Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 531/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 14/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Dezember 2014 wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zahlung einer einmaligen Entschädigung als Mehrleistung von der Beklagten.
Der 1981 geborene Kläger erlitt am 28. Juni 2005 einen Unfall, bei dem er sich eine HWK-5-Berstungsfraktur und eine inkomplette Querschnittslähmung zervikal sub C4 als Primärschaden zuzog.
Aufgrund des am 17. März 2011 ergangenen Urteils des erkennenden Senates (L 3 U 276/08) erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 05. März 2012 den Unfall als Arbeitsunfall im Sinne des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) an, stellte die Unfallfolgen fest und gewährte dem Kläger eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit ab dem 26. Dezember 2006 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 von Hundert (v.H.). Den bezüglich der Höhe des Jahresarbeitsverdienstes erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2012 zurück.
Anlässlich eines Hausbesuches von Mitarbeitern der Beklagten am 26. Oktober 2011, in welchem über die Heilbehandlung, die Pflege, Hilfsmittel, den Antrag auf Kfz-Beihilfe und soziale Kontakte des Klägers gesprochen wurde, war auch der berufliche Werdegang des Klägers Gegenstand des Gespräches. Dem "Besuchsvermerk" ist zu entnehmen, dass der Kläger "umfassend über seine Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit der Unfallkasse aufgeklärt (Vermittlung als ungelernte Kraft, Möglichkeit der Berufsorientierung und Umschulung im Berufsförderungswerk, Eingliederungshilfe)" worden sei. Seinerseits habe der Kläger dazu geäußert, dass er "eventuell im Unternehmen eines Bekannten arbeiten" könnte, mit diesem aber noch einmal sprechen müsse.
Die Beklagte veranlasste aufgrund des klägerischen Antrages auf Kfz-Beihilfe das fachärztliche und verkehrsmedizinische "Gutachten zur Vorlage beim Straßenverkehrsamt", welches durch Dr. N (Arzt für Neurochirurgie, Chefarzt des Behandlungszentrums für Rückenmarkverletzte am Unfallkrankenhaus B – UKB -) am 28. Oktober 2011 erstellt wurde. Im Hinblick auf seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sei der Kläger ärztlich untersucht worden (wobei das Datum der Untersuchung nicht angegeben wird). Im Gutachten wird festgestellt, dass infolge der unfallbedingten Schädigung des Rückenmarks eine vollständige Lähmung beider Beine, der Blase und des Mastdarms sowie eine Beeinträchtigung der Hand- und Armfunktionen vorliege. Grundsätzlich werde durch die Querschnittslähmung die Verkehrstauglichkeit nicht eingeschränkt, erforderlich sei jedoch ein Kraftfahrzeug mit automatischem Getriebe, bei dem Gas- und Betriebsbremse von Hand bedient werden können. Die Verwendung eines Schaltgetriebes oder einer Halbautomatik sei möglich, wenn die Bedienung über Handkontrollen erfolge. Eine Abdeckung des Fußpedals sollte vorgenommen werden. Der rechte Außenspiegel sollte elektrisch verstellbar sein. Am Lenkrad sollte eine Drehgabel vorgesehen werden, um das Lenken mit einer Hand sicherzustellen. Die kognitiven Fähigkeiten (Wahrnehmung, Orientierung, Gedächtnis, Reaktionsfähigkeit im Straßenverkehr) seien nicht beeinträchtigt. Eine medizinisch- psychologische Untersuchung sei nicht erforderlich. Auf Nachuntersuchungen bzw. regelmäßige Kontrolluntersuchungen könne verzichtet werden, da eine Änderung des Gesundheitszustandes, der für die Beurteilung der Fahrtauglichkeit wesentlich wäre, nicht zu erwarten sei. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen sei die Verkehrstauglichkeit für die Klasse B nicht beeinträchtigt.
In einem weiteren von Dr. N und Dr. L vom UKB erstellten Gutachten zur Einschätzung der verbliebenen Unfallfolgen und der MdE vom 08. November 2011 wird berichtet: "Es besteht eine deutliche Kraftminderung im Bereich der oberen Extremitäten und insbesondere der unteren Extremitäten. neurogene Harnblasen- und Mastdarmlähmung mit entsprechender Harn- und Stuhlinkontinenz. Aufgrund der Kraftminderung besteht eine Einschränkung in der Mobilität und Selbstständigkeit des Patienten. Der Patient ist auf Hilfe bei folgenden Tätigkeiten angewiesen: Waschen, Körperpflege, Transfer in die Badewanne (Lifter mit Tuch), Transfer mit Rutschbrett vom Rollstuhl ins Bett, Essenszubereitung, Anziehen. Ein- und Ausstützen im Rollstuhl zur Druckentlastung im Gesäß ist nicht möglich. Der Patient lagert sich selbst in der Nacht. Der Patient wohnt in der eigenen Wohnung und wird durch die Angehörigen gepflegt. Aktuell liegt eine Pflegestufe III vor. Der tägliche Pflegeaufwand beträgt eineinhalb Stunden am Morgen, zwei Stunden am Mittag und eineinhalb Stunden am Abend. Weiterhin ist Hilfe bei den Transfers zwischen Krankentransport und den therapeutischen Maßnahmen nötig. Bei dem Patienten besteht aktuell eine deutliche Einschränkung der Ellenbogenstrecker."
Mit Schreiben vom 15. März 2012 beantragte der Kläger die Zahlung einer Einmalentschädigung nach § 10 der Satzung der Beklagten i. V. m. § 5 Abs. 1 des Anhangs zur Satzung.
Nach § 5 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten, durch die Vertreterversammlung beschlossen auf Grundlage des § 94 SGB VII, soll Versicherten auch "einmalige Leistungen in besonderen Fällen" gewährt werden, wobei § 5 Abs. 1 Bezug nimmt auf "Versicherte mit Anspruch auf eine Versichertenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 80 vom Hundert oder mehr", die "neben den Mehrleistungen nach den §§ 2 und 3 der Mehrleistungsbestimmungen eine einmalige Entschädigung in Höhe von 26.000 Euro" erhalten, "wenn sie infolge des Versicherungsfalles eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben können."
Mit Bescheid vom 11. April 2012 lehnte die Beklagte die Gewährung dieser Einmalleistung ab. Aufgrund der festgestellten Unfallfolgen (Bescheid vom 05. März 2012 über die Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 100 v.H.) und des noch geringen Alters des Klägers sei eine Erwerbstätigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht ausgeschlossen. Der Kläger sei umfassend über die Möglichkeiten einer beruflichen Aus- und Weiterbildung aufgeklärt worden, so dass von einer dauerhaften und völligen Erwerbsunfähigkeit des Klägers nicht ausgegangen werden könne.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 04. Mai 2012 begründete der Kläger damit, dass bei ihm eine MdE von mehr als 80 v.H. vorliege. Zudem gewähre ihm die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Unbedeutend sei, dass er eventuell in Zukunft noch einmal eine Arbeitserprobung, Berufsfindung oder Umschulung wahrnehmen werde.
Zwischenzeitlich gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 18. April 2012 einen Zuschuss zur Erlangung der Fahrerlaubnis gemäß §§ 26 Abs. 2 Nr. 3, 39 Abs. 1 Nr. 1 und 40 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 SGB VII i.V.m. der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) sowie mit Bescheid vom 19. April 2012 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach, insbesondere qualifizierte Leistungen zur Teilhabe in Form einer Ausbildung in einem neuen Beruf. Der Kläger wurde aufgefordert, sich mit der Beklagten zu gegebener Zeit in Verbindung zu setzen, um dann die weitere Verfahrensweise mit dem Ziel seiner dauerhaften beruflichen Eingliederung zu klären. Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 11. April 2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2012 als unbegründet zurück. Die Feststellungen der gesetzlichen Rentenversicherung seien für sie nicht bindend. Bei Querschnittslähmungen sei eine Erwerbsfähigkeit im Einzelfall nicht ausgeschlossen. Für die Gewährung der Einmalleistung sei jedoch dieses tatsächliche Unvermögen maßgeblich.
Mit seiner am 28. August 2012 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger seine Begehren auf Gewährung einer höheren Verletztenrente sowie einer einmaligen Entschädigungsleistung weiter verfolgt. Er hat ausgeführt: Die Beklagte gehe fehl in der Annahme, dass von ihm eine Erwerbstätigkeit infolge des Versicherungsfalles noch ausgeübt werden könne. Er erhalte Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die DRV habe festgestellt, dass eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausgeübt werden könne. Soweit die Beklagte jetzt angebe, dass kein tatsächliches Unvermögen vorliege, widerspräche dies den Tatsachen und den Feststellungen der DRV. Dass die Rentenversicherung keine Leistungen zur Teilhabe erbracht habe, obwohl sie dies nach Maßgabe der Gesetze könne, zeige, dass diese Maßnahme ohne Aussicht auf Erfolg sei. Er könne aufgrund seiner Lähmungshöhe keine Erwerbstätigkeit ausüben, eine solche gefährde seine Gesundheit. Er sei seit dem Unfall keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Zudem habe die Beklagte keine Maßnahme vorgeschlagen, die er hätte durchführen können und die zur Erlangung der Erwerbsfähigkeit geführt hätte. Die gegenteilige Behauptung der Beklagten sei willkürlich.
Gemäß § 40 SGB VII i.V.m. §§ 6, 7 KfzHV bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Juni 2013 dem Kläger einen Zuschuss zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges i.H.v. 9.500 Euro sowie die Kosten der behinderungsbedingten Zusatzausstattung i.H.v. 40.000 Euro.
