L 1 KR 275/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 89 KR 933/12 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 275/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 30/17 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juni 2015 wird aufgehoben. Die Klagen werden abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht der sozialversicherungsrechtliche Status der Klägerin zu 1) in ihrer Tätigkeit als Familientherapeutin für die Klägerin zu 2) in der Zeit ab 1. August 2009.

Die Klägerin zu 2) ist ein anerkannter Träger der Kinder- und Jugendhilfe. Die Berliner Jugendämter beauftragen sie gemäß § 4 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) mit ambulanten Hilfen zur Erziehung und mit Eingliederungshilfen für behinderte junge Menschen. Im Streit sind hier Tätigkeiten der ambulanten Erziehungshilfe nach § 27 Abs. 3 SGB VIII. Sie schloss hierzu mit dem Land Berlin einen Trägervertrag ab (Leistungs-Entgelt- und Qualitäts-Entwicklungsvereinbarungen; Trägervertrag Nr. 1402/2007). Durch Einzelfallverträge mit dem jeweils örtlich zuständigen Jugendamt verpflichtete bzw. verpflichtet sie sich zur Durchführung der Leistung im Einzelfall im Rahmen des Vertrages und zu den Bedingungen des Trägervertrages. Der Abschluss eines Einzelfallvertrages setzte die vorherige Feststellung des Anspruches und des Bedarfs im Rahmen des Hilfeplanverfahrens voraus. Die Klägerin zu 2) bediente und bedient sich zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen überwiegend festangestellter Mitarbeiter. Ausschließlich die Familientherapie lässt sie durch freie Therapeuten durchführen. Das Team der Familientherapeutinnen trat unter dem Namen "D" auf. Das Prozedere stellte und stellt sich allgemein so dar: Ein pädagogisch-therapeutischer Bedarf ergibt sich aufgrund von Auffälligkeiten in der Familiensituation und im Verhalten des jeweiligen Kindes, die dem Jugendamt gemeldet werden, an das sich manche Familien auch direkt wenden. Erscheint dem Jugendamt nach dem Ergebnis seiner eigenen Aufklärungsbemühungen eine Familientherapie geboten und sind die Eltern damit einverstanden, diese Hilfe anzunehmen, bittet das Jugendamt einen möglichst nahe am Wohnort der Familie ansässigen Träger um die Übernahme dieser Therapie. Der Hilfeplan enthält lediglich die Problembeschreibung (Symptombeschreibung) die (möglicherweise unterschiedlichen) Ziele der beteiligten Personen der Familie, die für erforderlich und geeignet erhaltene Hilfeart - hier aufsuchende Familientherapie - und Absprachen oder ähnliches mit den Erziehungsberechtigten zur kontinuierlichen und verlässlichen Therapieteilnahme. Da die aufsuchende Familientherapie regelmäßig durch zwei Therapeuten durchgeführt wird, sucht sich jeder Therapeut seinen Co-Therapeuten selbst, wobei nicht unbedingt auf Honorarkräfte der Klägerin zu 2) zurückgegriffen wird.

Die Klägerin zu 1) ist Diplom-Pädagogin und Diplom-Psychologin. Sie hat eine Zusatzausbildung als Familientherapeutin in der systemischen Familientherapie absolviert. Als solche hat sie seit dem 1. Quartal 2009 Einkünfte und ist insoweit durchschnittlich einen halben Tag pro Woche tätig. Daneben arbeitet sie als Supervisorin und Dozentin im Umfang von etwa zwei Tagen in der Woche in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt des Landkreises O als Familientherapeutin.

Bei der Klägerin zu 2) war sie vom 1. August 2009 bis zum 31. Mai 2015 als Koordinatorin im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses mit sechs Wochenstunden beschäftigt. Sie koordinierte die Auftragsvergabe an die Familientherapeuten. Sie war ferner seit August 2009 auch als Familientherapeutin für die Klägerin zu 2) tätig. Die Klägerin zu 2) und sie schlossen hierzu am 27. Juli 2009 einen "Vertrag über freie Mitarbeit". Sie betreute mit einem Co-Therapeuten im Auftrag der Klägerin zu 2) durchschnittlich etwa sechs Fälle als Familientherapeutin gleichzeitig.

