Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 23 R 619/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 488/16 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. Mai 2016 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung.
Der im Februar 1973 geborene Kläger, der eine abgeschlossene Ausbildung zum Industriekaufmann absolvierte, war zuletzt von April 2003 bis Februar 2014 als technischer Angestellter beschäftigt.
Den im Januar 2015 wegen Asthma, einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung, eines Lungenemphysems, einer Thrombose, einer Fettstoffwechselstörung, einer chronischen Anämie, eines verkleinerten Magens und einer Herzerkrankung gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte nach Einholung der Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. H vom 11. März 2015 und des Facharztes für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. G vom 20. Juli 2015 mit Bescheid vom 20. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2015 ab: Trotz eines Asthma bronchiale/einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung und einer koronaren Herzerkrankung könne der Kläger noch körperlich leichte Arbeiten mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten. Es habe zwar auch die Indikation für eine Alkoholentwöhnungsbehandlung bestanden, um die Erwerbsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern. Da jedoch eine positive Mitwirkung des Klägers an seiner Genesung (Teilnahme an einer Alkoholentwöhnungsbehandlung) gegenwärtig nicht zu erkennen sei, sei eine solche Behandlung zum gegenwärtigen Zeitpunkt bei noch nicht manifestierten höhergradigen Folgeschäden nicht zu empfehlen. Der Widerspruchsbescheid wurde am 6. November 2015 zur Post gegeben.
Dagegen hat der Kläger am 10. März 2016 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben.
Er hat vorgetragen, vom 22. November 2015 bis 11. Februar 2016 vorübergehend geschäftsunfähig gewesen zu sein. Aufgrund eines künstlichen Komas und Bewusstlosigkeit habe er nicht aktiv am Geschäftsleben teilnehmen können. Die Ablehnung habe er auch erst am 5. März 2016 lesen können, da er bis zu diesem Zeitpunkt stationär behandelt worden sei.
Ergänzend ist am 11. April 2016 die Bewilligung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beantragt worden. Der Kläger hat vorgetragen, er sei am Abend des 21. November 2015 kollabiert. Er sei in ein künstliches Koma versetzt worden und habe sich zunächst auf der Intensivstation befunden. Er sei noch eine weitere Woche bis zum 11. Januar 2016 auf einer Station für Inneres behandelt worden. Im Anschluss habe er sich vom 11. Januar 2016 bis zum 11. März 2016 in der B-Klinik in B befunden. Vom 14. März 2016 bis 30. März 2016 habe er sich erneut auf der Intensivstation des Unfallkrankenhauses B befunden und werde seit dem 30. März 2016 in der Evangelischen Lungenklinik in B- stationär behandelt. Aufgrund des komatösen Zustandes habe bei ihm zum Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheides eine aufgehobene Geschäftsfähigkeit bestanden. Aufgrund der beigefügten Krankenhausberichte dürfte glaubhaft gemacht sein, dass er die Klagefrist unverschuldet versäumt habe. Der Kläger sei aufgrund seiner Lungenerkrankung nicht in der Lage, dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden täglich zur Verfügung zu stehen. Dies werde durch die beigefügte Bescheinigung der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. W vom 16. Juni 2015 bestätigt. Der Kläger hat die Epikrise der B Klinik B-vom 4. März 2016, die Bestätigungen des Unfallkrankenhauses Berlin vom 26. März 2016 und der E B vom 30. März 2016 und die Vorsorgevollmacht des Klägers vom 3. Februar 2016 vorgelegt.
Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, die Klageerhebung sei nicht fristgerecht erfolgt. Über den Wiedereinsetzungsantrag habe das Gericht zu entscheiden.
Mit Beschluss vom 30. Mai 2016 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt: Die Klage sei bereits unzulässig, denn der Kläger habe die einmonatige Klagefrist des § 87 Sozialgerichtsgesetz (SGG) versäumt. Der Widerspruchsbescheid sei dem Kläger gemäß § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) am 9. November 2015 wirksam zugegangen. Wiedereinsetzung sei dem Kläger nicht zu gewähren. Er möge zwar ab 21. November 2015 nicht mehr in der Lage gewesen sein, seine Geschäfte selbst wahrzunehmen. Indessen habe er am 3. Februar 2016 seiner Mutter eine Vorsorgevollmacht erteilt, die eine Prozessvollmacht eingeschlossen habe. Zu diesem Zeitpunkt sei er nach dem auf der Vollmacht ersichtlichen Vermerk des Arztes Dr. N der B Klinik nach seiner gesundheitlichen Verfassung zur Vollmachterteilung in der Lage gewesen, was auch bedeute, dass er ab diesem Zeitpunkt entweder selbst in der Lage gewesen sei, die Klagerhebung nachzuholen oder seine Mutter damit im Rahmen ihrer Vollmacht zu beauftragen.
Gegen den seiner Prozessbevollmächtigten am 7. Juni 2016 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14. Juni 2016 eingelegte Beschwerde des Klägers.
