vorliegenden Fall getroffene Mehrheitsentscheidung, bei der die Vertreter des Beigeladenen zu 1. zusammen mit den drei unparteiischen Mitgliedern der Schiedsstelle stimmten, ist daher verfahrensrechtlich einwandfrei.
c) Der angefochtene Schiedsspruch ist auch insoweit formell rechtmäßig, als er die Gründe für das Entscheidungsergebnis ausreichend niederlegt. Unerheblich ist insoweit, ob die Begründung die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet (dazu unten 3.); es kommt auf Ebene der formellen Rechtmäßigkeit nur darauf an, ob die schriftliche Fassung des Schiedsspruchs die Gründe für das Entscheidungsergebnis wenigstens andeutungsweise erkennen lässt (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 25. März 2015, B 6 KA 9/14 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 58). Dies ist vorliegend uneingeschränkt zu bejahen, denn der klar zum Ausdruck gekommene Wille der Antragsgegnerin bestand darin, die beiden gleichermaßen für vertretbar gehaltenen Denkansätze der Vertragsparteien als Ausgangspunkt zu nehmen und den Erstattungsbetrag auf "einen etwa in der Mitte der beiden Ansätze liegenden Betrag" festzusetzen. Damit ist hinreichend dokumentiert, wovon die Antragsgegnerin sich bei ihrer Entscheidung hat leiten lassen.
3. Allerdings erweist der Schiedsspruch der Antragsgegnerin sich als materiell rechtswidrig, so dass es grundsätzlich nicht bei der gesetzgeberisch in § 130b Abs. 4 Satz 5 SGB V vorgegebenen Wertung seiner sofortigen Vollziehbarkeit bleiben kann. Die Antragsgegnerin hat mit ihrem offensichtlich um einen Kompromiss bemühten Schiedsspruch nämlich nicht die maßgeblichen rechtlichen Vorgaben beachtet, die auch für die Verfahrensbeteiligten gelten.
a) Nach § 130b Abs. 3 SGB V ist für ein Arzneimittel, das – wie hier – nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 35a Abs. 3 SGB V keinen Zusatznutzen hat und keiner Festbetragsgruppe zugeordnet werden kann, ein Erstattungsbetrag zu vereinbaren, der nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führt als die nach § 35a Abs. 1 Satz 7 SGB V bestimmte zweckmäßige Vergleichstherapie (Satz 1). Sind nach § 35a Absatz 1 Satz 7 SGB V mehrere Alternativen für die zweckmäßige Vergleichstherapie bestimmt, darf der Erstattungsbetrag nicht zu höheren Jahrestherapiekosten führen als die wirtschaftlichste Alternative (Satz 2).
Die auch für die Antragsgegnerin verbindliche rechtliche Ausgangslage sieht also eine Festsetzung des Erstattungsbetrages auf dem Niveau der vom Beigeladenen zu 2. bestimmten zweckmäßigen Vergleichstherapie vor; damit soll das von dem am1. Januar 2011 in Kraft getretenen Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) verfolgte Ziel erreicht werden, die Versorgung mit Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen zu angemessenen Kosten sicherzustellen; zu diesem Zweck soll über den Erstattungsbetrag bewirkt werden, dass neue Arzneimittel ohne Zusatznutzen keine Mehrkosten gegenüber der Vergleichstherapie entstehen lassen (Gesetzesbegründung vom 6. Juli 2010, BT-Drs. 17/2413, S. 31). Grundlegend ergibt sich dieses Erfordernis aus § 12 Abs. 1 SGB V; danach dürfen Krankenkassen keine Leistungen übernehmen, die unwirtschaftlich sind. Die Jahrestherapiekosten der Vergleichstherapie bil¬den jedoch nur eine rechtliche Obergrenze (vgl. dazu unten 4.); eine auch deutliche Unterschreitung dieser Linie ist gesetzlich somit nicht ausgeschlossen (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB, 03/15, § 130b SGB V, Rdnr. 55).
b) Da im Falle von Mirabegron durch den Beschluss des Beigeladenen zu 2. vom 20. November 2014 sechs Wirkstoffe als zweckmäßige Vergleichstherapie festgelegt worden sind, ist für die Höhe des Erstattungsbetrages auf die Jahrestherapiekosten der wirtschaftlichsten Alternative, hier grundsätzlich in Gestalt von Trospiumchlorid, abzustellen.