Am 4. September 2009 stellten die Klägerinnen gemeinsam einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Die Klägerin zu 1) gab unter anderem an, Eigenakquise und eigene Werbung zu betreiben. Die Hilfeplanung erfolge durch das Jugendamt, dabei wirkten Hilfeempfänger und Leistungserbringer mit. Dies erfolge auf der Basis von Berichten, die von den Therapeuten übersandt würden.

Nach vorangegangener Anhörung stellte die Beklagte gegenüber den Klägerinnen mit Bescheid vom 1. März 2010 fest, dass die Tätigkeit als Familientherapeutin bei der Klägerin zu 2) seit dem 1. August 2009 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde.

Die Klägerinnen erhoben hiergegen am 8. März 2010 Widerspruch.

Die Beklagte änderte mit Bescheid vom 16. März 2010 den Bescheid vom 1. März 2010 dahingehend ab, dass in der seit dem 1. August 2009 ausgeübten Beschäftigung als Familientherapeutin bei der Klägerin zu 2) Versicherungspflicht in der Krankenversicherung, der Pflegeversicherung, der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Die Versicherungspflicht beginne am 1. August 2009.

Sie wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Januar 2011 zurück.

Die Klägerinnen haben hiergegen am 3. Februar 2011 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zu ihrer Begründung haben sie unter anderem ausgeführt, soweit eine Familientherapeutin von der Klägerin zu 2) beauftragt werde, habe diese die volle eigene Verantwortung über Inhalt und Durchführung sowie zeitliche Gestaltung der Familientherapie im Rahmen des vom Jugendamt bewilligten Stundenkontingents. Auch die konkretisierten Zielstellungen enthielten keine Vorgaben, wie diese im Rahmen der Familientherapie erreicht werden sollten. Sie seien auch eher allgemein gefasst. Es gebe keine Präsenzpflicht. Die Therapie werde aufsuchend erbracht. Dokumentationen würden von den Therapeuten in eigenen Büroräumen erstellt und aufbewahrt, ebenso wie der Abschlussbericht. Alle Arbeitsmittel würden von den Therapeuten selbst finanziert. Auch bei der Auswahl des erforderlichen Co-Therapeuten sei die beauftragte Therapeutin vollständig frei. Die Einhaltung von Qualitätsstandards sei kein taugliches Kriterium für eine unselbständige Beschäftigung. Auch trage die Klägerin zu 1) ein Unternehmerrisiko, weil sie keinen Anspruch habe, überhaupt Familientherapien angeboten zu erhalten und sie ihre materiellen Mittel selbst aufbringe.

Die Beklagte hat unter anderem vorgebracht, dass die Klägerin zu 1) bereits aufgrund ihrer zusätzlichen abhängigen Beschäftigung als Fallkoordinatorin in einem einheitlichen Beschäftigungsverhältnis als in die betriebliche Organisation der Klägerin zu 2) integriert anzusehen sei.

