L 25 AS 2611/16 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 117 AS 13825/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 2611/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 3. November 2016 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller zu 1 vorläufig Arbeitslosengeld II für den Zeitraum vom 9. Dezember 2016 bis 31. Dezember 2016, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, zur Deckung des Regelbedarfs in Höhe von 102,73 Euro und für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung von 136,93 Euro zu gewähren. Der Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern zu 2 bis 4 vorläufig Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum vom 9. Dezember 2016 bis 31. Dezember 2016, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, in Höhe von 3,07 Euro Regelsatz und 136,93 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung für die Antragstellerin zu 2 sowie jeweils 36,03 Euro Regelsatz und jeweils 136,93 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung für die Antragsteller zu 3 und 4 zu gewähren. Dem Antragsgegner und dem Beigeladenen wird nachgelassen, die Leistungen zur Deckung des Bedarfs für Unterkunft und Heizung unmittelbar an den Vermieter der aus dem Rubrum ersichtlichen Wohnung zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller zu 1 die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Der Beigeladene hat den Antragstellern zu 2 bis 4 die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten für das Beschwerdeverfahren bewilligt.

Gründe:

Die Beschwerde, mit der zuletzt noch Leistungen in Höhe von 886,72 Euro für den Zeitraum vom 9. bis 31. Dezember 2016 begehrt werden, hat im tenorierten Umfang Erfolg.

Die Beschwerde ist statthaft und für alle Antragsteller zulässig erhoben.

Die Beschwerden der Antragsteller zu 3 und 4 sind nicht deshalb unzulässig, weil sie nicht in ordnungsgemäßer Vertretung erhoben worden wären. Ausweislich der in den Akten des Antragsgegners befindlichen Geburtsurkunde des Standesamtes T vom 17. Mai 2016 ist der Ehemann der Antragstellerin zu 2, Herr H, allerdings der rechtliche Vater und damit Mitsorgerechtsinhaber (vgl. § 1629 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB) des Antragstellers zu 4. Aus denselben Gründen ist die Antragstellerin zu 2 auch nicht die alleinige gesetzliche Vertreterin der Antragstellerin zu 3. Die Antragstellerin zu 3 ist ausweislich der Geburtsurkunde des Standesamtes M vom 9. Januar 2014 am 3. Juli 2013 in B geboren worden. Ein Vater ist in der Geburtsurkunde zwar nicht angegeben, jedoch trug die Antragstellerin zu 2 zu diesem Zeitpunkt bereits den Familiennamen H, mithin den Namen des mit ihr noch immer verheirateten Herrn H. Nach § 1592 Nr. 1 BGB ist der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratete Mann der Vater. Eine Vaterschaftsanfechtung, die erst eine Anerkennung durch den Antragsteller zu 1 ermöglichen würde (vgl. § 1594 Abs. 2 BGB), ist nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich. Hier ist nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) die Abstammung nach deutschem Recht festzustellen, weil die Antragsteller zu 3 und 4 bei Geburt und gegenwärtig ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Eine Entscheidung über das alleinige Sorgerecht der Antragstellerin zu 2 oder eine Entscheidung nach § 1628 BGB hat das zwischenzeitlich angerufene Amtsgericht T(Familiengericht) nach Kenntnis des Senats bisher nicht getroffen.