Nachdem das SG den Klageantrag zu 2. aus der Klageschrift vom 28. August 2012 - betreffend die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes - mit Beschluss vom 17. Dezember 2014 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen S 25 U 872/14 weitergeführt hatte, hat der Kläger erstinstanzlich noch beantragt,
den Bescheid vom 11. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Einmalleistung nach § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklag- ten zu gewähren.
Mit Urteil vom 18. Dezember 2014 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die einmalige Entschädigung i.H.v. 26.000 Euro gemäß § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten zu gewähren. Nach Überzeugung der Kammer sei jedenfalls im vorliegenden Falle mit einer MdE von 100 v.H. schon festgestellt, dass eine Erwerbsfähigkeit nicht vorliege. Dies folge aus § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Die Gewährung der Vollrente setze nach dem Wortlaut des §§ 56 Abs. 3 SGB VII nämlich ausdrücklich den "Verlust der Erwerbsfähigkeit" voraus. Umgekehrt sei von einem Verlust der Erwerbsfähigkeit auszugehen, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit 100 v.H. betrage. Wenn aber die Gewährung der Vollrente den Verlust der Erwerbsfähigkeit belege, könne nach Überzeugung der Kammer der Einschränkung in § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten "wenn sie infolge des Versicherungsfalles eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben können" in Fällen einer MdE von 100 v.H. keine eigenständige Bedeutung mehr beigemessen werden. Da die Entschädigung auch bereits bei einer MdE von 80 v.H. gewährt werden könne, verbleibe gleichwohl ein sinnvoller Anwendungsbereich für diese Vorschrift. Bei einer MdE von 100 v.H. bestehe nach Auffassung der Kammer dagegen kein Raum für eine weitere eigenständige Prüfung einer Erwerbsfähigkeit.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 23. Januar 2015 zugestellte Urteil am 29. Januar 2015 Berufung eingelegt und diese wie folgt begründet: Das Urteil des SG verfehle mit seiner Auslegung der Bestimmung zur Mehrleistung gemäß § 5 Abs. 1 des Anhangs der Satzung deren normativen Gehalt. Die vom SG in Anknüpfung an § 56 SGB VII gefundene Auslegung, dass Querschnittsverletzte mit einer MdE von 100 v.H. eine Erwerbsfähigkeit nicht mehr hätten, dürfte in dieser Art und Weise gegebenenfalls sogar diskriminierend sein, weil auch Querschnittsgelähmte mit einer MdE von 100 v.H. einer Erwerbstätigkeit noch nachgehen könnten und dies in der Mehrzahl der der Beklagten amtlich bekannten Fälle auch tatsächlich tun würden. Zur Verdeutlichung dessen, dass die Satzungsbestimmung auch nicht unter Rückgriff auf den Rechtsbegriff der MdE des § 56 SGB VII ausgefüllt werden könne, sondern vielmehr eigenständig, und sodann in erster Linie rein tatsächlich auszulegen sei, was in Nachzeichnung der Satzungsgeschichte dieser Vorschrift zu belegen sei, hat die Beklagte auch auf das Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 27. Oktober 2009 (B 2 U 30/08 R) verwiesen. Im Urteil völlig unerwähnt geblieben sei der in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Gesichtspunkt, dass es sich bei der Einmalzahlung um eine absolute Härtefallzahlung handele und nicht um die regelmäßige Mehrleistung, die dem Kläger zugute käme. Die abstrakt bestimmt MdE von 100 v.H. treffe keinerlei Aussage über das Restleistungsvermögen von Querschnittsgelähmten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, ggf. nach Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (vgl. hierzu auch Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 16. Juni 2011, L 2 U 601/08).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Dezember 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Durch die vom Rentenversicherungsträger festgestellte volle Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) stehe fest, dass er nicht mehr erwerbsfähig sei. Es könne nicht nachvollzogen werden, dass es sich – wie die Beklagte meine - um eine absolute Härtefallregelung handele, da die Satzung die Einmalzahlung auch bei einer MdE von 80 v.H. vorsehe. Folge man der Ansicht der Beklagten, so sei es ausgeschlossen, dass Geschädigte, die eine MdE von (nur) 80 v.H. hätten, in den Genuss der Härtefallregelung kämen, denn die Beklagte meine mit der Regelung nur jene zu begünstigen, die bewegungsunfähig seien und das Bett nicht verlassen könnten. Im Übrigen gehe er davon aus, dass die Beklagte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur bewilligt habe, weil er die Einmalzahlung beantragt habe. Die Beklagte habe auf diesem Wege versucht, seine Erwerbsfähigkeit zu fingieren.
Der Senat hat von der Beklagten deren Schriftverkehr mit dem Land Brandenburg, Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen - als Genehmigungsbehörde nach § 114 Abs. 2 Satz 1 SGB VII - zur 3. und 4. Änderung der Satzung der Beklagten, insbesondere im Hinblick auf § 5 "Mehrleistungen" des Anhangs zu § 10 der Satzung beigezogen.
Die Beteiligten haben im Erörterungstermin vom 03. März 2016 ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung des Senats erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (Bände VI und VII) verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.
Streitgegenstand der zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 11. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2012, mit welchem der konkret auf Mehrleistung in Form der Einmalzahlung gemäß § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten gerichtete Antrag des Klägers abgelehnt wurde. Auf Mehrleistungen in anderer Form erstreckte sich der Antrag – auch unter Beachtung von § 123 SGG - nicht. Da der Gesetzgeber mit § 54 Abs. 4 SGG ausdrücklich die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage als eigenständige Klageform zugelassen hat, ist damit innerhalb eines Klageverfahrens sowohl die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts, als auch die des erhobenen Leistungsanspruchs zu prüfen (BSG, Urteil vom 17. Februar 2005 – B 13 RJ 31/04 R –, juris, Rn. 30).
Der die Mehrleistung ablehnende streitgegenständliche Verwaltungsakt der Beklagten, der Bescheid vom 11. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2012, erweist sich im Ergebnis als rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine einmalige Entschädigung i.H.v. 26.000 Euro gemäß § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten.
§ 10 der Satzung der Beklagten in der Fassung der siebenten Änderung vom 16. Dezember 2009 regelt unter der Überschrift "Mehrleistungen":
"Die Unfallkasse gewährt Mehrleistungen nach näherer Bestimmung des Anhangs zu dieser Vorschrift (Bestimmung von Mehrleistungen)."
Der Anhang zu § 10 bestimmt in § 5 "Einmalige Leistungen in besonderen Fällen", Absatz 1: "Versicherte mit Anspruch auf eine Versichertenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 80 vom Hundert oder mehr erhalten neben den Mehrleistungen nach den §§ 2 und 3 der Mehrleistungsbestimmungen eine einmalige Entschädigung in Höhe von 26.000 Euro, wenn sie infolge des Versicherungsfalles eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben können."
Unabhängig von der Frage, ob der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten erfüllt, scheidet ein Anspruch auf die darin genannte Mehrleistung schon deshalb aus, weil die Satzungsregelung nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Mit anderen Worten: Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Einmalzahlung, da eine Anspruchsgrundlage im SGB VII hierfür nicht existiert und die vom Kläger zur Geltendmachung des Anspruchs herangezogene Regelung in § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten nichtig ist.
Die Beklagte hatte für eine solche Satzungsregelung keine "Satzungskompetenz". Sie ist gesetzlich nicht ermächtigt, einen Anspruch auf Mehrleistung in Form der einmaligen Entschädigung – wie in § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten geregelt - kraft Satzung zu erschaffen.
Über den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes hinaus hat der Gesetzgeber in § 31 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) bestimmt, dass in den Sozialleistungsbereichen des SGB I einschließlich der gesetzlichen Unfallversicherung (SGB VII) Rechte und Pflichten nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Ohne Ermächtigung durch Parlamentsgesetz ist dem Sozialversicherungsträger die Regelung von Rechten oder Pflichten des Bürgers verwehrt. Insoweit bedürfen untergesetzliche Normen wie Satzungen, einer Inhalt und Umfang bestimmenden Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Gesetz (Seewald, in: Kasseler Kommentar, § 31 SGB I, Rn. 8 und 13, Stand September 2007). Die Unfallversicherungsträger als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts gemäß § 29 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), denen das Grundgesetz (GG) keine Aufgaben mittels Generalklausel zuweist, haben nur Satzungs- und Regelungskompetenz mit Wirkung gegenüber dem Bürger, wenn und soweit ihnen Aufgaben ausdrücklich vom Gesetzgeber übertragen worden sind (BSG, Urteil vom 17. Mai 2011 – B 2 U 18/10 R -, juris Rn. 36, und Urteil vom 04. Dezember 2014 – B 2 U 11/13 R -, juris Rn. 19, 20; Steinbach, in: Hauck/Noftz, SGB IV, Stand Februar 1995, K § 34 Rn. 5; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 23 Rn. 42 (Enumerationsprinzip)).
Zwar sind Satzungen der Berufsgenossenschaften autonomes Recht (§ 34 SGB IV), wobei der Grund für die Übertragung dieser Regelungsgegenstände auf die Selbstverwaltung in ihrer besonderen Sachkunde und Sachnähe zu sehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. November 2005 - B 2 U 15/04 R -, juris Rn. 17). Von den Gerichten ist daher nicht zu entscheiden, ob die Vertreterversammlung im gesetzlichen Rahmen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Satzungsregelung beschlossen hat (vgl. BSG, Urteil vom 16. November 2005 - B 2 U 15/04 R –, juris Rn. 18 und Urteil vom 12. Dezember 1985 – 2 RU 70/84 –, juris Rn. 12 m.w.N.). Die Satzungsregelungen unterliegen aber der gerichtlichen Nachprüfung im Hinblick darauf, ob sie mit der Ermächtigungsnorm und sonstigem höherrangigem Recht vereinbar sind (vgl. BSG, a.a.O.). Für die Regelung in § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten über die einmalige Entschädigung fehlt der Beklagten jedoch eine Satzungskompetenz.