Er weist darauf hin, dass er sich zum Ablauf der Klagefrist in einem geschäftsunfähigen Zustand befunden habe, so dass er daran gehindert gewesen sei, fristgerecht Klage zu erheben. Zum Zeitpunkt der Einrichtung der Vorsorgevollmacht am 3. Februar 2016 habe die Mutter des Klägers keine Kenntnis vom Widerspruchsbescheid gehabt. Sie habe daher zu diesem Zeitpunkt auch nicht Klage für den Kläger einreichen können. Der Kläger habe sich vom 11. Januar 2016 bis 11. März 2016 in der neurologischen Frührehabilitationsklinik befunden. Zwecks Erprobung habe er sich vom 4. bis 6. März 2016 allein zu Hause befunden. Während dieses Aufenthaltes habe er erstmals in einem wieder geschäftsfähigen Zustand Kenntnis vom Widerspruchsbescheid genommen und danach Klage eingereicht. Vor diesem Hintergrund habe die Frist zur Einreichung der Klage zwar zunächst zu laufen begonnen. Sie sei jedoch durch die zwischenzeitlich eingetretene Geschäftsunfähigkeit, welche erst am 6. März 2016 wieder aufgehoben worden sei, unterbrochen worden.
Der Kläger hat den Antrag auf Einrichtung einer Eilbetreuung des Unfallkrankenhauses Berlin vom 23. November 2015 nebst Beschluss des Amtsgerichts Lichtenberg vom 25. November 2015 – 52 F XVII 113/15 vorgelegt.
Die Beklagte hat die Entscheidung über die Beschwerde ins Ermessen des Gerichts gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Klage ist nicht fristgemäß erhoben worden und es ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist zu gewähren. Damit kann über den erhobenen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht inhaltlich entschieden werden, da Bestandskraft eingetreten ist.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig (§ 114 Abs. 2 ZPO) erscheint.
Hinreichende Erfolgsaussicht ist, soweit die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, anzunehmen, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Erfolgsprüfung der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Dies ist der Fall, wenn der Rechtsstandpunkt des Prozesskostenhilfe beantragenden Beteiligten für zutreffend oder zumindest für vertretbar gehalten werden kann und somit die Möglichkeit seines Obsiegens ebenso wahrscheinlich wie sein Unterliegen ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Auflage, § 73a Rdnrn. 7a und 7d). Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt ist, aber klärungsbedürftig ist, muss Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Ebenso gilt dies, wenn das Gericht von Rechtsprechung oder der herrschenden Meinung im Schrifttum abweichen will. Schließlich darf Prozesskostenhilfe nicht abgelehnt werden, wenn eine schwierige Rechtsfrage zu beantworten ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 73a Rdnr. 7b m. w. N.). Hinreichende Erfolgsaussicht ist im Übrigen, soweit die Entscheidung des Rechtsstreits von beweisbedürftigen Tatsachen abhängig ist, anzunehmen, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Erfolgsprüfung eine Beweiserhebung ernsthaft in Betracht kommt.
Bei summarischer Prüfung in tatsächlicher Hinsicht unter Zugrundelegung der maßgebenden Rechtsgrundlagen ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der geltend gemachte Anspruch zusteht, nicht zu bejahen.
Ob dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist, kann inhaltlich nicht überprüft werden, denn der Bescheid vom 20. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2015 ist bestandskräftig. Nach § 77 SGG gilt: Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Die am 10. März 2016 erhobene Klage ist verfristet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist ist nicht zu gewähren.
Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGG gilt: Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides.
Nach § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG ist der Widerspruchsbescheid bekanntzugeben. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 Sätze 1 und 3 SGB X).
Der Widerspruchsbescheid vom 5. November 2015 wurde am 6. November 2015 zur Post gegeben, so dass er am 9. November 2015 als bekanntgegeben gilt. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger selbst nach seinem eigenen Vorbringen noch nicht in einem komatösen Zustand. Es ist daher unzutreffend, dass der Kläger die Ablehnung erst am 5. März 2016 hätte lesen können.
Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tage nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tage nach der Eröffnung oder Verkündung. Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Danach hat die Klagefrist am 10. November 2015 begonnen und am 9. Dezember 2015 geendet.
Während des Laufs der Klagefrist ist keine Prozessunfähigkeit eingetreten, in deren Folge der Lauf der Klagefrist hätte unterbrochen worden sein können (vgl. Bundesverwaltungsgericht – BVerwG, Beschluss vom 14. November 2000 – 8 B 187/00, Rdnr. 4, zitiert nach juris, abgedruckt in NVwZ 2001, 319 zur entsprechenden Anwendung der zivilprozessualen Vorschriften über die Unterbrechung des Verfahrens; zur a. A. Ansicht Meyer-Ladewig, a.a.O., § 87 Rdnr. 5).
Nach § 71 Abs. 1 SGG ist ein Beteiligter prozessfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann. Prozessunfähig sind damit Personen, die nicht geschäftsfähig nach § 104 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind. Nach § 104 Nr. 2 BGB ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, soweit nicht der Zustand seiner Natur ein vorübergehender ist.