Gleichwohl konnte die Antragstellerin zu 2 die Antragsteller zu 3 und 4 vorliegend nach § 1629 Abs. 1 Satz 4 BGB allein vertreten. Nach dieser Bestimmung ist jeder Elternteil bei Gefahr im Verzug dazu berechtigt, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Kindes notwendig sind. Dabei verkennt der Senat nicht, dass diese Regelung als Durchbrechung des grundsätzlich gemeinsamen Vertretungsrechts eng auszulegen ist. Dementsprechend ist Gefahr im Verzug regelmäßig abzulehnen, wenn der andere Elternteil erreichbar ist und sei es unter Einsatz moderner Kommunikationstechnik (vgl. insgesamt hierzu Peschel-Gutzeit in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2015, Rn. 53 zu § 1629). Der Herstellung des Einvernehmens bzw. der ersetzenden Entscheidung des Familiengerichts nach § 1628 BGB gebührt grundsätzlich der Vorrang. Vorliegend hat die Antragstellerin zu 2 indes glaubhaft gemacht, dass sie keinen Kontakt zu ihrem Ehemann hat und seinen Aufenthaltsort allenfalls vielleicht bei einem Aufenthalt in Bulgarien herausfinden könnte. Der Antragsteller zu 1 hat persönlich im Termin am 9. Dezember 2016 dargelegt, dass es einem mit der Scheidung beauftragten Anwalt binnen drei Monaten nicht gelungen sei, den Ehemann der Antragstellerin zu 2 ausfindig zu machen. Bei dieser Sachlage war die erforderliche Zustimmung zum Beschwerdeverfahren faktisch nicht einholbar. Da Gegenstand des Verfahrens Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums der Antragsteller zu 3 und 4 sind, geht es auch um das Wohl der Kinder.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach § 86b Abs. 2 Satz 1 und 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft und zulässig gestellt. Ebenso wie im Beschwerdeverfahren ergibt sich auch die Vertretungsbefugnis der Antragstellerin zu 2 für die Antragsteller zu 3 und 4 für die Antragstellung aus § 1629 Abs. 1 Satz 4 BGB. Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen. Das Verfahren nach § 86b Abs. 1 SGG ist vorliegend nicht einschlägig, weil die Antragsteller ihr Rechtsschutzziel nicht durch die Beendigung der Wirkungen eines Verwaltungsaktes erreichen können, sondern gerade noch nicht durch Verwaltungsakt bewilligte Leistungen begehren. Der Zulässigkeit des Antrags steht ungeachtet dessen auch keine bestandskräftige Entscheidung des Antragsgegners entgegen. Die Antragsteller haben gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 20. September 2016 Widerspruch eingelegt, den der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 16. November 2016 zurückgewiesen hat. Nach den Angaben im Termin am 9. Dezember 2016 haben die Antragsteller zwischenzeitlich Klage erhoben. Die Zulässigkeit der Klage auch der Antragsteller zu 3 und 4 kann jedenfalls durch die – ggf. abzuwartende – familiengerichtliche Entscheidung herbeigeführt werden.

Der Antrag ist auch teilweise begründet.

Ein Anspruch auf Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ist nur gegeben, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu muss der Antragsteller gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Vom Bestehen eines Anordnungsanspruchs ist auszugehen, wenn nach (summarischer) Prüfung die Hauptsache Erfolgsaussicht hat. Ein Anordnungsgrund liegt vor, wenn dem Antragsteller unter Abwägung seiner sowie der Interessen Dritter und des öffentlichen Interesses nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Eine einstweilige Anordnung ist jedoch auch dann zu treffen, wenn der Anordnungsanspruch nach Auffassung des Gerichts nicht glaubhaft gemacht ist, die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vielmehr als offen zu bewerten sind. Zur Vermeidung des Eintritts unwiederbringlicher Rechtsnachteile bedarf es in diesen Fällen einer Abwägung, ob dem Antragsteller trotz nicht feststehender Erfolgsaussichten vorläufig Leistungen zu gewähren sind, um den effektiven Schutz der Grundrechte sicherzustellen. Eine solche Abwägung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG; Aktenzeichen 1 BvR 569/05, Beschluss vom 12. Mai 2005) und des Senats im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes insbesondere dann durchzuführen, wenn der entscheidungserhebliche Sachverhalt sich im Eilverfahren nicht vollständig aufklären lässt.

Bei Anwendung dieses Maßstabs ist die beantragte einstweilige Anordnung im tenorierten Umfang zu erlassen.

Die Antragsteller zu 1 und 2 haben glaubhaft gemacht, dass sie die allgemeinen Voraussetzungen für eine Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) erfüllen. Sie haben das 15. Lebensjahr erreicht, ohne die in § 7a SGB II wiedergegebene Regelaltersgrenze überschritten zu haben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). An der Erwerbsfähigkeit und dem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4 SGB II) bestehen keine Zweifel. Unter Einbeziehung der Antragsteller zu 3 und 4, deren Leistungsberechtigung dem Grunde nach als nichterwerbsfähige Kinder sich aus § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 SGB II ergibt, sind die Antragsteller auch hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 Abs. 1, Abs. 2 SGB II, weil dem Bedarf von insgesamt 1916,40 Euro im Monat Dezember 2016 (Regelbedarf für die Antragsteller zu 1 und 2 je 364,00 Euro und für die Antragsteller zu 3 und 4 je 237,00 Euro zuzüglich Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe der Gesamtmiete bzw. nach Kündigung der Nutzungsentschädigung von 714,40 Euro) Einkommen nur in Form von Kindergeld (je 190,00 Euro für die Antragsteller zu 3 und 4) sowie Elterngeld von 360,00 Euro (zugegangen ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge am 1. Dezember 2016) sowie das nach der eigenen Erklärung des Antragstellers zu 1 mit 250,00 bis 300,00 Euro geschätzten Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit gegenüber steht. Neben den vorgelegten Kontoauszügen ergibt sich dies aus den – teils eidesstattlich versicherten – Angaben der Antragsteller zu 1 und 2.