§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB IV räumt der Beklagten folglich zwar Satzungsautonomie ein, die Vorschrift bietet aber keine Ermächtigungsgrundlage für die hier zur Begründung des Anspruchs bemühte, konkret getroffene Satzungsregelung. Die Satzungsregelungen der Versicherungsträger unterliegen trotz der durch § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB IV eingeräumten Kompetenz, Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, gemäß Art. 20 Abs. 3 GG dem Vorrang des Gesetzes und allen grund- und parlamentsgesetzlichen Gesetzesvorbehalten (vgl. Schneider-Danwitz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 34 Rn. 43, 48). Die Inhalte der Satzungen sollen für die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung unterschiedlich ausgestaltet werden. Deshalb finden sich die entsprechenden Ermächtigungen zu inhaltlichen Regelungen in den besonderen Vorschriften des SGB, hier im SGB VII. Aus der grundsätzlich eingeräumten Satzungsautonomie lässt sich deshalb keine Ermächtigung zu konkreten inhaltlichen Bestimmungen herleiten. Vielmehr dürfen die Versicherungsträger auch "Geschäfte", wie den Erlass einer Satzung, nur zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen (§ 30 Abs. 1 SGB IV, vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 2011 – B 2 U 18/10 R -, juris Rn. 40).
Der Gesetzgeber hat mit § 94 Abs. 1 SGB VII für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die gesetzlichen Rahmenbedingungen für deren Satzungsregelungen bestimmt, soweit es die Gewährung von Mehrleistungen betrifft. § 94 Abs. 1 SGB VII lautet:
Mehrleistungen
(1) Die Satzung kann Mehrleistungen bestimmen für
1. Personen, die für ein in § 2 Abs. 1 Nr. 9 oder 12 genanntes Unternehmen unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind, 2. Personen, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 10, 11 oder 13 oder Abs. 3 Nr. 2 versichert sind, 3. Personen, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a versichert sind, wenn diese an einer besonderen Auslandsver- wendung im Sinne des § 31a des Beamtenversorgungsgesetzes oder des § 63c des Soldatenversorgungsgesetzes teilnehmen, sowie Personen, die nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe c versichert sind.
Dabei können die Art der versicherten Tätigkeit, insbesondere ihre Gefährlichkeit, sowie Art und Schwere des Gesundheitsschadens berücksichtigt werden.
(2) Die Mehrleistungen zu Renten dürfen zusammen mit
1. Renten an Versicherte ohne die Zulage für Schwerverletzte 85 vom Hundert, 2. Renten an Hinterbliebene 80 vom Hundert
des Höchstjahresarbeitsverdienstes nicht überschreiten.
(2a) Für die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 genannten Personen kann die Satzung die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes bis zur Höhe des Eineinhalbfachen des Jahresarbeitsverdienstes bestimmen, der nach dem Dritten Abschnitt des Dritten Kapitels maßgebend ist. Absatz 2 ist in diesen Fällen nicht anzuwenden.
(3) Die Mehrleistungen werden auf Geldleistungen, deren Höhe vom Einkommen abhängt, nicht angerechnet.
Zwar ist der persönliche Anwendungsbereich der Mehrleistungsnormen grundsätzlich nach dem autonomen Satzungsrecht der Beklagten für den Kläger eröffnet. Nach § 1 Abs. 1 lit. e) des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten erhalten Mehrleistungen zu den gesetzlichen Leistungen Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a) SGB VII). Dass der Kläger zum Personenkreis nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a) SGB VII zählt, hat der Senat bereits in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 17. März 2011 - L 3 U 276/08 – festgestellt. Zwar wird der danach bestimmte und für den Kläger zutreffende Anwendungsbereich von § 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII umfasst. Jedoch wird die in § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten geregelte "einmalige Leistung/Entschädigung" nicht vom Begriff der Mehrleistung i. S. v. § 94 SGB VII und damit der Ermächtigung zur Regelung durch Satzung erfasst.
Die Satzungsermächtigung in § 94 Abs. 1 SGB VII gewährt den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern einen weiten Gestaltungsspielraum, denn sie ermöglicht ihnen, durch Satzungsrecht Mehrleistungen für Personen vorzusehen, die im Interesse des Allgemeinwohls/Gemeinwesens tätig geworden und dabei durch einen Unfall oder eine Krankheit zu Schaden gekommen sind (Ricke, in: Kasseler Kommentar, 87. EL Stand Juni 2015, § 94 Rn. 4). Der Gestaltungsspielraum erfasst das "Ob", das "Was" (betroffene Leistungsarten), das "Wie" (z.B. Höhe, Dauer) sowie mögliche besondere Voraussetzungen (z.B. Höhe und Dauer des Schadens) der Mehrleistungen (Palsherm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, § 94 SGB VII Rn. 13).
Dem Schadenersatzcharakter der Leistungen aus der Unfallversicherung entsprechend ist der Leistungszweck in erster Linie auf einen Ausgleich von Schäden gerichtet, die die Regelleistungen nur unzulänglich bewirken, etwa durch die Erhöhung des Verletztengeldes bis zum Nettoentgelt (so bereits zur Vorgängervorschrift des § 94 SGB VII - § 765 a. F. Reichsversicherungsordnung (RVO) -, Lauterbach, Unfallversicherung, § 765 Rn. 3) oder Leistungen, die den Verletzten objektiv oder subjektiv ihre Lage erleichtern, wie durch die Übernahme von Einbettzimmer-Mehrkosten, zusätzlichen Familienheimfahrten bei auswärtiger Rehabilitation (Ricke, WzS 2012, 291 ff.), die Erhöhung des Sterbegeldes oder durch einen Zuschlag zur Verletztenrente (Lauterbach, a.a.O.). Immaterielle Komponenten im Sinne einer Belohnung des Versicherten für seinen (überobligatorischen) Einsatz für das Gemeinwesen im Zeitpunkt des Versicherungsfalles sind dabei nicht zu leugnen (Ricke, a.a.O.).
Dennoch entspricht es der gesetzgeberischen Vorgabe, dass Mehrleistungen in jedem Fall nur zu Leistungen gewährt werden, die gesetzlich überhaupt vorgesehen und im Einzelfall begründet sind (Ricke, a.a.O.; SG Hannover, Urteil vom 13. Januar 1999 - S 13 U 238/97 –, juris, Rn. 23; zudem auch Palsherm, a.a.O., Rn. 15; Köhler, in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand April 2016, K § 94 Rn. 3a; Merten, in: Eichenhofer/Wenner, Wannagat - Sozialversicherungsrecht - SGB VII, 2010, § 94 Rn. 6; Schwerdtfeger, in: Lauterbach, Unfallversicherung , SGB VII, 4. Aufl. Stand Juli 2015, § 94 Rn. 10).
Bereits nach dem Wortlaut "Mehrleistung" spricht einiges dafür, dass bei der Begriffsauslegung bzw. Inhaltsbestimmung von einer quantitativen Betrachtungsweise auszugehen sein könnte, hingegen eine qualitative Erweiterung der im Gesetz vorgesehenen Ansprüche vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen ist (Köhler, a.a.O.; Merten, a.a.O.). Andererseits könnte – alltagssprachlich - im Sinne von "mehr Leistungen" hierunter auch jegliche Erweiterung von Ansprüchen fallen (SG Hannover, a.a.O., Rn. 24), so dass der Wortlaut keine abschließend verbindliche Auslegung zulässt.
Erhellend ist jedoch eine gesetzeshistorische Betrachtung, die den Ausschlag für die hier vertretene Auffassung gibt. Zutreffend hat das SG Hannover (a.a.O., Rn. 25 f.) hierzu ausgeführt: "Dem § 94 SGB VII bzw. der Vorgängervorschrift § 765 RVO a. F. liegt die Verordnung zur Ergänzung von sozialen Leistungen vom 19. Oktober 1932 zugrunde, die mit dem Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) vom 30. April 1963 in modifizierter Weise als § 765 RVO Gesetz geworden ist (zur Entstehungsgeschichte vgl. Lauterbach a. a. O, § 765 Anm. 1). Nach den dortigen §§ 1 und 8 durfte die Selbstverwaltung in der Renten- und Unfallversicherung bestimmen, dass neben den gesetzlichen Leistungen (Regelleistungen) widerruflich Mehrleistungen gewährt werden; diese konnten gemäß § 2 Abs. 1 die Regelleistungen "in der Dauer, Höhe und Art ergänzen". Aus der Formulierung "ergänzen" ergibt sich, dass nicht etwas völlig neues, sondern lediglich eine Abrundung der Regelleistungen gemeint war, also eine Vervollständigung der Anspruchsinhalte unter Beachtung des im Gesetz vorgesehenen Systems von Ansprüchen. Dies folgt auch aus der Aufzählung von "Dauer, Höhe und Art", wobei sich "Art" auf die ihrem Inhalt nach von vornherein nicht abschließend bestimmten Sachleistung zur Rehabilitation (vgl. etwa § 569 a RVO, § 39 SGB VII) bezieht. Damit ist die Einführung von Ansprüchen, die ihrem Wesen nach über den in der RVO (bzw. jetzt im SGB VII) enthaltenen Katalog von Leistungen hinausgehen, nicht vereinbar.