Seit dem 21. November 2015 und auch bei Ablauf der Klagefrist befand sich der Kläger zwar in einem Zustand, der die Fähigkeit zur freien Willensbildung ausschloss, so dass er wirksam keine Klage hat erheben können, denn nach § 105 Abs. 2 BGB ist eine Willenserklärung nichtig, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird. Allerdings war dieser Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender. Der Kläger befand sich in dem Zustand eines künstlichen Komas. Dabei handelt es sich um einen Zustand, der seiner Natur nach nur ein vorübergehender war, denn er wurde ärztlich veranlasst ersichtlich bewusst zum Zweck der Heilbehandlung herbeigeführt, um während eines absehbaren Zeitraums den krankhaften Zustand des Klägers zu lindern bzw. zu bessern. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Zustand auf Dauer ausgerichtet gewesen sein könnte. Der Sachverhalt des § 104 Nr. 2 BGB liegt daher nicht vor. Dies folgt aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen. Etwas anderes wurde nicht glaubhaft gemacht.
Nach der Epikrise der B vom 4. März 2016 kollabierte der Kläger am Abend des 21. November 2015 während eines Asthmaanfalls im Beisein des Rettungsdienstes. Der Kläger wurde durch den Notarzt 15 Minuten kardiopulmonal reanimiert. Nach Stabilisierung wurde er in das U transportiert. Dort wurde er zur weiteren Therapie auf die Intensivstation übernommen. Er wurde maschinell beatmet. Nach Besserung des pulmonalen Gasaustausches konnte am 14. Dezember 2015 mit der Entwöhnung von der maschinellen Beatmung begonnen werden, wobei der Kläger seit dem 1. Januar 2016 durchgehend suffizient spontan über die einliegende Trachealkanüle atmete. Am 2. Januar 2016 wurde er auf die Normalstation des U verlegt, bevor er am 11. Januar 2016 in der B stationär aufgenommen wurde. In dem mit der Beschwerde vorgelegten Antrag auf Einrichtung einer Eilbetreuung des U vom 23. November 2015 wird mitgeteilt, dass sich der Kläger seit dem 21. November 2015 wegen eines hypoxievermittelten Herzkreislaufstillstandes mit Reanimationspflichtigkeit in stationärer Behandlung befand. Aufgrund der daraus resultierenden Beatmungspflichtigkeit sei er absehbar weder teilweise noch gar in vollem Umfang in der Lage, seine Interessen wahrzunehmen und sei aktuell auf ständige intensivmedizinische Hilfe angewiesen. Der Kläger sei nicht ansprechbar, weil er analgosediert sei.
Ein den Willen beeinträchtigender Zustand kann jedenfalls nicht mehr zum Zeitpunkt der Erteilung der Vorsorgevollmacht am 3. Februar 2016 angenommen werden, denn nach dem auf dieser Vorsorgevollmacht angebrachten Vermerk des Dr. N war der Kläger zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung zu allen Qualitäten vollständig orientiert und in der Lage, eine Vollmacht zu erteilen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist daher ausgeschlossen, dass beim Kläger noch eine Beeinträchtigung der Willensbildung vorlag.
Der Kläger war auch nicht deswegen prozessunfähig, weil mit Beschluss des Amtsgerichts Lichtenberg vom 25. November 2015 – 52 F XVII 113/15 Betreuung angeordnet worden ist. Einen Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung mit der Rechtsfolge bedarf (Einwilligungsvorbehalt), dass nach § 1903 Abs. 1 Satz 2 BGB u. a. § 108 Abs. 1 und 3 BGB entsprechend gilt, wonach der Betreute in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt und damit grundsätzlich voll prozessunfähig ist (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 71 Rdnr 4 und 5), hat das Amtsgericht nicht angeordnet.
Da die Klagefrist somit nicht durch Prozessunfähigkeit unterbrochen gewesen ist, kommen allein die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.
Nach § 67 Abs. 1 SGG gilt: Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 67 Abs. 2 SGG).
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. die Nachholung der versäumten Rechtshandlung ist nicht ohne Verschulden nicht fristgerecht gestellt bzw. vorgenommen worden.
Ein Fristversäumnis eines schuldfähigen (§ 276 Abs. 1 Satz 2, § 827 Satz 1, § 104 Nr. 2 BGB) Beteiligten erfolgt ohne Verschulden, wenn dies weder vorsätzlich noch fahrlässig geschieht. Vorsätzlich handelt, wer das Fristversäumnis zumindest billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz). Fahrlässig handelt, wer diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die einem gewissenhaften Prozessführenden, der seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnimmt, nach den Gesamtumständen des konkreten Falles zuzumuten ist und deshalb die Möglichkeit der Fristversäumnis entweder gar nicht voraussieht (unbewusste Fahrlässigkeit) oder nicht vermeidet (bewusste Fahrlässigkeit) (BSG, Beschluss vom 09. Oktober 2012 – B 5 R 196/12 B, Rdnr. 5, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1500 § 67 Nr. 10, m. w. N.).