Der Antragsteller zu 1 hat auch glaubhaft gemacht, dass er nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II deshalb von Leistungen ausgeschlossen ist, weil sich sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Es besteht - in Würdigung aller bekannten Umstände durch den Senat - zumindest eine Wahrscheinlichkeit in einem für die Glaubhaftmachung ausreichenden Grad, dass im Hauptsacheverfahren eine selbstständige Tätigkeit festgestellt wird, die ein Freizügigkeitsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU) begründet. Für eine ernsthafte, auf Dauer angelegte und aus dem Bundesgebiet heraus ausgeübte Tätigkeit im Sinne der Niederlassungsfreiheit sprechen neben den vorgelegten Rechnungen, von denen jedenfalls die Zahlung der Rechnung mit der laufenden Nr. 5 durch Überweisung auf das Girokonto der Antragsteller zu 1 und 2 beglichen worden ist, auch die Angaben des Antragstellers zu 1 im Termin am 9. Dezember 2016. Der Antragsteller zu 1 hat im Rahmen der persönlichen Befragung dargelegt, dass er die Tätigkeit gemeinsam mit einem Freund ausübe, der im Gegensatz zu ihm die deutsche Sprache beherrsche. Er hat dargelegt, dass er seinen Transporter und der Freund – ausweislich der vorgelegten Visitenkarte Herr D – die Werkzeuge zur Verfügung stelle. Ferner hat er – indiziell belegt durch Abbuchungen – angegeben, bei eBay Kleinanzeigen Werbung zu schalten. Die durch Rechnungen Nr. 6 und 7 angegebenen Aufträge weisen zuletzt ein Gesamtvolumen von 520,00 Euro (wohl für Oktober und November) auf, auch wenn der Gegenstand (Sperrmüllentsorgung) wohl nur bei sehr weitem Verständnis noch innerhalb des angemeldeten Gewerbes (Trockenbau, Abriss) liegt. Ob die Tätigkeit tatsächlich als Einzelunternehmer oder (nunmehr) hier sogar von einer schlüssigen personengesellschaftlichen Verbindung in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auszugehen ist, bedarf im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keiner Klärung.

Dem Antragsteller zu 1 waren daher Leistungen nach dem SGB II zuzuerkennen.