In dieser Weise ist der bisherige § 765 RVO - soweit ersichtlich - auch vom Schrifttum übereinstimmend ausgelegt worden (vgl. etwa: Lauterbach, a. a. O., Anm. 3 c, e; Ricke, in: Kasseler Kommentar, § 765 RVO Rdnr. 2). Auch in den gemäß § 765 Abs. 1 Satz 2 RVO von der Bundesregierung erlassenen Rechtsverordnungen sind Mehrleistungen nur in dem hier vertretenen Sinne von Zuschlägen vorgesehen (vgl. die Übersicht bei Gitter, GesKomm-SozVers, nach § 765 RVO). Diese Praxis liegt dem ab 01. Januar 1997 geltenden § 94 SGB VII zugrunde. Daß auch der Gesetzgeber des 7. Buches von der Prämisse bloßer Ergänzungen zu den im Gesetz vorgesehenen Leistungen ausgeht, zeigt insbesondere § 94 Abs. 2 SGB VII, der eine Obergrenze für "Mehrleistungen zu Renten" regelt. Schließlich ist auch nach der Kommentierung zum heutigen § 97 SGB VII" [richtig wohl: § 94 SGB VII] "die Einführung systemfremder Leistungen durch Satzung als "Mehrleistung" ausgeschlossen (Ricke, a.a.O., § 94 Rdnr. 2; Schmitt, SGB VII, § 94 Rdnr. 4)."
Dieser Betrachtung schließt sich der Senat nach eigener rechtlicher Würdigung an.
Vor diesem Hintergrund sind Mehrleistungen nur in Form der Ergänzungen, Erweiterung oder Erhöhung gesetzlich ohnehin vorgesehener Leistungen zulässig, wie etwa die Formulierung in § 94 Abs. 2 "Mehrleistungen zu Renten" vor Augen führt (Köhler, in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand April 2016, K § 94 Rn. 3a; Leube, Mehrleistungen, NZS 2006, 410, 411 f.; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, Stand März 2015, § 94 Anm. 3). Zuwendungen, die ihrer Art nach nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Unfallversicherung gehören, dürfen dagegen nicht als Mehrleistung erbracht werden, so dass z.B. weder die Gewährung von Schmerzensgeld noch der Ersatz von Vermögens- und Sachschäden zulässig sind. Gleiches gilt für einmalige Geldleistungen, z.B. bei völliger Erwerbsunfähigkeit, da sie keine Entsprechung im Leistungskatalog des SGB VII haben (Ricke, WzS 2012, 291, 292 f.). Es ist dem Begriff der Mehrleistung immanent, dass sie - die "Mehr"-Leistung - eine gesetzliche Leistung ergänzt, nicht aber an deren Stelle tritt oder den Leistungskatalog des SGB VII erweitert (Köhler, aaO). Nach diesen Maßgaben sind als zulässige Mehrleistungen im Sinne des § 94 SGB VII beispielsweise zu betrachten (vgl. Palsherm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, § 94 SGB VII Rn. 16; Schwerdtfeger, in: Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII, 4. Aufl. Stand Juli 2015, § 94 Rn. 11; Ricke, in: Kasseler Kommentar, 87. EL Stand Juni 2015, § 94 Rn. 5): - Zuschläge zum Verletzten- bzw. Übergangsgeld bis zur Höhe des tatsächlichen Lohn- oder Einkommensausfalls, - Erhöhung des Pflege- oder Sterbegeldes, - Zuschläge zur Verletzten- oder Hinterbliebenenrente in Höhe des in § 94 Abs. 2 SGB VII bestimmten Betrages, - Ansetzen eines fiktiven Jahresarbeitsverdienstes über dem tatsächlichen Jahresar- beitsverdienst (BSG, Urteil vom 27. April 1972 - 7/2 RU 44/69 -, SGb 1972, 397- 400), - stationäre Behandlung in höherer Pflegeklasse, - Überschreitung des Zweijahreszeitraumes nach § 58 SGB VII, - Erhöhung der Festbeträge gemäß §§ 29 Abs. 1 Satz 2, 31 Abs. 1 Satz 3 SGB VII, - häufigere Familienheimfahrten gemäß § 43 Abs. 3 SGB VII (mit weiteren Beispielen auch Leube, NZS 2006, 410, 411).
Leistungen, deren Voraussetzungen nicht vorliegen, die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vorgesehen sind und/oder gesetzlich vorgesehene Leistungen ersetzen sollen, sind als Mehrleistungen nicht zulässig, wie beispielsweise: - Schmerzensgeld, - Rente ohne erforderliche Minderung der Erwerbsfähigkeit, - Verletztengeld an Nicht-Beschäftigte, die nicht arbeitsunfähig werden können (SG Hannover, a.a.O.), - Sach- oder Vermögensschadensersatz über die Regelungen von § 8 Abs. 3 und § 13 SGB VII hinaus, - einmalige Leistung(en) bei völliger Erwerbsunfähigkeit oder im Todesfall (Köhler, a.a.O. Rn. 3a; Palherm, a.a.O. Rn.17; Ricke, a.a.O. Rn. 6; a. A. ohne Begründung: Schwerdtfeger, a.a.O. Rn. 14).
Ob die Satzungsregelung der Beklagten zur einmaligen Entschädigung nach § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung diesen gesetzlichen Vorgaben entspricht, hängt also entscheidend davon ab, ob diese Mehrleistung nur solche Ansprüche betrifft, die dem Grunde nach bereits im Gesetz vorgesehen sind, oder ob die Satzungsgeber auch berechtigt sind, dem Grunde nach im Gesetz nicht vorgesehene Leistungen einzuführen. Der Senat beantwortet dies - wie ausgeführt - im Sinne der ersten Alternative. Die gesetzgeberische Zielvorstellung hat im Satzungswortlaut der Beklagten nicht den erforderlichen Niederschlag gefunden, da die von der Satzungsregelung der Beklagten vorgesehene Einmalzahlung, ggf. auch als Härtefallregelung gedacht, eine zusätzlich zur laufenden Rentenleistung gedachte "Rentenmehrleistung" darstellt, die – schon wegen ihrer Höhe – den Charakter reinen Schmerzensgeldes trägt und keine Entsprechung im, sowie auch keine verbale Anknüpfung, an den Leistungskatalog des SGB VII findet, also keine existente SGB VII-Leistung erhöht, ergänzt oder erweitert. Dem Begriff der Mehrleistung ist es – wie dargestellt - jedoch immanent, dass sie eine gesetzliche Leistung ergänzt, nicht aber an deren Stelle tritt (ebenso: Köhler, a.a.O., Rn 3a; Ricke, WzS 2012, 291, 292; Palsherm, a.a.O., Rn. 17)
Die Unvereinbarkeit der Satzungsbestimmung hat deren Nichtigkeit und damit Unanwendbarkeit zur Folge. Regelungen, die gegen höhere Normen verstoßen, dürfen grundsätzlich nicht angewendet werden, da Verwaltung und Gerichte nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden und deshalb gehalten sind, gesetzeswidrige Handlungen zu unterlassen (BSG, Urteil vom 17. Mai 2011 - B 2 U 18/10 R -, juris Rn. 53 unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 03. November 1982 - 1 BvR 620/78 -, BVerfGE 61, 319 bzw. juris Rn. 101 m.w.N.). Die Nichtigkeit der dem Anspruchsbegehren zugrunde liegenden Satzungsnorm hat zur Folge, dass der die begehrte Leistung ablehnende Bescheid der Beklagten im Ergebnis, d.h. hinsichtlich der darin nach § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) getroffenen Regelung (Verfügungssatz) rechtmäßig ist.
Eine Verurteilung der Beklagten im Umfang des Leistungsbegehrens konnte daher nicht erfolgen, da es – wie ausgeführt – an einer rechtsgültigen Anspruchsgrundlage für die einmalige Entschädigung bei völliger Erwerbsunfähigkeit bzw. voller Erwerbsminderung (so die Lesart des Klägers) sowohl im SGB VII als auch nach der Satzung der Beklagten fehlt.
Offen bleiben kann daher, ob die Ablehnung der Mehrleistung auch inhaltlich der Satzung entspricht, also satzungskonform ist.
Vorliegend war, auch wenn der Bescheid auf einer Satzungsregelung der Beklagten beruht, die von der Aufsichtsbehörde genehmigt worden ist (zu diesem Erfordernis § 114 Abs. 2 Satz 1SGB VII), deren Beiladung nach Maßgabe des § 75 SGG nicht geboten (BSG, Urteil vom 23. November 1992 - 12 RK 27/92 -, SozR 3-2500 § 240 Nr. 10; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 75 Rn. 10h).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Zwar ist der Kläger im Ergebnis mit seinem Klagebegehren erfolglos geblieben. Jedoch war nach dem Veranlassungsprinzip (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 193 Rn. 12b) zu Gunsten des Klägers die Tatsache zu berücksichtigen, dass der Kläger zu einer Klage veranlasst wurde, die angesichts der nichtigen Anspruchsnorm von vornherein – also ohne materiell-rechtliche Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen – keinen Erfolg haben konnte aus Gründen, die die Beklagte in ihrem Verantwortungsbereich, dem des autonomen Satzungsrechtes, zu vertreten hat.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zahlung einer einmaligen Entschädigung als Mehrleistung von der Beklagten.
Der 1981 geborene Kläger erlitt am 28. Juni 2005 einen Unfall, bei dem er sich eine HWK-5-Berstungsfraktur und eine inkomplette Querschnittslähmung zervikal sub C4 als Primärschaden zuzog.
