L 31 AS 3171/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 16 AS 25121/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 AS 3171/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Fordert der Treuhänder in der Verbraucherinsolvenz vom Vermieter ein Betriebskostenguthaben als zur Insolvenzmasse gehörig an, liegen auf die Kosten der Unterkunft anrechenbare sogenannte "bereite Mittel" nur dann vor, wenn das Jobcenter die Hilfebedürftigen beim Bemühen um Freigabe der Forderung gegen den Treuhänder/Insolvenzverwalter unterstützt. Denn dieser ist kraft seiner gesetzlichen Stellung Herr des Insolvenzverfahrens, so dass eine Unterstützung des Jobcenters gegen den Vermieter in aller Regel - insbesondere bei unklarer Rechtslage - nicht ausreichend ist, um von "bereiten Mitteln" für die Hilfebedürftigen auszugehen.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. November 2015 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger für das Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden aus der Anrechnung eines Betriebskostenguthabens für das Jahr 2011.

Die 1967 geborene Klägerin zu 3) sowie der 1966 geborene Kläger zu 2) sind verheiratet und standen/stehen im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), ebenso wie ihre Kinder, der am geborene Kläger zu 1) bzw. die am 1999 geborene und am 2016 verstorbene J B. Sie bewohnten/bewohnen eine 80,84 m2 große 4 Zimmer/Küche/Bad Mietwohnung in B. Die Miethöhe betrug im hier entscheidungserheblichen Zeitraum 806,49 Euro.

Sowohl über das Vermögen der Klägerin zu 3) als auch über das des Klägers zu 2) war das Verbraucher-Insolvenzverfahren eröffnet und jeweils ein Treuhänder bestellt.

Am 6. September 2012 reichte die Klägerin zu 3) beim Beklagten einen Weiterbewilligungsantrag (für die Zeit ab 1. Oktober 2012) ein. Dem Antrag waren – neben Einkommensbescheinigungen für die Klägerin zu 3) und den Kläger zu 2) – eine Betriebs- und Heizkostenabrechnung ihrer Vermieterin für das Jahr 2011 vom 27. August 2012 beigefügt, aus der sich ein Guthaben von 1 196,68 Euro ergab. Darüber hinaus wurde mitgeteilt, dass sich die Klägerin zu 3) und der Kläger zu 2) in der (Verbraucher-)Insolvenz befänden.

Mit Schreiben vom 12. September 2012 teilte der Beklagte der Klägerin zu 3) – u. a. – mit, dass er das Betriebskostenguthaben bei der Leistungsberechnung ab 1. Oktober 2012 berücksichtigen und entsprechend weniger an den Vermieter zahlen werde. Die Klägerin zu 3) und der Kläger zu 2) mögen den Vermieter und den Treuhänder informieren, damit das Guthaben – entgegen der Anforderung des Guthabens durch die Treuhänder – auf dem Mieterkonto verbleibe.

Mit einem am 26. September 2012 beim Beklagten eingegangenen Fax teilte die Klägerin zu 3) mit, dass die Treuhänder das Guthaben bereits "abgeholt" hätten, so dass sie "da nichts mehr machen" könne. Der Beklagte möge selbst Kontakt zu den – namentlich benannten – Treuhändern unter den angegebenen Telefonnummern aufnehmen.

Auf Nachfrage des Beklagten vom 5. Oktober 2012, ob das Guthaben vorher von dem Vermieter auf ihr privates Konto überwiesen worden sei, legten die Klägerin zu 3) und der Kläger zu 2) mit Fax vom 15. Oktober 2012 eine von ihrer Vermieterin an sie gerichtete "Bestätigung Auszahlung Guthaben BK Abrechnung 2011 an Insolvenzverwalter" vom 10. Oktober 2012 vor, in der es heißt: "Wie gewünscht bestätigen wir hiermit, dass das Guthaben aus der BK Abrechnung 2011 in Höhe von 1 196,68 Euro zu gleichen Teilen von 598,34 Euro an Ihre jeweiligen Insolvenzverwalter überwiesen wurde ...".