Das Vergessen einer fristwahrenden Handlung begründet in der Regel Verschulden (Meyer-Ladewig, a. a. O., § 67 Rdnr. 3c; Bundesgerichtshof - BGH, Beschluss vom 13. Februar 2003 – V ZR 422/02, Rdnr. 11, zitiert nach juris, abgedruckt in NJW 2003, 1528: es sei denn wegen einer außergewöhnlichen Inanspruchnahme würde davon ausgegangen, Vergessen sei ausnahmsweise nicht als Verschulden zu werten).
Krankheit rechtfertigt den Ausschluss von Verschulden nur, wenn der Beteiligte so schwer erkrankt war, dass er selbst handlungsunfähig war und auch nicht einen anderen mit der Einlegung des Rechtsmittels bzw. Rechtsbehelfs beauftragen konnte (Meyer-Ladewig, a. a. O., § 67 Rdnr. 7c m. w. N.). Die Krankheit muss in verfahrensrelevanter Form Einfluss auf die Entschluss-, Urteils- und Handlungsfähigkeit des Beteiligten genommen haben (BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2007 – 2 BvR 1164/07, Rdnr. 2, zitiert nach juris unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 24. März 1994 - X ZB 24/93). Danach reicht es aus, dass der Beteiligte durch die Erkrankung in eine physische und psychische Ausnahmesituation geraten ist, die ihm eine sachgerechte Wahrnehmung seiner Interessen unmöglich macht (BGH, Beschluss vom 24. März 1994 - X ZB 24/93, Rdnr. 7). Insoweit muss er außer Stand sein, unter Abwägung des Für und Wider einen sachgemäßen Entschluss über die Einlegung des Rechtsmittels zu treffen und dementsprechend zu handeln (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 1985 - IVb ZB 55/84, abgedruckt in MDR 1985, 919 = FamRZ 1985, 469).
Der Kläger war jedenfalls am 3. Februar 2016 in der Lage, wirksame Erklärungen abzugeben, so dass er zu diesem Zeitpunkt entweder selbst Klage hätte erheben können oder durch Einschaltung einer anderen Person, wie der von ihm in der Vorsorgevollmacht bevollmächtigten Mutter E F, diese andere Person mit der Erhebung der Klage hätte beauftragen können. Dazu bedurfte es nicht der Kenntnis der anderen Person, also insbesondere seiner Mutter, vom Widerspruchsbescheid vom 5. November 2015. Der Kläger selbst kannte den Widerspruchsbescheid, denn dieser ging ihm zu, als er sich noch nicht in einem komatösen Zustand befand.
Danach hat die Frist zur Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. zur Nachholung der versäumten Rechtshandlung am 3. Februar 2016 begonnen und am 2. März 2016 geendet.
Die am 10. März 2016 nachgeholte versäumte Rechtshandlung, die Erhebung der Klage, hat somit ebenso wenig wie der am 11. April 2016 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand diese Frist gewahrt.
Es ist vom Kläger nichts dafür vorgetragen, dass er zu einer sachgerechten Wahrnehmung seiner Interessen am 3. Februar 2016 nicht in der Lage gewesen wäre. Es gibt dafür auch keine objektiven Anhaltspunkte.
Nach der Epikrise der B Klinik B- vom 4. März 2016 begann am 8. Februar 2016 die Phase D, während der sich der Kläger einer neurophysiologischen Leistungsüberprüfung unterzog, die keine Hinweise auf kognitive Auffälligkeiten und weitestgehend altersnormale Untersuchungsergebnisse ergab. Es kann daher der schon auf der Vorsorgevollmacht vom 3. Februar 2016 angebrachte Vermerk des Dr. N, wonach der Kläger zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung zu allen Qualitäten vollständig orientiert war, als Bestätigung dessen angesehen werden.
Ob der Zustand der fehlenden Geschäftsfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt erneut eintrat, ist für die Frage, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist zu gewähren ist, ohne Belang. Damit kann dahinstehen, ob es zutreffend ist, dass der Kläger tatsächlich, so wie in der Bestätigung des Unfallkrankenhauses B vom 26. März 2016 und in der Bestätigung der E B vom 30. März 2016 dargestellt ist, derzeit nicht geschäftsfähig bzw. momentan nicht in der Lage sei, seine Geschäfte selbst zu regeln.
Scheidet nach alledem die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist aus, ist die Klage unzulässig, so dass daher die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht kommt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundesozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen Erwerbsminderung.
Der im Februar 1973 geborene Kläger, der eine abgeschlossene Ausbildung zum Industriekaufmann absolvierte, war zuletzt von April 2003 bis Februar 2014 als technischer Angestellter beschäftigt.