Aufgrund des am 17. März 2011 ergangenen Urteils des erkennenden Senates (L 3 U 276/08) erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 05. März 2012 den Unfall als Arbeitsunfall im Sinne des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) an, stellte die Unfallfolgen fest und gewährte dem Kläger eine Verletztenrente auf unbestimmte Zeit ab dem 26. Dezember 2006 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 von Hundert (v.H.). Den bezüglich der Höhe des Jahresarbeitsverdienstes erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2012 zurück.
Anlässlich eines Hausbesuches von Mitarbeitern der Beklagten am 26. Oktober 2011, in welchem über die Heilbehandlung, die Pflege, Hilfsmittel, den Antrag auf Kfz-Beihilfe und soziale Kontakte des Klägers gesprochen wurde, war auch der berufliche Werdegang des Klägers Gegenstand des Gespräches. Dem "Besuchsvermerk" ist zu entnehmen, dass der Kläger "umfassend über seine Möglichkeiten in Zusammenarbeit mit der Unfallkasse aufgeklärt (Vermittlung als ungelernte Kraft, Möglichkeit der Berufsorientierung und Umschulung im Berufsförderungswerk, Eingliederungshilfe)" worden sei. Seinerseits habe der Kläger dazu geäußert, dass er "eventuell im Unternehmen eines Bekannten arbeiten" könnte, mit diesem aber noch einmal sprechen müsse.
Die Beklagte veranlasste aufgrund des klägerischen Antrages auf Kfz-Beihilfe das fachärztliche und verkehrsmedizinische "Gutachten zur Vorlage beim Straßenverkehrsamt", welches durch Dr. N (Arzt für Neurochirurgie, Chefarzt des Behandlungszentrums für Rückenmarkverletzte am Unfallkrankenhaus B – UKB -) am 28. Oktober 2011 erstellt wurde. Im Hinblick auf seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen sei der Kläger ärztlich untersucht worden (wobei das Datum der Untersuchung nicht angegeben wird). Im Gutachten wird festgestellt, dass infolge der unfallbedingten Schädigung des Rückenmarks eine vollständige Lähmung beider Beine, der Blase und des Mastdarms sowie eine Beeinträchtigung der Hand- und Armfunktionen vorliege. Grundsätzlich werde durch die Querschnittslähmung die Verkehrstauglichkeit nicht eingeschränkt, erforderlich sei jedoch ein Kraftfahrzeug mit automatischem Getriebe, bei dem Gas- und Betriebsbremse von Hand bedient werden können. Die Verwendung eines Schaltgetriebes oder einer Halbautomatik sei möglich, wenn die Bedienung über Handkontrollen erfolge. Eine Abdeckung des Fußpedals sollte vorgenommen werden. Der rechte Außenspiegel sollte elektrisch verstellbar sein. Am Lenkrad sollte eine Drehgabel vorgesehen werden, um das Lenken mit einer Hand sicherzustellen. Die kognitiven Fähigkeiten (Wahrnehmung, Orientierung, Gedächtnis, Reaktionsfähigkeit im Straßenverkehr) seien nicht beeinträchtigt. Eine medizinisch- psychologische Untersuchung sei nicht erforderlich. Auf Nachuntersuchungen bzw. regelmäßige Kontrolluntersuchungen könne verzichtet werden, da eine Änderung des Gesundheitszustandes, der für die Beurteilung der Fahrtauglichkeit wesentlich wäre, nicht zu erwarten sei. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen sei die Verkehrstauglichkeit für die Klasse B nicht beeinträchtigt.
In einem weiteren von Dr. N und Dr. L vom UKB erstellten Gutachten zur Einschätzung der verbliebenen Unfallfolgen und der MdE vom 08. November 2011 wird berichtet: "Es besteht eine deutliche Kraftminderung im Bereich der oberen Extremitäten und insbesondere der unteren Extremitäten. neurogene Harnblasen- und Mastdarmlähmung mit entsprechender Harn- und Stuhlinkontinenz. Aufgrund der Kraftminderung besteht eine Einschränkung in der Mobilität und Selbstständigkeit des Patienten. Der Patient ist auf Hilfe bei folgenden Tätigkeiten angewiesen: Waschen, Körperpflege, Transfer in die Badewanne (Lifter mit Tuch), Transfer mit Rutschbrett vom Rollstuhl ins Bett, Essenszubereitung, Anziehen. Ein- und Ausstützen im Rollstuhl zur Druckentlastung im Gesäß ist nicht möglich. Der Patient lagert sich selbst in der Nacht. Der Patient wohnt in der eigenen Wohnung und wird durch die Angehörigen gepflegt. Aktuell liegt eine Pflegestufe III vor. Der tägliche Pflegeaufwand beträgt eineinhalb Stunden am Morgen, zwei Stunden am Mittag und eineinhalb Stunden am Abend. Weiterhin ist Hilfe bei den Transfers zwischen Krankentransport und den therapeutischen Maßnahmen nötig. Bei dem Patienten besteht aktuell eine deutliche Einschränkung der Ellenbogenstrecker."
Mit Schreiben vom 15. März 2012 beantragte der Kläger die Zahlung einer Einmalentschädigung nach § 10 der Satzung der Beklagten i. V. m. § 5 Abs. 1 des Anhangs zur Satzung.
Nach § 5 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten, durch die Vertreterversammlung beschlossen auf Grundlage des § 94 SGB VII, soll Versicherten auch "einmalige Leistungen in besonderen Fällen" gewährt werden, wobei § 5 Abs. 1 Bezug nimmt auf "Versicherte mit Anspruch auf eine Versichertenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 80 vom Hundert oder mehr", die "neben den Mehrleistungen nach den §§ 2 und 3 der Mehrleistungsbestimmungen eine einmalige Entschädigung in Höhe von 26.000 Euro" erhalten, "wenn sie infolge des Versicherungsfalles eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben können."
Mit Bescheid vom 11. April 2012 lehnte die Beklagte die Gewährung dieser Einmalleistung ab. Aufgrund der festgestellten Unfallfolgen (Bescheid vom 05. März 2012 über die Gewährung einer Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 100 v.H.) und des noch geringen Alters des Klägers sei eine Erwerbstätigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht ausgeschlossen. Der Kläger sei umfassend über die Möglichkeiten einer beruflichen Aus- und Weiterbildung aufgeklärt worden, so dass von einer dauerhaften und völligen Erwerbsunfähigkeit des Klägers nicht ausgegangen werden könne.
Den hiergegen gerichteten Widerspruch vom 04. Mai 2012 begründete der Kläger damit, dass bei ihm eine MdE von mehr als 80 v.H. vorliege. Zudem gewähre ihm die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Unbedeutend sei, dass er eventuell in Zukunft noch einmal eine Arbeitserprobung, Berufsfindung oder Umschulung wahrnehmen werde.
Zwischenzeitlich gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 18. April 2012 einen Zuschuss zur Erlangung der Fahrerlaubnis gemäß §§ 26 Abs. 2 Nr. 3, 39 Abs. 1 Nr. 1 und 40 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2 SGB VII i.V.m. der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) sowie mit Bescheid vom 19. April 2012 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben dem Grunde nach, insbesondere qualifizierte Leistungen zur Teilhabe in Form einer Ausbildung in einem neuen Beruf. Der Kläger wurde aufgefordert, sich mit der Beklagten zu gegebener Zeit in Verbindung zu setzen, um dann die weitere Verfahrensweise mit dem Ziel seiner dauerhaften beruflichen Eingliederung zu klären. Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch.
Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 11. April 2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. August 2012 als unbegründet zurück. Die Feststellungen der gesetzlichen Rentenversicherung seien für sie nicht bindend. Bei Querschnittslähmungen sei eine Erwerbsfähigkeit im Einzelfall nicht ausgeschlossen. Für die Gewährung der Einmalleistung sei jedoch dieses tatsächliche Unvermögen maßgeblich.
Mit seiner am 28. August 2012 beim Sozialgericht Berlin eingegangenen Klage hat der Kläger seine Begehren auf Gewährung einer höheren Verletztenrente sowie einer einmaligen Entschädigungsleistung weiter verfolgt. Er hat ausgeführt: Die Beklagte gehe fehl in der Annahme, dass von ihm eine Erwerbstätigkeit infolge des Versicherungsfalles noch ausgeübt werden könne. Er erhalte Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die DRV habe festgestellt, dass eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausgeübt werden könne. Soweit die Beklagte jetzt angebe, dass kein tatsächliches Unvermögen vorliege, widerspräche dies den Tatsachen und den Feststellungen der DRV. Dass die Rentenversicherung keine Leistungen zur Teilhabe erbracht habe, obwohl sie dies nach Maßgabe der Gesetze könne, zeige, dass diese Maßnahme ohne Aussicht auf Erfolg sei. Er könne aufgrund seiner Lähmungshöhe keine Erwerbstätigkeit ausüben, eine solche gefährde seine Gesundheit. Er sei seit dem Unfall keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Zudem habe die Beklagte keine Maßnahme vorgeschlagen, die er hätte durchführen können und die zur Erlangung der Erwerbsfähigkeit geführt hätte. Die gegenteilige Behauptung der Beklagten sei willkürlich.
Gemäß § 40 SGB VII i.V.m. §§ 6, 7 KfzHV bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Juni 2013 dem Kläger einen Zuschuss zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges i.H.v. 9.500 Euro sowie die Kosten der behinderungsbedingten Zusatzausstattung i.H.v. 40.000 Euro.
Nachdem das SG den Klageantrag zu 2. aus der Klageschrift vom 28. August 2012 - betreffend die Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes - mit Beschluss vom 17. Dezember 2014 abgetrennt und unter dem Aktenzeichen S 25 U 872/14 weitergeführt hatte, hat der Kläger erstinstanzlich noch beantragt,
den Bescheid vom 11. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Einmalleistung nach § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklag- ten zu gewähren.