Mit Bescheid vom 16. Oktober 2012 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. Oktober 2012 bis 31. März 2013 vorläufige Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 723,92 Euro monatlich. Als Grund für die vorläufige Bewilligung gab er an, dass das zu berücksichtigende Erwerbseinkommen sowie die Höhe der zu berücksichtigenden Unterkunftskosten noch nicht feststünden.

Mit Fax vom 27. Oktober 2012 übersandte die Klägerin zu 3) einen "Kontoauszug Verträge N Straße B" vom 22. Oktober 2012, aus dem sich für den 30. September 2012 auf dem internen Mieterkonto des Vermieters eine Gutschrift in Höhe von 1 196,68 Euro aus der Betriebskostenabrechnung 2011 sowie für den 4. Oktober 2012 zwei Überweisungen von diesem Mieterkonto an die Treuhänder der Klägerin zu 3) bzw. des Klägers zu 2) ergeben, jeweils in Höhe von 598,34 Euro.

Daraufhin wandte sich der Beklagte mit Schreiben vom 12. November 2012 an die Vermieterin und bat um Mitteilung, warum die seiner Ansicht nach ungerechtfertigte Auszahlung des Guthabens in Höhe von 1 196,68 Euro an die Treuhänder erfolgt sei. Die Miete (in angemessener Höhe von 684,00 Euro) werde vom Jobcenter direkt an den Vermieter überwiesen, demzufolge werde eine Forderung in Höhe von 1074,19 Euro aus dem Betriebskostenguthaben geltend gemacht und um Überweisung gebeten.

Mit Schreiben vom 19. November 2012 teilte die Vermieterin mit, dass die Auszahlung des Guthabens aus der BK Abrechnung 2011 an die Treuhänder ihrer Meinung nach durchaus gerechtfertigt gewesen sei. Das Vertragsverhältnis bestehe mit dem Mieter B und nicht dem Jobcenter. Dementsprechend müsse sich das Jobcenter zur Einforderung seiner vermeintlichen Ansprüche auch an die Mieter bzw. deren Treuhänder wenden. In der Anlage waren an die Vermieterin gerichtete Schreiben der jeweiligen Treuhänder vom 4. und 25. September 2012 beigefügt, in denen um Auskehr des Betriebskostenguthabens auf das jeweilige Treuhänderkonto gebeten wurde.

Mit Bescheid vom 2. April 2013 setzte der Beklagte – u. a. – für die Monate Oktober und November 2012 die Leistungsansprüche der Kläger endgültig, insbesondere unter Anrechnung des Betriebskostenguthabens 2011 bei den Unterkunftskosten für die Monate Oktober und November 2012, fest. Ebenfalls mit Bescheiden vom 2. April 2013 forderte er die Erstattung überzahlter Leistungen für die Monate Oktober und November 2012, von der Klägerin zu 3) in Höhe von insgesamt 391,53 Euro, vom Kläger zu 2) insgesamt in Höhe von 391,55 Euro, vom Kläger zu 1) in Höhe von insgesamt 230,02 Euro und von der verstorbenen J B in Höhe von insgesamt 97,64 Euro.

Auf den hiergegen am 15. April 2013 von den Klägern eingelegten Widerspruch hin änderte der Beklagte mit Bescheid vom 10. Oktober 2014 seinen Bewilligungsbescheid vom 2. April 2013 und gewährte für den November 2012 eine um 122,49 Euro höhere Leistung unter Anrechnung eines niedrigeren (nur noch 267,70 Euro) Anrechnungsbetrages für den Monat November 2012, so dass sich daraus u. a. ein höherer Anspruch auf KdU ergab. Darüber hinaus änderte der Beklagte mit Bescheiden vom 10. Oktober 2014 auch seine Erstattungsbescheide vom 2. April 2013 dahingehend, dass wegen Überzahlung in den Monaten Oktober und November 2012 von der Klägerin zu 3) nur noch ein Betrag von 347,95 Euro, vom Kläger zu 2) nur noch in Höhe von 347,94 Euro, von dem Kläger zu 1) nur noch in Höhe von 200,54 Euro und von J B nur noch ein Betrag von 87,54 Euro zurückgefordert wurde.