Das Sozialgericht hat die Klägerin zu 1) und den Geschäftsführer der Klägerin zu 2) in der mündlichen Verhandlung am 19. Juni 2015 befragt. Mit Urteil vom selben Tag hat es den Bescheid der Beklagten vom 1. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2011 aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin zu 1) in der für die Klägerin zu 2) ausgeübten Tätigkeit als Familientherapeutin in der Zeit seit dem 1. August 2009 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Zur Begründung hat es ausgeführt, es überwögen in der Gesamtwürdigung die gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Umstände. In dem der Tätigkeit zugrunde liegenden Vertrag hätten die Klägerinnen vereinbart, kein Arbeitsverhältnis zu begründen. Dem widersprächen auch die tatsächlichen Verhältnisse nicht offensichtlich. Weder habe die Klägerin zu 2) der Klägerin zu 1) Aufgaben zugeteilt, noch habe sie deren Arbeitszeiten oder Arbeitsort beeinflussen können. Sie sei auch nicht verpflichtet gewesen, andere Mitarbeiter der Klägerin zu 2) zu vertreten. Das gesamte Team der Familientherapeuten sei von den weiteren festangestellten Mitarbeitern abgegrenzt gewesen, die Klägerin zu 2) als Koordinatorin habe lediglich bei der Kontaktaufnahme zwischen dem Jugendamt und der Familientherapeutin als Vermittlerin fungiert. Auch habe sie ein gewisses Unternehmerrisiko gehabt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 14. Juni 2015. Zu deren Begründung hat sie unter anderem ausgeführt, es sei rechtlich gar nicht zulässig, dass die Klägerin zu 1) ihre Tätigkeit für die Klägerin zu 2) rechtlich selbständig ausübe. Die Klägerin zu 1) sei auch nach wie vor in einem Flyer der Klägerin zu 2) als Leiterin des Teams abgebildet und sei zudem als Leiterin mit einer eigenen E-Mail-Adresse benannt.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Juli 2015 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung. Sie haben unter anderem darauf hingewiesen, dass es im Jugendhilferecht kein Verbot gäbe, Leistungen der Jugendhilfe durch freie Mitarbeiter zu erbringen. Es sprächen fast alle einschlägigen Umstände für eine selbständige Tätigkeit. So fehle es an den für eine abhängige Beschäftigung bzw. ein Arbeitsverhältnis sprechenden Umständen der Eingliederung in den Betrieb, und einem Weisungsrecht bzgl. von Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung. Es gäbe keine funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess der Klägerin zu 2). Die vertragliche Rechtsgestaltung entspräche in keiner Weise derjenigen einer Arbeitnehmerin.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze und die erwähnten Unterlagen wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg.

Die Klage ist abzuweisen, da der streitgegenständliche Bescheid vom 1. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2011 rechtmäßig ist und die Klägerinnen nicht in ihren Rechten verletzt. Der Eintritt von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen Aufnahme einer abhängigen Tätigkeit bestimmt sich nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch, § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, § 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch und § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch. Die für den Eintritt von Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung sowie der Kranken-, Renten- und sozialen Pflegeversicherung danach erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV näher definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BSG liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (vgl. zum Ganzen BSG Urt. v. 28. November 2011 -B 12 R 17/09 R juris-Rdnr. 16 und vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – juris-Rdnr. 16).

Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Klägerin zu 1) bei der Klägerin zu 2) im Rahmen einer Beschäftigung oder als Selbständige tätig wurde, sind die für ihre Tätigkeit maßgebliche vertraglichen Vereinbarungen. Hier ist zwar mit dem SG davon auszugehen, dass die Klägerin und die Beigeladene eine Beschäftigung auf freier Basis vereinbaren wollten. Allerdings ist bereits nach dem Vertrag der Status der Tätigkeit unklar. Dieser ist einerseits als "Vertrag über freie Mitarbeit" bezeichnet. Die Arbeit soll jedoch nach § 2 (Arbeitsumfang, Gestaltung) Nr. 2 S. 2 in einem Ko-Therapeutenteam erfolgen. Eine Abstimmung ist also erforderlich. Der Leistungsumfang richte sich weiter nach der Leistungsbeschreibung des Landesjugendamtes und der Bewilligung des zuständigen bezirklichen Jugendamtes. In § 2 Nr. 4 heißt es dann, Weisungen bezüglich der des Arbeit freien Mitarbeiters durch die Klägerin zu 2) bezögen sich lediglich auf das Ergebnis der Beratung/Therapie. Der Klägerin zu 2) ist damit vertraglich ein ausdrückliches Weisungsrecht gerade hinsichtlich des therapeutischen Kernbereichs der Tätigkeit eingeräumt. Dass die Klägerin zu 2) von diesem Weisungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat, ist für die rechtliche Einordnung nicht von Relevanz. Für die Frage einer Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV kommt es nur auf die rechtliche Möglichkeit im (gedachten) Konfliktfall an. Eine "Schönwetter-Selbstständigkeit" ist nämlich mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar und nicht anzuerkennen (BSG, Urteil vom 19. August 2015 – B 12 KR 9/14 R –, Rdnr. 35 mit Bezugnahme u. a. auf BSGE 111, 257).

Damit kommt es auf die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse nicht mehr an. Aber auch nach diesen ist hier von Abhängigkeit auszugehen.