Den im Januar 2015 wegen Asthma, einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung, eines Lungenemphysems, einer Thrombose, einer Fettstoffwechselstörung, einer chronischen Anämie, eines verkleinerten Magens und einer Herzerkrankung gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte nach Einholung der Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. H vom 11. März 2015 und des Facharztes für Allgemeinmedizin und Sozialmedizin Dr. G vom 20. Juli 2015 mit Bescheid vom 20. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2015 ab: Trotz eines Asthma bronchiale/einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung und einer koronaren Herzerkrankung könne der Kläger noch körperlich leichte Arbeiten mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verrichten. Es habe zwar auch die Indikation für eine Alkoholentwöhnungsbehandlung bestanden, um die Erwerbsfähigkeit zu erhalten und zu verbessern. Da jedoch eine positive Mitwirkung des Klägers an seiner Genesung (Teilnahme an einer Alkoholentwöhnungsbehandlung) gegenwärtig nicht zu erkennen sei, sei eine solche Behandlung zum gegenwärtigen Zeitpunkt bei noch nicht manifestierten höhergradigen Folgeschäden nicht zu empfehlen. Der Widerspruchsbescheid wurde am 6. November 2015 zur Post gegeben.
Dagegen hat der Kläger am 10. März 2016 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben.
Er hat vorgetragen, vom 22. November 2015 bis 11. Februar 2016 vorübergehend geschäftsunfähig gewesen zu sein. Aufgrund eines künstlichen Komas und Bewusstlosigkeit habe er nicht aktiv am Geschäftsleben teilnehmen können. Die Ablehnung habe er auch erst am 5. März 2016 lesen können, da er bis zu diesem Zeitpunkt stationär behandelt worden sei.
Ergänzend ist am 11. April 2016 die Bewilligung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und von Prozesskostenhilfe unter Beifügung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beantragt worden. Der Kläger hat vorgetragen, er sei am Abend des 21. November 2015 kollabiert. Er sei in ein künstliches Koma versetzt worden und habe sich zunächst auf der Intensivstation befunden. Er sei noch eine weitere Woche bis zum 11. Januar 2016 auf einer Station für Inneres behandelt worden. Im Anschluss habe er sich vom 11. Januar 2016 bis zum 11. März 2016 in der B-Klinik in B befunden. Vom 14. März 2016 bis 30. März 2016 habe er sich erneut auf der Intensivstation des Unfallkrankenhauses B befunden und werde seit dem 30. März 2016 in der Evangelischen Lungenklinik in B- stationär behandelt. Aufgrund des komatösen Zustandes habe bei ihm zum Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheides eine aufgehobene Geschäftsfähigkeit bestanden. Aufgrund der beigefügten Krankenhausberichte dürfte glaubhaft gemacht sein, dass er die Klagefrist unverschuldet versäumt habe. Der Kläger sei aufgrund seiner Lungenerkrankung nicht in der Lage, dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden täglich zur Verfügung zu stehen. Dies werde durch die beigefügte Bescheinigung der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. W vom 16. Juni 2015 bestätigt. Der Kläger hat die Epikrise der B Klinik B-vom 4. März 2016, die Bestätigungen des Unfallkrankenhauses Berlin vom 26. März 2016 und der E B vom 30. März 2016 und die Vorsorgevollmacht des Klägers vom 3. Februar 2016 vorgelegt.
Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, die Klageerhebung sei nicht fristgerecht erfolgt. Über den Wiedereinsetzungsantrag habe das Gericht zu entscheiden.
Mit Beschluss vom 30. Mai 2016 hat das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt: Die Klage sei bereits unzulässig, denn der Kläger habe die einmonatige Klagefrist des § 87 Sozialgerichtsgesetz (SGG) versäumt. Der Widerspruchsbescheid sei dem Kläger gemäß § 37 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) am 9. November 2015 wirksam zugegangen. Wiedereinsetzung sei dem Kläger nicht zu gewähren. Er möge zwar ab 21. November 2015 nicht mehr in der Lage gewesen sein, seine Geschäfte selbst wahrzunehmen. Indessen habe er am 3. Februar 2016 seiner Mutter eine Vorsorgevollmacht erteilt, die eine Prozessvollmacht eingeschlossen habe. Zu diesem Zeitpunkt sei er nach dem auf der Vollmacht ersichtlichen Vermerk des Arztes Dr. N der B Klinik nach seiner gesundheitlichen Verfassung zur Vollmachterteilung in der Lage gewesen, was auch bedeute, dass er ab diesem Zeitpunkt entweder selbst in der Lage gewesen sei, die Klagerhebung nachzuholen oder seine Mutter damit im Rahmen ihrer Vollmacht zu beauftragen.
Gegen den seiner Prozessbevollmächtigten am 7. Juni 2016 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14. Juni 2016 eingelegte Beschwerde des Klägers.