Mit Widerspruchsbescheiden vom 14. Oktober 2014 wies der Beklagte den Widerspruch darüber hinausgehend zurück. Zur Begründung wurde bezüglich der Anrechnung der Betriebskostengutschrift für das Jahr 2011 darauf hingewiesen, dass nach § 22 Abs. 3 SGB II auch Guthaben die nach dem Monat der Rückzahlung oder Gutschrift entstehenden Mietaufwendungen minderten. Es komme nicht darauf an, ob das Betriebskostenguthaben an die Klägerin zu 3)/den Kläger zu 2) ausgezahlt worden sei. Zudem gehöre ein Betriebskostenguthaben nicht zur Insolvenzmasse nach § 35 Insolvenzordnung (InsO). Nach Aktenlage sei auch kein Einverständnis erteilt worden, so dass der Vermieter nicht berechtigt gewesen sei, dieses Guthaben an die Treuhänder auszuzahlen. Mit Schreiben vom 12. September 2012 sei auch mitgeteilt worden, dass der Vermieter und die Treuhänder informiert werden sollten, damit das Betriebskostenguthaben auf dem Mietenkonto verbleibe, denn es werde auf den Leistungsanspruch angerechnet. Auch habe es sich bei dem Betriebskostenguthaben um eine realisierbare Forderung gehandelt. Dass die Klägerin zu 3 / der Kläger zu 2) nicht in der Lage gewesen seien das Guthaben zu realisieren, sei weder vorgetragen noch nachgewiesen worden. Dabei sei keine weitere Unterstützung durch den Beklagten erforderlich gewesen. Die Überzahlung sei aufgrund der Berücksichtigung des Betriebskostenguthabens entstanden. Diesbezüglich habe sich auch die Einkommensanrechnung verändert. Zudem sei ein höheres Erwerbseinkommen erzielt worden, so dass sich deswegen ein geringerer Leistungsanspruch ergeben habe. Auf Vertrauensschutzgesichtspunkte komme es nicht an, da ausdrücklich auf die Vorläufigkeit der Bewilligungen hingewiesen worden sei.

Mit einem als "Widerspruch" titulierten Schreiben haben sich die Kläger am 23. Oktober 2014 an das Sozialgericht Berlin (SG) gewandt und auf Nachfrage erklärt, dass der Beklagte mit seinen Widerspruchsbescheiden vom 14. Oktober 2014 von ihnen Geld fordere, das nie an sie gezahlt worden sei.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin zu 3) auf gerichtliche Nachfrage angegeben, dass das Schreiben des Beklagten vom 12. September 2012 erst angekommen sei, als die Auszahlung an die Treuhänder bereits erfolgt gewesen sei. Sie habe dem Vermieter mitgeteilt, dass das Guthaben dem Beklagten zustehen solle. Die Treuhänder hätten zum Zeitpunkt ihres Schreibens vom 24. September 2012 an den Beklagten das Geld schon abgebucht gehabt. Sie habe wegen des Schreibens des Beklagten vom 12. September 2012 sowohl beim Vermieter als auch den Treuhändern angerufen, dass das Jobcenter das Geld bekommen solle; die Treuhänder hätten aber gesagt, dass sie das Geld vereinnahmen wollten bzw. vereinnahmt hätten. Sie habe nicht gewusst, dass das Geld bzw. das Guthaben den Treuhändern nicht zugestanden habe. Auch auf spätere Anfrage hätten die Treuhänder sich nicht bereit erklärt, das Geld zurückzuzahlen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Kläger einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Vermieter hätten, da das Betriebskostenguthaben nicht an die Treuhänder hätte ausgezahlt werden dürfen. Durch die Kläger sei ein Einverständnis zur Auszahlung an die Treuhänder nicht erklärt worden. Es sei von den Klägern weder eine Unterstützung noch ein Beratungsbedarf hinsichtlich der Realisierbarkeit des Guthabens vorgetragen worden. Es sei auch nicht nachgewiesen worden, welche einfachen Anstrengungen die Kläger auf den Schriftsatz des Beklagten vom 12. September 2012 hin unternommen hätten. Auch sei der Beklagte seiner Hinweispflicht in Bezug auf ein Insolvenzverfahren nachgekommen.