Der Senat ist hier zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin zu 1) in tatsächlicher Hinsicht einem Weisungsrecht unterlegen hat. In der praktischen Umsetzung der vertraglichen Vereinbarung stellte sich ihre Tätigkeit als in die Arbeitsorganisation der Klägerin zu 2) integriert dar. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gehört die Tätigkeit als Familienhelfer zu den durch die Persönlichkeit des Dienstleisters bestimmten Tätigkeiten, die sowohl in der Form einer abhängigen Beschäftigung als auch in der einer selbständigen Tätigkeit erbracht werden (vgl. bereits Urteil des erkennenden Senats v. 17. Januar 2014 – L 1 KR 137/13). Nicht der Rahmen einer bestehenden betrieblichen Organisation, sondern die Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen des konkret und einzeln handelnden Familienhelfers sind prägend für die Ausgestaltung der Tätigkeit. (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06. November 2015 – L 1 KR 88/14 –, Rdnr. 40, juris). Gleiches gilt grundsätzlich auch für die Tätigkeit einer Psychologin als ("aufsuchende") Familientherapeutin.

Eine abhängige Beschäftigung der Klägerin zu 1) ergibt sich auch jedenfalls noch nicht daraus, dass die Klägerin zu 2) gegenüber dem Jugendamt als Kostenträger verpflichtet war, die ambulante Erziehungshilfe nach den Vorgaben des SGB VIII zu erbringen. Wie dem erkennenden Senat und auch den Beteiligten aus einer Vielzahl an Verfahren bekannt ist, bewilligen die Bezirksämter als Träger der Jugendhilfe (Jugendamt) durch Bescheid gegenüber den betroffenen Eltern Jugendhilfemaßnahmen, mit deren Durchführung sie die Klägerin zu 2) unter Bezugnahme auf die Regelungen des Berliner Rahmenvertrags für den Jugendhilfebereich und die von der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung abgeschlossenen Trägervertrag beauftragen. Den Regelungen des SGB VIII, insbesondere den §§ 79 Abs. 1, 21 und 36 SGB VIII, aber auch § 8a SGB VIII in der ab dem 1. Oktober 2005 geltenden Fassung kann nicht entnommen werden, dass die Helfer in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen müssen. Aus leistungsrechtlicher Sicht des SGB VIII können Leistungen etwa der Familienhilfe sowohl durch abhängig Beschäftigte als auch durch selbständig Tätige erbracht werden (so für Leistungen nach dem SGB VIII bereits ausdrücklich BSG, Urt. v. 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – juris-Rdnr. 18ff). Auch die dem Jugendamt verbleibende Gesamtverantwortung (§ 79 SGB VIII) und die Verpflichtung des Trägers, auf die Einhaltung von Qualitätsstandards hinzuwirken (§ 79a SGB VIII), ändern daran nichts. Denn diese Verpflichtung betrifft lediglich das Verhältnis zwischen der Klägerin zu 1) als Träger und dem jeweiligen Bezirksamt, nicht das Verhältnis zwischen ihr und der Klägerin zu 2). Eine Weisungsbefugnis bedarf aber einer gesonderten rechtlichen Grundlage. Dafür reicht nicht aus, dass bei der Ausübung einer Dienstleistung bestimmte öffentlich-rechtliche Vorgaben zu beachten sind (Urteil des BSG vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R - juris-Rdnr. 19). Auch der zwischen dem Land Berlin und der Klägerin zu 2) geschlossene Vertrag enthält nicht die Vorgabe, dass die (selbständigen) Leistungsträger die von ihnen übernommenen Jugendhilfeaufgaben ihrerseits nur mit abhängig Beschäftigten erfüllen dürften. Einige der bereits genannten, im Rahmen des § 7 SGB IV für die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung entwickelten Kriterien sind für die Einstufung der Tätigkeit eines Therapeuten wie die eines Familienhelfers oder eines Einzelfallhelfers ohne wesentliche Bedeutung. Denn angesichts der Umstände, welche die Ausübung dieser Tätigkeit prägen, haben sie keine Aussagekraft dafür, ob die Tätigkeit in Abhängigkeit oder als Selbständiger verrichtet wird. Das betrifft die Fragen des Unternehmerrisikos, das Nutzen fremder Arbeitsmittel und die freie Zeiteinteilung. Insoweit ist die Tätigkeit dadurch bestimmt, dass die Träger der Jugendhilfe (auch) an die selbständigen von ihnen beauftragten Leistungsträger einen bestimmten Stundensatz zahlen, der sich nicht an einem besonderen unternehmerischen Erfolg, sondern an der Dauer der erbrachten Dienstleistung orientiert. Deswegen stellt es kein Argument für oder gegen die Selbständigkeit eines Helfers dar, dass er wegen des festen Stundensatzes nicht das Risiko trägt, Arbeitsleistungen zu erbringen ohne eine Vergütung dafür zu erhalten.