Er weist darauf hin, dass er sich zum Ablauf der Klagefrist in einem geschäftsunfähigen Zustand befunden habe, so dass er daran gehindert gewesen sei, fristgerecht Klage zu erheben. Zum Zeitpunkt der Einrichtung der Vorsorgevollmacht am 3. Februar 2016 habe die Mutter des Klägers keine Kenntnis vom Widerspruchsbescheid gehabt. Sie habe daher zu diesem Zeitpunkt auch nicht Klage für den Kläger einreichen können. Der Kläger habe sich vom 11. Januar 2016 bis 11. März 2016 in der neurologischen Frührehabilitationsklinik befunden. Zwecks Erprobung habe er sich vom 4. bis 6. März 2016 allein zu Hause befunden. Während dieses Aufenthaltes habe er erstmals in einem wieder geschäftsfähigen Zustand Kenntnis vom Widerspruchsbescheid genommen und danach Klage eingereicht. Vor diesem Hintergrund habe die Frist zur Einreichung der Klage zwar zunächst zu laufen begonnen. Sie sei jedoch durch die zwischenzeitlich eingetretene Geschäftsunfähigkeit, welche erst am 6. März 2016 wieder aufgehoben worden sei, unterbrochen worden.
Der Kläger hat den Antrag auf Einrichtung einer Eilbetreuung des Unfallkrankenhauses Berlin vom 23. November 2015 nebst Beschluss des Amtsgerichts Lichtenberg vom 25. November 2015 – 52 F XVII 113/15 vorgelegt.
Die Beklagte hat die Entscheidung über die Beschwerde ins Ermessen des Gerichts gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Klage ist nicht fristgemäß erhoben worden und es ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist zu gewähren. Damit kann über den erhobenen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht inhaltlich entschieden werden, da Bestandskraft eingetreten ist.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig (§ 114 Abs. 2 ZPO) erscheint.
Hinreichende Erfolgsaussicht ist, soweit die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, anzunehmen, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Erfolgsprüfung der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Dies ist der Fall, wenn der Rechtsstandpunkt des Prozesskostenhilfe beantragenden Beteiligten für zutreffend oder zumindest für vertretbar gehalten werden kann und somit die Möglichkeit seines Obsiegens ebenso wahrscheinlich wie sein Unterliegen ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 11. Auflage, § 73a Rdnrn. 7a und 7d). Ist eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt ist, aber klärungsbedürftig ist, muss Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Ebenso gilt dies, wenn das Gericht von Rechtsprechung oder der herrschenden Meinung im Schrifttum abweichen will. Schließlich darf Prozesskostenhilfe nicht abgelehnt werden, wenn eine schwierige Rechtsfrage zu beantworten ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 73a Rdnr. 7b m. w. N.). Hinreichende Erfolgsaussicht ist im Übrigen, soweit die Entscheidung des Rechtsstreits von beweisbedürftigen Tatsachen abhängig ist, anzunehmen, wenn zum maßgebenden Zeitpunkt der Erfolgsprüfung eine Beweiserhebung ernsthaft in Betracht kommt.
Bei summarischer Prüfung in tatsächlicher Hinsicht unter Zugrundelegung der maßgebenden Rechtsgrundlagen ist eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der geltend gemachte Anspruch zusteht, nicht zu bejahen.
Ob dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist, kann inhaltlich nicht überprüft werden, denn der Bescheid vom 20. April 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2015 ist bestandskräftig. Nach § 77 SGG gilt: Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Die am 10. März 2016 erhobene Klage ist verfristet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist ist nicht zu gewähren.
Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGG gilt: Die Klage ist binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben. Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so beginnt die Frist mit der Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides.
Nach § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG ist der Widerspruchsbescheid bekanntzugeben. Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen (§ 37 Abs. 2 Sätze 1 und 3 SGB X).
Der Widerspruchsbescheid vom 5. November 2015 wurde am 6. November 2015 zur Post gegeben, so dass er am 9. November 2015 als bekanntgegeben gilt. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger selbst nach seinem eigenen Vorbringen noch nicht in einem komatösen Zustand. Es ist daher unzutreffend, dass der Kläger die Ablehnung erst am 5. März 2016 hätte lesen können.
Nach § 64 Abs. 1 SGG beginnt der Lauf einer Frist, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit dem Tage nach der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit dem Tage nach der Eröffnung oder Verkündung. Eine nach Tagen bestimmte Frist endet mit dem Ablauf ihres letzten Tages, eine nach Wochen oder Monaten bestimmte Frist mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher nach Benennung oder Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Danach hat die Klagefrist am 10. November 2015 begonnen und am 9. Dezember 2015 geendet.
Während des Laufs der Klagefrist ist keine Prozessunfähigkeit eingetreten, in deren Folge der Lauf der Klagefrist hätte unterbrochen worden sein können (vgl. Bundesverwaltungsgericht – BVerwG, Beschluss vom 14. November 2000 – 8 B 187/00, Rdnr. 4, zitiert nach juris, abgedruckt in NVwZ 2001, 319 zur entsprechenden Anwendung der zivilprozessualen Vorschriften über die Unterbrechung des Verfahrens; zur a. A. Ansicht Meyer-Ladewig, a.a.O., § 87 Rdnr. 5).