Insoweit sah der Beigeladene zu 2. sich in seinem Beschluss vom 20. November 2014 indessen nur in der Lage, für die Jahrestherapiekosten eine Kostenspanne von 196,19 Euro bis 372,59 Euro anzugeben, weil die Jahrestherapiekosten von Trospiumchlorid je nach Wirkstärke und Dosierung – wie weiter oben schon dargestellt – unterschiedlich ausfallen können.
Diese Ausgangsposition birgt insofern Streitpotential für die Vertragspartner, als es auf der Grundlage einer Kostenspanne verschiedene Methoden gibt, um die Jahres-therapiekosten der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie zu berechnen; das belegt der vorliegende Streit nachdrücklich.
Da sich aus dem Gesetz insoweit kein Anhaltspunkt ergibt, welche der im vorliegenden Verfahren diskutierten Methoden bei Ermittlung der Jahrestherapiekosten der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie zu verfolgen ist, sieht der Senat insoweit den Spitzenverband Bund der Krankenkassen – den Beigeladenen zu 1. – und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildeten maßgeblichen Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer auf Bundesebene in der Pflicht, in der Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V eine bestimmte Berechnungsmethode als allgemeinverbindlich zu definieren. Der Gesetzgeber hat hier nämlich eine Vorkehrung dafür getroffen, Methodenprobleme der vorliegenden Art in Gestalt einer Rahmenvereinbarung zu lösen: In der nach § 130b Abs. 9 Satz 1 SGB V von den genannten Verbänden zu treffenden Rahmenvereinbarung sollen Maßstäbe für Vereinbarungen nach § 130b Abs. 1 SGB V getroffen werden. Darin sind insbesondere Kriterien festzulegen, die neben dem Beschluss nach § 35a SGB V und den Vorgaben nach § 130b Abs. 1 SGB V zur Vereinbarung eines Erstattungsbetrags heranzuziehen sind (Satz 2). In der Rahmenvereinbarung ist auch das Nähere zu Inhalt, Form und Verfahren der jeweils erforderlichen Auswertung der Daten nach § 217f Absatz 7 SGB V und der Übermittlung der Auswertungsergebnisse an den pharmazeutischen Unternehmer sowie zur Aufteilung der entstehenden Kosten zu vereinbaren (Satz 4).
Der Senat sieht die Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V daher als den geeigneten Ort, um die maßgeblichen Kriterien für die Vereinbarung eines Erstattungsbetrags festzulegen, wozu ohne Weiteres auch eine Klärung der Frage zählen kann, wie zu verfahren ist, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss – wie hier – in seinem Beschluss zur Nutzenbewertung die Jahrestherapiekosten der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie mit einer Kostenspanne bezeichnet hat.
Sofern die Verbände eine Einigung über Details der Rahmenvereinbarung nicht treffen können, hat der Gesetzgeber in § 130b Abs. 9 Satz 5 SGB V einen Weg der Lösung vorgezeichnet: Dann setzen nämlich die unparteiischen Mitglieder der Schiedsstelle die Rahmenvereinbarung im Benehmen mit den Verbänden auf Antrag einer Vertragspartei fest.
c) Im Lichte der so zu verstehenden Gesetzeslage und angesichts des Fehlens einer Antwort auf das Methodenproblem in der Rahmenvereinbarung nach § 130b Abs. 9 SGB V hat die Antragsgegnerin ihren Schiedsspruch vom 3. November 2015 in Verkennung der rechtlichen Vorgaben getroffen. Diese sehen nämlich kein freies Aushandeln des Erstattungsbetrages nach § 130 b SGB V vor, sondern orientieren ihn an den Kosten der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie als rechtliche Ober¬grenze.
Der Schiedsspruch der Antragsgegnerin kann schon deshalb nicht materiell rechtmäßig sein, weil er den Weg eines freien Kompromisses wählte, sich nicht für eine bestimmte Berechnungsmethode entschied und "einen etwa in der Mitte der beiden Ansätze liegenden Betrag" ansteuerte, was auch die Frage aufwirft, ob der Schiedsspruch gegen das Willkürverbot verstößt. Der angestrebte Kompromiss ist rechtswidrig, weil die Schiedsstelle in Zusammenhang mit der Festsetzung des Erstattungsbetrages nach § 130b SGB V keine freien Preisverhandlungen führt bzw. ersetzt, sondern das gesetzgeberisch vorgegebene Ziel der Kostendeckelung auf einen bestimmten Betrag verwirklichen muss. Dieser Betrag muss methodisch nachvollziehbar errechnet sein und darf nicht der Beliebigkeit einer 50:50-Entscheidung entspringen, die letztlich offen lässt, wie hoch die Kosten der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie sind.