Der Senat hat deshalb in ständiger Rechtsprechung geurteilt, für die Tätigkeit nach dem SGB VIII sei typisch, dass sie mit dem zu betreuenden Kind oder Jugendlichen und in dessen Wohnumfeld erbracht seien, der Helfer dabei alleine arbeite und nicht in einen betrieblichen arbeitsteiligen Prozess eingebunden sei. Das Fehlen des für eine abhängige Beschäftigung eigentlich kennzeichnenden Faktors einer arbeitsteiligen Einbindung in eine fremde betriebliche Organisation vermöge daher nicht zu belegen, dass der therapeutische Helfer als Selbständiger gearbeitet habe. Umgekehrt spreche nicht für eine abhängige Beschäftigung, dass sich ein Helfer für die zeitliche Verabredung seiner Tätigkeit an den terminlichen Möglichkeiten des von ihm zu betreuenden Kindes oder Jugendlichen zu orientieren habe. Diese Notwendigkeit ergebe sich nämlich aus der Natur der Sache.

Hier hat die Klägerin als Therapeutin allerdings nicht alleine gearbeitet. Die Betreuung erfolgte in einem Team mit einem Co-Therapeuten. Bereits dies kann auf eine Eingliederung in eine fremde Organisation hindeuten. In dem den Beteiligten bekannten Parallelverfahren L 1 KR 498/14 hat die dortige Therapeutin in der mündlichen Verhandlung beim SG selbst ausgeführt, die Familientherapeuten hätten als Kollegium beraten, ob ein Fall inhaltlich und fachlich passe und welches Team ihn übernehmen könne. Am Ende sei als Team eine Entscheidung getroffen worden. Die Koordinatorin -also die hiesige Klägerin- habe dann nach der Teambesprechung zugesagt, an der ersten Hilfekonferenz hätten ein Sozialarbeiter, beide Therapeuten und die Familie teilgenommen. Im Unterschied zu bereits vom Senat entschiedenen Fällen kann nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten damit nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin zu 1) den maßgeblichen Hilfeplan in alleiniger Verantwortung entworfen hat. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte aus Sicht des Senates zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin zu 1) neben der Tätigkeit als Familientherapeutin als angestellte Koordinatorin für die Klägerin zu 2) gearbeitet hat. Dies spricht für eine Eingliederung in deren Betrieb, weil eine strikte Trennung kaum möglich wäre. Aufgrund ihrer Koordinatorentätigkeit ist sie ferner bereits deutlicher als Mitarbeiterin der Klägerin zu 2) aufgetreten als die anderen aufsuchenden Familientherapeuten, indem sie eine eigene E-Mail-Adresse bei der Klägerin zu 2) hatte, als Kontaktperson im Internet auftrat und im Flyer genannt wurde. Zum anderen gilt im Übrigen, dass Einnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit bereits dann gemäß § 14 Abs. 1 SGB IV der Beitragspflicht zu unterwerfen sind, wenn sie nur im Zusammenhang mit einem Beschäftigungsverhältnis erzielt worden sind (vgl. Urteil des Senats vom 7. März 2014 – L 1 KR 336/12, Urteil vom 25. Februar 2011 – L 1 KR 88/09 juris-Rdnr. 26 ff. unter Bezugnahme auf BSGE 20,6).

Bei Gelegenheitsarbeitsverhältnissen ist es weiter nicht ausgeschlossen, dass die Arbeit nur zu den Zeiten und zu den Bedingungen stattfindet, zu welchen der Arbeitnehmer bereit ist. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um einen Einzelfall.
Rechtskraft
Aus
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