Hingegen vermag der Senat ein materielles Aufenthaltsrecht der Antragsteller zu 2 bis 4 gegenwärtig nicht sicher festzustellen. Insbesondere ergibt sich ein solches Aufenthaltsrecht nicht aus der Stellung der Antragsteller zu 3 und 4 als Familienangehörige des Antragstellers zu 1 i.S.d. § 3 Abs. 1 FreizügG/EU. Dies würde voraussetzen, dass sie Verwandte in gerade absteigender Linie des Antragstellers zu 1 sind (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU). Verwandtschaft wird durch Abstammung begründet (§ 1589 Abs. 1 BGB). Wie bereits dargestellt ist der Antragsteller jedoch nicht der Vater der Antragsteller zu 3 und 4 im rechtlichen Sinne. Dies ist vielmehr der Ehemann der Antragstellerin zu 2. Unabhängig davon, dass allein Erklärungen der Beteiligten eine biologische Vaterschaft nicht beweisen können, ist eine Auslegung des Begriffs des Verwandten i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU im Sinne der allein biologischen Abstammung nach Ansicht des Senats nicht geboten. Vielmehr ist das hierfür vorgesehene Verfahren der Vaterschaftsanerkennung bzw. vorherigen –anfechtung durchzuführen (vgl. zur Bindung einer Vaterschaftsanerkennung OVG Hamburg, Beschluss vom 24. Oktober 2008 – Az.: 5 Bs 196/08). Auch für einen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) möglicherweise in analoger Anwendung auf Kinder von Unionsbürgern in Betracht kommenden Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ist die rechtliche Beziehung zwischen Elternteil und Kind maßgeblich (Marx in GK-AufenthG, Stand Mai 2008, Rn. 59 zu § 28). Allerdings könnte für die Antragsteller zu 2 bis 4 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG aus persönlichen Gründen in Betracht kommen. Solche persönlichen Gründe könnten insbesondere in der tatsächlich gelebten familiären Gemeinschaft mit dem Antragsteller zu 1 als – nach eigenen Angaben – biologischem Vater der Antragsteller zu 3 und 4 bestehen, zumal insoweit der unbestimmte Rechtsbegriff im Lichte des Art. 6 des Grundgesetzes sowie des Art. 8 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention auszulegen sein dürfte. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG ist jedoch – soweit ersichtlich – noch nicht erteilt. Es besteht auch kein Anlass, das Bestehen eines entsprechenden Anspruchs zu klären, weil Rechtsfolge einer solchen Aufenthaltserlaubnis eine Anspruchsberechtigung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) wäre, die wiederum zu einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II führen würde. Die Antragsteller zu 2 bis 4 sind daher nach dem Kenntnisstand des Senats im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.

Den Antragstellern zu 2 bis 4 sind jedoch Leistungen durch den Beigeladenen zuzuerkennen.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3. Dezember 2015 – Az.: B 4 AS 44/15 R; Urteil vom 16. Dezember 2015 – Az.: B 14 AS 15/14 R; Urteile vom 20. Januar 2016 – Az.: B 14 AS 35/15 R und B 14 AS 15/15 R; Urteil vom 17. Februar 2016 – Az.: B 4 AS 24/14 R; Urteil vom 17. März 2016 – Az.: B 4 AS 32/15 R) sind sowohl nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II dem Grunde nach leistungsberechtigte Unionsbürger mit einem Aufenthaltsrecht allein zum Zwecke der Arbeitsuche als auch solche ohne materielles Aufenthaltsrecht gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Auf solche Personen sind nach dieser Rechtsprechung die Regelungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) zur Hilfe zum Lebensunterhalt anwendbar, obwohl nach § 21 Satz 1 SGB XII Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt erhalten. Auch den in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII vorgesehenen Leistungsausschluss legt das BSG dahingehend aus, dass er auch Ausländer ohne materielles Aufenthaltsrecht erfasst. Davon nicht erfasst sieht das BSG die Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII an, wonach im Übrigen Sozialhilfe geleistet werden kann, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Zu diesen Leistungen "im Übrigen" rechnet das BSG im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) auch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Schließlich geht es bei Personen mit verfestigtem Aufenthalt von einer regelmäßigen Reduzierung des in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII vorgesehenen Ermessens auf Null aus, wobei es maßgeblich auf eine Aufenthaltsdauer von mehr als sechs Monaten abstellt.

Diese Rechtsprechung hat in Schrifttum und Rechtsprechung mit beachtlichen Argumenten Kritik erfahren (exemplarisch Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. August 2016 – Az.: L 3 AS 376/16 B ER; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 7. Juli 2016 – L 9 SO 12/16 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Januar 2016 – Az.: L 29 AS 20/16 B; Bernsdorff in NVwZ 2016, Seite 633). Die regelmäßig mit einer – hier bereits gefestigten – höchstrichterlichen Rechtsprechung einhergehende Befriedung und Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist nicht erreicht worden.