Durch Urteil des SG vom 3. November 2015 sind die Erstattungsbescheide des Beklagten vom 2. April 2013 in der Fassung der Bescheide vom 10. Oktober 2014 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14. Oktober 2014 aufgehoben worden. In den Entscheidungsgründen seines Urteils hat das SG ausgeführt, dass Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Forderung § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i. V. m. § 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei. Danach könne über die Erbringung von Geldleistungen nach dem SGB II vorläufig entschieden werden (§ 328 Abs. 1 SGB III). Aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen seien auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt werde, seien aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 328 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB III). Die genannten Voraussetzungen für eine Erstattung seien hier nicht erfüllt. Insbesondere seien geringere Leistungen nicht wegen der Anrechnung des Betriebskostenguthabens 2011 festzusetzen. Gemäß § 22 Abs. 3 SGB II minderten Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen seien, die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift. Im vorliegenden Fall bestünde zwar laut Abrechnung vom 27. August 2012 ein Betriebskostenguthaben in Höhe von 1 196,68 Euro, welches dem Mieterkonto der Kläger auch gutgeschrieben worden sei. Einer Anrechnung nach § 22 Abs. 3 SGB II stünde aber entgegen, dass es sich bei dem Guthaben nicht um ein "bereites Mittel" im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) handele und eine Minderung des Unterkunftsbedarfs mangels Verfügungsmöglichkeit der Kläger über das Guthaben nicht eingetreten sei. Nach der Rechtsprechung des BSG sei zunächst auch eine Betriebskostenrückzahlung, die dem Hilfebedürftigen nicht ausgezahlt, sondern zur Tilgung von Verbindlichkeiten verwendet werde, als Einkommen zu behandeln. Dieses sei gleichwohl nicht anzurechnen, wenn über die fehlende tatsächliche Verfügungsgewalt des Hilfebedürftigen über das Einkommen hinaus auch aus Rechtsgründen eine Realisierung des Einkommens nicht oder nicht ohne weiteres möglich sei. Es stelle dann kein "bereites Mittel" zur Bedarfsdeckung dar (BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, B 4 AS 132/11 R, juris, Rn. 22). So liege der Fall hier. Den Klägern sei das Betriebskostenguthaben 2011 zwar nicht schon deshalb tatsächlich und rechtlich entzogen, weil es zur Insolvenzmasse gehöre. Betriebskostenguthaben, die auf Unterkunftsleistungen des SGB II Leistungsträgers beruhten, unterlägen vielmehr als bei der Bedarfsdeckung nach dem SGB II zu berücksichtigendes Einkommen nicht der Pfändung und Zwangsvollstreckung und würden demzufolge auch nicht Teil der Insolvenzmasse (BSG, Urteil vom 16. Oktober 2012, B 14 AS 188/11 R). Da im vorliegenden Fall jedoch durch den Vermieter eine (rechtswidrige) Auszahlung des Guthabens an die Treuhänder der Klägerin zu 4) und des Klägers zu 3) erfolgt sei, sei das Guthaben für die Kläger nicht zu realisieren gewesen. Dem Schriftwechsel der Kläger und des Beklagten mit dem Vermieter und den Treuhändern sowie den glaubhaften Angaben der Kläger sei zu entnehmen, dass die Auszahlung des Guthabens an die Treuhänder "über die Köpfe der Kläger hinweg" ohne die geringste Möglichkeit einer Einflussnahme der Kläger vorgenommen worden sei. Den Klägern sei es trotz ihres Bemühens nicht möglich gewesen, die Auszahlung zu verhindern oder dies rückgängig zu machen. Eine Unterstützung oder Beratung durch den Beklagten hierbei sei nicht erfolgt. Dass das Guthaben tatsächlich für einige Tage (30. September bis 4. Oktober 2012) auf dem Mieterkonto als Haben verzeichnet gewesen sei, ändere an der fehlenden Realisierbarkeit des Einkommens für die Kläger nichts. Denn es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass die Kläger in dieser Zeit auf das Guthaben hätten zugreifen können. Vielmehr belegten die Mitteilungen des Vermieters, dass zu keiner Zeit eine Auszahlung oder Verrechnung des Guthabens zugunsten der Kläger gewollt gewesen sei. vielmehr hätten die Treuhänder sofort nach Erstellung der Betriebskosten- und Heizkostenabrechnung ihren Anspruch auf das Guthaben angemeldet, der vom Vermieter offensichtlich auch nicht bestritten worden sei. Die Kläger hätten damit zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf das Betriebskostenguthaben gehabt. Im Umfang der vom Beklagten rechtswidrig vorgenommenen Anrechnung seien insofern auch keine Leistungen wegen eines geminderten Unterkunftsbedarfs zu erstatten.