Nach § 71 Abs. 1 SGG ist ein Beteiligter prozessfähig, soweit er sich durch Verträge verpflichten kann. Prozessunfähig sind damit Personen, die nicht geschäftsfähig nach § 104 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind. Nach § 104 Nr. 2 BGB ist geschäftsunfähig, wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, soweit nicht der Zustand seiner Natur ein vorübergehender ist.
Seit dem 21. November 2015 und auch bei Ablauf der Klagefrist befand sich der Kläger zwar in einem Zustand, der die Fähigkeit zur freien Willensbildung ausschloss, so dass er wirksam keine Klage hat erheben können, denn nach § 105 Abs. 2 BGB ist eine Willenserklärung nichtig, die im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird. Allerdings war dieser Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender. Der Kläger befand sich in dem Zustand eines künstlichen Komas. Dabei handelt es sich um einen Zustand, der seiner Natur nach nur ein vorübergehender war, denn er wurde ärztlich veranlasst ersichtlich bewusst zum Zweck der Heilbehandlung herbeigeführt, um während eines absehbaren Zeitraums den krankhaften Zustand des Klägers zu lindern bzw. zu bessern. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Zustand auf Dauer ausgerichtet gewesen sein könnte. Der Sachverhalt des § 104 Nr. 2 BGB liegt daher nicht vor. Dies folgt aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen. Etwas anderes wurde nicht glaubhaft gemacht.
Nach der Epikrise der B vom 4. März 2016 kollabierte der Kläger am Abend des 21. November 2015 während eines Asthmaanfalls im Beisein des Rettungsdienstes. Der Kläger wurde durch den Notarzt 15 Minuten kardiopulmonal reanimiert. Nach Stabilisierung wurde er in das U transportiert. Dort wurde er zur weiteren Therapie auf die Intensivstation übernommen. Er wurde maschinell beatmet. Nach Besserung des pulmonalen Gasaustausches konnte am 14. Dezember 2015 mit der Entwöhnung von der maschinellen Beatmung begonnen werden, wobei der Kläger seit dem 1. Januar 2016 durchgehend suffizient spontan über die einliegende Trachealkanüle atmete. Am 2. Januar 2016 wurde er auf die Normalstation des U verlegt, bevor er am 11. Januar 2016 in der B stationär aufgenommen wurde. In dem mit der Beschwerde vorgelegten Antrag auf Einrichtung einer Eilbetreuung des U vom 23. November 2015 wird mitgeteilt, dass sich der Kläger seit dem 21. November 2015 wegen eines hypoxievermittelten Herzkreislaufstillstandes mit Reanimationspflichtigkeit in stationärer Behandlung befand. Aufgrund der daraus resultierenden Beatmungspflichtigkeit sei er absehbar weder teilweise noch gar in vollem Umfang in der Lage, seine Interessen wahrzunehmen und sei aktuell auf ständige intensivmedizinische Hilfe angewiesen. Der Kläger sei nicht ansprechbar, weil er analgosediert sei.
Ein den Willen beeinträchtigender Zustand kann jedenfalls nicht mehr zum Zeitpunkt der Erteilung der Vorsorgevollmacht am 3. Februar 2016 angenommen werden, denn nach dem auf dieser Vorsorgevollmacht angebrachten Vermerk des Dr. N war der Kläger zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung zu allen Qualitäten vollständig orientiert und in der Lage, eine Vollmacht zu erteilen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist daher ausgeschlossen, dass beim Kläger noch eine Beeinträchtigung der Willensbildung vorlag.
Der Kläger war auch nicht deswegen prozessunfähig, weil mit Beschluss des Amtsgerichts Lichtenberg vom 25. November 2015 – 52 F XVII 113/15 Betreuung angeordnet worden ist. Einen Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung mit der Rechtsfolge bedarf (Einwilligungsvorbehalt), dass nach § 1903 Abs. 1 Satz 2 BGB u. a. § 108 Abs. 1 und 3 BGB entsprechend gilt, wonach der Betreute in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkt und damit grundsätzlich voll prozessunfähig ist (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 71 Rdnr 4 und 5), hat das Amtsgericht nicht angeordnet.
Da die Klagefrist somit nicht durch Prozessunfähigkeit unterbrochen gewesen ist, kommen allein die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.
Nach § 67 Abs. 1 SGG gilt: Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages sollen glaubhaft gemacht werden. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 67 Abs. 2 SGG).
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. die Nachholung der versäumten Rechtshandlung ist nicht ohne Verschulden nicht fristgerecht gestellt bzw. vorgenommen worden.