Sie ist vielmehr zum Anlass für eine Änderung sowohl des § 7 SGB II als auch des § 23 SGB XII genommen worden, die in naher Zukunft in Kraft treten dürfte (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch, Bundestagsdrucksache Drucksache 18/10211 und Gesetzesbeschluss vom 2. Dezember 2016 als Bundesratsdrucksache 714/16, vorgesehen gewesen zur Behandlung im Plenum am 16. Dezember 2016). Der Senat hat bis zum Inkrafttreten der Änderungen indes nach dem gegenwärtig geltenden Recht zu entscheiden.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass durchaus Zweifel an der Rechtsprechung des BSG bestehen. Soweit das BSG den Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II dahingehend auslegt, dass sowohl Unionsbürger mit einem Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche als auch solche ohne materielles Aufenthaltsrecht von einem Leistungsanspruch ausgeschlossen sind, sprechen zwar historische und systematische Erwägungen für diesen angenommenen Erst-Recht-Schluss. Insoweit erscheint es jedoch zweifelhaft, die durch die extensive Auslegung von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (für Personen ohne materielles Aufenthaltsrecht) erst geschaffene Problematik einer möglichen Grundrechtsverletzung durch die methodologisch jedenfalls hinterfragenswerte Auslegung des § 23 Abs. 3 Satz 1 im Verhältnis zu § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zu beseitigen (so aber die verfassungsrechtliche Rechtfertigung bei BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 – Az.: B 4 AS 24/14 R; Urteil vom 17. März 2016 – Az.: B 4 AS 32/15 R). Soweit die Kritik am BSG sich gegen die Absolutheit des Abgrenzungskriteriums der Erwerbsfähigkeit im Rahmen des § 21 Satz 1 SGB XII wendet, vermag der Senat hier zwar keine durchgreifenden Argumente zu sehen. Zweifel werden jedoch auch hinsichtlich der vom BSG angenommenen Anwendbarkeit des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII trotz des in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII geregelten Ausschlusses mit beachtlichen Argumenten vorgebracht.

Trotz dieser Zweifel an der Rechtsprechung des BSG ist diese der Entscheidung im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG zu Grunde zu legen (ebenso wohl Bayerisches LSG Beschluss vom 16. Juni 2016 – Az.: L 11 AS 348/16 B ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 12. Mai 2016 – Az.: L 7 SO 1150/16 ER-B; im Sinne einer Begründung von Erfolgsaussicht bei der Prüfung im einstweiligen Rechtsschutz LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 24. Mai 2016 – Az.: L 9 AS 2582/15 B ER). Bei Vorhandensein einer gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung ist es nach Ansicht des Senats regelmäßig geboten, für die Beurteilung der einen Anordnungsanspruch begründenden Erfolgsaussicht in der Hauptsache insoweit jedenfalls nicht allein auf die voraussichtliche Entscheidung des zuständigen Spruchkörpers abzustellen, sondern zu berücksichtigen, wie das Hauptsacheverfahren voraussichtlich letztinstanzlich entschieden wird (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 25. April 2016 – Az.: L 16 AS 221/16 B ER, wonach es nicht darauf ankommen soll, ob das Gericht die Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung teilt). Es bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, die komplexe Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen

Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG steht einem Leistungsanspruch der Antragsteller zu 2 bis 4 § 21 SGB XII nicht entgegen. Von der Auffassung des Beigeladenen, dass § 21 SGB II erwerbsfähige Personen umfassend von einem Anspruch nach dem SGB XII ausschließe, scheint auch im Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch nicht ausgegangen zu werden. Denn der nunmehr vorgesehenen Änderungen in § 23 SGB XII hätte es nicht bedurft, wenn der Gesetzgeber sich die Auffassung des Beigeladenen zu Eigen gemacht hätte.

Zu einem anderen Ergebnis würde man insoweit auch bei Bestehen eines Aufenthaltsrechts aus § 25 Abs. 4 AufenthG nicht gelangen. Aufgrund der bisherigen Aufenthaltsdauer der Antragstellerin zu 2 bestünde in diesem Fall ein Anspruch in entsprechender Anwendung des SGB XII nach § 3 Abs. 1, Abs. 3 AsylbLG (sog. Analogleistungen). Von einer rechtsmissbräuchlichen Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts dürfte hier nicht auszugehen sein.

Die Antragsteller zu 2 bis 4 haben auch – wie dargestellt – glaubhaft gemacht, dass sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können (vgl. § 19 Abs. 1, § 27 Abs. 1 SGB XII).

Der verfestigte Aufenthalt im Sinne der Rechtsprechung des BSG liegt hier mit dem Ablauf eines Zeitraums von sechs Monaten vor, wobei es hierauf für die in Deutschland geborenen Kinder als tragendes Element für die Ermessensreduzierung auf Null nicht ankommen dürfte, wenn die Voraussetzungen in der Person der Mutter erfüllt sind.