Gegen die dem Beklagten am 27. November 2015 zugestellte Entscheidung hat dieser am 28. Dezember 2015, einem Montag, Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt.

Zur Begründung ist im Wesentlichen vorgetragen worden, dass entgegen der Auffassung des SG das Gutachten aus der Betriebskostenabrechnung 2011 für die Kläger realisierbar gewesen sei. Die Kläger hätten die Möglichkeit gehabt, die Auszahlung an die Treuhänder zu verhindern. Der Beklagte habe alles aus damaliger Sicht Notwendige getan, um die Kläger bei der Realisierung zu unterstützen. Dies sei indes durch das Verhalten der Kläger gänzlich verhindert worden. Denn entgegen der Aussage im Schreiben der Kläger vom 24. September 2012 sei das Guthaben dem internen Mieterkonto beim Vermieter erst am 30. September 2012 gutgeschrieben und dann erst am 4. Oktober 2012 abgebucht und an die Treuhänder ausgezahlt worden. Die Kläger hätten das Schreiben des Beklagten vom 12. September 2012 lediglich ihrem Vermieter vorlegen müssen, was sie aber ganz offensichtlich zu keinem Zeitpunkt getan hätten. Die Kläger hätten keinerlei Unterstützungs- und Beratungsbedarf hinsichtlich der Realisierung des Gutachtens bei dem Beklagten angemeldet oder Hilfen eingefordert. Soweit sich die Kläger in der mündlichen Verhandlung dahingehend eingelassen hätten, dass telefonisch mit dem Vermieter Kontakt aufgenommen worden sei, bleibe offen, wann und auf welche Weise dies geschehen sein solle. Es spreche vieles dafür, dass dies, wenn überhaupt, erst nach dem 4. Oktober 2012 erfolgt sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. November 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie haben im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.

Durch Beschluss des Senates vom 19. Januar 2017 ist der Rechtsstreit, soweit er die am 19. November 2016 während des Berufungsverfahrens verstorbene J B betrifft, abgetrennt worden (neues Az.: L 31 As 168/17), nachdem die Klägerin zu 3) eine Beurkundung des Amtsgerichts Lichtenberg über die Ausschlagung der Erbschaft vorgelegt hatte. Weiter hat der Senat mit den Beteiligten im Termin ein "Merkblatt für Schuldner des Insolvenzschuldners" mit Belehrung über die Zahlungsrisiken erörtert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten (3 Bände, Az.: 96402BG0044232), die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht vom Beklagten eingelegt worden; sie ist auch ohne Zulassung durch das SG statthaft, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 Euro übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt nach Maßgabe des § 202 SGG i. V. m. § 5 Zivilprozessordnung (ZPO) 983,97 Euro (347,95 Euro plus 347,94 Euro plus 87,54 Euro plus 200,54 Euro).