4. All dies führt indessen nicht zu einer einschränkungslosen Suspendierung des angefochtenen Schiedsspruchs. Eine solche hätte zur Folge, dass die Antragstellerin bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache den höheren von ihr als pharmazeutischer Unternehmerin frei festgesetzten Abgabepreis aufrufen darf. Zwar sieht das Gesetz insoweit die bereits angesprochene Erstattungspflicht nach § 130b Abs. 4 Satz 3 SGB V vor, die darin besteht, dass die Preisdifferenz zwischen dem rechtskräftig festgelegten Erstattungsbetrag und dem tatsächlich gezahlten Abgabepreis nachträglich auszugleichen ist. Steht aber schon im Verfahren des Eilrechtsschutzes fest, dass der Erstattungsbetrag einen bestimmten Betrag aus rechtlichen Gründen nicht überschreiten darf, so ist dem mit der Entscheidung des Gerichts Rechnung zu tragen, denn es läge neben der Sache, einer Antragstellerin für die Übergangszeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache mehr zuzusprechen als sie am Ende aufgrund einer klaren rechtlichen Grenze höchstens beanspruchen kann (ähnlicher Rechtsgedanke: dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est). Mit anderen Worten: Ist schon im Verfahren des Eilrechtsschutzes ersichtlich, dass der Erstattungsbetrag eine bezifferbare Obergrenze nicht überschreiten darf, muss sich dies im Tenor der Eilentscheidung spiegeln. So liegt es hier:
Die Antragsgegnerin hätte beachten müssen, dass sie bei der Errechnung eines "etwa in der Mitte der beiden Ansätze liegenden Betrages" nicht auf den höchsten Wert der für Trospiumchlorid angegebenen Kostenspanne (372,59 Euro) als Ausgangspunkt hätte abstellen dürfen, weil dieser über den wirtschaftlicheren Jahrestherapiekosten für Tolterodin (349,92 Euro) liegt. Der obere Spannenwert für Trospiumchlorid kann unter gar keinen Umständen die Kosten der wirtschaftlichsten zweckmäßigen Vergleichstherapie darstellen. Daher ist die Antragsgegnerin bei Berechnung ihres Kompromisswertes von einer rechtlich nicht tragfähigen Prämisse ausgegangen. Die zwingende rechtliche Obergrenze für einen von der Antragsgegnerin festzulegenden Erstattungsbetrag muss sich vielmehr an den Jahrestherapiekosten für Tolterodin i.H.v. 349,92 Euro orientieren, woraus sich ein Erstattungsbetrag i.H.v. 0,7256 Euro je Bezugsgröße errechnet. Damit ist nicht entschieden, ob der an den Jahrestherapiekosten für Tolterodin i.H.v. 349,92 Euro orientierte Erstattungsbetrag auch nach rechtskräftiger Entscheidung in der Hauptsache als maßgeblich anzusehen sein wird oder ob nicht gegebenenfalls am Ende der Berechnungsmethode des Beigeladenen zu 1. zu folgen sein wird, die zu einem deutlich niedrigeren Erstattungsbetrag führt. Der Senat will den Wert von 0,7256 Euro je Bezugsgröße lediglich als strikte Kappungsgrenze verstanden sehen. Zugleich weist er aber darauf hin, dass die bei Festlegung des Erstattungsbetrages zu wählende Berechnungsmethode sich maßgeblich an der Versorgungsrealität zu orientieren haben wird, denn diese hatte der Gesetzgeber im Blick, als er den Erstattungsbetrag nach § 130b Abs. 3 SGB V an die Jahrestherapiekosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie knüpfte.
Der Schiedsspruch der Antragsgegnerin vom 3. November 2015 ist daher zu suspendieren, soweit die Antragsgegnerin darin einen Erstattungsbetrag von weniger als 0,7256 Euro je Bezugsgröße festgesetzt hat; der Wert von 0,7256 Euro je Bezugsgröße fungiert damit bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache als vollziehbarer Erstattungsbetrag.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Weil die Beigeladenen keine Anträge gestellt haben und somit kein Kostenrisiko eingegangen sind, wäre es unbillig, der unterlegenen Antragsgegnerin ihre außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
D. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 4 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
E. Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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