Die Antragsteller haben auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Die im August abgehobenen Leistungen sind nach eigenen, unwiderleglichen Angaben verbraucht. Der Kontostand und das Barvermögen am 9. Dezember 2016 reichen nicht zur Deckung des Gesamtbedarfs für den verbleibenden Monat aus. Die Miete ist seit Einzug nicht gezahlt, was jedenfalls zu einem erheblichen Teil der unterbliebenen Leistungsgewährung geschuldet sein dürfte. Auch wenn der nunmehr noch beantragte Teilzeitraum nicht zu einer Tilgung der Mietschulden, die seitens des Vermieters bereits zum Anlass zu einer Kündigung genommen worden sind, führen kann, besteht nach Ansicht des Senats bei Glaubhaftmachung eines Anspruchs auf laufende Leistungen ein hinreichender Anordnungsgrund.

Hinsichtlich der Höhe der durch den Antragsgegner bzw. hinsichtlich der Antragsteller zu 2 bis 4 durch den Beigeladenen zu erbringenden Leistungen hat der Senat den monatlichen Bedarf der einzelnen Antragsteller (Regelbedarf bzw. Regelsatz zuzüglich jeweils ein Viertel der Gesamtmiete) berücksichtigt. Hiervon war bei dem Antragsteller zu 1 das selbst geschätzte Einkommen von mindestens 250,00 Euro abzuziehen. Allein die zuletzt mitgeteilte Unmöglichkeit der Nachholung des eigentlich für den Tag des Erörterungstermins vorgesehenen Auftrags belegt nicht, dass im laufenden Monat kein Einkommen erzielt wird. Die Bereinigung des Einkommens ist allein um den in der vorläufigen EKS für Dezember 2016 angegebenen Betrag von 20,00 Euro geboten, was zumindest in Hinblick auf das eingesetzte Fahrzeug nachvollziehbar erscheint (auch wenn die Eintragung unter Wareneinkauf erfolgt ist). Der Berücksichtigung von Freibeträgen ist nach Ansicht des Senats im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht geboten. Mithin ergibt sich für den Antragsteller zu 1 ein monatlicher Betrag von 364,00 Euro zuzüglich 178,60 Euro Unterkunftskosten abzüglich 230,00 Euro vorläufiges Einkommen von 312,60 Euro. Hiervon sind anteilig für den noch streitigen Zeitraum 102,73 Euro Regelbedarf und 136,93 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuerkennen. Eine sog. horizontale Einkommensverteilung war bei der Zuordnung der Antragsteller zu 2 bis 4 zum Leistungssystem des SGB XII nicht vorzunehmen.

Bei der Antragstellerin zu 2 war von dem Regelsatz von 364,00 Euro das am 1. Dezember 2016 zugeflossene Elterngeldeinkommen von 360,00 Euro abzusetzen (verbleibend Anspruch von 4,00 Euro für den Gesamtmonat). Mithin waren 3,07 Euro Regelsatz und 136,93 Euro Kosten für Unterkunft Heizung zuzuerkennen.

Für die Antragsteller zu 3 und 4 war jeweils das ihnen zuzurechnende Kindergeld (vgl. § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII) in Abzug zu bringen, so dass sich ein verbleibender Anspruch auf Regelbedarf von jeweils 47,00 Euro für den gesamten Monat ergibt. Anteilig stehen ihnen mithin jeweils 36,03 Euro Regelbedarf sowie ebenfalls jeweils 136,93 Euro Kosten für Unterkunft und Heizung zu.

Im Rahmen des dem Senat eröffneten Ermessens auf der Rechtsfolgenseite ist dem Antragsgegner bzw. dem Beigeladenen nachzulassen, die zweckentsprechende Verwendung der zur Deckung der Kosten für Unterkunft und Heizung bestimmten Beträge durch eine Direktzahlung an den Vermieter sicherzustellen.

Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen, weil die Antragsteller einen insgesamt höheren Betrag begehrt haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt pauschalierend die grundsätzliche Leistungsverpflichtung, das Unterliegen hinsichtlich der Höhe der beantragten Leistung und die zuletzt erfolgte zeitliche Beschränkung des Antrags. Dabei war es im Rahmen der Ermessensausübung nicht geboten, die zeitliche Beschränkung in vollem Umfang als Unterliegen zu werten, weil sie auch dem zeitlichen Ablauf des Verfahrens geschuldet ist.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beruht auf § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114ff. ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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