Streitgegenstand ist im Übrigen neben den Erstattungsbescheiden vom 10. Oktober 2014 auch der Leistungsbescheid des Beklagten vom 2. April 2013 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 10. Oktober 2014, auf den der Beklagte in seinen Erstattungsbescheiden mit dem Hinweis auf die den Klägern tatsächlich zustehenden Leistungen Bezug genommen hat. Soweit die Kläger nämlich begehren, keine Erstattung leisten zu müssen und soweit diese auf der Anrechnung des Betriebskostenguthabens für das Jahr 2011 beruht, wenden sie sich auch gegen den Leistungsbescheid vom 2. April 2013 in der Gestalt des Bescheides vom 10. Oktober 2014, mit denen im Rahmen der endgültigen Festsetzung der Leistung durch die Beklagte für die Monate Oktober und November die Anrechnung des Betriebskostenguthabens für das Jahr 2011 erfolgt ist. In den Widerspruchsbescheiden vom 14. Oktober 2014 hat der Beklagte im Übrigen auch den Leistungsbescheid vom 2. April 2013 in der Fassung des Bescheides vom 10. Oktober 2014 überprüft (vgl. jeweils Seite 3 der Widerspruchsbescheide vom 14. Oktober 2014, 2. Abs.: " ... Insoweit wurden im hiesigen Widerspruchsverfahren der Festsetzungsbescheid vom 2. April 2013 für den Zeitraum Oktober 2012 bis November 2012 ebenfalls geprüft ..."). Mit Aufhebung der Erstattung entfäält insoweit auch die Anrechnung auf die Leistung.

Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Erstattungsbescheide des Beklagten vom 2. April 2013 in der Fassung der Bescheide vom 10. Oktober 2014 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 14. Oktober 2014 aufgehoben. Die Bescheide sind rechtswidrig, wobei auf die Ausführungen des SG in dem angegriffenen Urteil Bezug genommen wird. Ausgehend von der Rechtsgrundlage des § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 3 SGB III hat das SG, soweit es um die Anrechnung des Betriebskostenguthabens für das Jahr 2011 durch den Beklagten geht, dabei zu Recht festgestellt, dass es sich trotz Nichtauszahlung des Guthabens an die Klägerin zu 3) und den Kläger zu 2) um deren Einkommen im Sinne des § 22 Abs. 3 SGB II - in der vom 1. April 2011 bis zum 31. Juli 2016 gültigen Fassung (a.F.) – gehandelt hat, das auch nicht der Pfändung und Zwangsvollstreckung unterlag und damit auch nicht Teil der Insolvenzmasse geworden ist , wie das BSG in seinem Urteil vom 16. Oktober 2012, Aktenzeichen B 14 AS 188/11 R (veröffentlicht in juris, dort Rn. 15 bis 23; dem sich anschließend: Urteil des Bundesgerichtshofes – BGH – vom 20. Juni 2013, IX ZR 310/12, veröffentlicht in juris, dort Rn. 8), festgestellt hat. Damit hätte das Betriebskostenguthaben –abgesehen von der Problematik des "bereiten Mittels"- rechtlich insoweit für die Anrechnung auf die Kosten der Unterkunft für den Folgemonat zur Verfügung gestanden.