Mit Urteil vom 18. Dezember 2014 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger die einmalige Entschädigung i.H.v. 26.000 Euro gemäß § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten zu gewähren. Nach Überzeugung der Kammer sei jedenfalls im vorliegenden Falle mit einer MdE von 100 v.H. schon festgestellt, dass eine Erwerbsfähigkeit nicht vorliege. Dies folge aus § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII. Die Gewährung der Vollrente setze nach dem Wortlaut des §§ 56 Abs. 3 SGB VII nämlich ausdrücklich den "Verlust der Erwerbsfähigkeit" voraus. Umgekehrt sei von einem Verlust der Erwerbsfähigkeit auszugehen, wenn die Minderung der Erwerbsfähigkeit 100 v.H. betrage. Wenn aber die Gewährung der Vollrente den Verlust der Erwerbsfähigkeit belege, könne nach Überzeugung der Kammer der Einschränkung in § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten "wenn sie infolge des Versicherungsfalles eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben können" in Fällen einer MdE von 100 v.H. keine eigenständige Bedeutung mehr beigemessen werden. Da die Entschädigung auch bereits bei einer MdE von 80 v.H. gewährt werden könne, verbleibe gleichwohl ein sinnvoller Anwendungsbereich für diese Vorschrift. Bei einer MdE von 100 v.H. bestehe nach Auffassung der Kammer dagegen kein Raum für eine weitere eigenständige Prüfung einer Erwerbsfähigkeit.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 23. Januar 2015 zugestellte Urteil am 29. Januar 2015 Berufung eingelegt und diese wie folgt begründet: Das Urteil des SG verfehle mit seiner Auslegung der Bestimmung zur Mehrleistung gemäß § 5 Abs. 1 des Anhangs der Satzung deren normativen Gehalt. Die vom SG in Anknüpfung an § 56 SGB VII gefundene Auslegung, dass Querschnittsverletzte mit einer MdE von 100 v.H. eine Erwerbsfähigkeit nicht mehr hätten, dürfte in dieser Art und Weise gegebenenfalls sogar diskriminierend sein, weil auch Querschnittsgelähmte mit einer MdE von 100 v.H. einer Erwerbstätigkeit noch nachgehen könnten und dies in der Mehrzahl der der Beklagten amtlich bekannten Fälle auch tatsächlich tun würden. Zur Verdeutlichung dessen, dass die Satzungsbestimmung auch nicht unter Rückgriff auf den Rechtsbegriff der MdE des § 56 SGB VII ausgefüllt werden könne, sondern vielmehr eigenständig, und sodann in erster Linie rein tatsächlich auszulegen sei, was in Nachzeichnung der Satzungsgeschichte dieser Vorschrift zu belegen sei, hat die Beklagte auch auf das Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 27. Oktober 2009 (B 2 U 30/08 R) verwiesen. Im Urteil völlig unerwähnt geblieben sei der in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Gesichtspunkt, dass es sich bei der Einmalzahlung um eine absolute Härtefallzahlung handele und nicht um die regelmäßige Mehrleistung, die dem Kläger zugute käme. Die abstrakt bestimmt MdE von 100 v.H. treffe keinerlei Aussage über das Restleistungsvermögen von Querschnittsgelähmten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, ggf. nach Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (vgl. hierzu auch Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 16. Juni 2011, L 2 U 601/08).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Dezember 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Durch die vom Rentenversicherungsträger festgestellte volle Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) stehe fest, dass er nicht mehr erwerbsfähig sei. Es könne nicht nachvollzogen werden, dass es sich – wie die Beklagte meine - um eine absolute Härtefallregelung handele, da die Satzung die Einmalzahlung auch bei einer MdE von 80 v.H. vorsehe. Folge man der Ansicht der Beklagten, so sei es ausgeschlossen, dass Geschädigte, die eine MdE von (nur) 80 v.H. hätten, in den Genuss der Härtefallregelung kämen, denn die Beklagte meine mit der Regelung nur jene zu begünstigen, die bewegungsunfähig seien und das Bett nicht verlassen könnten. Im Übrigen gehe er davon aus, dass die Beklagte Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nur bewilligt habe, weil er die Einmalzahlung beantragt habe. Die Beklagte habe auf diesem Wege versucht, seine Erwerbsfähigkeit zu fingieren.
Der Senat hat von der Beklagten deren Schriftverkehr mit dem Land Brandenburg, Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen - als Genehmigungsbehörde nach § 114 Abs. 2 Satz 1 SGB VII - zur 3. und 4. Änderung der Satzung der Beklagten, insbesondere im Hinblick auf § 5 "Mehrleistungen" des Anhangs zu § 10 der Satzung beigezogen.
Die Beteiligten haben im Erörterungstermin vom 03. März 2016 ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung des Senats erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten (Bände VI und VII) verwiesen und inhaltlich Bezug genommen, welche vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.
Streitgegenstand der zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 SGG) ist der Bescheid der Beklagten vom 11. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2012, mit welchem der konkret auf Mehrleistung in Form der Einmalzahlung gemäß § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten gerichtete Antrag des Klägers abgelehnt wurde. Auf Mehrleistungen in anderer Form erstreckte sich der Antrag – auch unter Beachtung von § 123 SGG - nicht. Da der Gesetzgeber mit § 54 Abs. 4 SGG ausdrücklich die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage als eigenständige Klageform zugelassen hat, ist damit innerhalb eines Klageverfahrens sowohl die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts, als auch die des erhobenen Leistungsanspruchs zu prüfen (BSG, Urteil vom 17. Februar 2005 – B 13 RJ 31/04 R –, juris, Rn. 30).
Der die Mehrleistung ablehnende streitgegenständliche Verwaltungsakt der Beklagten, der Bescheid vom 11. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2012, erweist sich im Ergebnis als rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine einmalige Entschädigung i.H.v. 26.000 Euro gemäß § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten.
§ 10 der Satzung der Beklagten in der Fassung der siebenten Änderung vom 16. Dezember 2009 regelt unter der Überschrift "Mehrleistungen":
"Die Unfallkasse gewährt Mehrleistungen nach näherer Bestimmung des Anhangs zu dieser Vorschrift (Bestimmung von Mehrleistungen)."
Der Anhang zu § 10 bestimmt in § 5 "Einmalige Leistungen in besonderen Fällen", Absatz 1: "Versicherte mit Anspruch auf eine Versichertenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 80 vom Hundert oder mehr erhalten neben den Mehrleistungen nach den §§ 2 und 3 der Mehrleistungsbestimmungen eine einmalige Entschädigung in Höhe von 26.000 Euro, wenn sie infolge des Versicherungsfalles eine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausüben können."
Unabhängig von der Frage, ob der Kläger die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten erfüllt, scheidet ein Anspruch auf die darin genannte Mehrleistung schon deshalb aus, weil die Satzungsregelung nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Mit anderen Worten: Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Einmalzahlung, da eine Anspruchsgrundlage im SGB VII hierfür nicht existiert und die vom Kläger zur Geltendmachung des Anspruchs herangezogene Regelung in § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten nichtig ist.
Die Beklagte hatte für eine solche Satzungsregelung keine "Satzungskompetenz". Sie ist gesetzlich nicht ermächtigt, einen Anspruch auf Mehrleistung in Form der einmaligen Entschädigung – wie in § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten geregelt - kraft Satzung zu erschaffen.
Über den allgemeinen Vorbehalt des Gesetzes hinaus hat der Gesetzgeber in § 31 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) bestimmt, dass in den Sozialleistungsbereichen des SGB I einschließlich der gesetzlichen Unfallversicherung (SGB VII) Rechte und Pflichten nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit es ein Gesetz vorschreibt oder zulässt. Ohne Ermächtigung durch Parlamentsgesetz ist dem Sozialversicherungsträger die Regelung von Rechten oder Pflichten des Bürgers verwehrt. Insoweit bedürfen untergesetzliche Normen wie Satzungen, einer Inhalt und Umfang bestimmenden Ermächtigungsgrundlage in einem formellen Gesetz (Seewald, in: Kasseler Kommentar, § 31 SGB I, Rn. 8 und 13, Stand September 2007). Die Unfallversicherungsträger als Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts gemäß § 29 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV), denen das Grundgesetz (GG) keine Aufgaben mittels Generalklausel zuweist, haben nur Satzungs- und Regelungskompetenz mit Wirkung gegenüber dem Bürger, wenn und soweit ihnen Aufgaben ausdrücklich vom Gesetzgeber übertragen worden sind (BSG, Urteil vom 17. Mai 2011 – B 2 U 18/10 R -, juris Rn. 36, und Urteil vom 04. Dezember 2014 – B 2 U 11/13 R -, juris Rn. 19, 20; Steinbach, in: Hauck/Noftz, SGB IV, Stand Februar 1995, K § 34 Rn. 5; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, § 23 Rn. 42 (Enumerationsprinzip)).
Zwar sind Satzungen der Berufsgenossenschaften autonomes Recht (§ 34 SGB IV), wobei der Grund für die Übertragung dieser Regelungsgegenstände auf die Selbstverwaltung in ihrer besonderen Sachkunde und Sachnähe zu sehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. November 2005 - B 2 U 15/04 R -, juris Rn. 17). Von den Gerichten ist daher nicht zu entscheiden, ob die Vertreterversammlung im gesetzlichen Rahmen die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Satzungsregelung beschlossen hat (vgl. BSG, Urteil vom 16. November 2005 - B 2 U 15/04 R –, juris Rn. 18 und Urteil vom 12. Dezember 1985 – 2 RU 70/84 –, juris Rn. 12 m.w.N.). Die Satzungsregelungen unterliegen aber der gerichtlichen Nachprüfung im Hinblick darauf, ob sie mit der Ermächtigungsnorm und sonstigem höherrangigem Recht vereinbar sind (vgl. BSG, a.a.O.). Für die Regelung in § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten über die einmalige Entschädigung fehlt der Beklagten jedoch eine Satzungskompetenz.