Ein Fristversäumnis eines schuldfähigen (§ 276 Abs. 1 Satz 2, § 827 Satz 1, § 104 Nr. 2 BGB) Beteiligten erfolgt ohne Verschulden, wenn dies weder vorsätzlich noch fahrlässig geschieht. Vorsätzlich handelt, wer das Fristversäumnis zumindest billigend in Kauf nimmt (bedingter Vorsatz). Fahrlässig handelt, wer diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die einem gewissenhaften Prozessführenden, der seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnimmt, nach den Gesamtumständen des konkreten Falles zuzumuten ist und deshalb die Möglichkeit der Fristversäumnis entweder gar nicht voraussieht (unbewusste Fahrlässigkeit) oder nicht vermeidet (bewusste Fahrlässigkeit) (BSG, Beschluss vom 09. Oktober 2012 – B 5 R 196/12 B, Rdnr. 5, zitiert nach juris, abgedruckt in SozR 4-1500 § 67 Nr. 10, m. w. N.).
Das Vergessen einer fristwahrenden Handlung begründet in der Regel Verschulden (Meyer-Ladewig, a. a. O., § 67 Rdnr. 3c; Bundesgerichtshof - BGH, Beschluss vom 13. Februar 2003 – V ZR 422/02, Rdnr. 11, zitiert nach juris, abgedruckt in NJW 2003, 1528: es sei denn wegen einer außergewöhnlichen Inanspruchnahme würde davon ausgegangen, Vergessen sei ausnahmsweise nicht als Verschulden zu werten).
Krankheit rechtfertigt den Ausschluss von Verschulden nur, wenn der Beteiligte so schwer erkrankt war, dass er selbst handlungsunfähig war und auch nicht einen anderen mit der Einlegung des Rechtsmittels bzw. Rechtsbehelfs beauftragen konnte (Meyer-Ladewig, a. a. O., § 67 Rdnr. 7c m. w. N.). Die Krankheit muss in verfahrensrelevanter Form Einfluss auf die Entschluss-, Urteils- und Handlungsfähigkeit des Beteiligten genommen haben (BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2007 – 2 BvR 1164/07, Rdnr. 2, zitiert nach juris unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 24. März 1994 - X ZB 24/93). Danach reicht es aus, dass der Beteiligte durch die Erkrankung in eine physische und psychische Ausnahmesituation geraten ist, die ihm eine sachgerechte Wahrnehmung seiner Interessen unmöglich macht (BGH, Beschluss vom 24. März 1994 - X ZB 24/93, Rdnr. 7). Insoweit muss er außer Stand sein, unter Abwägung des Für und Wider einen sachgemäßen Entschluss über die Einlegung des Rechtsmittels zu treffen und dementsprechend zu handeln (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Januar 1985 - IVb ZB 55/84, abgedruckt in MDR 1985, 919 = FamRZ 1985, 469).
Der Kläger war jedenfalls am 3. Februar 2016 in der Lage, wirksame Erklärungen abzugeben, so dass er zu diesem Zeitpunkt entweder selbst Klage hätte erheben können oder durch Einschaltung einer anderen Person, wie der von ihm in der Vorsorgevollmacht bevollmächtigten Mutter E F, diese andere Person mit der Erhebung der Klage hätte beauftragen können. Dazu bedurfte es nicht der Kenntnis der anderen Person, also insbesondere seiner Mutter, vom Widerspruchsbescheid vom 5. November 2015. Der Kläger selbst kannte den Widerspruchsbescheid, denn dieser ging ihm zu, als er sich noch nicht in einem komatösen Zustand befand.
Danach hat die Frist zur Stellung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. zur Nachholung der versäumten Rechtshandlung am 3. Februar 2016 begonnen und am 2. März 2016 geendet.
Die am 10. März 2016 nachgeholte versäumte Rechtshandlung, die Erhebung der Klage, hat somit ebenso wenig wie der am 11. April 2016 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand diese Frist gewahrt.
Es ist vom Kläger nichts dafür vorgetragen, dass er zu einer sachgerechten Wahrnehmung seiner Interessen am 3. Februar 2016 nicht in der Lage gewesen wäre. Es gibt dafür auch keine objektiven Anhaltspunkte.
Nach der Epikrise der B Klinik B- vom 4. März 2016 begann am 8. Februar 2016 die Phase D, während der sich der Kläger einer neurophysiologischen Leistungsüberprüfung unterzog, die keine Hinweise auf kognitive Auffälligkeiten und weitestgehend altersnormale Untersuchungsergebnisse ergab. Es kann daher der schon auf der Vorsorgevollmacht vom 3. Februar 2016 angebrachte Vermerk des Dr. N, wonach der Kläger zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung zu allen Qualitäten vollständig orientiert war, als Bestätigung dessen angesehen werden.
Ob der Zustand der fehlenden Geschäftsfähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt erneut eintrat, ist für die Frage, ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist zu gewähren ist, ohne Belang. Damit kann dahinstehen, ob es zutreffend ist, dass der Kläger tatsächlich, so wie in der Bestätigung des Unfallkrankenhauses B vom 26. März 2016 und in der Bestätigung der E B vom 30. März 2016 dargestellt ist, derzeit nicht geschäftsfähig bzw. momentan nicht in der Lage sei, seine Geschäfte selbst zu regeln.
Scheidet nach alledem die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Klagefrist aus, ist die Klage unzulässig, so dass daher die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht in Betracht kommt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundesozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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