Ebenfalls zu Recht hat das SG geprüft, ob das Betriebskostenguthaben Maßgabe des § 11 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 22 Abs. 3 SGB II deshalb nicht als "bereites Mittel" zu berücksichtigen ist, weil der Betrag der Klägerin zu 3) und dem Kläger zu 2) nicht direkt zugewandt, sondern vom Vermieter auf Anforderung der Treuhänder direkt vom internen Mieterkonto des Vermieters auf die Konten der Treuhänder überwiesen worden ist. Soweit das SG diesbezüglich festgestellt hat, dass wegen der "rechtswidrigen" Auszahlung des Guthabens an die Treuhänder der Klägerin zu 3) und des Klägers zu 2) eine Realisierung des Guthabens nicht möglich gewesen sei, steht zur Überzeugung des Senates fest, dass, um von "bereiten Mitteln" auszugehen, der Beklagte hier jedenfalls effektive Unterstützung gegen den Treuhänder und nicht den Vermieter hätte leisten müssen (vgl. BSG, Urteil vom 16. Oktober 2012, a.a.O., Rn. 26). Denn der Beklagte muss in einer solchen Situation, in der – grundsätzlich – das gesamte Vermögen der Hilfebedürftigen wegen deren (Verbraucher-)Insolvenz zur Insolvenzmasse gehört (§ 35 Abs. 1 InsO) und der Vermieter, wie hier aus dem Schreiben vom 19. November 2012 ersichtlich, der den damals üblichen Belehrungen durch die Treuhänder entsprechenden Überzeugung ist, dass das Betriebskostenguthaben zur Masse gehört und –dementsprechend handelnd – dieses an die Treuhänder ohne Weiteres auszahlt, den Hilfebedürftigen in die Lage versetzen, seine Rechte gerade auch gegenüber den Insolvenzverwaltern wahrzunehmen. Denn die Treuhänder sind entsprechend den gesetzlichen Vorschriften der InsO die "Herren des Verfahrens" und verfügungsbefugt, nicht der Vermieter. Diese Hilfe hat der Beklagte nicht geleistet, so dass insoweit eine Einkommensanrechnung nicht stattfindet.

Konkret hätte sich im vorliegenden Fall der Beklagte mit den ihm auch namentlich bekannten Treuhändern in Verbindung setzen und gegebenenfalls die Klägerin zu 3) und den Kläger zu 2) darüber hinaus auch vor dem Insolvenzgericht im Streit um die Freigabe der Betriebskostennachzahlung unterstützen müssen. Für eine sinnvolle Unterstützung bei der Erlangung der Freigabe dieses Vermögenswertes reichte es hier nicht aus, allein beim Vermieter zu intervenieren, wie das der Beklagte selbst hier erst mit Schreiben vom 12. November 2012 getan hat. Der Vermieter als Schuldner der Insolvenzschuldner – hier also der Klägerin zu 3) und des Klägers zu 2) – ist nämlich in aller Regel nicht gehalten, an den Insolvenzschuldner zu zahlen, da er sich damit der Gefahr aussetzt, doppelt leisten zu müssen, da mit befreiender Wirkung nur an den Insolvenzverwalter gezahlt werden kann, wenn der Anspruch zur Masse gehören sollte. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht nämlich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Verwalter über, im vereinfachten Insolvenzverfahren gemäß § 313 Abs. 1, § 80 Abs. 1 InsO auf den Treuhänder. Das Mietverhältnis des Schuldners über unbewegliche Gegenstände oder Räume besteht gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. § 108 Abs. 1 InsO verdrängt insoweit § 103 Abs. 1 InsO (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2014, IX ZR 136/13, veröffentlicht in juris, dort Rn. 8). Der Senat weist in diesem Zusammenhang auch auf das in der mündlichen Verhandlung ausgehändigte "Merkblatt für Schuldner des Insolvenzschuldners" hin, das in der Regel jeder Schuldner – hier also auch der Vermieter der Kläger – vom Treuhänder erhalten wird. Dessen Inhalt, insbesondere die Hinweise zum " Forderungsausgleich 1. Soweit Sie Schuldner des Insolvenzschuldners sind, können Sie Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung nur noch an den Insolvenzverwalter/Treuhänder auf das von ihm benannte Treuhandkonto leisten ", lassen es für einen Vermieter äußerst risikoreich erscheinen, ein Betriebskostenguthaben an jemand anderen als den Insolvenzverwalter/Treuhänder zu zahlen. Der Senat hegt keine Zweifel, dass der Vermieter von den Treuhändern entsprechend belehrt wurde.