§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB IV räumt der Beklagten folglich zwar Satzungsautonomie ein, die Vorschrift bietet aber keine Ermächtigungsgrundlage für die hier zur Begründung des Anspruchs bemühte, konkret getroffene Satzungsregelung. Die Satzungsregelungen der Versicherungsträger unterliegen trotz der durch § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB IV eingeräumten Kompetenz, Angelegenheiten durch Satzung zu regeln, gemäß Art. 20 Abs. 3 GG dem Vorrang des Gesetzes und allen grund- und parlamentsgesetzlichen Gesetzesvorbehalten (vgl. Schneider-Danwitz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 34 Rn. 43, 48). Die Inhalte der Satzungen sollen für die verschiedenen Zweige der Sozialversicherung unterschiedlich ausgestaltet werden. Deshalb finden sich die entsprechenden Ermächtigungen zu inhaltlichen Regelungen in den besonderen Vorschriften des SGB, hier im SGB VII. Aus der grundsätzlich eingeräumten Satzungsautonomie lässt sich deshalb keine Ermächtigung zu konkreten inhaltlichen Bestimmungen herleiten. Vielmehr dürfen die Versicherungsträger auch "Geschäfte", wie den Erlass einer Satzung, nur zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen (§ 30 Abs. 1 SGB IV, vgl. BSG, Urteil vom 17. Mai 2011 – B 2 U 18/10 R -, juris Rn. 40).
Der Gesetzgeber hat mit § 94 Abs. 1 SGB VII für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die gesetzlichen Rahmenbedingungen für deren Satzungsregelungen bestimmt, soweit es die Gewährung von Mehrleistungen betrifft. § 94 Abs. 1 SGB VII lautet:
Mehrleistungen
(1) Die Satzung kann Mehrleistungen bestimmen für
1. Personen, die für ein in § 2 Abs. 1 Nr. 9 oder 12 genanntes Unternehmen unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind, 2. Personen, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 10, 11 oder 13 oder Abs. 3 Nr. 2 versichert sind, 3. Personen, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a versichert sind, wenn diese an einer besonderen Auslandsver- wendung im Sinne des § 31a des Beamtenversorgungsgesetzes oder des § 63c des Soldatenversorgungsgesetzes teilnehmen, sowie Personen, die nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 Buchstabe c versichert sind.
Dabei können die Art der versicherten Tätigkeit, insbesondere ihre Gefährlichkeit, sowie Art und Schwere des Gesundheitsschadens berücksichtigt werden.
(2) Die Mehrleistungen zu Renten dürfen zusammen mit
1. Renten an Versicherte ohne die Zulage für Schwerverletzte 85 vom Hundert, 2. Renten an Hinterbliebene 80 vom Hundert
des Höchstjahresarbeitsverdienstes nicht überschreiten.
(2a) Für die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 genannten Personen kann die Satzung die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes bis zur Höhe des Eineinhalbfachen des Jahresarbeitsverdienstes bestimmen, der nach dem Dritten Abschnitt des Dritten Kapitels maßgebend ist. Absatz 2 ist in diesen Fällen nicht anzuwenden.
(3) Die Mehrleistungen werden auf Geldleistungen, deren Höhe vom Einkommen abhängt, nicht angerechnet.
Zwar ist der persönliche Anwendungsbereich der Mehrleistungsnormen grundsätzlich nach dem autonomen Satzungsrecht der Beklagten für den Kläger eröffnet. Nach § 1 Abs. 1 lit. e) des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten erhalten Mehrleistungen zu den gesetzlichen Leistungen Personen, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a) SGB VII). Dass der Kläger zum Personenkreis nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a) SGB VII zählt, hat der Senat bereits in seiner rechtskräftigen Entscheidung vom 17. März 2011 - L 3 U 276/08 – festgestellt. Zwar wird der danach bestimmte und für den Kläger zutreffende Anwendungsbereich von § 94 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VII umfasst. Jedoch wird die in § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung der Beklagten geregelte "einmalige Leistung/Entschädigung" nicht vom Begriff der Mehrleistung i. S. v. § 94 SGB VII und damit der Ermächtigung zur Regelung durch Satzung erfasst.
Die Satzungsermächtigung in § 94 Abs. 1 SGB VII gewährt den gesetzlichen Unfallversicherungsträgern einen weiten Gestaltungsspielraum, denn sie ermöglicht ihnen, durch Satzungsrecht Mehrleistungen für Personen vorzusehen, die im Interesse des Allgemeinwohls/Gemeinwesens tätig geworden und dabei durch einen Unfall oder eine Krankheit zu Schaden gekommen sind (Ricke, in: Kasseler Kommentar, 87. EL Stand Juni 2015, § 94 Rn. 4). Der Gestaltungsspielraum erfasst das "Ob", das "Was" (betroffene Leistungsarten), das "Wie" (z.B. Höhe, Dauer) sowie mögliche besondere Voraussetzungen (z.B. Höhe und Dauer des Schadens) der Mehrleistungen (Palsherm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, § 94 SGB VII Rn. 13).
Dem Schadenersatzcharakter der Leistungen aus der Unfallversicherung entsprechend ist der Leistungszweck in erster Linie auf einen Ausgleich von Schäden gerichtet, die die Regelleistungen nur unzulänglich bewirken, etwa durch die Erhöhung des Verletztengeldes bis zum Nettoentgelt (so bereits zur Vorgängervorschrift des § 94 SGB VII - § 765 a. F. Reichsversicherungsordnung (RVO) -, Lauterbach, Unfallversicherung, § 765 Rn. 3) oder Leistungen, die den Verletzten objektiv oder subjektiv ihre Lage erleichtern, wie durch die Übernahme von Einbettzimmer-Mehrkosten, zusätzlichen Familienheimfahrten bei auswärtiger Rehabilitation (Ricke, WzS 2012, 291 ff.), die Erhöhung des Sterbegeldes oder durch einen Zuschlag zur Verletztenrente (Lauterbach, a.a.O.). Immaterielle Komponenten im Sinne einer Belohnung des Versicherten für seinen (überobligatorischen) Einsatz für das Gemeinwesen im Zeitpunkt des Versicherungsfalles sind dabei nicht zu leugnen (Ricke, a.a.O.).
Dennoch entspricht es der gesetzgeberischen Vorgabe, dass Mehrleistungen in jedem Fall nur zu Leistungen gewährt werden, die gesetzlich überhaupt vorgesehen und im Einzelfall begründet sind (Ricke, a.a.O.; SG Hannover, Urteil vom 13. Januar 1999 - S 13 U 238/97 –, juris, Rn. 23; zudem auch Palsherm, a.a.O., Rn. 15; Köhler, in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand April 2016, K § 94 Rn. 3a; Merten, in: Eichenhofer/Wenner, Wannagat - Sozialversicherungsrecht - SGB VII, 2010, § 94 Rn. 6; Schwerdtfeger, in: Lauterbach, Unfallversicherung , SGB VII, 4. Aufl. Stand Juli 2015, § 94 Rn. 10).
Bereits nach dem Wortlaut "Mehrleistung" spricht einiges dafür, dass bei der Begriffsauslegung bzw. Inhaltsbestimmung von einer quantitativen Betrachtungsweise auszugehen sein könnte, hingegen eine qualitative Erweiterung der im Gesetz vorgesehenen Ansprüche vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen ist (Köhler, a.a.O.; Merten, a.a.O.). Andererseits könnte – alltagssprachlich - im Sinne von "mehr Leistungen" hierunter auch jegliche Erweiterung von Ansprüchen fallen (SG Hannover, a.a.O., Rn. 24), so dass der Wortlaut keine abschließend verbindliche Auslegung zulässt.
Erhellend ist jedoch eine gesetzeshistorische Betrachtung, die den Ausschlag für die hier vertretene Auffassung gibt. Zutreffend hat das SG Hannover (a.a.O., Rn. 25 f.) hierzu ausgeführt: "Dem § 94 SGB VII bzw. der Vorgängervorschrift § 765 RVO a. F. liegt die Verordnung zur Ergänzung von sozialen Leistungen vom 19. Oktober 1932 zugrunde, die mit dem Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) vom 30. April 1963 in modifizierter Weise als § 765 RVO Gesetz geworden ist (zur Entstehungsgeschichte vgl. Lauterbach a. a. O, § 765 Anm. 1). Nach den dortigen §§ 1 und 8 durfte die Selbstverwaltung in der Renten- und Unfallversicherung bestimmen, dass neben den gesetzlichen Leistungen (Regelleistungen) widerruflich Mehrleistungen gewährt werden; diese konnten gemäß § 2 Abs. 1 die Regelleistungen "in der Dauer, Höhe und Art ergänzen". Aus der Formulierung "ergänzen" ergibt sich, dass nicht etwas völlig neues, sondern lediglich eine Abrundung der Regelleistungen gemeint war, also eine Vervollständigung der Anspruchsinhalte unter Beachtung des im Gesetz vorgesehenen Systems von Ansprüchen. Dies folgt auch aus der Aufzählung von "Dauer, Höhe und Art", wobei sich "Art" auf die ihrem Inhalt nach von vornherein nicht abschließend bestimmten Sachleistung zur Rehabilitation (vgl. etwa § 569 a RVO, § 39 SGB VII) bezieht. Damit ist die Einführung von Ansprüchen, die ihrem Wesen nach über den in der RVO (bzw. jetzt im SGB VII) enthaltenen Katalog von Leistungen hinausgehen, nicht vereinbar.