Ob eine Forderung – wie letztlich hier – gar nicht zur Insolvenzmasse gehört und deshalb durchaus schuldbefreiend das Betriebskostenguthaben an die Insolvenzschuldner – die Klägerin zu 3) und den Kläger zu 2) – hätte ausgezahlt werden dürfen, kann der Vermieter im Übrigen schon rein tatsächlich nicht beurteilen, geschweige denn rechtlich. Es gibt eine Vielzahl von Ausnahmen bei der Bestimmung der Gegenstände und Forderungen, die zur Insolvenzmasse gehören (vgl. nur Urteil des BSG vom 16. Oktober 2012, a.a.O, Rn. 17), deren Voraussetzungen der Vermieter mangels Kenntnis der Beziehungen der Insolvenzschuldner zum Jobcenter und mangels Kenntnis der sonstigen Verhältnisse des Insolvenzschuldners (z.B. Aufrechnungslagen) nicht beurteilen kann. So ist der Vermieter schon nicht in der Lage zu beurteilen, wer aus der Bedarfsgemeinschaft tatsächlich Leistungsberechtigter hinsichtlich der Mietzahlungen durch das Jobcenter ist und ob Kosten der Unterkunft in der Zukunft zu Lasten des Jobcenters überhaupt anfallen, was Voraussetzung der Anrechnung des Guthabens auf die KdU im Folgemonat ist.

Hier kommt im Übrigen als besondere Schwierigkeit bei der Beurteilung noch hinzu, dass das BSG im bereits genannten Verfahren (Aktenzeichen B 14 AS 188/11 R) erst am 16. Oktober 2012 entschieden hat, dass die Betriebskostenguthaben nicht Teil der Insolvenzmasse werden, was vorher im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit durchaus streitig beurteilt (vgl. entsprechende Hinweise im Urteil des BSG vom 16. Oktober 2012,a.a.O., Rn 21). und erst durch Urteil des BGH vom 22. Mai 2014 (IX ZR 136/13, veröffentlicht in juris) höchstrichterlich klargestellt worden ist. Das Betriebskostenguthaben ist von der Vermieterin an die Treuhänder – je hälftig – aber bereits vorher, nämlich am 4. Oktober 2012, überwiesen worden.

Eine Klärung der Rechtsfrage mit den sachkundigen und zuständigen Insolvenzverwaltern/Treuhändern wurde seitens des Beklagten nach Aktenlage nicht versucht. Die Insolvenzverwalter haben die Mittel am 4. Oktober 2012 erhalten, also 12 Tage vor dem einschlägigen BSG-Urteil, so dass es für den Senat als sicher gilt, dass die Treuhänder das Betriebskostenguthaben jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt nicht zugunsten der Insolvenzschuldner freigegeben hätten, da sie auch schon im Hinblick auf die Zivilgerichtsrechtsprechung und die Interessen der Gläubiger davon ausgehen mussten, dass die Betriebskostennachzahlung zur Masse gehört.

Die Klägerin zu 3) und der Kläger zu 2) hätten hier, soweit es sich bei der Aufforderung der Treuhänder um Überweisung des Betriebskostenguthabens auf ihre jeweiligen Treuhandkonten um eine Vollstreckungsmaßnahme gehandelt hat, Rechtsschutz allein vor dem Insolvenzgericht, also dem Amtsgericht, in Anspruch nehmen können. Dass es hierzu der Hilfe des Beklagten bedurft hätte, steht zur Überzeugung des Senates fest.

Die Kostenentscheidung, die dem Ausgang des Rechtsstreits entspricht, folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da es an den hierfür notwendigen Voraussetzungen nach § 160 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGG fehlt.
Rechtskraft
Aus
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