In dieser Weise ist der bisherige § 765 RVO - soweit ersichtlich - auch vom Schrifttum übereinstimmend ausgelegt worden (vgl. etwa: Lauterbach, a. a. O., Anm. 3 c, e; Ricke, in: Kasseler Kommentar, § 765 RVO Rdnr. 2). Auch in den gemäß § 765 Abs. 1 Satz 2 RVO von der Bundesregierung erlassenen Rechtsverordnungen sind Mehrleistungen nur in dem hier vertretenen Sinne von Zuschlägen vorgesehen (vgl. die Übersicht bei Gitter, GesKomm-SozVers, nach § 765 RVO). Diese Praxis liegt dem ab 01. Januar 1997 geltenden § 94 SGB VII zugrunde. Daß auch der Gesetzgeber des 7. Buches von der Prämisse bloßer Ergänzungen zu den im Gesetz vorgesehenen Leistungen ausgeht, zeigt insbesondere § 94 Abs. 2 SGB VII, der eine Obergrenze für "Mehrleistungen zu Renten" regelt. Schließlich ist auch nach der Kommentierung zum heutigen § 97 SGB VII" [richtig wohl: § 94 SGB VII] "die Einführung systemfremder Leistungen durch Satzung als "Mehrleistung" ausgeschlossen (Ricke, a.a.O., § 94 Rdnr. 2; Schmitt, SGB VII, § 94 Rdnr. 4)."
Dieser Betrachtung schließt sich der Senat nach eigener rechtlicher Würdigung an.
Vor diesem Hintergrund sind Mehrleistungen nur in Form der Ergänzungen, Erweiterung oder Erhöhung gesetzlich ohnehin vorgesehener Leistungen zulässig, wie etwa die Formulierung in § 94 Abs. 2 "Mehrleistungen zu Renten" vor Augen führt (Köhler, in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand April 2016, K § 94 Rn. 3a; Leube, Mehrleistungen, NZS 2006, 410, 411 f.; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, Stand März 2015, § 94 Anm. 3). Zuwendungen, die ihrer Art nach nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Unfallversicherung gehören, dürfen dagegen nicht als Mehrleistung erbracht werden, so dass z.B. weder die Gewährung von Schmerzensgeld noch der Ersatz von Vermögens- und Sachschäden zulässig sind. Gleiches gilt für einmalige Geldleistungen, z.B. bei völliger Erwerbsunfähigkeit, da sie keine Entsprechung im Leistungskatalog des SGB VII haben (Ricke, WzS 2012, 291, 292 f.). Es ist dem Begriff der Mehrleistung immanent, dass sie - die "Mehr"-Leistung - eine gesetzliche Leistung ergänzt, nicht aber an deren Stelle tritt oder den Leistungskatalog des SGB VII erweitert (Köhler, aaO). Nach diesen Maßgaben sind als zulässige Mehrleistungen im Sinne des § 94 SGB VII beispielsweise zu betrachten (vgl. Palsherm, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Auflage 2014, § 94 SGB VII Rn. 16; Schwerdtfeger, in: Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII, 4. Aufl. Stand Juli 2015, § 94 Rn. 11; Ricke, in: Kasseler Kommentar, 87. EL Stand Juni 2015, § 94 Rn. 5): - Zuschläge zum Verletzten- bzw. Übergangsgeld bis zur Höhe des tatsächlichen Lohn- oder Einkommensausfalls, - Erhöhung des Pflege- oder Sterbegeldes, - Zuschläge zur Verletzten- oder Hinterbliebenenrente in Höhe des in § 94 Abs. 2 SGB VII bestimmten Betrages, - Ansetzen eines fiktiven Jahresarbeitsverdienstes über dem tatsächlichen Jahresar- beitsverdienst (BSG, Urteil vom 27. April 1972 - 7/2 RU 44/69 -, SGb 1972, 397- 400), - stationäre Behandlung in höherer Pflegeklasse, - Überschreitung des Zweijahreszeitraumes nach § 58 SGB VII, - Erhöhung der Festbeträge gemäß §§ 29 Abs. 1 Satz 2, 31 Abs. 1 Satz 3 SGB VII, - häufigere Familienheimfahrten gemäß § 43 Abs. 3 SGB VII (mit weiteren Beispielen auch Leube, NZS 2006, 410, 411).
Leistungen, deren Voraussetzungen nicht vorliegen, die im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung nicht vorgesehen sind und/oder gesetzlich vorgesehene Leistungen ersetzen sollen, sind als Mehrleistungen nicht zulässig, wie beispielsweise: - Schmerzensgeld, - Rente ohne erforderliche Minderung der Erwerbsfähigkeit, - Verletztengeld an Nicht-Beschäftigte, die nicht arbeitsunfähig werden können (SG Hannover, a.a.O.), - Sach- oder Vermögensschadensersatz über die Regelungen von § 8 Abs. 3 und § 13 SGB VII hinaus, - einmalige Leistung(en) bei völliger Erwerbsunfähigkeit oder im Todesfall (Köhler, a.a.O. Rn. 3a; Palherm, a.a.O. Rn.17; Ricke, a.a.O. Rn. 6; a. A. ohne Begründung: Schwerdtfeger, a.a.O. Rn. 14).
Ob die Satzungsregelung der Beklagten zur einmaligen Entschädigung nach § 5 Abs. 1 des Anhangs zu § 10 der Satzung diesen gesetzlichen Vorgaben entspricht, hängt also entscheidend davon ab, ob diese Mehrleistung nur solche Ansprüche betrifft, die dem Grunde nach bereits im Gesetz vorgesehen sind, oder ob die Satzungsgeber auch berechtigt sind, dem Grunde nach im Gesetz nicht vorgesehene Leistungen einzuführen. Der Senat beantwortet dies - wie ausgeführt - im Sinne der ersten Alternative. Die gesetzgeberische Zielvorstellung hat im Satzungswortlaut der Beklagten nicht den erforderlichen Niederschlag gefunden, da die von der Satzungsregelung der Beklagten vorgesehene Einmalzahlung, ggf. auch als Härtefallregelung gedacht, eine zusätzlich zur laufenden Rentenleistung gedachte "Rentenmehrleistung" darstellt, die – schon wegen ihrer Höhe – den Charakter reinen Schmerzensgeldes trägt und keine Entsprechung im, sowie auch keine verbale Anknüpfung, an den Leistungskatalog des SGB VII findet, also keine existente SGB VII-Leistung erhöht, ergänzt oder erweitert. Dem Begriff der Mehrleistung ist es – wie dargestellt - jedoch immanent, dass sie eine gesetzliche Leistung ergänzt, nicht aber an deren Stelle tritt (ebenso: Köhler, a.a.O., Rn 3a; Ricke, WzS 2012, 291, 292; Palsherm, a.a.O., Rn. 17)
Die Unvereinbarkeit der Satzungsbestimmung hat deren Nichtigkeit und damit Unanwendbarkeit zur Folge. Regelungen, die gegen höhere Normen verstoßen, dürfen grundsätzlich nicht angewendet werden, da Verwaltung und Gerichte nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden und deshalb gehalten sind, gesetzeswidrige Handlungen zu unterlassen (BSG, Urteil vom 17. Mai 2011 - B 2 U 18/10 R -, juris Rn. 53 unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 03. November 1982 - 1 BvR 620/78 -, BVerfGE 61, 319 bzw. juris Rn. 101 m.w.N.). Die Nichtigkeit der dem Anspruchsbegehren zugrunde liegenden Satzungsnorm hat zur Folge, dass der die begehrte Leistung ablehnende Bescheid der Beklagten im Ergebnis, d.h. hinsichtlich der darin nach § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) getroffenen Regelung (Verfügungssatz) rechtmäßig ist.
Eine Verurteilung der Beklagten im Umfang des Leistungsbegehrens konnte daher nicht erfolgen, da es – wie ausgeführt – an einer rechtsgültigen Anspruchsgrundlage für die einmalige Entschädigung bei völliger Erwerbsunfähigkeit bzw. voller Erwerbsminderung (so die Lesart des Klägers) sowohl im SGB VII als auch nach der Satzung der Beklagten fehlt.
Offen bleiben kann daher, ob die Ablehnung der Mehrleistung auch inhaltlich der Satzung entspricht, also satzungskonform ist.
Vorliegend war, auch wenn der Bescheid auf einer Satzungsregelung der Beklagten beruht, die von der Aufsichtsbehörde genehmigt worden ist (zu diesem Erfordernis § 114 Abs. 2 Satz 1SGB VII), deren Beiladung nach Maßgabe des § 75 SGG nicht geboten (BSG, Urteil vom 23. November 1992 - 12 RK 27/92 -, SozR 3-2500 § 240 Nr. 10; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 75 Rn. 10h).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Zwar ist der Kläger im Ergebnis mit seinem Klagebegehren erfolglos geblieben. Jedoch war nach dem Veranlassungsprinzip (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 193 Rn. 12b) zu Gunsten des Klägers die Tatsache zu berücksichtigen, dass der Kläger zu einer Klage veranlasst wurde, die angesichts der nichtigen Anspruchsnorm von vornherein – also ohne materiell-rechtliche Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen – keinen Erfolg haben konnte aus Gründen, die die Beklagte in ihrem Verantwortungsbereich, dem des autonomen Satzungsrechtes, zu vertreten hat.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
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